Die Promotion ist eine gute Gelegenheit, um für ein paar Jahre ins Ausland zu gehen. Vor allem innerhalb Europas sind die Hürden niedrig. Martin aus Freiburg hat die Chance genutzt und ist nach Norwegen gezogen.
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Hogwarts wird gerade renoviert. Die Fassade muss erneuert werden, und so verschwindet der ganze rechte Flügel des prächtigen Baus hinter einem blau verhängten Baugerüst. Hogwarts – so nennen sie hier in Trondheim das Hauptgebäude der Naturwissenschaftlich-Technischen Universität (NTNU), wegen seiner Türmchen und der hochgewölbten Eingangshalle. Auf das klassische Foto – Student neben metallenem NTNU-Logo und im Hintergrund das Hauptgebäude – müssen wir daher heute verzichten und uns stattdessen mit einem anderen “Ich und meine Uni”-Motiv begnügen. Auch nicht schlimm, denn „Hogwarts“ ist umgeben von Parkgelände und liegt zudem auf einem Berg, von dem aus man eine beeindruckende Aussicht auf Trondheim und den dahinter liegenden Fjord hat.
Martin Dorber ist hier seit anderthalb Jahren Promotionsstudent und fest an der Uni angestellt. Zuvor hat der 27-Jährige im badischen Freiburg seinen Bachelor und Master in Umweltwissenschaften gemacht. Sein Pass ist nach wie vor deutsch, doch dass er für die Promotion ins Ausland wollte, war für Martin von vornherein klar. „Ich kannte Skandinavien aus verschiedenen Urlauben schon seit meiner Jugend und hab es immer gemocht“, erzählt er. „Ich war im Sommer dort, aber auch im Winter und habe mich eigentlich immer weiter nach Norden hin orientiert.“ Während des Masters verbrachte er sogar zwei Monate im „Niemandsland“, wie er sagt, auf einer Rentier-Forschungsstation in Nordfinnland. „Als ich mit dem Master fertig war, war klar: Das ist der Zeitpunkt um nach Norden zu ziehen.“ Dass er promovieren wollte, ergab sich parallel dazu aus einem anderen Grund: „Ich möchte gern in die Forschung und da ist das einfach der Weg, den man gehen muss“, sagt Martin.

So wie Martin zieht es in Deutschland viele Studierende zur Promotion ins Ausland. Wie viele es genau sind, lässt sich allerdings nur schwer sagen. Das statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig einen Bericht zu deutschen Studierenden im Ausland, in dem Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengestellt werden. In der Auflistung nach angestrebtem Abschluss ist dort von mindestens 11.500 Promovierenden die Rede, allerdings stammen die Daten aus unterschiedlichen Jahren und nicht alle Länder veröffentlichen Informationen zum angestrebten Abschluss der eingeschriebenen deutschen Studierenden. Für Norwegen stammen die Zahlen aus den Jahren 2014/15. Damals arbeiteten von 1250 deutschen Studierenden in dem nordeuropäischen Nicht-EU-Land knapp 22 Prozent auf einen Doktorgrad hin.
Ein bisschen gleicher als in Deutschland
Martin bewarb sich auf der Suche nach einem Promotionsplatz ausschließlich auf Stellen im nordeuropäischen Ausland. Viele Bewerbungen verschickte er allerdings nicht: „Hier leben ja nun mal nicht so viele Menschen. Entsprechend wenige Stellen gibt es“, stellt er lapidar fest. Die erste Zusage mit spannendem Thema nahm er an, landete also eher zufällig in Trondheim und ist jetzt offiziell „PhD Candidate“ in der Abteilung „Industrial Ecology“. Er arbeitet daran, das Instrument des „Life Cycle Assessment“ weiterzuentwickeln, das man international zum Beispiel dafür nutzt, um die Umweltauswirkungen von Produkten zu vergleichen, etwa Plastik- und Papiertüten. Oft konzentriert man sich dabei auf CO2-Emissionen, doch Martin versucht das Instrument dahingehend weiter zu entwickeln, dass es auch Auswirkungen auf die Artenvielfalt vorhersagen kann. Dabei beschränkt er sich auf den Bereich der Wasserkraft. “Wie beeinflusst ein Wasserkraftwerk die Tiere und Pflanzen im angrenzenden Fluss?”, wäre eine Frage, die das Instrument am Ende beantworten können soll.

