Mit dem angeblich so „vitalen“ Süßkartoffel-Tomaten-Bulgur nähert sich die Mensa der TU Darmstadt der Kunstnahrung an. Kann wenigstens der „Zwiebelrostbraten“ solide Bodenständigkeit auf den Tisch bringen?
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Video: Dollase testet die Mensa der TU Darmstadt
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Sollte das frisch gekochte Mensa-Essen, liebe Leser, nicht wenigstens so gut sein, wie mehr oder weniger haltbares Essen der Nahrungsmittelindustrie? Der Zwiebelrostbraten aus der Mensa der Technischen Universität Darmstadt ist im Grunde nicht einen Deut besser (wenn überhaupt) als vieles was in der Dose, in ungekühlten Fertigpackungen oder als 4° – Produkt (die Fertiggerichte aus der Kühltheke) im Supermarkt oder bei Discountern angeboten wird. Gerade in Konkurrenz zu diesen industriellen Produkten sieht das Mensa-Essen oft nicht mehr gut aus. Ich sage: „nicht mehr“, weil in der Industrie natürlich weiterentwickelt wird und man nicht auf dem Niveau der geradezu sagenumwoben schlechten „Klassiker“ (wie Ravioli mit Fleischfüllung) stehen bleibt, sondern es geradezu anstrebt, alle Formen von Billiggastronomie zu verdrängen. Warum soll der Mensch noch in ein Schnellrestaurant gehen, wenn er sich zu Hause in Sekunden ein Gericht erwärmen kann, das genau so gut oder besser ist?
Ich habe mich vor einigen Wochen einmal wieder in Frankreich durch ganze Berge von Fertiggerichten gegessen – durchaus mit dem Gedanken, unter Mensa-Aspekten festzustellen, welche Qualitäten da im Handel erhältlich sind. Heute möchte ich ein Produkt vorstellen, dessen Qualität und Preis derart beschaffen sind, dass man es unter eben diesen Mensa-Aspekten einmal ganz genau betrachten sollte. Es handelt sich um ein Glas mit „Backeoffe Alsacien“ der Firma „Produits de la Cigogne“ das unter anderem in „Intermarché“-Supermärkten (aber nicht nur dort) verkauft wird. Zur Erläuterung: das Elsässer „Baeckeoffe“ (die Schreibweise variiert ein wenig) ist ein spezieller Eintopf, der in der traditionellen, ovalen Tonform gegart wird, die zur Garung luftdicht mit Teig verschlossen wird. Er besteht normalerweise aus drei Fleischsorten (Rind, Lamm, Schwein), die mit etwas Gemüse, Kartoffeln, einem Schweinsfuß und vor allem Elsässer Wein zusammen gegart werden und dank des Luftabschlusses ein wenig wie unter Vakuum reagieren, also durch und durch zart und prächtig von der Umgebung aromatisiert werden. Geschmacklich zahlt sich dieses Verfahren bei guten Versionen sehr zum Vorteil des Gesamtbildes aus, das von der feinen Weinsäure einen ganz spezifischen geschmacklichen Zusammenhang bekommt. Auch wer sonst kein Freund von Eintöpfen oder ähnlichem ist, mag einfach ein gutes Baeckeoffe – am besten mit einem einfachen grünen Salat, dessen Vinaigrette durchaus über etwas Säure verfügen darf. Das hier erwähnte Produkte wird in einem Glas von 750 gr. verkauft (es gibt auch doppelt so große Gläser) und schmeckt so gut, dass es schwierig sein wird, ein besseres, „handgemachtes“ Produkt in einem Restaurant zu finden.

