Wer soll Medizin studieren und wenn ja, wie viele? Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts richtet sich der Blick auf die Unis. Was planen sie? Gespräch mit einem Vertreter der TU München.
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F.A.Z.: Herr Professor Berberat, Karlsruhe bemängelt nicht, dass ein Fünftel der Studienplätze an die Abiturbesten gehen – wohl aber die Vergabe von 60 Prozent im hochschuleigenen Auswahlverfahren, bei dem die Note ebenfalls maßgeblich ist. Nun müssen gemäß Urteil bis Ende 2019 mindestens ein weiteres Auswahlkriterium und „Eignungsprüfungen in standardisierten und strukturierten Verfahren“ her. Das klingt nach Mehrarbeit für die Zulassungsstellen.
Pascal Berberat: Ja, aber das ist eine Frage des Blickwinkels: Jetzt gibt es die Aufforderung, weg von der reinen Abiturnote zu kommen, was noch nicht überall Realität ist. Aber an den medizinischen Fakultäten ist längst der Wille da, diese Mehrarbeit zu leisten und wir sind auch bereits auf einem guten Weg. Was bislang ausprobiert wurde an zusätzlichen Auswahlkriterien funktioniert nach meiner Kenntnis mal besser, mal schlechter. Der fehlende einheitliche Standard ist sicherlich das Hauptproblem. Den zu erreichen ist nun das Ziel, und das begrüße ich.
Im Urteil heißt es weiter, dass die „Dezimalstellen der Durchschnittsnoten häufig über den Erfolg einer Bewerbung entscheiden“. Man könnte behaupten: Ohne die in allen Bundesländern beobachtbare Zunahme von Bestnoten und eine Abiturientenquote von mittlerweile 50+ wäre alles beim Alten geblieben.
Schwer zu sagen. Die gegenwärtige Situation, mit 1,0 plötzlich nicht mehr Medizin studieren zu können, ist in jedem Fall sehr unbefriedigend, wenn nicht gar absurd. Ebenso mittlerweile erst nach 14 bis 15 Semestern eine Platzgarantie zu erhalten, wenn man weder über die Abiturbestenquote noch über das hochschuleigene Auswahlverfahren reinkommt…
… welches den Hochschulen ja bereits das Fenster für Zusatzkriterien eröffnet hat und die Abiturnote gewissermaßen „aufweicht“. Hat diese als Hauptauswahlkriterium nun endgültig ausgedient?

In die Richtung geht es seitens der Politik zumindest, das Augenmerk liegt vor allem auf der sogenannten Sozialkompetenz. Nur müssen wir uns fragen: Wie können wir diese überhaupt messen? Und wie können wir den Auswahlprozess mit einem größeren Kriterienkatalog in der Praxis auch vernünftig durchführen, was ist bei 50.000 Bewerbern auf unter 10.000 Plätze leistbar für die Universitäten?
Die Abiturnote macht es relativ einfach: Man hat Zahlen und kann eine Rangliste erstellen. Dies ist ein klares und transparentes Kriterium, das zudem erwiesenermaßen den Studienerfolg verlässlich prognostiziert. Allerdings sind die Verzerrungen zwischen den Bundesländern wegen verschiedener Leistungsanforderungen für gleiche Noten seit jeher ein ernstes Problem.
Braucht es aus Ihrer Sicht nun soziale Kompetenz oder nicht?
Absolut! Nur an der Frage, was das konkret bedeutet, scheiden sich die Geister. Empathie und Kommunikation sind die üblichen Stichworte, die dann fallen. Aber wie misst man sie? Wie misst man sie vor allem sechs Jahre, bevor jemand Arzt wird? Die Frage stellt man sich auch international und bislang gibt es nach meinem Wissen keine Studie, die eine überzeugende Antwortet anbietet. Junge Menschen durchlaufen schließlich auch während des Studiums eine große und sehr individuelle Entwicklung.
Ist nicht einmal ansatzweise ein zuverlässiger Indikator ermittelt worden?
