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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Medizinstudium: Die Abiturnote wird überschätzt

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Ein Medizinstudium ist in Deutschland nur etwas für Einserabiturienten. Wegen deren wundersamer Vermehrung gilt das mehr denn je. Neue Zulassungskriterien müssten her, doch die Politik lässt sich mit einer großspurig angekündigten Reform viel Zeit.

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Eine Studentin der Human- und Zahnmedizin schaut bei einem Kurs am Institut für Anatomie der Universität in Leipzig durch das Mikroskop, aufgenommen am 13.01.2009. Die Leipziger Universität, die in diesem Jahr ihr 600-jähriges Bestehen feiert, ist in Deutschland nach Heidelberg die zweitälteste Hochschule, an der ohne Unterbrechung gelehrt und geforscht wurde. Foto: Waltraud Grubitzsch +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweitDie Auswahlverfahren für Medizinstudenten in Deutschland sind höchst uneinheitlich.

Die Versprechen waren vollmundig: Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ sollte die medizinische Ausbildung an den Hochschulen von Grund auf reformieren. Dazu gehörte neben einem Rundum-Eingriff in den Lehrplan und der Einführung der viel gescholtenen Landarztquote, auch „für eine zielgerichtetere Auswahl der Studienplatzbewerber“ zu sorgen, sprich, bei der Zulassung nicht mehr ganz so stark auf die Abiturnote zu schauen. So war es im Koalitionsvertrag von 2013 („Deutschlands Zukunft gestalten“) beschlossen worden. Mittlerweile ist der aber schon auf halbem Weg von der Vitrine ins Archiv, derweil sich niemand mehr so recht um sein Geschwätz von gestern kümmert. Wenn die Gesundheits- und Wissenschaftsminister auf ihrem Treffen Ende Januar keine Einigung erzielen – und darauf läuft, wie verschiedene Quellen gegenüber FAZ.NET einstimmig bestätigen, alles hinaus – ist der „Masterplan“ auf unbestimmte Zeit klinisch tot. Und dürfte erst irgendwann nach der nächsten Bundestagswahl wiederbelebt werden.

Mit der verpflichtenden Einführung „mindestens zwei weiterer Auswahlkriterien neben dem Numerus Clausus im Auswahlverfahren der Hochschulen“, wie es der bislang noch unveröffentlichte Gesetzesentwurf vorsieht (der FAZ.NET in Auszügen vorliegt), würde allerdings auch nur obligatorisch, was inzwischen ohnehin an fast allen der 35 medizinischen Fakultäten im Land Standard geworden ist. Heute schon geht, wer keinen Studienplatz über die Abiturbestenquote erhält und noch nicht über ein Dutzend Wartesemester angesammelt hat, ins sogenannte hochschuleigene Auswahlverfahren, in dem mit sechzig Prozent die Mehrheit der Plätze vergeben werden. Hier zählt dann nicht mehr nur die Abiturnote. Sondern je nach Hochschule zum Beispiel ein besonders gutes Abschneiden im Medizinertest oder eine vorangegangene Berufsausbildung. Hamburg oder Duisburg-Essen laden zudem zum Auswahlgespräch, Freiburg belohnt Wehrdienstleistende, und in Münster darf man zum Rollenspiel antreten. Da wird dann schon mal eine Arzt-Patienten-Szene simuliert und von einer Jury bewertet, wie es um Auffassungsgabe und Einfühlvermögen der Bewerber bestellt ist.

Kurzum: Die Universitäten haben mit dem Kochen eigener Zulassungssüppchen längst ihre Antworten auf die Flut an Überfliegern gefunden. Aus wessen Noten kann man schließlich noch verlässlich auf besondere Begabung schließen, wenn sich, wie in Berlin, die Abiturzeugnisse mit einer Durchschnittsnote von 1,0 innerhalb von zehn Jahren vervierzehnfacht haben?

