Neben einem problematischen Seelachs präsentiert die Uni-Mensa in Marburg eines der besten Körner-Gerichte unserer bisherigen Testreihe. Jürgen Dollase buchstabiert das Rezept.
***
Video: Dollase testet die Mensa der Universität Marburg
Alle Mensatests finden Sie hier.
******
Die Vergleiche von Buchstaben mit Produkten, Wörtern mit Einzelzubereitungen und ganzen Gerichten mit Sätzen haben natürlich einerseits ihre hinkenden Elemente. Andererseits kann man vielleicht für sie beanspruchen, dass sie den Beispielen in juristischen Vorlesungen nicht unähnlich sind. Irgendwie erhellen sie die Probleme eben doch ziemlich zuverlässig. Wenn man die Mensa-Küche unter diesen Aspekten noch etwas weiter durchdenkt, stößt man schnell auf allerlei Aufschlussreiches, das typisch für die Lage von Großküchen mit ihrem extrem niedrigen Preisniveau ist. Hier ein kleiner Rundumblick – diskursiv sozusagen.
Unter gewissen Umständen können auch Produkte schon zu einem vollwertigen „Endprodukt“ werden. Das ist immer dann der Fall, wenn die Produktqualität besonders hoch ist, also etwa bei exzellenten Früchten in vollreifem Zustand (die kaum jemand kennt), bestem Schinken oder Würsten oder hervorragenden Tomaten – sagen wir: Kirschtomaten, frisch vom Strauch auf den Tisch. Die Begegnung mit solchen Produkten ist in einer Mensa allerdings unwahrscheinlich, weil der notwendige Preis und/oder die Beschaffung nicht realisierbar sind. Daher ist es eher wahrscheinlich, dass man hier seriöse, gut einsetzbare, aber nicht auffällig hochwertige Produkte nutzt. Dies kann dann allerdings zur Folge haben, dass man die weitere Bearbeitung so ausrichtet, dass die Produktqualität nicht ganz so prägnant im Vordergrund steht. Ein hervorragendes Stück Fleisch, bei dem man rundum hören würde, wie gut es schmeckt, wird man aus den genannten preislichen Gründen kaum bekommen können. Ein Stück Fleisch, das irgendwie sauber und erträglich, aber nicht auffallend prägnant und gut schmeckt, wird man sehr wohl antreffen – allerdings in einer Zubereitung, bei der das Fleisch zum Beispiel mit einer intensiven Sauce überzogen ist und nicht wirklich „durchschmeckt“. Um im Bild zu bleiben: „Buchstabe“ ist also nicht so ohne weiteres gleich „Buchstabe“. Ist vor dem Hintergrund dieser leider unvermeidbaren Basis also ohnehin nicht mehr möglich als das, was man in den Mensen bekommt (wobei mittlerweile klar sein sollte, dass die Qualitätsunterschiede beträchtlich sein können)?

Nein, es ist mehr möglich, und das zeigt uns die Betrachtung von „Wörtern“ und „Sätzen“. Das „seriöse“ Produkt, das aber kein hervorragendes, sozusagen in sich selber tragendes Produkt ist, macht einen großen Teil des Marktes aus – von Strauchtomaten bis zu erschwinglichem Bio-Fleisch. Wenn man es isst, schmeckt es typisch und nicht fehlerhaft, das Fleisch also nicht fade und der Fisch ohne „fischige“ Nebennoten. Solche Produkte muss man nicht verstecken, weil sie eindeutig von einer guten Zubereitung profitieren, die sensibel auf den Eigengeschmack eingeht, mit Würze erweitert und nicht übertüncht wird und ganz allgemein professionellen Kriterien folgt. Eine Remoulade mit einem sehr hohen Säureanteil (wie hier in Marburg) macht nicht nur im Zusammenhang wenig Sinn, sondern schmeckt auch nicht so, wie eine Remoulade schmecken sollte. Die Kritik an solchen Details richtet sich gegen handwerkliche Schwächen, deren Behebung vom Materialaufwand her in den meisten Fällen absolut kostenneutral ist. Wenn sich – wie bei den Proben aus Gießen – sinnlose Schärfe einstellt, ist Verbesserung ebenfalls ohne jede Kosten denkbar, vorausgesetzt, die Verbesserung liegt in den Händen von Profis, die dazu auch in der Lage sind.
