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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Studentisches Wohnen: Letzter Ausweg Notschlafstelle

| 7 Lesermeinungen

Die Wohnungssuche für Studenten wird immer härter. Längst sind in den großen Unistädten Notunterkünfte zur festen Einrichtung geworden. Besserung ist auch nach dem letzten Wohngipfel nicht in Sicht.

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dpaZwei Reisekoffer vor einem Klappbett in einer studentischen Notunterkunft

In wenigen Tagen beginnt an den ersten deutschen Universitäten das Wintersemester. Für viele junge Menschen startet ein neuer Lebensabschnitt, der oft mit dem Umzug in eine neue Stadt einhergeht. Doch die steigenden Mietpreise machen Studierenden zu schaffen. Gerade in den Großstädten ist es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Jana Thomas kennt das Problem schon lange und engagiert sich als Projektleiterin beim Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Köln. Sie kümmert sich vor allem um jene Studierenden, die bei der Wohnungssuche leer ausgehen. Das Problem ist so groß, dass die Kölner Studierendenvertretung in jedem Wintersemester, in dem traditionell die meisten Studiengänge beginnen, für zwei Wochen eine Notschlafstelle für Studierende einrichtet. Jana Thomas ist als Betreuerin aktiv, für dieses Wintersemester haben sich bereits 20 Studierende bei ihr gemeldet. Einige sprängen zwar erfahrungsgemäß ab, weil sie doch noch einen Schlafplatz bei Kommilitonen fänden, dennoch rechnet sie damit, dass die Zahl kurz vor Semesterbeginn noch steigen wird.

Luxus können die Studierenden in den bereitgestellten Räumlichkeiten nicht erwarten. „Es handelt sich einfach um einen großen Raum mit Luftmatratzen und Tischen. Mit Vorhängen schaffen wir zumindest ein bisschen Privatsphäre. Es ist halt nur eine Notunterkunft“, sagt Jana Thomas. Die Stimmung unter den Studierenden sei aber nicht schlecht gewesen – die Tage vergingen ohne dauerhaftes Selbstmitleid. Aber natürlich seien viele Studierende übers Wochenende zu ihren Eltern gefahren, um der Enge möglichst zu entgehen. Die Einrichtung sei spartanisch und der Raum zur individuellen Entfaltung begrenzt. Die Kölner Notunterkunft, die wir auf Bitten des Studierendenaussschusses nicht bildlich zeigen, nur für das Nötigste reichen. Nach aufreibenden ersten Uni-Tagen zur Ruhe zu kommen oder sich vernünftig auf die anstehenden Seminare vorzubereiten, dürfte schwerfallen.

Die Hilfe der Studierendenvertretung endet aber nicht bei den zur Verfügung gestellten Schlafmöglichkeiten. Jana Thomas hilft den Betroffenen auch dabei, eine feste Unterkunft zu finden. Dafür sammelt der Allgemeine Studierendenausschuss Wohnungsangebote, die er an die Studierenden weitergibt. Tatsächlich gebe es viele Menschen, die ihre Wohnung oder ihr Zimmer zur Verfügung stellen, sagt Thomas. Nachdem große Zeitungen und Radiosender im vergangenen Jahr über die Kölner Notschlafstelle berichtet hatten, erreichte sie eine Welle der Solidarität. Private Vermieter meldeten sich, darunter viele ältere Menschen, deren Kinder bereits ausgezogen waren, und boten freie Zimmer an. Trotzdem sei es vor allem für männliche Studierende aus dem Ausland schwer, eine Wohnung zu bekommen, sagt Thomas. „Es ist schade, dass einige Vermieter so viele Vorurteile haben“, so die Projektleiterin, die froh darüber ist, dennoch immer nach den ersten Vorlesungswochen die meisten wohnungslosen Studierenden vermittelt zu haben.

© dpaWohndetail in einer Notunterkunft des Studierendenwerkes Freiburg

Jana Thomas ist inzwischen geübt darin, viele Wohnungsangebote bereits im Vorfeld auszusieben. Wohnungen in einem schlechten Zustand fallen ebenso aus dem Inseratepool wie diskriminierende Angebote – wer ausschließlich Frauen oder ausländische Studierende nicht bei sich wohnen lassen möchte, wird nicht aufgenommen. „Locker die Hälfte sortiere ich aus. Das meiste nicht wegen eines Mietpreises von mehr als 500 Euro, sondern wegen Diskriminierung oder auch wegen Überteuerung in Bezug auf das Angebot“, so Thomas. Einige Vermieter würden zum Beispiel Gästezimmer ohne Küchenmitbenutzung für 400 Euro monatlich anbieten. Das könnten sich die meisten Studierenden schlicht nicht leisten, wenn sie keine großzügige Unterstützung durch die Eltern bekommen. Die Ausbildungsförderung BAföG zum Beispiel veranschlagt lediglich 250 Euro fürs Wohnen – in der Domstadt eine unrealistische Summe. Lediglich die subventionierten Studierendenwerke böten Wohnraum im relativ niedrigen Preissegment an. „Das ist die einzige realistische Chance, in Köln eine Miete unter 300 Euro zu bekommen“, sagt sie.