Und nun kommt der ganz große „Gag“: das Glas von 750 gr., das ohne weiteres für zwei Personen reicht, kostet ungefähr 6,50 Euro. Wohlgemerkt: inklusive Gewinn für den Produzenten und inklusive Gewinn für den Supermarkt. Macht pro Person 3,25 Euro für ein Essen, das ich – in Kenntnis sehr vieler Baeckeoffe-Qualitäten – einfach gut finden muss. Warum ist es nicht möglich, so etwas in einer Mensa zu schaffen? Weil man keine Tontöpfe hat? Nein. Wer etwas von Küchentechnik versteht, wird wissen, dass es große Dampfdruckkessel mit einem riesigen Fassungsvermögen gibt, in denen selbst Spitzenköche (für ihre Fonds…) das Verfahren nutzen, unter Luftabschluss besonders viel Extrakt von den verwendeten Produkten zu bekommen. Dieses traditionelle Gericht, das man auch ohne große Kosten in einen kulinarisch sehr guten Zustand bringen kann, ist also gleichzeitig auch für moderne Großküchen-Verfahren geeignet.
Ich weiß nicht, ob das Baeckeoffe – vielleicht irgendwo im Südwesten – zum Programm des Mensa-Essens gehört. Aber – bevor man sich an thailändischen Reispfannen verhebt oder denjenigen Teil der bürgerlichen Küche nachahmt, den man nicht nachahmen sollte, wäre das Baeckeoffe (und ähnliche Gerichte) ein guter Programmpunkt. Auch ohne Preiserhöhungen.
Mit den besten Grüßen, Ihr Jürgen Dollase
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Abwechslung?!
Wie wäre es mal mit einer Uni aus den neuen Bundesländern? Zum Beispiel Halle oder Jena…
Langersehnter Bericht
Das Essen an der TU Darmstadt ist einfach zum ko****. Bin seit einigen Jahren an der Uni und ich esse nur in der Mensa, wenn ich es zeitlich nicht mehr an die Dönerbude oder Pizzeria oder sonst wohin schaffe. Jedes mal ein Graus und vor allem ist überall das klassische eklige TU Mensa Fett drin. Fast jedes Mal Sodbrennen.
Danke für den Beitrag!
Sechzehn Jahre Mensa Darmstadt und immer noch nicht auf Bewährung draußen
Nun muss man sagen, dass Hessen nicht gerade die Wahlheimat von Lukullus wäre. Insofern muss man die Mensa in Schutz nehmen. In einer gastronomischen Schnitzelwüste gelegen, in deren Oasen Äppler getrunken wird, kann man da wirklich mehr erwarten?
Ja, man kann.
Wie oft habe ich Ölquellen auf meinem Teller vorgefunden in diesen Jahren. Wie häufig Wasser vom Nudelteller abgelassen. Abends koche ich mir dann manchmal was anständiges….
Burse in Würzburg anscheinend wirklich sehr gut
Vor meinem Umzug in eine andere Unistadt (Osnabrück), wusste ich gar nicht, dass Mensa-Essen schlecht sein kann: Da ich die ersten drei Jahre in Würzburg immer in die Burse am Studentenhaus ging (zwar ein bis zwei Euro teurer als die Mensa nebenan, aber immer noch studentenfreundliche Preise zwischen drei und sechs Euro und meistens besser besucht), in der die Gerichte oftmals besser waren als in dem durchschnittlichen Lokal, das man so als Student besucht, assoziierte ich Mensa immer mit dem kulinarischen Höhepunkt der Woche.
Dieser Reihe nach zu urteilen, ist das Essen der Mensa in Osnabrück aber wohl kein trauriger Einzelfall, sondern Normalität. Offenbar ist es möglich, mit begrenztem Budget ansprechende und hochwertige Gerichte zuzubereiten (siehe Burse Würzburg). Warum sich leider so wenige Mensen daran versuchen, ist mir unverständlich.
