Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Warum wollen jetzt alle nachhaltig sein?

| 24 Lesermeinungen

Kaum ein Begriff hat eine derart steile Karriere hingelegt wie die Nachhaltigkeit. Jetzt hat die Worthülse auch die Hochschulen erreicht. Wohin führt das? Unser Autor meint: Nicht in die heile Welt, die beschworen wird.

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Abschlussfeier an der Universität in Anchorage, Alaska |Heiße Luft platzt schneller, als man denkt. Akademische Abschlussfeier im Zeichen der Nachhaltigkeit.

Schwurbelige Floskeln waren mal das Privileg von Wahlprogrammen. Inzwischen wimmelt es auch an den Hochschulen von Beschwörungsformeln. Einsamer Spitzenreiter der letzten Monate: die „Nachhaltigkeit“. Gleich reihenweise werden neuerdings Kurse und Module als „nachhaltig“ bezeichnet. In Eichstätt-Ingolstadt etwa können fünf Leistungspunkte im Modul „Nachhaltige Entwicklung“ erworben werden. Ausrichter ist die mathematisch-geographische Fakultät, die damit die „Fähigkeit, das Konzept und das Leitbild nachhaltige Entwicklung in seiner Entwicklung und Bedeutung für die Zukunft der Menschheit zu erläutern“ gedenkt. So steht es da wirklich.

Etwas bescheidener hört es sich an der Universität Marburg an, wo ein Grundlagenmodul „Verständnis des Leitbilds Nachhaltiger Entwicklung“ schaffen soll. Wobei auch hier wieder offen bleibt, was dieses „Leitbild“ eigentlich bezeichnen soll. Und ob die „Bedeutung von Innovationen, technischem Fortschritt und Ökoeffizienz“ Teilnehmern anderer Kurse wohl verwehrt bleibt? Besonders gut haben es die Studenten in Tübingen. Denn die Universität bietet nicht nur das „Intensivmodul Studium Oecologicum“ an, sondern trumpft sogar mit einem „Kompetenzzentrum“ und einem „Beirat für Nachhaltige Entwicklung“ auf.

Die Universität des Saarlandes wurde als erste Fairtrade-University Deutschlands ausgezeichnet. Dieter Overath, Geschäftsführer Fairtrade Deutschland, übergab die Urkunde an Universitätspräsident Prof. Volker Linneweber. Weiterer Text über OTS und www.presseportal.de/pm/52482 / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei. Veröffentlichung bitte unter Quellenangabe: "obs/TransFair e.V./Iris Maurer" |Zertifizierte Nachhaltigkeit: Die Universität des Saarlands feiert sich als erste “Fairtrade-University”.

Und warum nicht gleich etwas studieren, das „Nachhaltigkeit“ sogar im Titel trägt? Zum Beispiel „Unternehmensführung“ in Ulm oder Eberswalde. Oder „Bauen und Bewirtschaften“ an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Osnabrück wie Münster bieten „Dienstleistungs- und Ernährungswirtschaft“ als „nachhaltigen“ Master-, die Göttinger Universität „Katalysechemie“ als Promotionsstudiengang. Selbst das Fernstudium an der TU Kaiserslautern im Fach „Entwicklungszusammenarbeit“ trägt das Wort im Titel, und das gleiche gilt für den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Bildung und Nachhaltigkeit“ in Rostock. Wem das zu viel ist, der kann sich aber auch mit dem „großen Zertifikat in 4 Semestern“ an der Universität des Saarlandes begnügen. Um das zu erwerben, muss nur ein Pflichtteil mit 17 und ein Wahlteil mit sieben Leistungspunkten belegt werden.

Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt

Auch begeht man an vielen Unis regelmäßig einen „Tag der Nachhaltigkeit“, der in Hamburg schon mal eine Woche lang dauern kann, und immer mehr Hochschulen dürfen sich mit dem Kampagnen-Label „Fairtrade-University“ schmücken, wenn sie ihr „nachhaltiges Engagement“ unter Beweis stellen konnten – zuletzt Bayreuth als Vorreiter in Bayern. Mancherorts hat sich gar eine eigenständige Disziplin mit dem Namen „Nachhaltigkeitswissenschaften“ etabliert. In Greifswald zum Beispiel werden sie am Institut für Geographie und Geologie gelehrt, als „interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Natur- und Sozialwissenschaften“. Leuchtturm in diesem Bereich ist die Leuphana in Lüneburg, nach Eigenzuschreibung „eine Universität für das 21. Jahrhundert“.

