Vier Monate lang untersuchten Burkhart Brielmaier und Sarah Reimer auf den Fidschi-Inseln, wie viel Kohlenstoffdioxid Mangroven speichern können. Welchen Mehrwert haben sie fürs Klima?
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F.A.Z.: Wie kam es dazu, dass ihr an dem Projekt teilnehmen konntet?
Burkhart Brielmaier: Professor Dr. Michael Köhl, der das Institut für Weltforstwirtschaft leitet, arbeitet in Fidschi für ein Weltbankprojekt, für das dringend Informationen über den Beitrag von Mangroven zum Klimaschutz benötigt werden.
Sarah Reimer: Die GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH) hatte ein Projekt zum Thema Mangroven und Kohlenstoffdioxidspeicherung und suchte nach zwei Studenten mit Auslandserfahrung, die nach Fidschi reisen könnten. Professor Köhl hat sich daraufhin an uns gewandt und an die GIZ weitergeleitet.
Was ist die GIZ?
SR: Die GIZ ist eine deutsche Organisation, die qualifizierte Leute in Entwicklungsländer schickt, um Entwicklungsarbeit zu leisten. Die Organisation beschäftigt sich vor allem mit Bereichen, in denen es noch Entwicklungsbedarf gibt, zum Beispiel Ernährungs- und Wasserfragen. Die Fachkräfte arbeiten dann mit den einheimischen Organisationen vor Ort zusammen.
BB: Dazu muss man wissen, dass die GIZ hauptsächlich vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) beauftragt wird. Unser Projekt war ein BMUB finanziertes Projekt zur Minderung des Klimawandels (REDD+) im Pazifik. Die GIZ zusammen mit ihrer Partnerorganisation vor Ort (The Pacific Community- SPC) wollen innerhalb des REDD+ Programms Strategien entwickeln, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Was ist an Mangroven nun so besonders?
SR: Mangroven sind die einzige Baumart, die salzwassertolerant ist und direkt an der Küste oder an Flussufern im Wasser wächst. Auf den Fidschi-Inseln treten immer wieder Zyklone auf, die von den Mangroven abgebremst werden, sodass im Landesinnern nicht mehr viel von dem Orkan ankommt.
BB: Sie sind eben ein natürlicher Küstenschutz, der den Boden davor bewahrt wegzutreiben. Daher ist es ein ganz großes Problem, dass diese Bäume unkontrolliert abgeholzt werden, weil Bewohner einen leichteren Zugang zum Wasser haben wollen oder wenn ein neues Strandhotel gebaut werden soll. Kohlenstoffdioxid ist vor allem in der Luft und im Boden vorhanden. Wird der Boden weggeschwemmt, weil keine Mangroven mehr vorhanden sind, gelangt das Dioxid ins Wasser und in die Luft.

Ihr wart aber nicht auf den Fidschi-Inseln, um etwa neue Mangroven zu pflanzen, sondern um zu messen, wie viel Kohlenstoffdioxid die Bäume speichern können. Warum ist das wichtig zu wissen?
BB: Die Industrieländer haben sich bereits im Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet, jene Dritte-Welt-Länder, die vom Klimawandel stark betroffen sind, zu unterstützen. Der Schutz der Mangroven wäre eine große Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel. Doch bevor etwas geschützt werden kann, müssen Gelder fließen, um diejenigen zu entschädigen, die die Mangroven nicht mehr nutzen könnten. Wir müssen also beweisen, dass die Mangroven schützenswert sind, weil sie eben als Kohlenstoffdioxidspeicher dienen.
SR: Genau. Dafür müssen wir allerdings wissen, wie viel CO2 in den Bäumen bereits vorhanden ist und darüber hinaus, wie viel Speicherkapazität die Mangroven insgesamt hergeben.
Das heißt – wie seid ihr vorgegangen?
