Lehrer sollten Kinder mögen und ihnen gerne etwas beibringen. Viele Anwärter haben aber oft ganz andere Beweggründe. Die Uni Passau hat daher einen frühen Praxisschock etabliert. Eine Professorin erklärt die Hintergründe.
***

Seit dem Wintersemester 2016 gehen Pädagogik- und Didaktik-Studenten der Uni Passau schon zum Start des Studiums ein volles Jahr lang zur Schule. Im Zuge eines Modellcurriculums müssen sie an einer Grundschule über ein volles Schuljahr verteilt 240 Praktikumsstunden absolvieren und dabei auch selbst unterrichten.
Bislang kamen Lehramtsstudenten meist erst im dritten Semester mit dem schulischen Alltag in Kontakt, früher sogar erst nach dem ersten Staatsexamen – und dann weniger regelmäßig und nur als passive Beobachter. Ein Gespräch mit der Leiterin des Passauer Lehrstuhls, Prof. Dr. Christina Hansen, über die Frage, warum sie die Praxisphase nun an den Anfang des Studiums verlegt hat.
***
F.A.Z.: Frau Professor Hansen, der Kabarettist Dieter Nuhr wollte ursprünglich Lehrer werden, hat sogar das erste Staatsexamen abgelegt, bevor er sich für die Bühne entschied. Er bringt gerne den Witz, er sei eben ein Gewohnheitsmensch, der sich den Übergang von der Schulbank ins Berufsleben möglichst reibungslos gestalten wollte. Ist der Sinn Ihres Modellcurriculums, den Studenten einen solch fließenden Übergang zu ermöglichen?

Christina Hansen: Natürlich wollen wir unsere Studierende sanft in ihr zukünftiges Berufsfeld einführen. Dafür nehmen wir sie mit Vorbereitungsseminaren zunächst behutsam an die Hand. Gleichzeitig möchten wir sie aber auch schon früh enttäuschen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn viele unterliegen einigen Täuschungen, was den Lehrberuf betrifft. Das sehe ich deutlich im Tandem-Seminar, in dem sich die Studienanfänger mit den Referendaren austauschen. Viele glauben tatsächlich, dass sie nach über einem Jahrzehnt in der Rolle als Schüler wissen, wo es als Lehrer langgeht. Sie erkennen nicht, dass es etwas ganz anderes ist, vor einer Schulklasse zu stehen und den aktiven Part inne zu haben. Manch einer unterschätzt auch, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit im Kollegium ist. Lehrer können keine Einzelkämpfer sein, die gerne die Tür hinter sich zumachen. Nicht zuletzt sind sich manche auch nicht darüber im Klaren, dass Lehramt kein Halbtagsjob ist und die Vorbereitung ebenso viel Zeit in Anspruch nimmt wie das Unterrichten selbst.
Ein oft bemühtes Bild über Lehrer lautet ja, nur die wenigsten wollten wirklich unterrichten. Vielen sei nur einfach nichts Besseres eingefallen. Soll Ihr neues Modell also vor allem als Praxisschock dienen, der früh die Spreu vom Weizen trennen?
Lehrer kann nur sein, wer diesen Beruf wirklich liebt, wer Kinder und Jugendlich mag und ihnen etwas beibringen möchte. Es ist außerdem ein sehr verantwortungsvoller Job, denn er bereitet unsere Kinder auf die Zukunft in einer komplexen pluralistischen Gesellschaft vor. Und dafür brauchen und wollen wir nur die besten und engagiertesten Studierenden. Insofern ist es natürlich wichtig, dass sie schon früh die Chance bekommen herauszufinden, ob Lehramt wirklich das richtige für sie ist. Tatsächlich sagen bereits nach dem Tandem-Seminar drei bis vier Studierende pro Semester: „Der Lehrerberuf, das ist nichts für mich.“ Nach dem Modellcurriculum, das wir bereits 2011 ausprobiert haben, waren es etwa zehn. Mit der Erfahrung, nicht für den Lehrberuf geeignet zu sein, lassen wir sie aber nicht einfach in der Luft hängen. Wir vermitteln ihnen, dass auch diese Erkenntnis gut und wichtig ist. Mir sind solche Aussteiger auch lieber als die Studierenden die sagen, ich habe jetzt damit angefangen, jetzt ziehe ich das auch durch.