„Es macht die Stadt kaputt, wenn sich nur noch Reiche Wohnen leisten können“

Dass die hohen Mieten Menschen mit niedrigerem Einkommen aus den Städten vertreiben, sei ein großer Missstand, sagt Jana Thomas: „Es macht die Stadt kaputt, wenn sich nur noch Reiche Wohnen leisten können. Das nimmt die Diversität raus.“ Und Studierende befinden sich mit Geringverdienern, Sozialhilfeempfängern sowie Rentnern in einem Wohnungskampf. Vor allem die Kommunen stünden jetzt in der Verantwortung, sich um günstigen Wohnraum zu bemühen.

Während die Mieten stiegen und immer mehr Menschen auf günstige Wohnungen angewiesen sind, verringerte sich jedoch gleichzeitig das Angebot an Sozialwohnungen. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen ist die Sozialbindung verfallen, weil die Mieter nicht mehr unter der Einkommensgrenze verdienten oder die Wohnungen nach 35 bis 40 Jahren aus der öffentlichen Förderung herausgefallen sind. Zum anderen werden deutlich weniger Sozialwohnungen gebaut. Von 2006 bis 2016 verringerte sich der Bestand an Sozialwohnungen um 830.000 aus 1,24 Millionen. Eigentlich sollten nach der Föderalismusreform 2006 die Länder allein für den sozialen Wohnungsbau verantwortlich sein, zum Ausgleich erhielten sie Entflechtungsmittel, die allerdings nicht zweckgebunden waren. Mehr als die Hälfte der Bundesländer gaben weniger Geld für den sozialen Wohnungsbau aus als sie dafür zur Verfügung bekamen – Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt bauten 2016 überhaupt keine neuen Sozialwohnungen.

dpa

Werde nicht mehr gebaut, würde die Zahl an Sozialwohnungen in den nächsten zwei Jahren auf 1,07 Millionen weiter sinken, prognostiziert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Im Koalitionsvertrag einigte sich die Große Koalition bereits darauf, dem Thema “Wohnen” besondere Aufmerksamkeit einzuräumen. Auf dem Wohngipfel in der vergangenen Woche hat die Bundesregierung unter anderem entschieden, bis 2021 insgesamt 100.000 neue Sozialwohnungen zu bauen. Dafür stellt sie den Ländern fünf Milliarden Euro zur Verfügung – zweckgebunden. Auch plant sie eine Verschärfung der Mitpreisbremse mit erweiterten Auskunftspflichten für den Vermieter – doch der Ertrag der Maßnahme bleibt zweifelhaft. Und auch die Aufstockung des Wohngeldes wird einem Großteil der Studierenden nicht helfen. Denn wer dem Grunde nach BAföG-berechtigt ist – und das sind prinzipiell auch Studierende, die die Förderung nicht erhalten –, hat auf die Beihilfe keinen Anspruch. Ausnahmen gibt es nur wenige.

Inwiefern Studierende also Nutznießer der zusätzlichen Investitionen sein werden, bleibt abzuwarten. Eine Verbesserung der Situation erscheint vorerst Zukunftsmusik zu sein, die für die nächste Studierendengeneration eher als leises Hintergrundrauschen zu vernehmen sein dürfte. Bis dahin wird die Notschlafstelle wohl weiterhin für manche Studierende der letzte Zufluchtsort sein.


7 Lesermeinungen

  1. Theo sagt:

    Willkommen in der Realität
    Wenigstens kommen die Studenten dadurch im wirklichen Leben an, wenngleich dies schon ein harter Fall vom Hotel Mama ist.

    Die Frage ist, warum drängen so viele Studenten dazu in fremden Städten studieren zu wollen. Ging früher ja auch anders.

  2. Soljankus sagt:

    Wer das Eine will, muss das Andere mögen
    The same procedure as every year.
    Wer unbedingt in Köln, München, Berlin oder Frankfurt/M. studieren will, kann sich rechtzeitig auf die Unterkunftsmisere einstellen.
    Das trifft auch auf die alimentierenden Eltern zu.
    Es gibt viele Uni-Standorte, in denen Qualität des Stundenbetriebes und annehmbare, studentische Unterkünfte geboten werden. Einfach mal die Reihenfolge und Kriterien der Auswahl des Studienortes ändern.
    Deutschland ist größer, als viele denken.

  3. Karl sagt:

    Titel eingeben
    Ich dachte, es ständen viele Erstaufnahmeeinrichtungen für Migranten (teilweise) leer – warum nicht die nutzen?

