Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Dollase vs. Mensa (2)

| 32 Lesermeinungen

Das Schnitzel war mürbe und zart, die Textur des Kichererbsen-Currys abwechslungsreich. Die Hauptmensa in Essen ist gar nicht so schlecht. Zu verbessern gibt es aber noch einiges.

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Video: Dollase testet die Mensa der Universität in Essen

Alle Mensatests finden Sie hier.

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Ich weiß nicht, liebe Leser, welche Vorstellungen Sie von einem Restaurantkritiker haben. Ich jedenfalls finde die Figur des Ego in „Ratatouille“ wunderbar entwickelt, aber eben ziemlich neben der Realität. Die Realität eines Restauranttesters sieht prosaischer aus, er muss präziser sein. Das Essen an der Uni Essen bezeichne ich in unserem Video als teilweise gar nicht so übel. Natürlich hat das etwas mit einer gewissen Vorerwartung an die sogenannte Gemeinschaftsverpflegung zu tun. Aber ich habe keine Vorurteile und bin schon gar nicht „auf Krawall gebürstet“, will also auch nicht mit möglichst feuilletonistisch gedrechselten Worten das Essen in seinen finstersten Farben schildern. Es geht mir bei meinen Testessen immer darum, wieder einen Nullpunkt einzunehmen, eine Position, die zwar nach wie vor und selbstverständlich von all dem geprägt ist, was ich bereits kenne, die aber daraus keine voreiligen Schlüsse zieht.

Wenn das Kotelett auf einem Mensa-Teller zart ist und einen angenehmen Geschmack hat, ohne die oft typischen Nebennoten eines suboptimalen Schweinefleisches zu zeigen, ist das erst einmal eine solide Basis. Im übrigen ist die Realisierung einer solchen Garung unter den Umständen einer Großküche durchaus keine Selbstverständlichkeit. Dass zum Beispiel eine prächtig soufflierende Panierung eines Schnitzels „Wiener Art“ die Sache einer Zubereitung „auf den Punkt“ ist, werden Sie vermutlich wissen. So etwas wäre in einer Großküche kaum zu schaffen.

Ich möchte noch einen anderen Aspekt aus dem Video aufgreifen und vertiefen. Es ist die Rede von „Texturen“ und ihrer Bedeutung für ein Geschmacksbild. Dieser Begriff ist kein Modebegriff der aktuellen Küche, sondern ein handwerklicher Begriff, der in den letzten etwa 10 bis 15 Jahren viel zu einer Präzisierung des Kochens beigetragen hat. Zusammen mit der Temperatur hat die Textur etwas mit der „Variation der Aggregatzustände“ zu tun, die bei jeder kulinarischen Komposition von der Pommes-Bude bis zur Spitzenküche eine große Bedeutung hat.

Bleiben wir als Beispiel einmal bei unserem Schweineschnitzel. Wenn es extrem dünn geklopft wäre (also wie ein Wiener Schnitzel) und eine extrem dicke, krosse Panierung hätte, würde man vermutlich das Fleisch nicht mehr schmecken. Im Mund würde es knirschen, aber vom eigentlichen Fleischaroma bekäme man nichts mit, weil sozusagen Sand im Getrieb ist. Ähnliche Effekte findet man bei vielen Gerichten, und wie bei intensiven Texturen geht es auch bei den Temperaturen zu. Ein Tomateneis, das zu einem dünnen Stück Fisch gereicht wird, sorgt zum Beispiel dafür, dass man den Fisch nicht wahrnimmt. Ich verwende deshalb zur Bewertung eines Gerichts neben der „Variation der Aggregatzustände“ auch Begriffe wie „Texturregie“ und „Temperaturregie“.

In der Praxis bringt eine gute Regie mit guten Proportionen nicht nur ein sehr schönes Mundgefühl hervor, sondern auch – wenn man noch etwas genauer hinschmeckt – durch das zeitlich verzögerte Aufschließen von Aromen, durch Überlagerungen und durch Durchblendungen von Aromen mit unterschiedlichen Texturen oder Temperaturen eine zeitliche und eine räumliche Geschmackswahrnehmung. Das gilt im Prinzip für jedes Essen, also bei weitem nicht nur für die extrem ausgetüftelte Haute-Cuisine. Phänomenen wie diesen kann man bei jedem Gericht nachspüren, indem man etwa seine Gabel bewusst unter sensorischen Aspekten zusammenstellt. Normalerweise aber wird eine gute Arbeit mit Texturen und Co. vor allem als sehr entspannt und angenehm und – na ja: „lecker“ wahrgenommen.

Zum Schluss hätte ich noch eine Frage an Sie, liebe Leser: Welchen Preis wären Sie eigentlich bereit, werktäglich für ein gutes Mensa-Essen zu zahlen – maximal?

Mit den besten Grüßen,

Jürgen Dollase

Alle Mensatests finden Sie hier.


