In Mathe muss man rechnen, oder? Viele Studenten gehen mit falschen Erwartungen an ihre Fächer ins Studium. Das führt oft zu Frust und Enttäuschung. Zeit, mit den verbreitetsten Irrtümern aufzuräumen.
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Altmeister Seneca ist auch in dieser Frage zu gebrauchen, muss aber noch etwas aufgepeppt werden: Nicht nur, dass man in der Schule nicht fürs Leben, sondern für die Schule lernt, auch wird man dort nur bedingt auf die nächstfolgende, die Hochschule, vorbereitet. Zumindest, was die Erwartungen angeht. Studienfachberater sagen, dass viele Studenten mit dem Glauben an die Uni kommen, dass ihr gewähltes Studienfach im Prinzip so sei, wie dessen Pendant in der Schule. Diese Vorstellung führe nicht selten zur Enttäuschung. Aber es gibt noch manch anderen Irrglauben über Studiengänge, den man besser nicht erst nach dem x-ten Semester als solchen erkennt.
Mathematik: alles außer rechnen
Wer in der Schule gut in Mathe ist, wird beneidet, belächelt und bei Hausaufgaben auch immer gerne angesprochen. Im Mathe-Studium folgt dann aber die Überraschung: „In der Schule wird vor allem gerechnet, in der Uni aber bewiesen“, sagt Makan Rafiee, Studienberater für Mathematik an der Universität Göttingen. Es gehe dort vielmehr darum, Aussagen zu treffen – und sie dann zu beweisen. In der Schule hingegen läuft alles nach Schema F: Der Lehrer zeigt den Lösungsweg, die Schüler rechnen ihn mit anderen Zahlen nach. In der Uni dann, so Rafiee, bekomme man Beweistechniken an die Hand gegeben, die man bei anderen Beweisen nutzen könne. Statt zu rechnen, gehe es hier um Logik und Kombinatorik. „Es kommt häufig vor, dass die Studenten davon überrascht werden“, sagt Rafiee. Viele von denen fühlen sich wohler, wenn sie in Fächer wie Physik oder Volkswirtschaftslehre wechseln, welche Mathematik vor allem als Instrument benutzen.

Aber etwas anderes überrascht vielleicht noch mehr: Das vermeintliche Fach der Einzelgänger stellt sich als Teamsport heraus. „Mathematik lebt davon, dass man über Probleme redet und versucht, sie zu lösen. Und das geht am besten in der Gruppe“, sagt Sebastian Heiler, der in Göttingen Mathematik studiert. In Lerngruppen säße man oft zusammen, um die wöchentlichen Hausaufgaben zu bearbeiten. Die wenigsten, nur die absoluten Überflieger, würden das alleine schaffen. Grundsätzlich wüssten viele angehende Studenten zwar schon, dass es im Studium schwieriger werde als in der Schule, „aber sie sind sich des Ausmaßes, um wie viel schwieriger, einfach nicht bewusst“, sagt Heiler.
Jura: kein Platz für Gerechtigkeit

Auch unter Jura-Studenten soll es Idealisten geben. Das erfreut und betrübt zugleich, scheinen doch einige dieser aufrechten Recken am falschen Platz zu sein. „Bei Jura-Studenten gibt es häufig die Vorstellung, dass man für Gerechtigkeit kämpfen würde“, sagt Beate Lipps, Studienberaterin an der Uni Mainz. Vielmehr geht es aber darum, das geltende Recht anzuwenden, also nicht für Gerechtigkeit, sondern für Rechtmäßigkeit zu sorgen. Konkret sieht das dann etwa so aus, dass der Jurist dafür sorgt, dass sein Mandant alles bekommt, was ihm nach dem Gesetz zusteht. Ob Gesetze auch gerecht sind, ist dagegen vor allem die Sache der Politiker, die dafür zuständig sind, Gesetze zu gestalten. Juristen treffen auf die Frage nach Gerechtigkeit zwar in der Rechtsphilosophie, doch die ist im Jurastudium eher eine Randerscheinung.
Auch eine zweite gängige Vorstellung vom Jura-Studium ist übrigens falsch: „Man muss in Jura keine Gesetze auswendig lernen“, sagt Philipp Hamann, Rechtsreferendar am Landgericht Wiesbaden. „Es ist nur so, dass man viele Gesetze so oft liest, dass man es irgendwann kann.“ Obgleich das kein Ersatz für den fehlenden Kampf um Gerechtigkeit sein mag, erfreulich ist die Nachricht allemal.