Während der Eröffnungssitzung des Club of Rome in Berlin am 14. Oktober 1974 (v. l-r): der Vorsitzende Dr. Aurelio Peccei (Italien), Maurice Giernier (Paris), Dr. Viktor L. Urquidi (Mexiko), Senator Maurice Lampntagne (Kanada), Dr. Adeoye Lambo (Weltgesundheitsorganisation, Schweiz), Generalsekretär Dr. Sam Nilsson (Schweden) und Dr. Hans Linnemann (Niederlande). Zu seiner viertägigen Jahrestagung trat am 14.10.1974 der Club of Rome in Berlin zusammen. Etwa 700 Spitzenbeamte verschiedener Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, Regierungsmitglieder aus Industrie- und Entwicklungsländern, sowie Wissenschaftler und Publizisten nahmen daran teil. Auf der Tagung in der Berliner Kongreßhalle wurde zur Lage der Welt eine neue Studie mit dem Titel "Menschheit am Wendepunkt" vorgestellt. Der Club of Rome ist ein internationaler Zusammenschluß von etwa 100 Wissenschaftlern und Industriellen. | Verwendung weltweitEröffnungssitzung des Club of Rome in Berlin am 14. Oktober 1974.

Das alles beobachtet man als Student, der an der Universität das kritische Hinterfragen von Begriffen lernt, mit großer Verwunderung. Was ist nur aus der einst so klar definierten „Nachhaltigkeit“ geworden? Ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammend, trugen Organisationen wie der wachstumskritische „Club of Rome“ in den siebziger und achtziger Jahren dazu bei, den Begriff im Diskurs über Wald und Umwelt zu popularisieren und zu politisieren. Ein Blick ins Zeitungsarchiv macht deutlich: Wenn nicht im Sinne von „nachdrücklich“ oder „anhaltend“ gebraucht, bedeutete „nachhaltig“ ursprünglich eine vorausschauende und beständige „Waldpflege“ (1973) oder „Waldbewirtschaftung“ (1975). Bei der nur so viel Holz entnommen werden sollte, wie nachwachsen kann, bei der aber auch Konsens war, dass sich „ein schöner Wald nicht von selbst erhält“ (1976). Um den „Wald als Kulturraum“ (1985) „nachhaltig“ aufrechtzuerhalten, brauchte es die Axt, keine Naturromantik.

Doch mit dem 1987 veröffentlichten Brundtland-Bericht der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung und dem „Erdgipfel“ von Rio im Jahr 1992 wurde mehr daraus. Plötzlich war „Nachhaltigkeit“ in aller Munde, egal, ob es um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit oder den Wirtschaftsstandort Deutschland ging. Bücher mit dem Titel „Ein Bündnis für Nachhaltigkeit in der Politik“ wurden geschrieben und die Bedingungen der Forschungsförderung denen von „nachhaltiger“ Forstwirtschaft gleichgesetzt. Das deutsche Pendant zu „sustainability“ und „sustainable development“ war zum Schlagwort für alles und nichts geworden – und es fand wohl gerade deshalb so viel Verwendung, weil es als Konsensbegriff völlig unhinterfragt jedes gut gemeinte Anliegen zu dekorieren vermochte. Man konnte mit ihm sowohl die ICE-Neubaustrecke für Lärmschutz und Mobilitätsverbesserung preisen als auch ihren Bau wegen Kahlschlags und Versiegelung geißeln. An dieser Beliebigkeit hat sich zuletzt nichts mehr geändert.