Das PhD-Programm, zu dem Martin gehört, funktioniert dabei etwas anders als Promotionen es in Deutschland für gewöhnlich tun. Im gängigen Modell hierzulande hat ein Doktorand einen festen Doktorvater – oder eine Doktormutter -, bei Voll-oder Teilzeitanstellung am Lehrstuhl, die häufig Lehrtätigkeiten mit umfasst. Martin dagegen ist für drei Jahre Vollzeit an der NTNU angestellt und kann sich fast vollständig auf seine Promotion konzentrieren. In Anlehnung an das amerikanische PhD-System muss er lediglich für 30 Credits Kurse belegen, die meisten davon speziell für PhD-Studierende. Für die Betreuung seiner Promotion ist eine Professorin zuständig, die als Hauptbetreuerin durch Zweit- und Drittbetreuer unterstützt wird, die in Martins Fall von einem Forschungsinstitut in der Nachbarschaft der Uni stammen. „So bekomme ich fachlich auch nochmal anderen Input“, sagt er. Insgesamt fühlt er sich sehr gut betreut. „Bei uns in der Abteilung sind die Türen immer offen. Wenn ich eine wichtige Frage habe, kann ich die einfach stellen. Meine Professorin und ich haben zwar einen monatlichen Termin abgemacht, aber manchmal erübrigt der sich auch, weil wir gerade ein paar Tage vorher alles Wichtige besprochen haben.“
Mit dem Gehalt, das Martin bekommt, kann er in Norwegen gut leben, sagt er. „Ich kann mir am Wochenende auch Hobbys und Ausflüge in die herrliche Umgebung leisten. Wahrscheinlich liegt das Gehalt für norwegischen Verhältnisse irgendwo in der unteren Mitte“, überlegt er und fügt gleich hinzu: „Wobei das hier ohnehin alles ein bisschen gleicher ist als in Deutschland.“ Entsprechend hat er sich auch nie um ein Stipendium für seinen Aufenthalt bemüht. Solche Unterstützungen gibt es, allerdings sind sie für eine komplette Auslands-Promotion schwierig zu finden. Der DAAD zum Beispiel vergibt nur Stipendien für Forschungsaufenthalte im Ausland während einer Promotion an einer deutschen Hochschule. Auch bei einigen der parteinahen deutschen Stiftungen ist das der Fall. Manche betonen allerdings, dass die Förderung einer Auslandspromotion in begründeten Ausnahmen möglich ist, andere nennen diese Möglichkeit sogar gleichwertig neben einer Promotion in Deutschland.
Der PhD ist kein Hindernis
Je nachdem, wohin es bei einer Promotion im Ausland gehen soll, kommen natürlich bürokratische Hürden auf Auswanderwillige zu, die sich innerhalb der EU und auch in Norwegen aber in Grenzen halten. Martin betont, wie einfach bei ihm der offizielle Umzug war. „Alles, was ich brauchte, war ein Termin bei der Polizei, wo ich mit meinem Arbeitsvertrag dann eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen habe“, erzählt er. „Das Ganze war eher pro forma. Es gab kein Risiko, dass ich sie nicht bekommen würde.“ Was ihn allerdings verwunderte: Für die Ummeldung nach Norwegen musste er beim Amt ein Geschlecht angeben, das in Deutschland auf dem Personalausweis nicht draufsteht. Nötig war daher die Vorlage eines Reisepasses, denn auf diesem ist hierzulande auch das Geschlecht vermerkt. Nach dieser überschaubaren Hürde konnte Martin allerdings einen echten Unterschied zwischen Deutschland und Norwegen erleben: Seinen Pass durfte er als Kopie per Mail an das zuständige Amt in Norwegen schicken. Kein Stempel, keine Beglaubigung. „Hier gilt Handschlag“, sagt Martin. „Grundsätzlich vertraut man erst einmal darauf, dass der andere einem die Wahrheit sagt und sein Wort hält.“ Inzwischen hat er das schon häufiger erlebt – als er ein Auto mieten wollte oder als er der Versicherung den Wert seines gestohlenen Fahrrads melden sollte.