Der Beruf des Lehrers gilt als sichere Bank, sofern man verbeamtet wird. Wie viele Ihrer Studierenden schielen tatsächlich nur auf den Beamtenstatus?
Dazu gibt es valide Studien, beispielsweise eine von den Pädagogikprofessoren Ewald Kiel und Guido Pollak. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der Studierenden wegen des Beamtenstatus auf Lehramt studieren, ein Viertel wegen Interesses an dem Hauptfach, das sie studieren, also Mathematik oder Sport etc. Ein weiteres Viertel wegen der schönen Ferienzeiten und das letzte Viertel aus Interesse an Pädagogik und Didaktik, also wirklich aus dem Wunsch heraus, zu unterrichten. Das ist erschreckend wenig und ich kann das aus eigener Erfahrung auch bestätigen. In den bereits erwähnten Tandemseminaren fragen wir die Studierenden auch, warum sie eigentlich Lehramt studieren. Eine häufige Antwort lautet „naja, fürs Diplom hat es halt nicht gereicht“ oder „meine Mutter war auch Lehrerin“, also völlig unwesentliche Motive. Sie sind nicht optimal, um die nächsten Jahre Kinder und Jugendliche fürs Lernen zu begeistern. Und auch deshalb haben wir an der Uni Passau als einer der ersten Lehrstühle in Deutschland überhaupt die Praxisphasen so früh angesetzt und begleiten unsere Studierenden mit wöchentlichen Reflexionen durch diese Zeit – weil wir mit völlig falschen Vorstellungen vom und Motivationen für das Lehramt aufräumen wollen.
Was macht im Umkehrschluss einen guten Lehrer aus?
Lehrer müssen nicht nur in dem Fach, das sie unterrichten, bestens Bescheid wissen. Sie sollten auch sehr flexibel und belastbar sein, außerdem kritisch – auch selbstkritisch – und um die Ecke denken könne. Und sie müssen Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit sehr zugewandt sein. Das alles gilt gerade in Zeiten sehr heterogener Klassen mit Kindern, die einen ganz unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergrund haben. Ein guter Lehrer schafft es, nicht einen Unterricht für alle zu machen, sondern sein Wissen den Kindern so unterschiedlich anzubieten wie es ihnen möglich ist, es aufzunehmen, sprich: ein Lehrer muss sich differenzierend auf Kinder einstellen können. Alle Kinder sollen gleichermaßen von seinem Unterricht profitieren – das ist sein Job. Ein Lehrer der sagt „Dieses Kind passt nicht in meinen Unterricht“, sollte sich vielleicht überlegen, ob es nicht vielmehr er ist, der nicht in die Schule passt. Ein guter Lehrer muss außerdem mit der Zeit gehen und beobachten, was sich in der Welt und in der Gesellschaft verändert. Jahrzehntelanger Dienst strikt nach Lehrplan, das geht nicht. Denn Lehrer müssen ihre Schüler auf den Alltag, auf die Welt da draußen vorbereiten. Und was nützt es dann, wenn sie beispielsweise die immer weiter fortschreitende Digitalisierung links liegen lassen, bloß weil sie noch kaum im Lehrplan berücksichtigt wird? Sie müssen sich dann selbst überlegen, wie sie den Inhalt des Lehrplans mit gesellschaftlich relevanten Themen in Verbindung setzen, also einen aktuellen Bezug herstellen. Für jemanden, der eher einen ruhigen und berechenbaren Berufsalltag schätzt und im Umgang mit anderen Menschen zunächst eher zurückhaltend agiert, ist der Schuldienst also nicht das Wahre.

Was ist Ihnen lieber: Ein Studierender, der schlechte Lehrer hatte und es nun besser machen möchte, oder einer, der gute genoss und ihnen nun nacheifern möchte?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die ehemals schlechten Schüler trotz ihrer negativen Erfahrungen oft gute Voraussetzungen für das Lehramt mitbringen, weil sie kritisch geworden sind. Sie sagen sich, so kann es nicht weitergehen. Die Bildungsgewinner sehen ja keinen Grund zur Veränderung. Jemand, der in der Schule nie Probleme hatte, immer mitgelaufen ist, der weiß vielleicht gar nicht wie es sich anfühlt, wenn der Lehrer sich nicht auf seine Bedürfnisse einstellt, wie es ist, wenn man ungerecht behandelt wird. Solch ein Lehrer wird eine stärkere Sensorik dafür entwickeln, wie man unmotivierten Kindern den Spaß an der Schule wieder näherbringt. Und ich sage Ihnen, wir haben leider sehr viele unmotivierte Kinder an unseren Schulen, die noch nicht für das Lernen begeistert werden konnten, was aber wohlgemerkt nicht immer an ihnen selbst liegt.
