Blogseminar

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Diskutiert werden das Leben der Studierenden, aktuelle Fragen der Hochschulpolitik sowie die Zweiheit von Forschung und Lehre.

Wer will: aufs Feld!

Bis zu 300.000 Erntehelfer fehlen in Deutschland. Studierende könnten einspringen, kurzfristig. Aber ist das auch auf lange Sicht eine gute Idee?

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Student Silas Baumgärtner hilft seit vergangener Woche auf einem Hopfenbetrieb in der Hallertau.

Studierende sind fleißiger als ihr Ruf, das ist nichts Neues. Doch wie ausdauernd sie sind, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Denn wo die Universitäten geschlossen sind und Prüfungen verschoben wurden, sollen Studierende nun freiwillig auf dem Feld helfen. Die ersten haben schon begonnen. Bis zu 300.000 Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa fehlen der deutschen Landwirtschaft aufgrund der Einreisebeschränkungen durch die Corona-Pandemie. Doch dem Frühling ist das egal: Die Spargelzeit beginnt jetzt, auf den Hopfenfeldern müssen Drähte als Wachshilfen gespannt werden, Setzlinge wollen raus aufs Feld und bald sind die ersten Erdbeeren reif. Die Zeit drängt also. Was nicht gepflanzt wird, kann nicht geerntet werden. Und was nicht geerntet wird, kann niemand essen.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium und der Maschinenring – eine bundesweite Vereinigung von Landwirten – haben daher vergangene Woche die Plattform Das Land hilft ins Leben gerufen, um Bürger und Landwirte zusammenzubringen. Interessierte können dort Hilfsangebote online stellen,  Bauern Hilfsgesuche. Neben Angestellten aus Gastronomie und Hotellerie ruft die Plattform explizit Studierende auf, sich zu engagieren. Die Hilfsbereitschaft ist groß, bis Dienstagmorgen haben sich etwa 39.400 Menschen auf der Webseite gemeldet. Davon sind etwa ein Drittel Studierende, schätzt Guido Krisam, Sprecher des Maschinenrings. Doch die Feldarbeit ist voller Strapazen und etwas anderes, als in der Bibliothek zu sitzen. Fühlen sich die Studenten dem gewappnet?

Dass es bei der Arbeit auf dem Feld nicht wie im Proseminar zugeht, weiß Vincent Ulrich schon lange. Der Mannheimer BWL-Student ist auf dem Land in Schleswig-Holstein aufgewachsen, sein Onkel besitzt einen Bauernhof. Dort hilft er regelmäßig auf dem Acker aus. Weil sein Onkel als Ackerbauer weniger auf Saisonarbeitskräfte angewiesen ist als die Gemüsebauern, bietet der Fünfundzwanzigjährige nun über die Plattform „Das Land hilft“ seine Hilfe in Mannheim an. In der naheliegenden Pfalz wird neben Wein viel Spargel und Gemüse angebaut. Dass auch Kommilitonen in der Landwirtschaft anpacken können, die noch keine Erfahrungen haben, davon ist Ulrich überzeugt. Die wichtigste Voraussetzung sei die Motivation. Nur so halte man die harte Arbeit aus. „Nach einem Tag auf dem Acker ist man tierisch platt. Man muss willens sein, sich körperlich zu verausgaben“, sagt der Masterstudent. Aber man gewöhne sich an die Arbeit und den Umgangston auf dem Feld, der rauher als im akademischen Milieu sei. „Irgendwann kommt man in einen Flow und das Erntefieber packt einen“, erzählt er. 

Wie kommen die Studenten auf die Höfe?