Den Universitäten sind die Hände gebunden

Doch so sehr man die durch Reformwirrwarr und Experimentierlaune in der Schulpolitik verursachte Kastration des Abiturs beklagen muss, lässt sich vielleicht auch ein Hoffnungsschimmer in der Entwicklung ausmachen: Endlich scheint bei den Universitäten die Erkenntnis gereift zu sein, dass gute Noten eben nur bedingt einen guten Arzt machen. Und dass es sich zum Wohle der Patienten lohnt, zu Studienbeginn auch mal einen Blick auf die Persönlichkeit und die Sozialkompetenz der angehenden Mediziner zu werfen – eine Forderung, die neben der „Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland“ auch Günther Matheis, Präsident der Landesärtzekammer Rheinland-Pfalz, gegenüber FAZ.NET erhebt. Das wiederum sieht der „Masterplan“, so wie er zuletzt ausgehandelt wurde, für alle Hochschulen verbindlich vor. So sollen etwa ein Ehrenamt bei den Johannitern oder ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Klinik belohnt werden.

ILLUSTRATION - In einer nachgestellten Szene zeigen die Mitarbeiterinnen Anna-Lena Thies (l-r) und Janina Sensmeier sowie BWL Student Benedict Välker und Jura Student und Schauspieler Klaus Palenberg (r) am 04.07.2013 in Münster (Nordrhein-Westfalen) im Studienhospital des Universitätsklinikum wie eine der Aufgaben im Eignungstest für angehende Medizinstudenten aussieht. Die Studenten müssen einen Mann mit zwei gebrochenen Armen füttern und dabei auf viele Kleinigkeiten achten, beobachtet werden sie von zwei Prüfern. Foto: Caroline Seidel/dpa (zu dpa-Korr:" Traum vom Medizinstudium: Spitzenabitur oder Eignungstest" vom 05.07.2013) | Verwendung weltweitStudenten führen vor, worauf es beim Eignungstest für angehende Medizinstudenten an der Universität Münster ankommt.

Sollte die Reform in der Schublade verschwinden, blieben die Universitäten an den NC als Hauptzulassungskriterium gekettet und könnten ihren Spielraum beim hochschuleigenen Auswahlverfahren nicht weiter ausdehnen. Denn in der gegenwärtigen Zulassungsordnung, heißt es bei der Stiftung für Hochschulzulassung, der ehemaligen Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, müsse die Note „einen maßgeblichen Einfluss behalten“. Da andere Kriterien nur einen ergänzenden Charakter haben, werden sie in Form von Boni auf den Abiturschnitt angerechnet – und dies sehr uneinheitlich. So wird für einen ausgebildeten Altenpfleger oder Notfallsanitär in Saarbrücken aus einer 2,1 eine 1,9; Oldenburg verspricht sogar einen ganzen halben Notensprung (0,5), doch andernorts, wie in Regensburg, Erlangen-Nürnberg oder Halle-Wittenberg, winken für Logopäden oder Physiotherapeuten gerade einmal 0,1-Notenstufen an Bonus. Ähnlich sieht es aus, wenn man den Medizinertest mit Erfolg abgelegt hat: Abiturienten mit einer 1,5 haben dann in Göttingen durch einen 0,5-Sprung gute Karten für einen Studienplatz; Lübeck ist noch großzügiger und vergibt zusammen mit einer Ausbildung sogar eine Gutschrift von bis zu 0,8-Notenstufen.