Welche Exit-Strategien gibt es, wenn ein Studierender das Studium zwar beendet, dann aber merkt, dass er doch nicht in den Schuldienst eintreten will?
Einige, und das vermitteln wir unseren Studierenden auch schon früh. Sie können beispielsweise in die Erwachsenenbildung gehen, in die berufliche Weiterbildung oder in die Freizeitpädagogik, die auf Erwachsene abzielt. Sie haben ja das Lehren gelernt, sie sind Experten fürs Unterrichten. Gerade im Umgang mit Kindern ist Lehrersein aber eben mehr als die Vermittlung des fachlichen Wissens, hier spielen auch didaktische und pädagogische Kompetenzen eine große Rolle. Eine Gruppe Erwachsener konzentriert sich mehr auf das Fachliche, sie muss nicht zu Disziplin und Ordnung gerufen werden und will ja meist auch freiwillig etwas lernen. Bei einer Schulklasse ist das natürlich etwas anderes.
Was empfehlen Sie Abiturienten, die noch unschlüssig sind, ob sie Lehrer werden sollen?
Sie sollten sich auf jeden Fall vor Beginn des Studiums ein Praktikum an einer Schule organisieren, eine Woche reicht meist schon, und mithelfen. Sie sollen nicht mehr die Rolle des Zuhörers einnehmen, sondern wirklich als eine Art Hilfslehrer agieren. Vielleicht merken sie dann, dass sie mit größeren Kindern besser zurechtkommen, als mit den Kleinen. Oder doch lieber mit Erwachsenen arbeiten. Das ist doch wirklich wunderbar, wenn sie diese Erkenntnis bereits vor dem Studium haben. Denn dann ist das Kind, auch wenn es wie gesagt noch viele andere Möglichkeiten gibt, doch schon ein bisschen in den Brunnen gefallen.
Noch ein Blick in die Geschichte der Pädagogenausbildung, um einen in die Zukunft zu wagen. Vom 19. Jahrhundert an bis etwa in die Mitte des 20. wurden Grundschullehrer vielerorts noch in Seminaren ausgebildet, anfangs benötigten die Anwärter nicht einmal Abitur. Erst später wurde die Ausbildung an die Hochschulen verlegt, was allerdings dazu führte, dass viele das Lehramtsstudium als weltfremd und verkopft empfinden. Wie kann eine Kombination aus akademischem Anspruch und Praxisnähe wieder besser gelingen?
Die mangelnde Praxisnähe ist in der Tat ein Schwachpunkt, den ich derzeit in der Lehrerbildung sehe. Die Lehrveranstaltungen haben oft nichts mit dem Alltag der Lehrer zu tun und umgekehrt. Auch das versuchen wir an der Uni aufzufangen, indem wir aktuelle Themen wie beispielsweise Inklusion und Integration in Seminaren aufgreifen. Zudem versuchen wir, mit den Lehrkräften an den Schulen, die unsere Studierenden im Modellcurriculum betreuen, in Kontakt zu bleiben, sie sollen uns als Partner verstehen, uns Rückmeldung zu unseren Inhalten geben. Gleichzeitig ist uns der akademische Anspruch unserer Lehrveranstaltungen aber nach wie vor wichtig, denn das Lehramt ist eben kein Handwerk, es ist ein akademischer Beruf. Ich brauche die Theorie, um die Praxis gestalten zu können und die Praxis, um die Theorie besser verstehen zu können – das ist meine Überzeugung.
Die Fragen stellte Eva Heidenfelder
Eine lobenswerte Initiative !!
“Nicht zuletzt sind sich manche auch nicht darüber im Klaren, dass Lehramt kein Halbtagsjob ist und die Vorbereitung ebenso viel Zeit in Anspruch nimmt wie das Unterrichten selbst.”
