Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Dollase vs. Mensa (21)

In der Mensa Finkenau in Hamburg gibt es viele Gerichte in ordentlicher Qualität. Aber wie gut ist eine „nicht schlechte“ Mensa-Küche im Vergleich zu dem, was in der gehobenen Gastronomie möglich wäre?

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Jürgen Dollase testet das Essen in der Mensa Finkenau in Hamburg.

Alle Mensatests finden Sie hier.

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Nach einer ganzen Reihe von Mensa-Essen von Nord bis Süd erinnere ich am Ende der heutigen Folge einmal daran, dass Urteile wie „Nicht schlecht“ oder „Kann man ganz gut essen“ sehr relativ sind –  auch wenn ich glaube, dass man sich mit ihnen einigermaßen verständlich machen kann und die Qualitäten damit zumindest grob umschrieben werden. Dass eine solche Kommunikation funktioniert, liegt daran, dass sie zu einem Sachgebiet gehört, in dem Ungenaues und Relatives Standard sind und wir eigentlich ganz fürchterlich unklar „herumeiern“ – salopp ausgedrückt.

Kulinarische Qualitätsurteile fällen wir beim Essen quasi ununterbrochen und das meist mehr oder weniger automatisch und nur selten bewusst. Von Maßstäben ist dabei fast nie die Rede, weil es üblicherweise ausreicht zu sagen: „das schmeckt mir“ oder „das schmeckt mir nicht“. Nachfragen nach den Gründen für dieses Urteil sind kaum zu befürchten und schon gar nicht Bemerkungen wie: „Das schmeckt Ihnen nicht? Na, dann haben Sie vermutlich keine Ahnung!“ Dieser extrem schwammige Bereich wird auch noch dadurch weiter geschwächt, dass wir uns an eine Art qualitative Relativität gewöhnt haben. Da ist dann ein Essen nicht wirklich gut, wir finden es aber trotzdem akzeptabel oder sogar attraktiv, weil es billig ist und damit vielleicht ein besonders gutes „Preis-Leistungs-Verhältnis“ hat.

Gute Qualität überzeugt spontan

Der Ausdruck „Preis-Leistungs-Verhältnis“ müsste eigentlich dringend zum kulinarischen Unwort des Jahres ernannt werden – weil er im Prinzip gar nichts über die Qualität aussagt. So, wie er eingesetzt wird, kann es dann eben auch Rotweine für 1,99 Euro geben, die zwar Welten von einem guten Wein entfernt sind, aber für diesen Preis dann in manchen Augen doch noch etwas wert sind. Die Relativierung einer Qualität aufgrund des Preises macht nur dann Sinn, wenn sie im vollen Bewusstsein qualitativer Spannweiten erfolgt. Wer sehr gute Qualitäten kennt, wird da anders urteilen als jemand, der bisher nur schwache oder bestenfalls mittlere Qualitäten probiert hat. Um also das trockene Putensteak aus dieser Mensa korrekt einzuschätzen, wäre es von Vorteil, zu wissen, wie ein saftiges Putensteak von einem Tier aus einer exzellenten Zucht schmeckt, das darüber hinaus hervorragend zubereitet ist.

© F.A.Z.Geht es nicht zarter? Das Putensteak fällt aber auf einem Teller, der ansonsten eine klare Qualität aufweist.

Und jetzt kommt das ganz besonders Vertrackte an kulinarischen Qualitäten und ihrer Kenntnis. Man kann auch mit Unkenntnis gut leben, so lange nur die eigenen Erwartungen positiv erfüllt werden und die Qualitäten des Essens in dem Bereich bleiben, in dem man sich wohl fühlt. Diese Situation bietet ideale Ansatzpunkte für kulinarische Populisten von Jamie Oliver bis zu Mälzer, Lichter und Co., aber auch für industrielle Formen der Ernährung, die dann nur noch darauf abzielen, mit Hilfe von viel Chemie und Künstlichkeit das herzustellen, was „ankommt“. Dieses verhängnisvolle System wird erst dann aufgebrochen, wenn der bewusst wahrnehmende, seine Sinne nutzende Mensch auf die kulinarische Bühne tritt und Essen wie Esskultur in einem komplexeren Zusammenhang begreift.

Und deshalb ist es nötig, sich auch bei einem Mensa-Essen einmal klar zu machen, wo es denn qualitativ steht. Sie werden Angaben wie die, dass sich die Pute oder die Bulgur-Zubereitung weit von möglichen Qualitäten befinden, am besten nachvollziehen können, wenn Sie einmal wirklich gute Qualitäten probiert haben. Ich rate dringend dazu, solche Erfahrungen zu suchen, solche Genüsse zu erleben und sie zur Grundlage des eigenen Bewertungssystems zu machen. Und – keine Sorge: die meisten solcher positiver Erfahrungen von hervorragenden Qualitäten sind evident, überzeugen spontan und gründlich und sind nicht etwa Produkt von Hypersensibilitäten völlig abgehobener Feinschmecker. „Ich wusste nicht, das so etwas so gut schmecken kann“, ist ein Satz, den ich schon sehr oft gehört und über den ich mich in jedem Falle sehr gefreut habe. Ja, es gibt Mensa-Gerichte, die kann man gut essen und sie sind – bitte vergessen Sie die Subventionen nicht – für die Kunden sehr preisgünstig gemacht. Aber sie repräsentieren eben bisher nie, und das auch nicht in kleinen Ausschnitten, das, was möglich wäre.

Dass man dennoch sehr nahe an sehr Gutes kommen kann, wird demnächst hier eine zentrale Rolle spielen.

Mit den besten Grüßen, Ihr Jürgen Dollase

Alle Mensatests finden Sie hier.