Das war es dann aber auch schon mit den Zusatzkriterien, mehr steht den Universitäten nicht zu – selbst wenn sie wollten. Und wollen sie nicht (Bonn) oder nur eingeschränkt (Köln), kann sie auch niemand dazu zwingen. In der Konsequenz darf sich ein Bewerber mit einem Schnitt von 1,5 mancherorts Chancen auf ein Medizinstudium ausrechnen, an anderen Universitäten hingegen nicht. Bewerber mit einem Schnitt von 2,5 dürfen sich in Deutschland erst gar keine Hoffnungen auf einen Studienplatz machen. Stattdessen können sie sich, wenn sie den Gang ins Ausland oder an private Hochschulen scheuen, sogar trotz Ehrenamt, Ausbildung und Freiwilligen Sozialen Jahr auf eine Wartezeit einstellen, die mit 14 Semestern mittlerweile länger dauert als das Studium selbst. Ist das sinnvoll und fair?

Wohl kaum, wenn es anstelle eines kolossalen „Masterplans“ eigentlich nur wenig Phantasie bedürfte, um das Zulassungsverfahren an den entscheidenden Stellen zu verbessern. Etwa, indem man die Abiturbestenquote streicht und stattdessen achtzig Prozent der Plätze im hochschuleigenen Auswahlverfahren vergibt, wie auch Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, im Gespräch mit FAZ.NET anregt. Oder durch eine einheitliche Pflicht zum schon einmal totgesagten und wiederauferstandenen Medizinertest – heute als vielleicht unvermeidbare Reaktion auf die schwindende Verlässlichkeit dafür, ob die nach zwölf bis dreizehn Jahren erworbene Hochschulzugangsberechtigung noch zu mehr berechtigt als zum Erwerb von Lachshäppchen auf der Abiturfeier.

Der Tutor Leopold (l-r) und die Medizinstudenten Anja-Kathrin, Lucas, Tutorin Johanne und Marie führen am 09.01.2016 in der Charité in Berlin bei der Übung «Simulierte Rettungsstelle» eine Notfallbehandlung an einem Dummy durch. In Fünfergruppen üben die Studenten für den Ernstfall in der Notaufnahme. Foto: Britta Pedersen/dpa (zu dpa «Simulationsmedizin: Den Ernstfall durchspielen» vom 11.01.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweitVorwissen schadet nicht: Simulationsmedizin in der Notaufnahme der Charité in Berlin

Vor allem aber sollte endlich einmal eine erfolgreiche berufliche Ausbildung einheitlich jene Wertschätzung erfahren, die sie verdient und die auch der „Masterplan“ ihr nicht ausreichend verleiht. Denn ist nicht gerade sie mehr denn je ein verlässliches Indiz dafür, dass es wirklich ernst meint, wer an seine drei Jahre Praxiserfahrung noch ein zwölfsemestriges Hochschulstudium dranhängen möchte? Sollten die Universitäten qualifizierten Ausgebildeten deshalb nicht mehr Chancen in Aussicht stellen als halbgare NC-Boni? An der Finanzierung dürfte zumindest das nicht scheitern.

Gerade im Wahljahr wären Verbesserungen beim Auswahlverfahren der Medizinstudenten ein gutes Signal – zumindest, wenn man junge Menschen davon überzeugen möchte, dass in der Bildungspolitik durchaus noch gestaltet und verändert und nicht nur verwaltet und sich verhoben werden kann, wie das Gezerre um den „Masterplan“ wieder einmal gezeigt hat.


