Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Dollase vs. Mensa (10)

| 5 Lesermeinungen

Die Mensa der Städel-Kunsthochschule in Frankfurt gehört zu den kleinsten der Republik. Das Essen wird hier höchst individuell zubereitet, mit nordafrikanischer Note. Lässt sich das Konzept verallgemeinern? Zum ersten Mal kommt auch ein Mensakoch zu Wort.  

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Video: Dollase testet die Mensa der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule

Alle Mensatests finden Sie hier.

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Zunächst, liebe Leser, eine Anmerkung zu dem „Kalbsgulasch mit Bulgur“, bei dem klar wurde, dass mehr Präzision besseres Essen produziert. Sofort fällt auf, dass es hier um eine Küche geht, die mit mehr Engagement und einem klareren Konzept arbeitet. Dann aber auch um eine bessere Sensorik beim Gemüse, die dafür sorgt, dass die einzelnen Sorten mehr von ihrem Eigengeschmack behalten. Das Geschmacksbild wird variabel, weil nicht immer alles gleich schmeckt, es ist – wenn es denn wirklich gut klappt – wie eine Stereo-Aufnahme im Vergleich zu einer Mono. Kein Gedränge in der Mitte, sondern ein klarer Gemüse-Flash hier, ein würziger Hintergrund, eine andere aromatische Spitze da. Und das ist erst der Anfang, etwas Ordnung im Chaos, sozusagen die kulinarischen Buchstaben so zusammengefügt, dass Wörter entstehen und sich ein Sinn ergibt.

In dieser Folge zeigen wir zwei Videos, und ich möchte auf einen Aspekt eingehen, der in dem Doppelinterview zur Sprache kam (man hat uns unabhängig voneinander die gleichen Fragen gestellt). Es geht um den Preis, beziehungsweise um mögliche Preise, um wünschenswerte Preise oder kulinarisch ganz besonders sinnvolle Preise. Mir ist hier daran gelegen, eine Diskussion um dieses schwierige Thema zu eröffnen, und zwar offen in alle Richtungen. Der Hauptgrund ist der, dass man rund um zubereitetes Essen leider nie so konsequent denkt, wie man das bei der Analyse dessen tut, was Discounter anrichten. Aber gibt es die Billig-Mentalität nicht auch beim Essen in der Gastronomie? Und das mehr oder weniger unbewusst und wenig reflektiert, weil man die Entscheidungen rund ums Essen klassischerweise als ureigene, persönliche Entscheidungen für sich reklamiert?

Warum nicht gleich Discounter-Küche in der Mensa?

Die Folgen der Discounter-Politik für die Massentierhaltung und überhaupt die industrielle Produktion von Lebensmitteln werden bei uns ständig diskutiert und – gerade im akademischen Milieu – weitgehend als negativ bewertet. Wie aber ist das nun mit dem Angebot der Gastronomie? Gelten dort andere Regeln, oder ist es nicht so, dass auch dort Gutes seinen Preis haben muss? Man kann sich auch bei Mensa-Essen und anderen Formen der Gemeinschaftsverpflegung nicht auf eine Art kulinarische Extraterritorialiät berufen, als ginge es nach dem Motto, dass, wenn das Essen irgendwie eher funktional und notwendig sein soll, Forderungen nach gesundem und ökologisch korrektem Essen keine Rolle zu spielen brauchen. Institutionen und öffentliche Hände sparen, man hat nicht so viel Geld zur Verfügung oder will es an dieser Stelle nicht ausgeben. Was auch immer. Ist bei der Gemeinschaftsverpflegung eine Art Grauzone entstanden? Ausgerechnet in einem Bereich, in dem die öffentliche Hand beteiligt ist, die alle möglichen Gründe haben müsste, auch kulinarisch für Gutes zu sorgen.

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Video: Koch vs. Restaurantkritiker, Hocine Bouhlou vs. Jürgen Dollase

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Das, was im Interesse der Gesellschaft läge und das, was immer noch und wahrscheinlich auch noch auf längere Zeit hin im Interesse vieler „Betroffener“ liegt, sind definitiv zwei verschiedene Dinge. Vielleicht erinnern Sie sich an die Szenen in England, wo Jamie Oliver eine Verbesserung des schulischen Essens erreichen wollte und die Mütter dann in den Pausen den armen, unterernährten Kleinen sozusagen Fett und Zucker über den Zaun reichten. Das wäre kein Problem – mit einer industriellen Pizza- und Pasta-„Diät“, mit viel Fett und Kohlehydraten zu günstigsten Preisen abgefüllt zu werden. Auch in der Mensa könnte ein Automat mit 1,98-Euro-Holzofen-Pizza vom Discounter bereitstehen, ein paar Mikrowellen daneben – und wir machen Mensa als Selbstbedienung.