Philosophie: Deine Meinung interessiert keinen!

In der Schule gibt es in Mathe meist nur eine richtige Antwort, in Ethik dagegen, je nach Argumentation, scheinbar keine falschen. Dort kommt es beim Diskutieren oft darauf an, die eigene Haltung überzeugend zu begründen. Viele Philosophie-Studenten, die später das Studium abbrechen, hätten aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Schulfach Ethik die Herausforderungen des Studiums falsch eingeschätzt, sagt Sabine Reh, Studienfachberaterin für Philosophie an der Universität Frankfurt. „Mitunter haben die Studierenden die Vorstellung, dass in den philosophischen Veranstaltungen an der Uni vordringlich diskutiert werde und es darum gehe, die eigene Meinung zu artikulieren“, so Reh. Tatsächliche ginge es jedoch darum, schwierige theoretische Texte zu lesen und darauf antwortende zu verfassen. Was man selbst etwa von Platos Gedankengängen hält, ist eher zweitrangig.
Die Last, bis 14 Uhr schlafen zu können
Auf dem Campus angekommen, bemerkt der frisch gebackene Student bald, wie viel mehr Zeit er plötzlich hat als in der Schule. „Die Uni ist auch deshalb eine Herausforderung, weil man selbständiger und freier mit seiner Zeit umgehen muss“, sagt Dr. Barbara Wolbring, Privatdozentin in Neuerer Geschichte an der Universität Frankfurt. „Man hat hier wesentlich weniger Druck als in der Schule, aber man muss ein viel höheres Pensum erbringen.“
In der Schule werden die Leistungen noch kontinuierlich in Tests überprüft. Gelernt wird in kleinen Etappen. In der Uni muss man sich den Lernstoff des Semesters selbst einteilen. Die meiste Arbeit hat man nicht in den Vorlesungen und Seminaren, sondern bei deren Vor- und Nachbereitung. Der Druck, morgens nicht im Bett zu bleiben, sondern fleißig zu sein, muss daher schon von einem selber kommen. Zumindest die Vorstellung, dass Studenten oft bis in die Puppen schlafen können, wenigstens die ist also wahr.
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Auszug aus dem Blogeintrag: “‘Man hat hier wesentlich weniger Druck als in der Schule […]’, […]Zumindest die Vorstellung, dass Studenten oft bis in die Puppen schlafen können, wenigstens die ist also wahr.”
Allein diese Aussagen sind schon sehr gewagte Thesen und sicherlich nicht auf jedes Fach anwendbar. Natürlich gibt es die Studienfächer mit 12 SWS. Der Studierende kommt oder bleibt weg. Die Fächer mit strengerem Zeitplan, mit vollen Wochen und 5 Tage-Wochen mit einem Stundenplan von 8 bis 20 Uhr werden gerne mal vergessen.
Der Schlusssatz wird wohl vielen ernsthaft Studierenden bitter aufstossen, ist es doch das Bild, dass die Elterngeneration und große Teile der nichtstudierenden Bevölkerung vom Studium haben und somit der Grund dafür, warum man ohne jegliches Verständnis gemustert wird, wenn man neben den 70- 80 Stunden Uni (aus Vorlesungen, Seminaren, Praktika und freier Arbeit) Probleme hat noch einen HiWi-Job auszuüben um seine Miete zahlen zu können – aber man studiert ja “nur”
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Danke das gleiche dachte ich mir auch. Das mit dem weniger Druck stimmt halt in manchen Fächern gar nicht, da man dort zu jeder Veranstaltung ein mal die Woche Aufgaben abgeben muss. Und wenn man diese nicht ordentlich und zum größten Teil richtig beantwortet, darf man die Prüfung nicht schreiben. Wobei die Aufgaben oft nicht an einem Tag zu schaffen sind. so kommt man schnell in Mathe, Informatik Naturwissenschaften oder ingenieursstudiengängen schnell auf die 70-80 Stunden Woche. Und dass das Bild in der Gessekschaft eines Studenten anders aussieht liegt wohl daran dass man nur die Studenten im normalen Leben sieht, die nur ihre 12 SWS haben. Die anderen sitzen in der Bib oder vorm Rechner und lösen Aufgaben, bereiten Vorlesungen vor und nach.
ohne "schwachsinnige" Beweise würde es diese Diskussion nicht geben
mathematische Formalisierung und logische Beweisführung sind die essentielle Grundlage bivalent tickender Rechner. Auch noch so “fluid” erscheinende KI wäre ohne den Satz des Widerspruchs, auf den alle Beweisführung letztlich setzt, hinfällig. Da ändert auch Fuzzy-Logik nichts dran, da Fuzzy-Grade auch völlig trennscharf, also kontradiktorisch, im Verhältnis zueinander gehandhabt werden. Manche Menschliche Intuition liegt natürlich ohne Formeinhaltung richtig, doch das interessiert ein Programm nicht, das jede vermeintlich vernachlässigbare Trivialität mit dem Absturz bezahlt.