23 Lesermeinungen

  1. Michael sagt:

    Ein paar Ergänzungen
    “Den Universitäten sind die Hände gebunden”
    Es stimmt zwar, dass die Abiturnote immer noch einen ausschlaggebenden Faktor für die Bewerbung darstellt. Zu postulieren, die Unis stünden der Vorschrift “Abiturnote ist alles” machtlos entgegen, ist allerdings übertrieben.
    Es gibt keinen anderen Studiengang, der solch ein breites Spektrum an unispezifischen Auswahlkriterien besitzt, wie es bei Medizin der Fall ist. Daher kommt ja auch der Name AdH – Auswahlverfahren der Hochschule. Dazu genügt eigentlich schon ein Blick auf die zentrale Bewerbungsseite von hochschulstart. Von TMS über HamNat, Ausbildungen im medizinischen Bereich, FSJ, Schwerpunktfächer im Abitur – diese Vielfalt ermöglicht es noch einer ganzen Menge an Bewerbern (auch im Bereich einer 2,0), einen Studienplatz zu ergattern. Allein die Universität Heidelberg, um das Klischee der 1,0er-Studenten mal etwas zu lockern, bewertet den TMS inzwischen so stark, dass genügend Bewerber mit einem sehr guten TMS und schlechten Abitursschnitt die Chance wahren. Ohne TMS hat man über das Auswahlverfahren der Hochschule übrigens gar keine Chance.
    Das Beispiel über die Bonierung einer Altenpflegertätigkeit, dem ein ganzer Absatz gewidmet wurde, wirkt in diesem Kontext sehr konstruiert. Mich überrascht es da eher, dass eine Universität tatsächlich 0,5 Boni dafür gibt.

    “In der Konsequenz darf sich ein Bewerber mit einem Schnitt von 1,5 mancherorts Chancen auf ein Medizinstudium ausrechnen, an anderen Universitäten hingegen nicht.”
    Ja, das stimmt. Und das gilt auch für Bewerber mit einer 1,0. Siehe obiges Beispiel für das AdH. Ja aber Moment, wie kann das sein? Es ist doch die Rede von einer “Abiturbestenquote”. Und da gibt es sogar eine scharfsinnige Idee, was man daran verändern kann:

    “Etwa, indem man die Abiturbestenquote streicht und stattdessen achtzig Prozent der Plätze im hochschuleigenen Auswahlverfahren vergibt, wie auch Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, im Gespräch mit FAZ.NET anregt.”
    Die Abiturbestenquote an sich wird eigentlich ihrem Namen nicht gerecht. Der Grund ist ganz simpel: Es handelt sich um ein zweistufiges Verfahren. In der zweiten Verfahrensnote mag die Punktzahl! der Abitursnote ausschlaggebend sein. Aber: In der ersten Verfahrensstufe wird bei gleicher Durchschnittsnote gelost. Da du sowieso schon eine 1,0 brauchst, bedeutet das: Alle 1,0er eines Bundeslandes sind erstmal gleichwertig. Wirst du rausgelost, hast du Pech gehabt – egal ob du nun 880 Punkte oder 830 hast. Durch Stufe 1 bestimmst du zwar deine 20%, es sind aber nicht die 20% Besten. Und da die 2. Stufe,auf jede Universität zugeschnitten und punktbasiert ist und und die Universitäten freie Wahl der Punktegrenze haben, können die beliebten Universitäten für die NC-Grenzen eines nun heterogenen Bewerberpulkes solch irrsinnige Punktegrenzen festlegen, dass von den 20% weitere Leute rausgekickt werden. Kurzum: Einen erfolgreichen Studienplatz über diese Quote zu erhalten gleicht einer Lotterie. Und am Ende bleiben vielleicht 15% übrig, die tatsächlich über dieses Verfahren einen Platz bekommen haben. Aber es sind nicht die “Besten”, mehr die “Glücklichsten”. Das fällt schon beim Blick auf die Zulassungsstatistiken auf, die auf Hochschulstart für jeder Bewerbungsphase veröffentlicht werden.

    Doch Medizin bleibt immer noch ein begehrtes Studienfach. Da kann man es nicht allen Leuten recht machen. Das Auswahlverfahren in Deutschland gehört sogar noch zu einem der (was HZB und Wartezeit angeht) Sozialsten, wenn man auf andere Länder blickt. Schlimmer ist: In dem Masterplan möchte jede Lobby seine eigene Ideen verwirklichen. Die Studentenschaft bleibt aber, was den Entscheidungsprozess betrifft, außen vor. Vieles, wie zum Beispiel die Hausarztquote, wirkt sehr von der Politik beeinflusst. Wer das Ausmaß verstehen möchte, muss selbst recherchieren, die Details lesen und seine Meinung bilden.