Gute Erfahrungen gemacht
Hallo Herr Dollasse,
das ist eine tolle Initiative, vielen Dank für Ihr Engagement! Von diesem Thema hängt schließlich vieles ab, bei mir etwa ist es nichts geringeres als die Lebensfreude. Abstrakte Kunstnahrung, die Beschreibung mag ich! Und das Gericht auch. Gerade dieser Sinn fürs Experimentieren ist es, was mich auch nach vielen Jahren regelmäßiger Besuche jener Mensa hin und wieder aufs Neue fasziniert. Die Mischung aus Mut, Kreativität und Pragmatismus finde ich persönlich inspirierend. Kommen Sie doch mal wieder und testen Sie eines der vielen anderen Gerichte!
Liebe Grüße
CW
Was ist das ?
Dieser Teller mit irgendetwas rundem und festmatschigem Etwas drauf.
Herr Dollase war da wirklich nichts anderes dabei, wie Gemüse, Dip, Pesto oder ähnliches. Für so ein Gericht müsste eigentlich der Betreiber denn Gäste was zahlen, das Sie dies essen !!! Beim Zwiebelrostbraten, gibt es natürlich sehr viele regionale Unterschiede. Mit richtigen frischen(oder gekauften) Röstzwiebeln wird er in unserer Gegend angeboten. Aber es ist meistens ein mehr oder wenig kurz gebratenem Rindslendensteak und nicht als Braten im ganzen gebraten. Diese hier gezeigte Scheibe schaut mir aus, das er vom durchwachsenen fetten Hals hergestellt worden ist und einfach mit Zwiebelsoße nappiert wurde.
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What you see is what you get… Ich habe die Scheibe Fleisch absichtlich näher in die Kamera gehalten, damit man sieht, daß es sich nicht gerade um schieres Muskelfleisch handelt. Nichts gegen Klassiker wie den Zwiebelrostbraten. Aber – die Scheibe sollte 2,5 bis 3 cm dick sein, um die Proportionen zu den Zwiebeln (bei denen man auch in guten Sorten gehen könnte, ohne zu teuer zu werden) sinnvoll zu gestalten. Jeder gute Koch weiß, daß gute Proportionen manchmal die halbe Miete sind (wenn nicht die ganze). Wer macht solche Gerichte? Hilfskräfte, die gar nicht wissen, worum es geht?
Endlich Darmstadt....
Danke für den Beitrag, sehnsüchtig habe ich darauf gewartet! Nach jahrelanger Überlegung, bin ich der Auffassung, dass dem Essen “Liebe” fehlt! Das essen wird lieblos abgefertigt und den Konsumenten eingeführt, damit sie satt sind. Spass macht das alles nicht, schmecken hat es sehr sehr selten und das die TU Darmstadt eine ganz andere Richtung fahren muss in sachen Verpflegung, ist meines Erachtens ein muss!
Absolut auf den Kopf getroffen.
Treffende Analyse:
Ich esse selbst zu oft in der Mensa der TU DA (Mitarbeiter dort), es gibt einige wenige wirklich ganz passable Gerichte, der Rest wie von Herrn Dollase berichtet, Problem ist dann noch ganz massiv, dass die Qualität der Gerichte irrsinnig schwankt (zumindest am Standort Stadtmitte), was einmal vernünftig gegart ist, kann beim nächsten Mal roh und beim übernächsten mal kompletter Matsch sein. Und das bei Beilagen aus dem Konvektomaten, das muss man erstmal schaffen. Vom häufigen Wechsel zwischen fad/völlig versalzen mal abgesehen.
Wie gesagt, nicht alles dort ist so mau wie die getesteten Gerichte, leider gibt es aber noch weit schlimmeres, und wo es geht, schwankt die Qualität zu stark.
Herzlichen Dank
Vielen Dank für den Ausflug nach Darmstadt. Das Essen ist unter aller Würde bezüglich des Konsumenten als auch der Produkte.
Ich hoffe, das dieser Bericht vielleicht einen Anstoß gibt, damit in der Küche ein Umdenken beginnt.
Danke!
[…] Dollase vs. Mensa (11): Eine furchterregende Neutralität Dollase vs. Mensa (11): Eine furchterregende Neutralität […]