32 Lesermeinungen

  1. -christian sagt:

    Ich verteidige...
    …ja unsere Mensa an der Bergischen Universität in Wuppertal gerne mal gegen die anderen Mensen im Lande. Wobei ich die auch teilweise wirklich schon testen konnte und eigentlich immer fand, das “wir” besser bekocht werden. Also, wie wäre es Herr Dollase? Kommse rum und hauen sich mal so richtig den Bauch voll bei uns?!

  2. Frau Lilie sagt:

    Wichtiger Beitrag zur Fortbildung der kulinarischen Intelligenz
    Sehr geehrter Herr Dollase,
    sehr geehrte Damen und Herren,
    ich verfolge Ihre Beiträge in diesem Blog sowie in der FAS mit großer Freude und großem Interesse. Meine (und vielleicht auch Ihre) Hoffnung ist, dass sich die Sensibilität der Studenten, universitären Mitarbeiter sowie der Mitarbeiter und Verantwortlichen in Mensen – gegenüber dem Essen erhöht wird.
    Ich habe an der Universität, an der ich studiert habe, leider so gut wie nie essen können bzw. wollen, da das Essen dort so zubereite wurde, dass es nicht mehr als gut bezeichnet werden konnte. Gerne wird man noch heute als schwierig empfunden, wenn man “Mittagstische” meidet, weil die Qualität des Essens nicht stimmt.
    Ich freue mich daher darüber, in Ihnen und Ihrem Team Verbündete im Geist zu finden. Vielleicht lassen sich die Universitäten durch das gestiegene mediale Interesse zu etwas mehr Investitionen – nicht nur in finanzieller Hinsicht – aufgrund Ihres Blogs animieren.
    Beste Grüße und vielen Dank für die spannenden Beiträge.
    A. Lilie

  3. Ricardo Augustin sagt:

    Zahlungsbereitschaft für ein Mensaessen
    Als Student der Uni Augsburg zahle ich im Schnitt in etwa 4,00-5,50€ pro Tag für mein Mittagessen. Dies beinhaltet dann meist ein Hauptgericht (2,50€), Beilage (0,70€) und Dessert (1,05€). Kommt noch ein frisch gepresster Saft (1,25€) oder Salat/Gemüse vom Buffet hinzu, ist der Betrag entsprechend etwas höher.
    Mitarbeiter der Uni sowie Gäste zahlen einen etwas höheren Preis.
    Ich finde in etwa 5€ pro Tag einen angemessenen, ja günstigen Preis, der sich mit dem Budget eines Studenten gut vereinbaren lässt.
    Steht einmal ein Special auf der Karte bin ich auch bereit dafür etwas mehr zu bezahlen.
    Alles in allem bietet unsere Mensa ein sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis, was auch die große Mehrheit meiner Kommilitonen so sieht.

  4. gerd müller nicht der bomber der nation sagt:

    mensa-essen
    mal nach jahrzehnten ein lob auf die damals (1974) völlig neue kölner mensa! dort habe ich, als kind aus gutbürgerlicher familie, Rotkohl, Rosenkohl, Forelle und vieles andere mehr schätzen gelernt. leider ist das alles gegen anfang der 80-ziger zugunsten “tomatisierter nudeln” auf der strecke geblieben, so dass ich ich notgedrungen dann zu hause mittags gekocht habe.

    wie sieht und schmeckt es denn dort heute?

    • Jürgen Dollase sagt:

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      Lieber Herr Müller, Sie sprechen da ein Problem an, das man heutzutage ganz schlecht verständlich machen kann, nämlich die kulinarische Sozialisation hin zu traditionellen Geschmacksbildern, die in unserer Gesellschaft nach wie vor sehr viele Verknüpfungen in sehr vielen Bereichen haben. Propagiert man so etwas, gilt man bei manchen Leuten schon beinahe als Reaktionär. Daß es auch (und vielleicht gerade dort) im kulinarischen Bereich sehr sinnvoll ist, in größeren Zusammenhängen zu denken, muß sich heute dringend etwas stärker rumsprechen. – Andererseits kann ich mir sehr wohl auch Adaptionen von Klassikern vorstellen, die auch jüngere Studentinnen erreichen…

  5. Ulrich Moskopp sagt:

    Salutations d'un peintre
    Lieber Herr Dollase,

    auf diesem Wege herzliche Grüße. Habe mir vor einer Woche Ihr köstliches Buch „Himmel und Erde“ zugelegt. Und auch selbst nach diesem Video hier über die Mensa der Uni Essen, muss ich zugeben und erkennen, dass ich noch in der Traumwelt des unsensiblen Hinschmeckers lebe. Wobei ich alles wovon Sie schreiben und so sympatisch sprechen, Textur, Dramaturgie der Geschmacksabläufe, Produktqualität, absolut nachvollziehen kann und auch in den seltenen Fällen eines 2-Sterne-Restaurant-Besuchs, hier in Köln, auch sensorisch nachvollzogen habe. Vielleicht gelingt mir irgendwann im Leben auch der Rosssturz, den Sie damals kulinarisch erlebt haben. Danke einstweilen aus Köln.