  2. a.pernath sagt:

    @Student
    wenn nicht Examensnoten oder Bestehensquote, was soll man dann als Kriterium für den Studienerfolg heranziehen?
    Wer behauptet, daß ein gutes Examen “noch keinen guten Arzt macht”, müßte erst einmal bitte sagen, was er als Alternative vorschlägt. Oft werden dann Punkte wie “Empathie” genannt. Aber es gibt eine ganze Reihe Spezialisierungen, bei denen Empathie wenig relevant ist, z. b. Mikrobiologie oder Radiologie. Und ohne Fachwissen nutzt auch Empathie nichts.
    Sie sollten erst einmal davon ausgehen, daß diejenigen, die die festgelegt haben, was ein Absolvent am Ende des Studiums wissen sollte, und wie man das abfragt, sich darüber viel und lange Gedanken gemacht haben.
    Das einfach beiseitezuwischen und zu behaupten, es seien eigentlich ganz andere Kriterien relevant, scheint mir doch einigermaßen arrogant.

    Im Medizinstudium wurde schon immer sorgfältig evaluiert und überlegt, mit welchem Verfahren man den Studienerfolg am besten vorhersagen kann. Denn jeder Student, der endgültig durchfällt oder abbricht, kostet den Staat mehrere hunderttausend Euro, da kein Studium so teuer ist wie Medizin.
    Und da hat sich die Korrelation zwischen guter Abiturnote und Bestehen des Staatsexamens immer wieder als sehr hoch bestätigt, andere Verfahren dagegen bieten nur geringen Zusatznutzen. Deswegen hat man die Bedeutung des Tests, der früher für alle Bewerber obligat war, wieder eingeschränkt.

  3. Tina Müller sagt:

    Ergänzung von teilweise fehlender Differenzierung
    Ich bin selbst Medizinstudentin und habe die Diskussion um den sogenannten “Masterplan” hautnah mitverfolgt.

    Es ist immer wieder schön zu sehen, wie leicht es dabei den Vereinen gemacht wird, Lobbypolitik zu betreiben. Warum sollte man ein Ehrenamt z.B. bei den Johannitern belohnen?

    Natürlich, der Umgang mit kranken und hilfsbedürftigen Menschen, die Arbeit für die gute Sache ect. ist sinnvoll und generell gut und das will ich auch nicht kritisieren. Leider wird auch in diesem Artikel wieder völlig die andere Seite außer Acht gelassen: Durch die Umstrukturierung von G8 auf G9 fällt viel Freizeit weg (die dann doch für viele eher mit Sport gefüllt wird als mit einem Ehrenamt), und durch den Wegfall der Wehrplicht – und des Zivildienstes – fehlen in genau den Bereichen viele kostenlose/billige Arbeitskräfte, die auch nicht über ein FSJ/BuFDi aufgefangen werden können.

    Das ist genau der gleiche Grund, warum damals das im 1. Abschnitt des Medizinstudiums verpflichtende zweimonatige Krankenpflegepraktikum auf drei Monate ausgeweitet worden ist: Kostenlose Arbeiter. Es soll mir keiner sagen, dass das nicht das Hauptziel des “Ehrenamt-Bonus” sein soll und wird.

    In meinen Augen ist auch der Zugang über eine Ausbildung falsch, da dadurch Ausbildungsplätze für die Menschen verloren gehen, die wirklich in dem Bereich tätig sein wollen. Damit meine ich nicht diejenigen, die in dem Bereich dann 14+ Wartesemester sammeln (von denen ich einige in meinem Freundeskreis habe), sondern diejenigen, die die Ausbildung machen und dann keinen einzigen Tag in dem Beruf tätig sind.