Die Wirtschaft grünelt

Wieso hat ein solch freizügig interpretierter Begriff gerade im Umfeld der Wissenschaft Fuß fassen können, möchte man fragen. Und wieso ausgerechnet die „Nachhaltigkeit“? Begriffe wie „modern“ und „liberal“ stehen ja für eine ähnliche Beliebigkeit, und trotzdem stößt man eher selten auf einen Studiengang wie „Liberal Arts“ oder auf einen „Tag der Moderne“. Deshalb ist die Rede von der „Nachhaltigkeit“ womöglich mehr als ein Trend. Ist der Begriff vielleicht deshalb so beliebt, weil er einen Ewigkeitsbezug enthält und die Botschaft: Nur, was sich „nachhaltig“ nennt, hat die Zukunft im Blick und sorgt dafür, dass auch unsere Enkel über ausreichend Ressourcen verfügen. Das wiederum wäre reichlich absurd – Disziplinen, die den Begriff nicht im Namen tragen, würden demnach mit antiquierten, kurzfristigen Theorien hantieren. Und außerdem würde einem die Tendenz dahinter auch ein wenig Angst einjagen – Angst vor dem Machbarkeitswahn, der dieser verheißungsvollen Zukunftsvisionen innewohnt.

So bedrohlich ist es aber zum Glück (noch) nicht. Wahrscheinlich darf man den Ursprung für die inflationäre Begriffsverwendung in den Marketingabteilung der Hochschulen vermuten. Also dort, wo clevere Strategen leicht der Ansicht verfallen können, wohlklingende Studiengänge zögen junge Bewerber von ganz alleine an, ganz egal, ob sich die Bezeichnungen wirklich mit Inhalten decken. Auch einem „Tag der Nachhaltigkeit“ kann man unterstellen, primär als werbewirksames Event zu fungieren. So kennt man es auch aus der Wirtschaft, wo der grüne Anstrich einer wie auch immer gearteten „Nachhaltigkeit“ mittlerweile zum guten Ton gehört: McDonald’s- und Aldi-Filialen eröffnen heute in Grün, und selbst Automobilkonzerne veröffentlichen „Nachhaltigkeitsberichte“ im Umfang von Doktorarbeiten.

ARCHIV - Eine neu gestaltete Aldi-Filiale wird am 11.05.2016 in Unterhaching bei München (Bayern) vorgestellt. Foto: Peter Kneffel/dpa (Zu dpa "Die neuen «Superdiscounter» kommen: Aldi und Co. machen sich schön") +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweitSchöne neue Discounter-Welt: Aldi-Filiale in Unterhaching bei München.

Die Befürchtung, dass Universitäten selbst mehr und mehr zu Wirtschaftsbetrieben werden, sind dabei längst nicht mehr nur der Paranoia sozialistischer Hochschulgruppen vorbehalten. Die Sorge scheint zunehmend berechtigt, dass im wissenschaftlichen Lehrbetrieb bald wie im Konzernmeeting gesprochen wird und Modulbeschreibungen sich kaum von Pressebroschüren unterscheiden. Das Phänomen „Nachhaltigkeit“ würde demnach aufs beste jenen Ökonomisierungsprozess illustrieren, den Forschung und Lehre seit Jahren erleben.

Drei Jahre Bachelor als produktivitätsmaximierende Ausbildung; das Studium als Bruttoanlageinvestition in die berufliche Zukunft? Wenn man es so deutet, dann ergibt die Ablegung von Prüfungen in „nachhaltigen“ Fächern Sinn. Denn „Nachhaltigkeitskompetenz“ lässt sich damit zertifizieren und beruflich verwerten. Nur mit Wissenschaft hat das wenig zu tun. Weil sie sich gerade nicht durch einen optimierten Input-Output-Prozess auszeichnet. Sondern durch ständiges und oftmals redundantes kritisches Hinterfragen von Begriffen, Theorien und nicht zuletzt des eigenen Fachs. Was mitunter häufiger in Sackgassen mündet als in irgendeine „Kompetenzqualifikation“.