Schwerpunkt Kegel
@ Silberdrache
Genau das ist DAS Beispiel. Der Mathematiker “beweist” erst mal, dass es einen Schwerpunkt gibt (das ist schon ausgemachter Nonsens, jeder Körper der etwas wiegt, hat auch einen Schwerpunkt) dann kommt der nächste “Beweis”, dass dieser ominöse Schwerpunkt wohl irgendwo auf der Symmetrieachse liegt und das war es dann auch. Mit solchen Banalitäten wie man das berechnet und wo der Schwerpunkt nun ist, beschäftigt sich ein Mathematiker nicht, neben dem, dass er nicht weiss, wie das geht. Sinnlos vertrödelte Zeit, nichts weiter.
@Capote - Bitte?
Um was geht diese Diskussion von Ihnen? Wenn ein Mathematiker Physik als Nebenfach belegt hat, weiß er natürlich, wie der Schwerpunkt eines Systems von Massepunkten bzw. eines ausgedehnten Körpers definiert ist. Im Fall von endlich vielen Massepunkten ist es eine endliche Summe, also wohldefiniert. Im Fall eines ausgedehnten Körpers kann man ihn als Integral über die Dichtefunktion des Körpers oder der Fläche berechnen, allerdings muss dazu die Dichtefunktion bekannt und integrierbar sein. Man kann den Schwerpunkt experimentell ausmessen, aber Messungen sind per se immer nur endlich genau. Die ganze Crux fängt schon damit an, dass der typische Vertreter einer Anwendungswissenschaft nicht (wirklich) weiß, was eine reelle Zahl ist, obwohl er dauernd mit reellen Zahlen herumhantiert. Schon die Pythagoräer kannten das Problem inkommensurabler Größen. Ihrer Auffassung nach gab es keine Zahl, die die Länge der Hypothenuse eines rechtwinkligen gleichseitigen Dreiecks mit Katheden der Länge 1 beschreibt. Das war in der Antike bis zu Aristoteles ein Sektengeheimnis. Das Problem wurde erst im 19. Jahrhundert tatsächlich gelöst. Aufgrund dieser Denkweise versteigen sich Physiker daher manchmal in Aussagen wie die, jede Funktion sei in eine Fourier-Reihe entwickelbar oder die Dirac-Distribution sei eine Funktion. Alternativ wird gefordert, dass die betrachteten “Funktionen” sich brav verhalten. Im Rahmen der Quantenfeldtheorie gibt es bis heute Teiltheorien, für die keine belastbare Mathematik existiert. Das Differential ist ein Begriff, mit dem man gerne rechnet, den ein Physiker aber meist nicht definieren kann, weil ihm der Begriff des Tangentialraums unbekannt ist. Usw., usw. …
Bitte? - Erratum
Wollte natürlich schreiben “gleichschenklig” nicht “gleichseitig”. Diese Kommentarfunktion hier ist schwierig. Im Unterschied zu “normalen” der FAZ, wo man wenigstens noch löschen und neu einstellen kann, arbeitet sie nach dem Prinzip “fire and forget”.
@Capote
Ja, das ist DAS Beispiel. Sie beweisen nämlich das, was Mathematiker Ingenieuren immer wieder vorwerfen: Sie benutzen Erkenntnisse der Mathematik, ohne sie zu verstehen und tun dann auch noch so, als ob die, denen sie diese Erkenntnisse zu verdanken haben, (schließlich wurde die Methode mit den Oberflächenintegralen von Mathematikern und eben NICHT von Ingenieuren entwickelt,) die Mathematiker, selbst nicht in der Lage dazu wären. Das ist wie wenn ein ingenieurwissenschaftlich völlig unbeleckter Mensch bei seinem Auto die Motorhaube öffnet, einen gerissenen Keilriemen durch eine zusammengebundene Nylon-Strumpfhose austauscht und dann sagt: “Seht her, es geht doch auch so. ich versteh nicht, warum diese Ingenieure nicht in der Lage für gute Lösungen sind”. Für diese Person ist die Schlussfolgerung völlig klar, denn das Auto fährt danach wieder (zumindest eine Weile), aber der Ingenieur wird sich die Hände über den Kopf zusammenschlagen ob der Behauptung, das sei besser als der Ursprungszustand.