Fast die gleichen Probleme wie bei den Einzelzubereitungen findet man auch bei der Formulierung von sinnvollen Zusammenhängen (also den „Sätzen“…), wobei in diesem Punkt die Qualifizierung der verantwortlichen Köche scheinbar dringend einer gewissen Aktualisierung bedarf. Um es einmal überdeutlich zu sagen: die Mensagerichte können bei unveränderter Grundkonzeption und unveränderten Preisen noch erheblich an Qualität zulegen, wenn sie sensibler und umsichtiger angegangen werden. Es geht erst einmal um Optimierung dessen, was man im Moment macht und für möglich hält – unabhängig davon, dass sich bei einer veränderten Stilistik der Küche noch ganz andere Horizonte auftun könnten. Der Status Quo zeigt leider – um im Bild zu bleiben – noch allzu oft Sätze, die grammatikalisch nicht korrekt sind und einer eher verkürzten Umgangssprache entstammen.
Mit den besten Grüßen, Ihr Jürgen Dollase
Alle Mensatests finden Sie hier.
Ein Stern an der deutsche Nordseeküste
Viele berühmte Szädt und tolle Unimensen haben Sie schon besucht, doch ein Highlight am kulinarischen Himmel der Hochschulmensen in Deutschland fehlt bisher vollkommen.
Haben Sie schon mal etwas vom beschaulichen Örtchen Heide gehört? Es ist weder die Sprache von der Lüneburger Heide oder gar Heidelberg. Nein, eine aufgeweckte Kleinstadt mit Deutschlands größtem unbebauten Marktplatz, einer Fachhochschule, in der vor einigen Wochen einer der besten Professoren Deutschland geehrt wurde, die nur knapp 2.000 Studenten besitzt und eine der besten Mensen im Norden besitzen soll.
Fisch auf den Punkt zuzubereiten klappt zwar in 90% der deutschen Mensen nicht, aber direkt an der Nordseeküste ist jede Pasta mit Lachsstreifen oder das berühmte Schollenfilet ein Genuss! Lassen Sie sich überraschen Blick ins Grüne oder einem Mittagsbesuch des Heider Bürgermeisters oder den Angestellten und Geschäftsführern der umliegenden Betriebe.
Eine Reise wert – Heide in Holstein!
Titel eingeben
Sehr gelungene Videos. Macht jedes Mal Freude sie zu sehen und lehrreich sind sie ebenfalls. Weiter so!
Würde mich über einen Test der Mensa in Münster freuen!
Mensa TUM Garching
Ich würde mich über einen Test der Mensa am Campus Garching-Forschungszentrum sehr freuen. Freu mich immer wieder über die neuen Videos und wäre begeistert wenn dann auch mal die eigene Mensa auf dem Prüfstand steht.
Akademie der bildenden Künste in München
Ich wäre für einen Test der Mensa in der Akademie der Bildenden Künste. Die hat erst seit diesem Semester wieder geöffnet und hat in meinen Augen ein sehr interessantes Konzept. Das Essen sieht eher aus, als wäre man im Restaurant. Klein, aber fein! Nächste Woche gibt es dort ein Kantinen 5-Gänge-Menü.
Titel eingeben
So wie beschrieben mit Produkten umzugehen, würde eine vielleicht in einer Großküche mit enger finanziellen Limitierung nicht leicht sein. Die Rezepte stehen wahrscheinlich vorher fest, bevor die verwendeten Lebensmittel begutachtet werden können (Fleisch und Fisch werden sicher nicht lange gelagert – ist jedenfalls zu hoffen).Großküchen bieten weniger Raum zum experimentieren, da muss schon ein ausgeprägter Wille da sein.