Anscheinend hat sich viel geändert seit meiner Schulzeit. Aber Verbeamtung war auch damals schon überflüssig. Lehrerinnen und Lehrer handeln nicht hoheitlich und können angestellt werden.
Guter Ansatz...
der an dieser Stelle leistet, was zu leisten ist.
Das wird aber wenig nutzen, wenn die Personalführung und Bürokratisierung der Arbeitsverhältnisse so schlecht bleibt wie sie ist.
Die Bildungsministerien mischen sich viel zu intensiv mit bürokratischen Vorgaben in den Schulalltag ein. Sie nehmen aber Führungsverantwortung für das Personal praktisch nicht wahr. Und das ist die Hauptcrux, gescheiterte, untaugliche und lustlose Lehrer brauchen keine Sanktionen zu fürchten, schlimmer noch sie dürfen ihren motivierten Kollegen sogar Steine in den Weg legen und Mehrarbeit verursachen.
Der Status als Beamter ist da absolut Nebensache, Lehrer als Angestellte verschlechtern diese Bilanz nur zusätzlich. Dafür gibt es in NRW genügend Beispiele, weil eben der Beruf auch Sicherheit braucht.
Die Ministerien und politische Interessen sind das Problem, weil sie Pragmatismus und einer vernünftigen Personalführung im Wege stehen.
Problem erkannt, aber falsch angegangen
Meine gemischten Erfahrungen als Schüler mit Lehrern hat mich gelehrt, dass es nur ein kleiner Teil der Lehrer schafft, dauerhaft Interesse an den Schülern zu behalten. Bei vielen Lehrern merkte man leider sehr deutlich die gewachsene Gemütlichkeit in des Staates Schoß. Eine einleuchtende Erläuterung, weshalb Lehrer überhaupt verbeamtet werden müssen, habe ich noch nie erhalten. Es sind antiquierte Strukturen die dies bedingen. Nicht falsch verstehen: ich beneide Lehrer nicht und habe Achtung vor denen, die ihren Job gut machen. Lehrer leisten einen sehr wichtigen Beitrag für die Gesellschaft und schwarze Schafe gibt es überall (z.B. Bernd Höcke ;) – Lehrer sollen auch angemessen bezahlt werden. Aber ein Lehrer, der sich nachweislich nicht anstrengt und jedes Jahr einfach nur die gleiche Leier abspielt, der sollte auch um seinen Job bangen müssen. Ich bezweifle ernsthaft, dass ein Mathematik-Lehrer wirklich jedes Jahr die Sommerferien damit verbringt, sein Lehrkonzept gänzlich zu überarbeiten. Zudem hat ein wenig Konkurrenz hat noch nie geschadet! Auch andere Berufe tragen ihren Teil zur Gesellschaft bei – weshalb sollen Kindergärtner z.B. nicht auch verbeamtet werden? Und wenn wir schon dabei sind: was ist mit Menschen, die unsere Alten und Kranken pflegen – sind sie nicht genauso wichtig?
@Konkurrenz
Also wenn Sie Konkurrenz bei Mathelehrer fordern, sollten Sie erst mal mehr – oder zumindest genau so viele – Lehrer wie Lehrerstellen haben. Insb in den MINT Fächern sind Lehrer aber Mangelware, sodass ich – als nicht Lehrämtler – jederzeit als Mathe/Info-Lehrer selbst, ohne wirkliche didaktisch/pädagogische Ausbildung, den Lehrer geben dürfte; ein paar Seminare und ich könnte direkt ins Referendariat (Bekannte sind bereits diesen Weg gegangen)… Natürlich ist es unsinnig Lehrer zu verbeamten, aber sollte man diese Leistung wegnehmen, müsste das Gehalt, Arbeitsumfeld usw. um einiges steigen/sich verbessern, um genügend Interessierte überhaupt anzuziehen. Ehrlich gesagt ist Lehrersein halt der Plan C, wenn man in an der Uni oder in der Wirtschaft nichts kriegt, dann nimmt einen die Schule immer – als MINTler. Das sollte nicht so sein, aber das ist nunmal die Realität und dies zeigt, dass das Problem offensichtlich nicht so einfach ist.