Vielleicht lernt man in „nachhaltigen“ Studiengängen ja tatsächlich – so wie Poststrukturalisten, Neuzeithistoriker oder Quantenphysiker seit jeher – das eigene Begriffsbesteck kritisch zu deuten und zu hinterfragen. Dann wäre jede Polemik unberechtigt. Aber Skepsis ist angebracht. Warum die „Nachhaltigkeit“ nicht einfach aus dem akademischen Wortschatz streichen? Dann kann die Beliebigkeit des Begriffs keinen Schaden mehr anrichten. Nachhaltigen Schaden.


24 Lesermeinungen

  1. Gast sagt:

    Eine Ressource, die im Namen der "Nachhaltigkeit"...
    … nicht mehr genutzt wird, damit unsere Ururururur-Enkel noch was davon haben, ist keine Ressource mehr. Sie wird ja nicht genutzt!
    Ich kann mich etlichen Vorrednern nur anschließen, die ja zurecht darauf hinweisen, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist und ein Prolongation der Gegenwart in die Zukunft falsch ist. Vor 50 Jahren glaubte man, im Jahr 2016 würden Autos mit Kernreaktoren durch die Gegend fliegen und Roboter tragen unsere Einkäufe nach Hause. An das Internet, Smartphones, Facebook oder Twitter hat niemand gedacht.
    Von daher sollten wir die verfügbaren Ressourcen nutzen und uns weiterentwickeln. Wie bereits gesagt wurde, Fortschritt entsteht u.a. aus der Knappheit von Ressourcen. Somit wäre “Nachhaltigkeit” im Umkehrschluss auch fortschrittsfeindlich.

    • Jan Konietzko sagt:

      Ressourceneffektivität
      Auch hier würde ich widersprechen. Es besteht nach wie vor das “Rebound Dilemma”. Die Effizienz steigt, doch der Ressourcenverbrauch pro Kopf steigt gleichzeitig kontinuierlich an. Die Einsparungen durch technologische Entwicklungen über die letzten Jahrzehnte haben bisher nicht gezeigt, dass sie sinnvoll zur Ressourceneffektivität beitragen. Fortschritt ist außerdem Definitionssache. Verstehenm Sie mich nicht falsch: Wir brauchen Technologie und Innovation. Alleine aus wirtschaftlicher Perspektive. Aber sie sind bei weitem kein Allheilmittel für die größeren Herausforderungen, denen die Nachhaltigkeitswissenschaften sich widmen.

    • Olaf Ledgerboge sagt:

      Fortschritt entsteht nicht aus der Knappheit
      Fortschritt entsteht nicht aus der Knappheit von Ressourcen: Wenn man nichts mehr zu essen hat, verhungert man. Wenn in der Luft kein Sauerstoff mehr ist, erstickt man. Man sieht: Es kommt immer auf die Betrachtungsebene an – und darauf wie man die Erstickten und Verhungerten beurteilt (shit happens?). Ein Drogendealer und das mit ihm verbändelte Syndikat erwirtschaft fantastische Profite. Dennoch gibt es gute Gründe, warum dieses Geschäft stark reguliert oder verboten ist. Wobei sich von Staat zu Staat unterschiedliche Auslegungen finden lassen. Das ist nur ein plakatives Beispiel aber die Mechanismen dahinter zu beschreiben geht mit einfachen “homo oeconimucus”- Ansätzen eben nicht mehr.

  2. Rettet die Aufklärung sagt:

    Krönung dieses Unsinns: "Spirituelle Nachhaltigkeit"
    Mittlerweile hat ja sogar die “sprituelle Nachhaltigkeit” Einzug in deutsche ‘Hochschulen gehalten: https://www.evopfade.de/ctermin/spiritualitaet-die-vierte-dimension-der-nachhaltigkeit/

