Bislang wurden vornehmlich Seiten mit strafbaren Inhalten im Internet von Server zu Server gespiegelt um den staatlichen Strafverfolgern so zu zeigen, dass sie zwar Einzelnen an den Kragen gehen, die Verbreitung der Inhalte aber nicht verhindern können. Die unterschiedlichen Auffassungen zu Freiheit der Rede und der Meinungsäußerung, die weltweit herrschen, machten das recht leicht möglich, denn was beispielsweise in Deutschland den Staatsanwalt auf den Plan ruft, läßt den District Attorney in Atlanta und seine Kollegin in Utrecht gänzlich ungerührt. Dass nun der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch, der in seinen, je nachdem wie man es sieht, besseren oder schlechteren Tagen, auch Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft war, diese Klon-Technik auf seinen Verein „SterbehilfeDeutschland“ anwendet, ist ein wenig überraschend, aber irgendwie auch ganz lustig. Da sieht man auf der Seite der kreuzseriösen „NZZ“ nun einen eher angestrengt lächelnden Kusch vor einer Glaswand posieren hinter der sich düstere Schattengestalten abzeichnen: „Deutscher Sterbehilfeverein sucht Zuflucht in Zürich“ – und zwar nicht um sich dort ein schnelles Ableben (durch Fusion mit „Exit“ o.ä.) zu sichern, sondern „wegen des drohenden Verbots des Vereins“. Aus „organisatorischer Vorsicht“ (die vielleicht doch mit einem leichten Hauch medialem Selbstdarstellungsdrang gepaart könnte, denn Vorsichtsmaßnahmen alleine ließen sich ja auch, vielleicht sogar besser, in aller Stille vollziehen, so wie die 60 Suizidbeihilfen, die der Kusch-Verein in den letzten zwei Jahren exekutiert haben will) hat Kusch nun also seinen deutschen Verein mit identischer Satzung und identischem Vorstand (haben die Mitglieder nun auch gleich eine Doppelmitgliedschaft?) in Zürich noch mal gegründet. Dass Kusch sich gleich – sozusagen kollegialiter – an den Zürcher Oberstaatsanwalt Brunner gewandt hat, um ihm, sicherheitshalber sowohl mündlich als auch schriftlich, zu versichern, sein Verein beabsichtige nicht in der Schweiz Sterbehilfe zu leisten, ist vielleicht gar nicht so dumm gewesen: in der Schweiz steht die Suizidbeihilfe aus selbstsüchtigen Beweggründen heute schon unter Strafe (und es wäre ja zu dumm, wenn Kusch der erste wäre, denn es in der Schweiz wegen Selbstsucht erwischt….), während das Gesetz vor dem Kusch und die Seinen sich vorsichtig aus seinem Heimathafendeutschland wegorganisieren zwar vom Bundeskabinett beschlossen wurde, aber eben sonst noch von niemandem. Und da es gute, sehr gute und einige schlechte Einwände dagegen gibt, aber nicht allzu viele Gründe dafür (außer, dass es in der Koalitionsvereinbarung aus besseren Zeiten vereinbart wurde), ist keineswegs gesagt, dass dieser Paragraph 217 StGB N.F. (Neue Fassung) jemals ein echtes deutsches Strafgesetz werden wird…. Jedenfalls hätte Kusch sich deutlich mehr Zeit lassen können, seinen Verein ins edle, aber auch nicht mehr so steuerparadiesische Zürich zu klonen.
Aber aus irgendeinem Grund ist Kusch ohnehin offenbar recht nervös (oder er hat einen wahnsinnig raffinierten Geldheimplan, den ich nicht durchschaue), denn vor seinem Vereinskloning hat er schon eine Satzungsänderung erfunden und dann durchgezogen, die auch von keinem Funkenmariechen schlauer hätte ersonnen werden können: Um zu zeigen, wie sehr recht egal den SterbehilfeDeutschländern Geld ist, muss, wer sich dort Suizidbeihilfe leisten lassen will, nicht etwa Geld zahlen, sondern bekommt auch noch Geld zurück – alle jemals gezahlten Mitgliedsbeiträge nämlich. Die Frage ist allerdings: Wann? Vor dem Tod? Und muss er dann, für den Fall, dass der Suizid mißlingen sollte, alles wieder zurück einzahlen? Oder fließt das Geld erst nach dem Tod zurück? Und wer kontrolliert das dann? Und was macht der Verein mit den hartnäckigsten Kusch-Fans unter seinen Mitgliedern, die sich weigern sollten das zurückfließende Geld anzunehmen? Oder die es gleich wieder spenden wollen? Finanzbeamter ist für mich wirklich kein interessanter und begehrenswerter Job, aber bei so einem Unternehmen wie SterbehilfeDeutschland mal die Finanzen zu prüfen – das wäre doch was…. Ach ja, der „Welt“ war zu entnehmen, dass als Konsequenz aus der „bei Tod-Geld zurück“-Garantie die Mitgliedsbeiträge für die Weiterlebenden angehoben werden mussten. Eigentlich auch ganz schön bedenklich: werden so die Mitglieder nicht genötigt Suizidbeihilfe in Anspuch zu nehmen, weil sie sich die weitere Mitgliedschaft nicht leisten können und dringend das Geld zurück benötigen….? Aber Nein, SterbehilfeDeutschland ist ja nach allem, was man so hört und liest kein Arme-Leute-Klub….. und wir warten jetzt gespannt, dass die neue Satzung online geht. Vielleicht ja bald sogar auf Schwyzerdütsch.