    Ulrich Moskopp

    • Jürgen Dollase sagt:

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      Lieber Herr Moskopp, Sie sagen es, vielen Dank. Ich komme sozusagen ganz von unten und war in meinen Essvorlieben zwischen Fast Food und Frikadellen ausgesprochen eingeschränkt. Als Musiker wurde ich zum Beispiel von meiner Plattenfirma in Paris zu Treffen mit Journalisten in gute Restaurants geschickt und habe Blut und Wasser geschwitzt, ob irgendetwas “Unverfängliches” auf der Karte war. In der Rückschau finde ich vor allem Bemerkenswert, wie schnell man von einem reinen Redundanzesser zu einem detailliert schmeckenden Menschen werden kann.
      “Schmecken” in meinem Sinne ist übrigens “demokratisch”: man muß nicht zwingend Gourmetrestaurants bevölkern oder viel Geld für Luxusprodukte ausgeben. Sensibilität kann jeder entwickeln.

  6. persiflo sagt:

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    Ich würde schon einen Heiermann springen lassen wollen; realistisch ist das aber nicht. Zu meinen Mensazeiten (bis 2009) gingen 2,20 manchmal, 3,30 selten, mehr nie, und meistens gar nichts.
    Als Vorteil derlei darbens stellt sich ein, die kreative Küche von der Einzelzutat aus zu entdecken, die ja günstiger zu bekommen ist – was, mit der Erfahrung, zu höherem Genusse führt.

  7. Jan sagt:

    Mensa WHU
    Erst einmal vorne weg: danke für diese wunderbare Reihe! Sie erklären wirklich gut verständlich worauf ihr Augenmerk beim Testen liegt und ihre Bewertungen ist stets gut nachvollziehbar. Es macht mir Spaß Ihnen zuzusehen und gleichzeitig habe ich das Gefühl, wieder etwas gelernt zu haben.

    Man könnte ja mal eventuell als Kontrast zu den staatlichen Universitäten überprüfen, ob eine private Universität das Essen besser hin bekommt. Mein Vorschlag wäre hierfür zb die WHU Vallendar. Ein normales essen kostet hier bis ca. 5€ und wird meines empfinden nach sehr sorgfältig und abwechslungsreich zubereitet. Auch etwas ausgefallener Gerichte sind durchaus keine Seltenheit.
    5€ für das tägliche essen als Student sind allerdings auch wirklich die Schmerzensgrenze. Beträge von bis zu 15€ die hier in den Raum geworfen werden sind für einen Studenten schlicht utopisch, wenn man nicht gerade von reichen Eltern gesponsert wird.

  8. Gast sagt:

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    Während meiner Uni-Zeit habe ich etwa 3-4 Euro pro Essen ausgegeben. Rückblickend ärgere ich mich über meinen Geiz, besseres Essen hätte ich mir leicht leisten können.
    Als mittlerweile Berufstätiger gebe ich 7-8 Euro pro Essen in der Kantine aus, für einzelne Gerichte sind 10 Euro die Schmerzgrenze.

  9. Gast sagt:

    Deutsche Essgewohnheiten....
    Die Speisenkomponenten in den Gaststätten, Betrieben und in den Mensas werden immer mehr zum Einheitsbrei. Es muss alles schnell gehen und möglichst preisgünstig sein. Die Deutschen haben für viele Dinge Geld übrig, nur beim Essen wird gespart. Und deshalb wird Dampfkost und Fleisch aus der Friteuse serviert. Und die Salate sind allesamt aus der Dose und schmecken auch danach. Für 7 bis 10 € ist eben nicht mehr drinn. Für ein gutes Essen im Sinne einer gehobenen Hausmannskost würde ich gerne 15 € bezahlen, aber meist gibt es so etwas gar nicht mehr. Und so esse ich lieber Sachen wie Entrecôte zu Hause – bestens zubereitet von meiner Frau!

  10. Gast sagt:

    Zu Ihrer Frage ;
    Das Teuerste Mensaessen welches ich jemals genossen habe war Lachsfilet mit hausgemachten Nudeln an Silvansersoße. Für wenn ich mich richtig erinnere 7 Euro.
    Dies ist für mich für ein Mensa Essen schon die absolute Obergrenze wobei das Gericht zugegebenermaßen auch sehr gut war.
    Für das tägliche Mensaessen wären es auch vermutlich 5 Euro die ich bereit wäre für die Hauptspeise auszugeben.

    • Jürgen Dollase sagt:

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      Lieber Gast – ein wenig stellvertretend für einige weitere Rückmeldungen in Sachen Preis -, ich habe auch schon einmal mit einer sehr großen Firma zu tun gehabt, die Fertiggerichte herstellt. Ich hatte dort die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit und Diskussion mit dem zuständigen Chefkoch. Das kurze Fazit in Richtung Preis: wenn Sie 5 Euro sagen, ist das schon ein gewaltiger Sprung gegenüber den normalen Preisen und bedeutet, daß man eine Menge anders machen könnte. Wenn man ein wenig Luft beim Preis mit sehr gutem Know How kombiniert, kann sich viel verbessern.

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