    Mit Steuergeldern lässt sich halt viel Unsinn verzapfen…

  3. Stimme der Vernunft sagt:

    Hybris der phantasielose Planwirtschaftler
    Das Wirtschaften mit knappen Ressourcen ist der Kern der Ökonomie, hierzu braucht es das Buzzword Nachhaltigkeit nicht. Leider meinen viele (Grüne, Sozialwissenschaftler etc.), man müsse diese nur gut genug einteilen oder am besten gar nicht mehr nutzen, damit auch noch die Urururenkel etwas davon haben. Das zeigt einen höchst eingeschränkten Horizont, der in vielen sozialistischen Paradiesen verbreitet war. Fakt ist, dass die Zukunft nur sehr eingeschränkt planbar ist: Wer vor fünfzig Jahren für heute geplant hat, wusste nichts über die Möglichkeiten von Internet, Mobiltelefonen, Gentechnik, MRT, Hirnforschung etc. Wer heute für fünfzig Jahre plant, unterschätzt die Innovationskraft der Menschen ebenso wie die Kraft des Marktes, neue Lösungen zu finden, wenn ein Gut knapp und damit teuer wird. Er verschließt die Augen vor neuen Lösungen, weil er nur mit dem rechnet, was da ist. Dies wird z.B. deutlich in der Reaktortechnik: Heute ist Atomkraft in Deutschland tot. Mit neuer Technologie, die Atommüll verwertet und inhärent sicher ist, würde eine (sachliche) Beurteilung aber anders ausfallen. Wie viel Geld würde eine solche Technik sparen, wie viel Landschaftszerstörung verhindern, wenn man auch mal die Chancen betrachten würde? Und auch in anderen Branchen gilt: ein scheinbar nachhaltiges Geschäftsmodell wartet nur auf eine disruptive Innovation, die es zerstört. Im Silicon Valley und in Shanghai denkt niemand nachhaltig.

    • Jan Konietzko sagt:

      Ressourceneffektivität sinkt nicht
      Der technokratische Ansatz birgt sicherlich Potential. Jedoch wird die ganze Zeit von Ressourceneffizienz gesprochen, wo doch das entscheidende Kriterium die Ressourceneffektivität ist. Und die ist trotz vieler “disruptiver” Innovationen nicht gesunken, sondern steigt nach wie vor an. Wir stoßen an systemische Grenzen und dafür brauchen wir Lösungen.

  4. karow sagt:

    Rein sprachlich:
    Die Erklärung, dass dieses “nachhaltig” auf einen entsprechenden Begriff aus der Forstwirtschaft zurückzuführen sei, scheint mir nachgeschoben. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es sich hier einfach um eine ungeschickte Übersetzung von “sustainable” handelt, die man im Nachhinein begründen wollte. Dabei ist man dann auf die Verwendung des Wortes in einigen forstwirtschaftlichen Quellen aus dem 18. und 19. Jahrhundert gestoßen, die sehr willkommen waren – dabei ist aber selbst in diesen Quellen (“beständige und nachhaltende Nutzung [des Holzes]”, “die Holzabgabe aus den Wäldern [muss] auf Nachhaltigkeit berechnet [sein]”) die Verwendung des Wortes durchaus aus der landläufigen Bedeutung “mit lange anhaltendem Ergebnis” zu erklären: Das Holz sollte eben so verwendet werden, dass es nicht ständig durch neues ersetzt werden musste, damit der ganze Holzanbau auf Dauer “sustainable” bleiben würde.

    • Werner Albrecht sagt:

      Suchen Sie einmal ...
      nach dem Begriff “Carl von Carlowitz”, der gilt nämlich als ‘Vater’ des n. Wirtschaftens in der Forstwirtschaft.