Es gefällt Martin in Norwegen, er möchte hier bleiben. „Ich habe keine Sekunde überlegt, was wäre, wenn ich nicht hierher gezogen wäre“, sagt er. Inzwischen spricht er ganz gut Norwegisch und hat sich einen Freundeskreis aufgebaut, auch außerhalb der Uni. Er scheint gut hinein zu passen in das skandinavische Land. „Ich habe schon, bevor ich nach Norwegen gekommen bin, geangelt und bin Ski gefahren. Das hat enorm geholfen“, sagt er und lacht. „Alle laufen Ski. In den ersten zwei Wochen hier habe ich mir direkt zwei Paar gekauft, damit ich mitfahren konnte. Und wenn man im Winter die Kollegen nach Wachs-Tipps für Skier fragt, hat man auf jeden Fall ein Gesprächsthema.“
Falls Martin es sich nach seinem Abschluss doch noch anders überlegen sollte, müsste er sich wegen des akademischen Titels keine Sorgen machen. Der Träger eines PhD aus dem EU-Ausland, Norwegen eingeschlossen, darf in Deutschland nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz auch den „Dr.“ vor seinen Namen schreiben. Inzwischen ist es sogar auch in Deutschland möglich, einen PhD-Grad zu erlangen. Die Hochschulrektorenkonferenz weiß von mindestens 99 Fakultäten oder Fachbereichen, die diesen Grad zum Abschluss einer Promotion anbieten. International mag der PhD sogar von Vorteil gegenüber dem deutschen Doktor sein, vermutet zumindest Martin. Sein Eindruck: „Der Forschungsbetrieb ist so internationalisiert und der PhD ist international so bekannt … ich glaube nicht, dass er irgendwo ein Hindernis ist.“
Wohin genau es nach dem Abschluss gehen soll, weiß Martin noch nicht. Sein Zwischenfazit aber ist durchweg positiv: „Wie es bisher war?“, sagt er. „Spannend. Aufregend. Klasse. Genial.“ Er lacht. „Ich bin durchweg zufrieden.“
14h Stunden Tage + Wochenende
“Martin dagegen ist für drei Jahre Vollzeit an der NTNU angestellt und kann sich fast vollständig auf seine Promotion konzentrieren.”
In Deutschland bekommst Du 6- oder 12 Monatsverträge und stehst ständig unter dem Damoklesschwert, dass nicht verlängert wird. In den meisten Fällen handelt es aber nur um nur eine Psychonummer, um noch mehr Leistung aus den Doktoranden herauszupressen.
“In Anlehnung an das amerikanische PhD-System muss er lediglich für 30 Credits Kurse belegen, die meisten davon speziell für PhD-Studierende.”
In USA lernen alle Ph.D. Studenten wie man Forschungsanträge schreibt.
In Deutschland wird das als eine Art Geheimwissenschaft behandelt, die nur an auserwählte Günstlinge weitergegeben wird.
“Für die Betreuung seiner Promotion ist eine Professorin zuständig, die als Hauptbetreuerin durch Zweit- und Drittbetreuer unterstützt wird, die in Martins Fall von einem Forschungsinstitut in der Nachbarschaft der Uni stammen.”
In D sind Doktoranden der Feudalherrin oder dem Feudalherren restlos ausgeliefert. Ideenklau, Brechen von Zusagen und das gegeneinander Ausspielen der Doktoranden (divide et impera) sind strukturell begünstigt. Feudalsystem eben.
In welchem Fach den und welche Uni?
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Deutschland Ade
Nach Deutschland wird der wohl nicht zurückkommen,und das ist absolut nachvollziehbar.