  4. Max Heumann sagt:

    Schwierige Situation...
    Da mittlerweile eine Ausbildung keinen Wert mehr hat und man offenbar studieren MUSS, hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt in den letzten Jahren massiv zugespitzt.

    Wenn man dann neben den Studenten welche auf Wohnungssuche sind, den ganzen Rest hinzuzählt, kommt man auf eine erkleckliche Anzahl!

    Das Problem ist dauerhaft nicht in den Griff zu kriegen.Die Anzahl der Studenten aka Studierenden wird weiter steigen und auf Sicht gesehen der Wohnungsmarkt in den Unistädten nebst Speckgürtel kollabieren.

  5. Nicolas Jablonsky sagt:

    Titel eingeben
    Es ist wie bei (fast) allem in Deutschland, von Bauprojekten über die Energiewende bis hin zur Flüchtlingskrise: Der Grundgedanke ist Gut, die Absichten besser, die Mittel vorhanden – nur die Ausführung ist miserabel!

    Es ist doch schon seit 10-20 Jahren so, dass die Wohnungssuche für Studenten in Großstädten oder “Studentenstädten” wie Heidelberg (eigene Erfahrung) zur Tortur wird. Die Wohnungen in Hochschulnähe oder Innenstadt werden für Studenten einfach unbezahlbar weil zum einen immer mehr Studenten an die Universitäten/Hochschulen drängen und zum anderen günstiger (alter) Wohnraum (neuem) teurerem weicht. Der soziale Wohnungsbau kommt noch nicht einmal den Anforderungen von sozial Schwachen und Geringverdienern hinterher und soll nun auch noch Studenten einen Schlafplatz bieten – kann nicht funktionieren!

    Die staatliche Unterstützung für Studierende ist ein Witz! 250€ für’s Wohnen? Das reicht vielleicht im ländlichen Ostdeutschland, in einer Großstadt aber bei weitem nicht! Die Differenz muss dann mit den großzügigen 399€ Grundbedarf-BAföG ausgelichen werden. 664€ (elternunabhängig) sind veranschlagt für einen ledigen Studenten, der nicht bei seinen Eltern wohnt und keine Kinder hat. Wenn wir davon ca. 400€ für eine Wohung abziehen, 30€ für Telefon/Internet, 30€ für ein Semesterticket des ÖPNV, dann verbleiben ganze 204€ im Monat (6,80€ pro Tag) für all die Annehmlichkleiten des Lebens wie Essen, Kleidung und Freizeit – und natürlich Material wie Laptop und Bücher! Warum studieren wohl so wenige Kinder sozial schwacher Eltern?

    Da stellt sich doch die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre einen Teil der Fördergelder für sozialen Wohnungsbau direkt den Universitäten/Hochschulen oder den Studentenwerken bereitzustellen: Sie kennen die Bedürfnisse, sie wissen wie viele Studenten hinzukommen und ob sie einen Wohnraum brauchen. Bis diese ganzen Informationen durch die Mühlen der Politik – von den Ländern bis runter auf die Kreise und Städte – gemahlen wurde, ist es viel zu spät und der Stau ist da, die Krise tritt ein und die Leute schlafen in Turnhallen.

    Entweder man gibt also denen die Unterstützung, die am nächsten an den Problemen sind, oder man hilft den Studenten direkt und erhöht das BAföG bzw. stellt neue Berechnungsmethoden auf: Indem man das Wohngeld auf dem tatsächlichen Studienort anpasst, kann der Bedarf durch den privaten Wohnungsmark gedeckt werden und den Studenten bleiben von den 399€ “zum Leben” noch genug um davon auch wirklich zu leben.

    Das ist natürlich alles Wunschdenken, denn wie beim berliner Flughafen und den Flüchtlingen muss erst die richtig große Krise eintreten, damit sich an den alten Methoden etwas ändert – aber natürlich ganz ganz ganz langsam und dann auch nur halbar***ig…

  6. Martin Roller sagt:

    Lösung: temporäre Untermiete
    Das studentische Wohnen ist zu jedem Semesterbeginn in den Schlagzeilen. Danach aber nicht mehr.
    Mein Vorschlag: wer Platz hat (und den haben viele) bietet temporär z.B. für 3 Monate eine möblierte Untermiete zu vernünftigem Preis an. So kommt etwas Kontakt und Geld ins Haus und der Student kann die ersten Monate in Ruhe eine Bleibe suchen.

    • Max sagt:

      ....und Du könntest...
      …den Studenten einfach so wieder auf die Straße setzen, wenn er innerhalb des Zeitraums (3 Monate) keine neue Bleibe gefunden hätte?
      Was nebenbei gesagt sehr wahrscheinlich ist.

      Mir würde es vermutlich schwerfallen….ich Weichei…..:-)))

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