  5. Ingrid Hemmer sagt:

    Nachhaltigkeit ist kein Marketinggag
    Es ist schon erstaunlich, wie leichtfertig der Artikel Behauptungen in den Raum stellt. Auf was stützt sich die Meinung, dass der Ursprung für die Verwendung des Begriffes Nachhaltigkeit an den Universitäten in den Marketingabteilungen zu suchen ist? Als Nachhaltigkeitsbeauftragte der Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) möchte ich dieses ganz entschieden zurückweisen und dem Autor empfehlen, unsere Nachhaltigkeitshomepage genauer zu studieren. Dort steht nicht nur eine klare Definition des Begriffs Nachhaltigkeit, wie wir ihn verstehen, sondern dort steht auch, wer die Urheber der Idee an der KU waren. Woher hat der Autor seine Meinung, dass in Nachhaltigkeitsmodulen keine kritische Auseinandersetzung mit Begriffen und Konzepten stattfindet und wie kann er beurteilen, welche Fähigkeiten dort vermittelt werden? Was berechtigt ihn zu beurteilen, was Wissenschaft ist und wo sie stattfindet? Es ist leicht und mitnichten eine neue Erkenntnis, festzustellen, dass ein Begriff vielfältig verwendet und missbraucht wird. Der Begriff Nachhaltigkeit ist diesbzüglich überigens in sehr guter Gesellschaft mit vielen anderen Begriffen. Darum arbeitet eine Wissenschaft auch mit Definitionen. Es ist viel schwieriger, ernsthaft eine nachhaltigere Entwicklung anzustreben und damit zu einer Entwicklung der Gesellschaft beizutragen, die umwelt- und sozialgerechter ist, wie wir es an der KU seit sechs Jahren tun und auch dokumentieren. Gern kann der Autor einmal zu einer intensiveren Recherche bei uns vorbeischauen.

    • Uwe Ebbinghaus sagt:

      Diese Zurückweisung führt, glaube ich, nicht recht weiter. Zumal der Autor am Schluss selbst schreibt, dass alle Polemik gegen den Nachhaltigkeitsbegriff aus seiner Sicht verpuffe, wenn das Begriffsbesteck kritisch hinterfragt werde. Es bleibt die Frage, ob die Inflation des Nachhaltigkeits-Begriffs nicht, gerade in akademischen Kreisen, eine weitere unbefangene Verwendung unmöglich macht. Das wäre aus meiner Sicht eine Instinktlosigkeit, mit der sich Nachhaltigkeitsforscher inzwischen ernsthaft auseinandersetzen müssen. Kern des Artikels ist aus meiner Sicht eher ein sprachkritischer.

  6. Richard Dallwig sagt:

    Nachhaltigkeitswahn
    Was nicht als nachhaltig deklariert wird, ist nicht gut. Dabei ist der Begriff bereits dermaßen inflationär verwendet worden, dass einem Angst und Bange werden könnte. Der Begriff an sich hat etwas Anmaßendes, weil er impliziert, dass wir Menschen nachhaltig leben und handeln könnten. Dem ist aber nicht so. Was haben uns die Geistes- und Sozialwissenschaften da bloß angetan? Ein Naturwissenschaftler weiß, dass es Nachhaltigkeit nicht gibt.

  7. Jan Konietzko sagt:

    Titel eingeben
    Ich kann mich Olaf Ledgerboge nur anschließen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung der Nachhaltigkeitswissenschaften findet hier leider nicht statt. Und deshalb bleibt der Artikel an der Oberfläche. Wobei die Grundkritik sicher berechtigt ist und der Begriff “Nachhaltigkeit” absolut inflationär verwendet wird.

    In den Nachhaltigkeitswissenschaften gibt es allerdings eine ernsthafte, interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema. Man nehme zum Beispiel das “Strategic Sustainable Development Framework” von Karl-Henrik Robert et al. Solche Ansätze helfen Inhalte zu diskutieren und verschiedene “Frameworks” auf Unternehmen, Politik und Gesellschaft anzuwenden.

    Auch das “Backcasting” ist wahnsinnig hilfreich bei der Entwicklung von Zukunftsvisionen. Was für eine Welt wollen wir? Das kann man regional, national oder international denken, wobei die jeweiligen Ebenen eng miteinander verflochten sind. Es ist alles sehr komplex, deswegen sollte es aus meiner Sicht auch ein Hauptbestandteil der Nachhaltigkeitswissenschaften sein, die entwickelten Konzepte klar und deutlich zu kommunizieren. Denn Nachhaltigkeitswissenschaften sind absolut angewandt. Und erfordern das Zusammenspiel unterschiedlichster Akteure und Disziplinen. Ich denke es ist ein großer Verdienst der Nachhaltigkeitswissenschaften, dass sich verschiedene Disziplinen mehr austauschen und so aus ihren “Silostrukturen” rauswachsen und endlich erkennen, wie alles miteinander zusammenhängt (Stichwort: Systemisches Denken).

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