Aber in dem Moment, in dem wir Ernährung in irgendeinem vernünftigen, ganzheitlichen Zusammenhang sehen wollen, wird es teurer – zumindest, so lange man noch ein Essen anbietet, das in den alten Fahrwassern einer traditionellen bürgerlichen Küche bleibt. Wenn sich hingegen die Akzeptanz für ein sehr viel größeres Spektrum von Gerichten – zum Beispiel aus dem vegetarischen Bereich – ergeben sollte, könnte das Essen durchaus nicht nur variantenreicher, gesünder und ökologisch korrekter, sondern preislich auch eher im Rahmen bleiben.

Mit den besten Grüßen, Ihr Jürgen Dollase

Alle Mensatests finden Sie hier.


5 Lesermeinungen

  1. MuZi sagt:

    ??
    Was ist hier los ???
    Herr Dollase bittet hier zur Diskussion, was ihr für Preisvorstellungen habt.
    Und was passiert ……….. NICHTS
    keiner meldet sich. Wo sind denn die ganzen Studenten die täglich zum Essen in die Mensen gehen. Meldet euch doch mal zu Wort !!!!
    Seid froh dass hier mal jemand gegen die derzeitige deutsche Essenskultur was unternehmen möchte.

  2. Alexander Senger sagt:

    Spannende Küchenkritiken
    Die Serie “Dollase vs Mensa” gehört für mich derzeit zu den Highlights des Zeitungslesens. Hier widmet man sich mit Kennerschaft einem ganz alltäglichen Problem und zeigt mit hohem Unterhaltungswert, dass in scheinbar Banalem doch eine ganze Welt verborgen liegt.
    Und dass auch mal der Koch zu Wort kommt und somit mehrere Stimmen von unterschiedlichen Standpunkten gehört werden können, ist großartig! So etwas vermisse ich in einem Journalismus, der zu oft eine singuläre Meinung (eben die des Autors) als die maßgebende präsentiert, sehr.

  3. MuZi sagt:

    Geht doch !!
    Na es geht doch !!! Das was bei denn letzten Mensen kritisiert wurde, ist hier, wie es aussieht perfekt gegart. Das Gemüse. Ich sehe hier auch meine Meinung bestätigt, das die Küche nur so gut ist wie sein Küchenleiter ist und hier ist ein Koch zu sehen, der dies beherzigt und seine Duftnote verstreut.Dankeschön. Einziger wirklich ganz kleiner Kritikpunkt, wäre die Anrichteweise.
    Mich würde interessieren wieviel diese Gerichte gekostet haben. Ich tippe mal beim HG 4,50 €-5,00€ und dem VG 3,50€ – 4,00€
    Seeehr interessant ist natürlich der Vergleich von Hr. Dollase und dem KL Hr. Bouhlou. Man sieht wie weit hier das verständniss und Meinungen auseinandergehen, zwischen Praxis und Theorie. Hier muss ich bei den meisten Punkten den Koch zustimmen. Weil hier von der realen Welt ausgegangen wird.
    Zum Thema Preis:
    Vorallem der Preis von 8 € ist utopisch, da müssten die Studenten stark bezuschußt werden. Das Spektrum 3 – 6 € ist realistisch.
    Ein kleiner Schwank aus der Praxis. Kalbsrahmgulasch mit frischen Champingons und Semmelknödel 4,35 € , da sagt ein Gast im O-Ton:”Soo teuer, da reicht es für mich nicht mal für ein Glas Wasser!!!!” (Flasche 0,5 Wasser 15 cent) In einem Industriebetrieb wo Sie bestimmt nicht schlecht verdienen !!!! Soviel zum Thema

    • Jürgen Dollase sagt:

      Titel eingeben
      Lieber Muzi,
      ich glaube nicht, daß Chef Bouhlou und ich wirklich weit auseinander liegen. Er hält ja z.B. eine bessere Qualität ohne weiteres für machbar und sieht ebenfalls das Problem, daß der Preis höher sein müßte – wie immer er letztlich auch finanziert wird. Meine Angabe ist sozusagen politisch motiviert. Man sollte auch einmal davon ausgehen, was ein gutes Essen mit guten Produkten kosten würde und dann ev. sehen, wie man auf akzeptable Summen kommt – nicht aber davon ausgehen, wie man gerade noch ein erträgliches Niveau hinbekommt.
      Dazu eine kleine Geschichte. Ich habe bei den Menüs zu den FAZ-Regio-Tapas (lief vor ein paar Jahren) hin und wieder auch den Wareneinsatz (also die Kosten für die Produkte) gesehen. Sagen wir es einmal so: wenn die Kundschaft der Mensen kulinarisch deutlich moderner orientiert wäre, hätte man viel weniger Probleme mit den Kosten.

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