Absolut keine Ahnung von der Arbeit in der Landwirtschaft hat Franka F. aus Berlin. Trotzdem hat sich die Architekturstudentin wie viele andere Unerfahrene auf der Vermittlungsplattform für Landwirte und Erntehelfer gemeldet. Die Hilfsbereitschaft betrachtet die Studentin als ihre Pflicht. „Wir Studierende haben aktuell Zeit und die Bauern suchen Hilfe. Es macht einfach Sinn, sich zu engagieren“, sagt die Zwanzigjährige. Neben der Pflicht zur Hilfe kommt für sie etwas Weiteres ins Spiel: Wie viele andere junge Menschen setzt sie sich bei Fridays for Future für den Klimaschutz ein, eine starke regionale Landwirtschaft sei dafür wichtig. Die brauche jetzt Hilfe. Den Worten will sie Taten folgen lassen. „Von meinen Freunden bei Fridays for Future war noch keiner auf dem Feld“, erzählt die Studentin. Es sei an der Zeit, das zu ändern. Verklären will die Studentin der Bauhaus-Uni Weimar die Arbeit auf dem Land nicht. „Ich glaube, das ist ein Superknochenjob“, sagt sie. In den Medien habe sie von Bauern gehört, die sagen, dass es keine Sinn mache, Studierende einzulernen. Sie glaubten nicht daran, dass einheimische Arbeitskräfte die Arbeit durchhalten. Die Zwanzigjährige kann diese Aussagen verstehen. Dennoch ist sie optimistisch, dass sie die Arbeit auf dem Feld schafft und sie bietet daher ihre Hilfe an. Aktuell schleppe sie noch Gemüsekisten auf einem Berliner Wochenmarkt.

Die teils verhaltenen Reaktionen der Bauern treffen das Kernproblem der Idee, Studierende und andere Branchenfremde auf die Felder zu lassen: Sie können einen Saisonarbeiter nicht ersetzen. Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbandes, betonte kürzlich in einem Interview im Deutschlandfunk, dass die neu gewonnenen, heimischen Arbeitskräfte die jetzige Situation nur abmildern könnten. „Wir brauchen als Stammpersonal unsere bewährten Saisonarbeitskräfte. Sonst wird das nicht funktionieren.“ Die Bauern stehen unter einem harten wirtschaftlichen Druck. Das Einarbeiten in die Feldarbeit ist aufwendig und ohne langfristige Perspektive, denn dass die Studierenden nächstes Jahr erneut als Erntehelfer kommen, ist unwahrscheinlich. Erntezeiten während des Semesters und körperlich harte Arbeit für Mindestlohn ist für die meisten unattraktiv. Derweil entstehen neue Probleme: Die meisten Studierenden wohnen in der Stadt und besitzen kein Auto, wie kommen die studentischen Aushilfen auf die Höfe der Bauern?

Aber auch andere Stimmen werden laut. Maschinenring-Sprecher Guido Krisam berichtet von ersten erfolgreichen Vermittlungen zwischen Hopfenbauern und Studierenden. Die Studierenden helfen aktuell, die Drähte zu spannen, an denen der Hopfen empor wächst. Weil sie erst wenige Tage zusammenarbeiten, könne man noch keine Bilanz ziehen. „Aber das erste Feedback der Landwirte ist sehr positiv“, sagt Krisam. Niemand behauptet, dass es leicht wird, findet Franka F. Ohne Corona-Pandemie und Hilferuf der Landwirte-Vereinigung und der Bundesregierung wäre auch sie nie auf die Idee gekommen, sich einmal aufs Feld zu stellen. Jetzt wartet die Architektur-Studentin darauf, ob ein Bauer ihre Hilfe braucht.

Auch Bauernhof-Kind Vincent Ulrich findet trotz aller Schwierigkeiten die studentische Hilfe auf den Feldern eine gute Idee. „Für die Bauern kann das eine große Chance sein“, sagt er. Für den BWL-Studenten haben sich die Landwirtschaft und große Teile der Gesellschaft voneinander entfernt. Die Bauernproteste im Januar für mehr Wertschätzung zeigen ihm das deutlich. „Die Landwirte können jetzt vermitteln, was sie machen, wie wichtig das ist und wie anstrengend ihre Arbeit ist“, erklärt Ulrich. „Damit können sie dazu beitragen, dass sich Gesellschaft und Landwirtschaft wieder einander annähern.“ Bis dahin heißt es für Vincent Ulrich warten, ob ein Bauer seine Hilfe braucht. Da geht es dem Studenten mit Landarbeit-Erfahrung nicht anders als der Klimaktivistin Franka F. und den anderen Tausenden Studierenden, die auf dem Feld anpacken wollen. Denn am Ende handelt es sich für sie nicht nur um Spargel, Erdbeeren und Bier, sondern um Solidarität für alle. Vielleicht wird man darüber in einigen Jahren in den Hörsälen sprechen.