Die Schwerpunktberechnung eines Kegels ist nebenbei ziemlich trivial. Dafür brauche ich kein Oberflächenintegral, das habe ich schon für meine Abitur-Prüfung in Mathematik können müssen, das ist also absolute Voraussetzung, überhaupt studieren zu können. Das wir das in jener Übung durch ein Oberflächenintegral machen sollten, hatte nichts mit dem Kegel zu tun, sondern mit der generellen Methodik, die man auch auf komplexere Themen anwenden kann. Mir ist das bewusst. Ihnen dagegen scheint bis heute nicht klar zu sein, warum der Beweis für 0 x a = a x 0 = 0 eine wichtige Grundübung mathematischer Arbeitsmethoden ist.
Unser Analysis-Professor brachte gleich in unserer ersten Vorlesung ein Beispiel für den elementaren Fehler in der Herangehensweise von vielen Ingenieuren an mathematische Probleme. Er zeigte uns ein Bild einer umgeknickten Ölplattform aus einem Zeitungsbericht und die darauffolgende Ursachenforschung. Der Grund war aus Sicht eines Mathematikers simpel: Der Statiker hatte für seine Simulation der Stützpfeiler eine numerische Herangehensweise, also eine komplexe mathematische Methode gewählt, ohne sie zu verstehen. Der Querschnitt der Stützpfeiler hatte die Form eines Drei-Viertel-Kreises. Jeder Mathematiker hätte ihm gleich sagen können, dass die gewählte Methode hier nicht funktionieren würde, weil dieser Querschnitt stellenweise nicht differenzierbar ist. Der Computer hatte aber “Näherungswerte” ausgespuckt und der Statiker darauf vertraut. Hätte er sich wie ein Mathematiker zuerst überlegt, ob überhaupt eine Lösung für seine Gleichungen existiert (ein Vorgehen, das sie offenbar für vertrödelte Zeit halten), dann wäre seiner Firma ein Millionen-Schaden erspart geblieben.
Das gesagt, ist es auch gar nicht die Aufgabe der Mathematiker, Schwerpunkte (oder sonst irgendwas) konkret zu berechnen. Es ist ja auch nicht Aufgabe eines Ingenieurs, eine Maschine zu bedienen. Der Ingenieur soll die Maschine nur entwerfen und zwar so, dass auch Nicht-Ingenieure sie bedienen können. Genauso ist es Aufgabe des Mathematikers, weitere Zusammenhänge zu finden und zu beweisen. Und dann zu versuchen, es Nicht-Mathematikern so zu erklären, dass diese es verstehen. Und ebenso, wie sich der gemeine Auto-Fahrer nicht für die High-Tech in seinem Auto interessiert, so lange alles funktioniert, muss eben auch der Mathematiker mit Anwendern leben, denen der Beweis für 0 x a = a x 0 = 0 völlig egal ist, solange ihre Rechnungen funktionieren.
Da dieser Beweis die absolute Grundlage von allem weiteren ist, ähnlich wie ihnen selbst die ausgefeilteste Programmiersprache nichts hilft, wenn sie keine Möglichkeit haben, sie in Maschinencode zu übersetzen oder wie ihnen ein Bauplan für einen Tesla Modell 3 nicht bringt, wenn sie noch nicht einmal das Rad erfunden haben, muss der Beweis eben sein. Ein “Ist mir wurscht, warum das funktioniert, Hauptsache es funktioniert” ist nur eben keine gute Einstellung für einen (Ingenieur-)Wissenschaftler.
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Ich studiere selbst Jura und ich denke es wäre dem Fach sehr geholfen wenn man weniger an Gerechtigkeit denken würde und mehr an ein Gladiatorendasein, man kämpft für seinen Klienten damit der möglichst alles kriegt was ihm zusteht. Man ist der Paladin seines Mandanten kein Priester der Absolution erteilt.
Dafür zu kämpfen,
was dem Klienten zusteht, setzt sehr wohl Abwägungen nicht nur zur Rechtmäßigkeit des Anspruchs, sondern auch zur Gerechtigkeit voraus. Die von Ihnen, Herr Gruber, intendierte Vorgehensweise der Rechtsanwälte besteht eher in dem Einsatz für den Klienten, soweit es für den Klienten zweckmäßig ist.