    Die einzige auch nur ansatzweise sinnvolle Lösung wäre auch nicht der TMS (der wirklich nichts mit Wissen zu tun hat), sondern eher eine bundesweite Durchführung des Ham-Nats (ein Test, der in Hamburg, Magdeburg und Berlin durchgeführt wird und bei dem es um naturwissenschafliches Grundlagenwissen geht), ähnlich wie in Österreich der Med-AT erfolgreich umgesetzt wird. Der Test erfolgt bundesweit zur gleichen Zeit am gleichen Tag und ist vollkommen von der Abiturnote losgelöst.

    Desweiteren sollte nochmals erwähnt werden, dass bis jetzt die einzige “Reform” des Auswahlverfahrens darin bestehen soll, eine Vorab-Landarztquote einzuführen, die von eigentlich allen Verbänden kritisch gesehen wird, die CDU aber sogar explizit in das Wahlprogramm für die Bundestagswahl aufgenommen hat.

  4. Jakobskaffee sagt:

    Einäscherung eines neuen bürokratischen Monstrums?
    Mich erstaunt, dass hier bisher wenig darüber debattiert wird, welche erheblichen Folgen die verpflichtende Einführung weiterer Zulassungskriterien neben der Abiturnote für die Hochschulen hat.

    Studien belegen immer wieder, dass Abiturnoten unabhängig von der politischen Couleur der Bildungsminister immer noch das valideste Kriterium für die Prognose des Studienerfolgs sind. Standardisierte Testverfahren (wie z.B. TMS) ändern an der Aussagekraft nichts. Durch diese Tests ergeben sich nur marignale Änderungen an den Ranglisten nach Abiturnote. Über Rollenspiele, oder mündliche Auswahlgespräche kann man in der Tat besser filtern. Diese Verfahren sind aber extrem verwaltungsaufwendig in der Vorbereitung und personalaufwändig in der Durchführung. Das Verfahren findet aber in den Sommermonaten statt, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren schulpflichtigen Kindern gerne in Urlaub fahren. Auswahlgespräche lösen auch nicht alle Probleme. Meines Wissens belegt die Uni Duisburg-Essen bei der Erfolgsquote von Staatsexamina eher hintere Rangplätze…

    Der Masterplan sollte daher nicht am Zulassungsrecht rumdoktorn, sondern schrittweise die Zahl der Studienplätze erhöhen und so Druck vom Kessel zu nehmen. Nur damit wird effektiv zur Lösung derProbleme (Ärztemangel, hohe Anziehungskraft des Studiums) beigetragen.

    • Student sagt:

      Falsche Annahme
      Du vermischt hier was. Dass die Abiturnote als tolles Kriterium für Vorhersagen gilt ist eine Farce. Die Korrelation zwischen Abiturnoten und Uninoten liegt bei unter 0,5.
      Außerdem ist Studienerfolg nicht das angestrebte Ziel. Ok, jemand der ein Abitur 1.0 macht ist provokant gesagt ein Streber. Dass der auch im Studium ordentliche Klausuren schreibt ist nicht überraschend. Aber gute Klausuren im Studium sind noch kein Gütemerkmal für ein Arzt. Ein ehrliches Interesse am Wohlbefinden der Patienten und ein intrinsisches Bedürfnis Menschen zu helfen werden in Tests nicht evaluiert. Auswahlgespräche sind dringed notwendig!

    • Jakobskaffee sagt:

      Falsche Annahme?!
      Ich glaube so falsch waren meine Annahmen gar nicht… Studienzulassungsvoraussetzung können in unserem Verfassungsstaat nur an den Anforderungen des Studiums ausgerichtet sein. Die Befähigung zu einem guten Arzt muss das Studium (einschließlich PJ) leisten. Aber vielleicht liegt auch hier die eigentliche und viel größere Baustelle??!!

