Bin ich hier richtig? Wahrscheinlich hat sich jeder Student schon einmal diese Fragen gestellt. Nicht selten führt sie zum Studienabbruch. Ein neues Onlineportal des Bildungsministeriums will Zweiflern helfen.
***

Heinrich von Kleist, Steve Jobs, Kathrin Göring-Eckardt, Günther Jauch und Gustave Flaubert: Sie alle haben gemeinsam, dass sie ihr Studium abgebrochen haben. Wikipedia führt unter dem Stichwort „Studienabbruch“ eine ganze Liste mit prominenten Vertretern auf, die es am Ende trotz alledem zu etwas gebracht haben. In Wahrheit ist das aber kein echter Trost, zumindest nicht für die Mehrheit der Studienabbrecher, denn die wenigsten ereilt danach das Schicksal, berühmt und reich zu werden. Dem Abbruch haftet zumeist etwas Negatives an, er stellt eine Normabweichung im Selbstverständnis der Leistungsgesellschaft dar und ist bei den Betroffenen oft mit dem Gefühl verbunden, gescheitert zu sein.
Erster Ansprechpartner für Ratschläge und Tipps jedweder Art dürfte mittlerweile die Suchmaschine Google sein, die bemerkenswerte Einträge zutage fördert, wenn man die Suchbegriffe „etwas abbrechen Ratgeber“ eingibt: „Den Kontakt abbrechen: Wie sich richtig verabschieden?“, „Ausbildung abbrechen: Was muss ich beachten?“, „Beziehung beenden: Wie macht man das?“, „Wenn es beim Laufen nicht läuft: Abbrechen oder durchziehen?“, „Vergesellschaftung abbrechen? Meerschweinchen Ratgeber“ – der Kreativität der Internetforen sind keine Grenzen gesetzt. Klar ist nur: Wer etwas abbricht, braucht Rat.

Was also tun, wenn der Studienabbruch zum Ernstfall wird? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat der mangelnden Brauchbarkeit der Fundstellen im Internet nun ein Ende gesetzt: Seit Neuestem gibt es ein Onlineportal, das sich sowohl an Studienabbrecher als auch an „Studienzweifler“ richtet. Laut einer Pressemitteilung des BMBF soll das Portal über „zielgerichtete Hilfsangebote“ informieren, die den erfolgreichen Abschluss des Hochschulstudiums erleichtern können, und „die vielfältigen Karrierechancen bei einem Wechsel in die berufliche Bildung“ aufzeigen. Warum diese Bemühungen?
Laut der letzten Studienabbruchstudie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) brachen im Absolventenjahrgang 2012 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – 28 Prozent der Bachelorstudenten ihr Studium ab. Zugrunde gelegt wurden dabei alle Hochschularten; wenn man nur die Anzahl der Studienabbrecher an Universitäten betrachtet, liegt die Quote noch etwas höher. Der Umfang des Studienabbruchs im Masterstudium lag an den Universitäten nach Berechnungen des DZHW bei 11 Prozent.
Von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist unterdessen immer wieder zu hören, Deutschland brauche mehr Studenten – obwohl die Anzahl an Studienanfängern in den letzten Jahren bereits immens gestiegen ist. Kritiker einer solchen Akademisierung der Gesellschaft sehen darin eine Entwertung des Studiums und beklagen die gesunkene Qualität der Schul- und Hochschulabschlüsse. Zahlreiche Betriebe bekommen diese Entwicklung durch einen eklatanten Lehrlingsmangel zu spüren. Es besteht also Handlungsbedarf.
Wer gehört dazu?
„Auch leistungsstarke junge Erwachsene benötigen häufig eine Orientierung, ob der eingeschlagene Weg eines Studiums der richtige ist“, erklärt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Oftmals sei nur wenig Wissen über die Vielfalt der Ausbildungsberufe vorhanden. Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen böten sich aufgrund des zu erwartenden Fachkräftebedarfs „attraktive Karrierechancen“. Niemand wird etwas dagegen einzuwenden haben, dass Studienabbrecher möglichst rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden. Doch hält das Onlineportal, was es verspricht? Und was ist mit den vom BMBF so bezeichneten „Studienzweiflern“? Wer gehört dazu – und wer nicht?