BB: Unsere konkrete Aufgabe war es herauszufinden, wie viel Biomasse an Mangroven auf den Fidschi-Inseln vorhanden ist. Die Biomasse setzt sich aus dem Boden, dem Holz, den Blättern und dem absterbenden Tieren und Blättern auf dem Waldboden zusammen. All das dient als Kohlenstoffdioxidspeicher, wobei wir uns nur mit der hölzernen Biomasse beschäftigt haben. Dafür haben wir 40 Forschungsfelder à 3×3 Meter abgesteckt und aufgenommen, was wir in dem jeweiligen Feld vorfinden.
In der konventionellen Methode zählt man die Bäume und misst deren Brusthöhendurchmesser. Das hat bei uns nicht funktioniert, weil man bei Mangroven nur schwer erkennen kann, wo ein Baum aufhört und der nächste anfängt. Daher haben wir mit dem so genannten destruktiven Sampling gearbeitet. Das heißt, wir haben etwas Holz abgesägt und das gewogen und anhand unterschiedlicher Parameter wie dem Stockdurchmesser oder dem Kronenradius die Dichte ermittelt. Wenn wir wissen, wie viel Biomasse auf 3×3 Metern steht, kann man das auf einen Hektar hochrechnen. Wobei 40 Forschungsfelder zu wenig sind, um eine Hochrechnung zu machen. Das Forstamt vor Ort muss eine nationale Mangroven-Inventur anlegen und genau wissen, wie viele Mangroven sie haben, um die Speicherkapazität genau berechnen zu können.

Ihr habt mit dem einheimischen Forstamt zusammengearbeitet. Wie war die Zusammenarbeit mit den Fidschianern?
BB: Unkompliziert. Es gab früher auf der Insel vier große Stämme, deren größter Krieger der so genannte Chief war. Jedes Dorf und jede Region hatte seinen eigenen Chief und der König war quasi Chief der Chiefs.
SR: Die Mangroven sind eigentlich Staatseigentum, man braucht allerdings noch immer die Erlaubnis des Chiefs, um auf ihrem Land zu arbeiten. Sie haben eigentlich nichts mehr zu sagen, wollen aber gerne miteinbezogen werden. Wir mussten uns mit einer Wurzel, der Kava (ein traditionelles Gastgeschenk für ein berauschendes Getränk), beim Chief anmelden und erklären, was wir vorhaben. Dann wurden Konditionen ausgehandelt – was brauchten wir zum Arbeiten und was wollte der Chief im Gegenzug haben? Bis auf ein Mal, bei dem wir uns wegen der Konditionen nicht einigen konnten, haben wir von jedem Chief ein Okay bekommen.
BB: Arbeiten konnten wir auch nur, wenn Ebbe war. Das heißt, wir sind bei Flut zu den Mangroven gefahren, haben teilweise mehrere Stunden gewartet, bis das Wasser zurückging und hatten dann ein Zeitfenster von vier bis fünf Stunden zum Arbeiten. Da mussten wir teilweise um fünf Uhr morgens raus oder haben in der Mittagszeit bei praller Sonne gearbeitet.
SR: Wenn vor der Küste ein Riff war, konnten wir nur beim höchsten Wasserstand zu den Bäumen, sonst wären wir gar nicht an das Gebiet herangekommen. Das war ab und zu schon schwierig, wenn man bis zu den Knien, teilweise bis zur Brust, in Wasser und Schlamm stand und dann mit der Kettensäge versucht hat, Äste abzuschneiden. Immer entweder bei 30°C oder bei strömenden Regen.

Und das Zusammenleben?
SR: Das Zusammenleben war sehr schön. Wir haben während der Arbeiten im Feld mit den Forstarbeitern gecampt, also mit Hängematte und Moskitonetz in alten Lagerhallen oder der Fischerei geschlafen. Und wenn wir nicht im Feld waren, haben wir mit einem Deutschen in einer fidschianischen Familie gewohnt. In der Kultur der Fidschianer wird alles geteilt und die Türen stehen immer offen – Privatsphäre gibt es eigentlich nicht.