Triviale Lösung
Das Beamtentum im Schuldienst abschaffen. Da es heute bereits zwei Arten von Lehrern gibt (Beamte und Angestellte) kann es keinen triftigen Grund mehr geben überhaubt verbeamtet zu werden. Würde eine Schule wie ein Unternehmen geführt, bin ich mir sicher, das viele der heute bekannten Probleme nicht mehr auftreten würden. Aber da sei die deutsche politische Kaste vor, denn nirgendwo ist der Anteil der Lehrer (Beamte) an den Politikern höher als bei uns. Sozusagen Ausfalltor Nummer 2, erst Lehramt, dann Beamter und wenn das nicht gut läuft, dann eben freistellen für die politische Laufbahn. Zum Glück steigen währe nd der Freistellung auch die Bezüge und Pensionsansprüche gleich mit.
Bildung ist richtigerweise eine hoheitliche Aufgabe
d.h. vom Staat zu leisten. Seinen Angestellten/Beamten ist er zu besonderer Fürsorge verpflichtet, dazu gehört nun einmal die Pension im Tausch mit der Loyalität.
Meinen Sie, Herr Brentana, an den Privatschulen wären die Lehrer durchweg motivierter, weil sie schlechter bezahlt werden und keine Pensionsansprüche haben? Die Lehrer, die in die Politik gehen, dürften einen verschwindend kleinen Teil ausmachen. Das Problem der zu hohen Beamtenquote in der Politik gehört auch nicht zum Thema.
Mit freundlichen Grüßen
Absolute Überforderung
die im Text genannten Anforderungen kann kaum ein Lehrer erfüllen.
Wie soll “Alle Kinder sollen gleichermaßen von seinem Unterricht profitieren” funktionieren, wenn der Lehrer einen Vortrag für alle Schüler hält?
Welche Mittel stellt der Arbeitgeber für die Digitalisierung bereit? Bekommen Lehrer überhaupt einen Dienstlaptop?
Überforderung
Sie haben schon Recht: Wenn “der Lehrer einen Vortrag für alle Schüler hält”, dann sind die Anforderungen schwer zu erfüllen. So ein Unterricht kann dann gut umgesetzt werden, wenn er adaptiv gestaltet ist, das heißt: Es gibt ein abwechslungsreiches “Lernarrangement” zwischen Impulsen, selbstständigen Arbeitszeiten und gemeinsamen Lerneinheiten. So einen Unterricht nennt man adaptiv und er entspricht den Anforderungen aus der modernen Lehr- und Lernforschung. Didaktisch wird dieses Modell an einigen Schulen auch schon gut umgesetzt – soll heißen: Qualitativ hochwertiger Unterricht IST möglich. Das hat natürlich auch mit den Rahmenbedingungen zu tun, aber in erster Linie mit der Lehrkraft (siehe Hattie-Studie) – umgekehrt nützen die besten Rahmenbedingungen nichts, wenn sie die Lehrkraft nicht zu nutzen weiß. Zu Digitalisierung: Viele Schulen sind technisch nicht so schlecht ausgestattet, wie es manch Unterricht vermuten lässt….(siehe CILS-Studie: Deutschland schneidet hier leider ernüchternd ab).
Ein sehr schönes Interview!
Ich finde das sehr interessante Aussagen. Die häufige Kritik hier in den Kommentaren kann ich nicht nachvollziehen. Es ist doch toll, wenn eine Uni Probleme erkennt und analysiert. Nur ein viertel Lehramtsstudenten, die wirklich unterrichten wollen, sind für mich ein erschreckender Wert – der sich aber mit meinen nicht repräsentativen Erfahrungen als Schüler und nun als aktiver Vater von Schulkindern deckt. Es ist gut, wenn die Lehrerausbildung hiervor die Augen nicht verschließt, sondern Lösungen sucht. Dass hier einer Professorin an der Uni Praxisfremde vorgeworfen wird, finde ich einigermaßen absurd: Mit diesem Argument könnte man gleichsam jeder Innovation in der theoretischen Lehrerausbildung begegnen, die nun mal an der Uni stattfindet. Soll der Vorwurf der Praxisfremdheit nun im Ergebnis dazu führen, dass die Unis keine Ansätze zur Verbesserung der Lehrerausbildung mehr verfolgen dürfen? Unabhängig von der Frage, ob nicht an den Unis doch auch Menschen mit Lehrerfahrung unterrichten – man könnte sogar die Meinung vertreten, dass auch an der Uni gelehrt wird, wenngleich mit jungen Erwachsenen.