Wie eine unternehmenswerbende Power-Point-Präsentation klingen die Rubriken der Homepage: „Optionen erkennen“, „Chancen ergreifen“, „Fakten checken“, „Unterstützung finden“. Den „Studienzweiflern“ will das Portal dabei helfen, Optionen zu erkennen, den Studienabbrechern, Chancen zu ergreifen. Allen „Studienzweiflern“ rät das Onlineportal: „Reflektieren Sie zuerst Ihre persönliche Situation und stellen Sie sich anschließend die Frage, wie Sie diese Situation ändern können.“ Was man mit diesem wenig aussagekräftigen Rat anfangen soll, wird deutlich, wenn man auf das „Self-Reflection-Tool“ klickt, auf das das Portal verweist. Dieses „Online-Self-Assessment“ soll den Studenten helfen, den „persönlichen Beratungsbedarf zu identifizieren“. Es handelt sich dabei um einen Online-Fragebogen, der die Selbst- und Fremdeinschätzung der Studiensituation zu überprüfen versucht. Zur Auswahl stehen die Module „Mein Studium und ich“, „Meine Hochschule und ich“ und „Don’t worry“. Der Befragte muss dann ankreuzen, inwieweit die vorformulierten Aussagen zum Verlauf des Studiums und des eigenen Wohlbefindens auf ihn zutreffen. Dazu gehören auch psychologische Fragen, etwa danach, ob man generell häufig zweifelt, sich sorgt oder traurig ist. Anschließend erhält man unter „Meine Feedbacks“ sofort die Testergebnisse, die darüber informieren, in welchen Kategorien – wie zum Beispiel „Lernstrategien“, „Sicherheit der Studienwahl“ oder „Emotionale Stabilität“ – man im grünen, gelben oder roten Bereich liegt. Ist der Bereich rot, wird ein Beratungsgespräch mit Studien- oder Berufsberatern empfohlen.
Fraglich ist, ob die individuelle Studiensituation und vor allem die komplexe psychische Veranlagung der Betroffenen mittels standardisierter Fragebögen und automatisierter Testergebnissen erfasst werden können. Insgesamt aber bemüht sich das Onlineportal fast schon wie in einem Beratungsgespräch, die unübersichtliche Lage zu strukturieren, in der sich viele befinden mögen, die darüber nachdenken, ihr Studium aufzugeben. Auffällig ist dabei die Tendenz, einen möglichen Abbruch des Studiums nicht als Scheitern zu bewerten, sondern als Chance für einen Neuanfang. Berufsfelder, die sich für Studienabbrecher konkret anbieten, präsentiert das Onlineportal anhand von Fallbeispielen. Unterschiedliche Studienabbrecher erzählen, welchen beruflichen Weg sie anschließend eingeschlagen haben. Dass diese Geschichten ausschließlich als Erfolgsmodell präsentiert werden, gehört zum werbenden Ton des Portals, das ja gerade dazu motivieren will, stärker in die Ausbildungsberufe zu gehen.
Ist das ambitionierte Projekt des BMBF also gelungen? Ja und nein. Trotz des sinnvollen Vorgehens, Studienanfängern rechtzeitig eine Orientierung zu geben und Unterstützung anzubieten, bleibt der Begriff des „Studienzweiflers“ problematisch. Denn genau wie in dem „Self-Reflection-Tool“ wird damit vorausgesetzt, der Zustand des Zweifelns sei etwas ausschließlich Negatives, das es zu überwinden gilt. Dass der Zweifel zum Prozess des Lernens dazu gehört und oftmals eher ein Zeichen dafür ist, dass jemand seine Sache sehr ernst nimmt und das eigene Tun selbstkritisch zu reflektieren imstande ist, taucht als Möglichkeit in dieser Denkungsart gar nicht auf.
Wer aber über Alternativen zum Studium nachdenkt und sich erst einmal sortieren und einen Überblick verschaffen will, für den ist dieses Onlineportal gut geeignet.
Skandinavien als Vorbild
Es würde helfen sich an Skandinavien zu orientieren. Dort bekommen Studenten “Geld” dafür das sie studieren. Hier bekommt man lediglich BAFÖG – unter strengen Bedingungen das man teilweise zurückzahlen muss. Mir wurde damals das BAFÖG gestrichen, weil ich nach dem Tod meines Vaters das Elternhaus anteilig geerbt habe. Laut BAFÖG Amt sollte ich meine Mutter rauswerfen und das Haus verkaufen – oder mich auszahlen lassen…großartig… Was blieb ist ein teurer Studienkredit mit (zu heutigen Verhältnissen) lächerlich hohen Zinssätzen oder eben 20h+ jobben gehen. Bei ohnehin 35h Vorlesungen + 25h Nachbereitung ein echtes Vergnügen. Weiterhin werden Personen die zuerst eine Ausbildung gemacht haben stark benachteiligt, da man sich mit 25 selbst versichern muss – was 80+ Euro im Monat zusätzliche Kosten aufbringt.
Studis in Skandinavien hoch verschuldet
Im gelobten Skandinavien wird Studienfinanzierung weitgehend als verzinslicher Kredit gewährt, schau mal UniSPIEGEL 3/2016. Dort sind Studis massenweise hoch verschuldet. BAföG ist ne Sozialleistungen – und Du vermögend.