PS.: Die Satzung des Schweizer-Klons, die ja mit der deutschen identisch ist, befindet sich online. Der entsprechende Passus lautet: „Um zu dokumentieren, dass der Verein keinerlei wirtschaftliche Zielsetzung hat, zahlt er im Falle eines begleiteten Suizids (§ 2 Abs. 4) sämtliche Geldbeträge zurück, die er zuvor von dem Mitglied erhalten hatte.“ Schon die Begründung ist – auch in vereinsrechtlicher Hinsicht – bemerkenswert. Ansonsten ist die Regelung so unbestimmt wie nur irgend denkbar (dazu siehe oben) – und damit als Musteridee für andere Vereine, die glauben unter Beweis stellen zu müssen, dass sie keinerlei wirtschaftliche Zielsetzung hätten, eher nicht zu gebrauchen.
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Die Aktivitäten eines Herrn...
Die Aktivitäten eines Herrn Kusch zu kommentieren, erscheint angesichts der aktuellen Entwicklung in der Sterbehilfe-Debatte mehr als müßig, mal ganz abgesehen davon, dass es Kusch mal wieder geschafft hat, die öffentliche Plattform für sich, seine Zwecke (welche das auch immer sein mögen) und seinen Verein fruchtbar zu machen.
Dem Diskurs wäre weitaus mehr gedient, wenn ungeachtet der selbsternannten „Sterbehilfe-Aktivisten“ endlich die „Spreu vom Weizen“ getrennt wird und hüben und drüben die „Überzeugungstäter“ sowohl unter rechtsethischen, aber eben auch medizinethischen Aspekten bewertet, ihrer „Täterschaft“ überführt werden.
Dass dies nicht so recht gelingen will, liegt sicherlich zum Teil daran, dass das Thema der Sterbehilfe hierzulande untrennbar mit der Person Kusch verbunden zu sein scheint, obgleich die Debatte zwischenzeitlich weiter vorangeschritten ist und es nicht zu befürchten ansteht, dass „kommerzielle Sterbehilfe“ resp. das „sozialverträgliche Frühableben“ ernsthaft propagiert wird.
Herrn Kusch wird ein wenig zu viel „Ehre“ zuteil, wenn sich an ihm die Gemüter entzünden und dadurch der gebotene Blick auf eine rationale Diskussion eingetrübt wird. Weitaus sinnvoller ist es, einen nachhaltigen Beitrag zur Entmythologisierung der Sterbehilfe-Debatte zu leisten und dazu zählt in erster Linie die Rückbesinnung auf Grundrechte, die aus meiner Sicht nicht verhandelbar sind. Kusch mag dem einen oder anderen ein „Dorn im Auge“ sein, aber weitaus zielführender ist es, die Ethikfürsten und ethischen Oberlehrer in unserer Gesellschaft zu enttarnen, die sich durch ein Höchstmaß an Intoleranz auszeichnen.
Neben hochrangigen Kirchenvertretern sind es nicht wenige Ärztefunktionäre, die – statt einen Blick in das Grundgesetz zu werfen – sich eher durch verklärende Blicke in die „transzendente Glaskugel“ bei ihrer „Verfassungsinterpretation“ inspirieren lassen und so gesehen nimmt es nicht wunder, dass mit besonderem Eifer eine „Kultur des Lebens“ favorisiert wird, in der das Selbstbestimmungsrecht am Ende des Lebens schlicht gegeißelt und mit besonderen „Pflichten“ gegen sich selbst ausgestattet wird.
Auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert wird das Staatsvolk in offener Mission zu bekehren versucht, in dem wir das „Leben als Geschenk“ ohne jedwede Verfügungsmacht zu achten und zu bewahren haben. Dass dies zu behaupten, lediglich nur eine „Glaubensfrage“ ist, ist aus Gründen der Toleranz zu respektieren, ändert aber freilich nichts daran, dass die Kernbotschaft, die einer solchen These zugrundeliegt, mit unserer Verfassungsordnung kaum in Einklang zu bringen ist. Die „Selbstentleibung“ ist und bleibt zulässig und letztlich auch die Beihilfe hierzu.
Der deutschen Bischofskonferenz freilich bleibt es vorbehalten, in Anlehnung an ihre Zentraldogmen eine andere „Lehre“ zu verkünden – eine Lehre, wohlgemerkt, die nicht dem Geist und der Intention unserer freiheitlichen Verfassungsordnung mit Blick auf die subjektiven Grundrechte entspricht.
Dass allerdings die Bundesärztekammer (und ihr folgend einige Landesärztekammern) meint, „ethische Wahrheiten“ verkünden zu können, ist weder akzeptabel noch hinnehmbar.
Hier sind Überzeugungstäter am Werke, die unverhohlen die Grundrechte ihrer eigenen Kolleginnen und Kollegen versenken und hiergegen Klage zu führen, ist allemal lohnens- und vor allem lobenswert, zumal durch einen derartigen ethischen Zwangskurs mittelbar zentrale Rechte der Patienten betroffen sind!
Kusch hin oder her.
Die Debatte sollte sich hiervon nicht leiten oder beeindrucken lassen, sondern es muss endlich zur Kenntnis genommen werden, dass wir hierzulande über Grundrechte philosophieren, die aus der Sicht der Schwersterkrankten nur allzu verständlich sind.