Das Problem wird man aber nie aus der Welt bekommen: Lehrer haben die Freiheit, auch mal um 14 Uhr einen Arzttermin wahrnehmen zu können oder ein Amt aufzusuchen und müssen nicht zwingend in Feierabendtrubel einkaufen. Sie haben 14 Wochen unterrichtsfreie Zeit und müssen sich nie mit Kolleginnen und Kollegen darum prügeln, wer denn nun zwischen den Jahren oder an den besonders begehrten Brückentagen Urlaub nehmen darf. Sie müssen nie hoffen, in den Ferien einen der viel zu wenigen Plätze in den kommunalen Ferienbetreuungsprogrammen zu ergattern, weil sie die Kinder immer selbst betreuen können, wenn die Schule zu ist. Und Lehrer genießen spätestens nach der Verbeamtung einen sicheren Job mit guter Altersvorsorge. Das alles ist nicht schlimm und ich will es nicht kritisieren. Aber solange es solche Vorzüge gibt, wird es natürlich auch zwingend immer Menschen geben, die nur Lehrer werden wollen, um diese Vorzüge zu genießen. Die mögen dann vielleicht einen Schock erleben, wenn sie erstmals die Unterrichtswirklichkeit erleben. Aber das schreckt die nicht ab, denen es schlicht egal ist, ob sie ihren Job gut machen oder nicht und die weiterhin nur auf die Vorzüge schielen.
Ist aber auch verkraftbar: Ich hatte in meinem Schulleben genau zwei Lehrer, die echte Idealisten waren und sich um mich als jungen Menschen sorgten. Das sind zwei extrem wichtige Bezugspersonen für einen Heranwachsenden, die mich wichtige Dinge neben dem Lehrplan gelehrt haben. Für mich hat das gereicht, den überwiegenden Rest der lustlosen Lehrer hat man ausgehalten. Aber diese beiden haben mich entwickelt und geprägt und ich bin ihnen noch immer dankbar.
Aufgabe des Schulsystems ist es nicht, die feriengeilen Faulpelze auszurotten, das geht nicht. Aufgabe der Schule ist es, die wirklich guten und motivierten Lehrer mit Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit, Menschen und besonders Kinder wirklich zu mögen, nicht völlig zu entnerven.
Erwachsenenbildung
Abbrechern aus Lehramtsstudiengängen eine Karriere in der Erwachsenenbildung zu empfehlen ist schon beinahe unverschämt, da die Bezahlung und Arbeitsbedingungen dort in keiner Weise den (gerechtfertigten!) Standards im regulären Schuldienst entsprechen!
"Ich möchte heute kein Lehrer mehr sein."
Für Studierende des Lehramts mag es hilfreich sein, über Alternativen nachzudenken. Welches Lehrerbild wird in der Öffentlichkeit kommuniziert? Möchte man derjenige sein, über den man in solcher Weise spricht? Wie würden die eigenen Kinder damit umgehen, wenn die Öffentlichkeit ihre Eltern so dargestellte?
Ferner wird in dem Artike nicht bedacht, dass Lehrer auch Vorgesetzte sind. Wer in der Industrie kein Abteilungsleiter sein möchte (oder könnte), wird eine Entscheidung für den Schuldienst früher oder später bereuen.
Manche Studierenden würden sich für eine Alternative entscheiden, wenn sie nur eine für sich sähen.
Den Universitäten und Kultusministerien aber sei ins Stammbuch geschrieben: Lösen Sie sich von der Illusion, das Lehramt sei außerordentlich begehrt. Warum sonst können viele Schulen ihre Stellen nicht mehr vollständig besetzen?
Dennoch ist es sehr zu begrüßen, wenn man Studierenden ohne falsche Scheu sagt, was auf sie zukommt, auch auf die Gefahr hin, dass dann noch mehr von ihnen zu anderen Fakultäten abwandern.
Beamtenstatus
Den Beamtenstatus mit seinen immensen Vorteilen gegenüber dem Angestelltendasein als Motivation für den Lehrerberuf unterstelle ich ebenfalls einem großen Teil der Lehrer.
O-Ton eines Ex-Mitschülers nach seiner Verbeamtung als Lehrer auf Lebenszeit: “Super, jetzt kann mir nichts mehr passieren und ich kann mich endlich entspannen”