BB: Die Fidschianer haben auch immer gute Laune. Während der Arbeit wurde so viel gelacht, wir haben zusammen gekocht und wir wurden immer mit ins Gebet eingeschlossen. Fidschi ist quasi ein einziges, großes Dorf, wo jeder jeden kennt und selbst uns haben die Taxifahrer immer wiedererkannt, obwohl es in der Hauptstadt viele Europäer und Amerikaner gibt. Aber die haben ein super Gedächtnis und merken sich einfach alles über dich.
SR: Ich habe allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass die Rolle der Frau in den Dörfern viel traditioneller geprägt ist als in der Stadt. Wenn wir in einem Dorf waren, musste ich mir immer ein großes Tuch über meine Hose wickeln, weil man im Dorf eben Rock trägt und sich bedeckt gibt. Dort sind die Frauen auch explizit für die Kinder und die Küche zuständig. Bei unserer Arbeit auf den Feldern waren hingegen zwei Frauen aus der Stadt dabei, die studiert und eine Ausbildung hatten. Meine Anweisungen hat man anfangs auch ständig ignoriert. Ich musste mir meinen Stand in der Gruppe erarbeiten, bis ich akzeptiert wurde und meine Meinung auch den Männern wichtig war.
Wie wurde eure Anwesenheit und eure Arbeit aufgenommen?
BB: Sehr gut. Während unserer Arbeiten war eine Studentin aus der Stadt dabei, die ihr Praxissemester abgelegt hat und eine Frau, die eine Ausbildung zur Försterin macht. Die einheimischen Förster werden das Projekt auf jeden Fall weitermachen, was ja auch eines unserer Ziele war: Die Leute vor Ort weiterbilden, dass sie auch ohne uns auskommen können. Bei unserer Abschlusspräsentation war sogar eine Ministerin aus der Regierung anwesend.
Wie geht es jetzt für euch und das Projekt weiter?
SR: Wir werten unsere Daten, die wir auf Fidschi gesammelt haben, aus und verarbeiten sie in unserer Masterarbeit. Hoffentlich sind wir Ende März mit allem fertig.
BB: Und dann haben wir im Grunde zwei Möglichkeiten. Entweder wir bleiben in Deutschland oder wir gehen zurück nach Fidschi.
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Sarah Reimer, 25, aufgewachsen am Chiemsee hat an der Uni Salzburg Holzbau studiert und ist für ihren Master in Holzwirtschaft nach Hamburg gewechselt. Sie hat ein Auslandssemester in Brasilien absolviert und bei der Brasilien-Exkursion Norte-Sul mitgemacht.
Burkhart Brielmaier, 28, aufgewachsen am Bodenseee, studiert an der Uni Hamburg Holzwirtschaft. Er hat zwei Mal an der Brasilien-Exkursion Norte-Sul teilgenommen, Auslandssemester in Brasilien und Frankreich abgelegt und bereits 30 verschiedene Länder bereist.
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Erinnert an die seeligen 50er und 60er Jahre. Da mussten wir Biologie-Studenten im Praktikum z.B. die “Grünfutterqualität” einer Rinderweide ermitteln. Dazu wurde exakt ein Quadratmeter gemäht, die Gräser bestimmt (Schmeil-Fitschen), die Gräser getrennt fein säuberlich auf separate Häufchen gelegt und gezählt. Aus einer Tabelle wurde der jeweilige Nährwert entnommen und dann entsprechend der Zählung pro qm ausgerechnet. Heute macht man das moderner. So würde man beim Projekt des Artikels etwa erwarten, dass ein Fotograf 3D-Aufnahmen von einer oder mehreren typischen Mangrovenflächen macht, aus den Aufnahmen am Computer das Volumen der Biomasse pro qm berechnet würde. Dann braucht man nur noch Luftaufnahmen der Küstenlinie und kann daraus die gesamte Mangrovenmasse der Fidschi-Inseln berechnen. Wäre einfach, kostengünstig, aber längst nicht so romantisch…