  5. Chirurg sagt:

    Die Abiturnote sollte eins von mehreren Kriterien sein.
    Bin 2000 mit Baden-Württemberg-Abi von 2,1 über das Auswahlverfahren zugelassen worden. Dabei wurde mein Zivildienst im Rettungsdienst, die Wahl meiner naturwissenschaftlichen Keidtungskurse, mein ehrenamtliches Engagement und meine glaubhaft vermittelte Motivation berücksichtigt. Habe Studium, Promotion und Facharztprüfung problemlos absolviert ohne eine Prüfung zu wiederholen, Examensnote sehr gut. Heute bin ich auch nach 10 Jahren äußerst gerne Chirurg und Notarzt in der Provinz. Für diesen Berufsweg ist ein 1,0-Abi eher hinderlich. Denn Medizin findet am Wochenende und nachts statt und ist nicht immer wie in der Hochglanz-Arztserie. Und da sich immer weniger meiner Kollegen die Hände schmutzig machen möchten, habe ich immer mehr Kollegen aus dem Ausland. Die Abiturienten aber mit einem Schnitt von 2 werden nicht zugelassen. Verrückte Welt…

  6. Sunshine sagt:

    Dr.
    Ich habe nach acht Wartesemestern (genutzt für Ausbildung und ein Jahr arbeiten) mit einem Abischnitt von 2,4 (Baden-Württemberg) in Regelstudienzeit das Medizinstudium abgeschlossen. So viel zum Thema NC als Auswahlkriterium. Neben gewissen Anforderungen an Sozialkompetenz sollte insbesondere hinsichtlich Motivation, Selbstorganisation und Durchhaltevermögen/Stressresistenz geprüft werden bei Aufnahme

  7. Michael M. sagt:

    Es funktioniert ganz gut ...
    Nach Ingenieurstudium und Ausbildung im medizinischen Bereich 2013 doch noch im Medizinstudium gelandet muss ich ein wenig widersprechen. Die Medizinstudierenden sind mit den Studierenden anderer Fächer nicht zu vergleichen was Motivation und Leistungsfähigkeit angeht. Über die drei gebotenen Weg ins Studium findet sich immer ein passabler Weg: entweder man hat hervorragende Schulische Leistungen, man wartet halt oder kann sich im AdH die Note wie beschrieben aufbessern. Wer mit einem dreier-Schnitt in dieses Studium will ist schlichtweg verloren. Die Menge an Lernstoff und das notwendige Tempo macht Lernkompetenz und breit gefächertes Verständnis (Bio, Chemie, Physik, Sprachkompetenz, Ethik, ….) notwendig. Die mir bekannten Abiture bilden dies gut ab. Vielleicht nicht in der Nachkommastelle, wohl aber in der Note.
    Das es eine Inflation der Schulnoten und eine Abwertungspirale der Schulsysteme gibt wird sicher niemand bezweifeln. Dieses Problem trifft aber jeden Studiengang. Wenn man Hürden setzt was bietet sich besser an als das letzte Abschlusszeugnis. Wofür sollte man sich für Abitur sonst reingekniet haben.

    • Christian Wolff sagt:

      Wissen ist eine Funktion des Interesses
      … und nicht der Zensuren in der Schule. Wer es wirklich will, kann alles im Studium bewältigen, egal, welchen “NC” er hat. Wer es wirklich will, wird sich um das Verständnis bemühen. Große Teile des Wissens aus dem Bioleistungskurs werden in der Vorklinik “wiedergekäut”, das ist sicher zum Nachteil dessen, der keinen Bioleistungskurs zur Verfügung hatte. Für diese Studenten brauchen wir einfach und schnell verständlich geschriebene Literatur, damit sie schnell nachholen können. Egal, ob sie nun einen guten Notendurchschnitt haben, oder nicht. ich selbst gehöre zu den “Dreier-” Leuten und habe die Dinge z.B. in der mir völlig fremden Biochemie per amerikanischer Literatur verschafft, weil die deutschen Lehrbücher voraussetzten und deshalb grottenschlecht waren. Hier muss man ansetzen.

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