Es liegen erste Untersuchungen vor, die den Zusammenhang zwischen Verhalten im klinischen Studienabschnitt und Verhalten nach dem Abschluss messen. Die soziale Kompetenz des zukünftigen Arztes durch einen Indikator bereits vor Studienbeginn umfassend und verlässlich vorauszusagen, wäre wünschenswert, ist aber aus meiner Sicht ein Ding der Unmöglichkeit.
Wenn das so ist, dann gehen wir doch einfach nochmal einen Schritt zurück und behaupten: Komplett verändert sich der Charakter nicht mehr zwischen 18 und 25. Und ein Chirurg wie Sie braucht Organisationstalent und Durchhaltevermögen. Das mag ein 1,0er-Abiturient trotz aller Einschränkung mit Bravour unter Beweis gestellt haben.
Das ist richtig. Aber unsere zukünftigen Ärzte brauchen doch noch mehr. Trotz Stress und organisatorischen Herausforderungen müssen sie auf den Menschen reagieren – also auch das Subjekt Patient in seinem Kranksein sehen, nicht nur das Objekt Krankheit. Ärzte müssen sich in den Patienten hineinversetzen und einfühlen können, seine Perspektive übernehmen…
…auch wer eine Laborkarriere anstrebt?
Natürlich brauchen wir auch Medizinstudenten, die später hochspezialisierte High-Tech-Medizin beziehungsweise Spitzenforschung betreiben. Aber vor allem braucht das Land derzeit gute Hausärzte, die auch bereit sind, in ländlichen Regionen tätig zu werden. Dass man wegen eines Abschlusses von 2,0 dafür nicht geeignet ist, ist sicherlich falsch, allerdings ist es doch auch falsch zu denken, dass die 1,0er-Abiturienten generell nicht empathisch sein können. All dies spricht dafür, die Abiturnote weiterhin zu nutzen, aber auch andere Kriterien gleichwertig miteinzubeziehen.

Dann scheinen doch Rollenspiele geeignet, bei denen Bewerber eine Arzt-Patienten-Szene simulieren müssen.
Ja, diese sogenannten „Multiplen Mini-Interviews“ lassen gute Rückschlüsse auf die soziale Kompetenz zu. Denn sie untersuchen, wie gut ein Bewerber an verschiedenen Stationen Aufgaben lösen kann. Und sie führen in Summe zu mehr Objektivität als ein einzelnes Interview. Aber ihre Durchführung ist extrem aufwändig. Auf rund 900 Plätze kommen bei uns in München jährlich mehrere Tausend Bewerber. Wir haben schlichtweg nicht genug Personal, um die alle in dieser Weise zu prüfen.
Also keine Rollenspiele und doch keine soziale Kompetenz?
Doch, der Schlüssel könnte in standardisierten „Situational Judgement Tests“ liegen, die abfragen, wie man mit bestimmten Situationen umgehen und Entscheidungen fällen würde. In der Privatwirtschaft werden sie seit Jahren erfolgreich durchgeführt und man könnte sogar effizient auf dem Onlineweg testen. Einzelne medizinische Fakultäten haben sich da schon ausprobiert. Eine deutschlandweite Anwendung ist momentan noch Zukunftsmusik, aber das Instrument ist mit Blick auf die Sozialkompetenz vielversprechend.
Momentan erlebt aber ein anderer Test seine Renaissance, der sogenannte Medizinertest („TMS“). Die Mehrzahl der Hochschulen hat ihn wiederbelebt – Berlin, Hamburg und Magdeburg führen den noch stärker naturwissenschaftlich orientierten Hamburger Naturwissenschaftstest („Ham-Nat“) im Programm. Werden daraus nicht wahrscheinlich jene „Eignungsprüfungen in standardisierten und strukturierten Verfahren“ werden, die Karlsruhe bis Ende 2019 fordert?
Der „TMS“ hat einen unbestechlichen Vorteil: Er ist überall gleich. Dies unterscheidet ihn von der Abiturnote! Und er misst die Gabe zum logischen Denken sowie Stress- und Organisationsfähigkeit, die sich aus der Abiturnote nicht so eindeutig ergeben. Er ist damit kein Abiturersatz, sondern eine wichtige Ergänzung, das zeigen mehrere Untersuchungen sehr deutlich. Das ideale Auswahlverfahren besteht meiner Meinung nach aus verschiedenen Dimensionen: Abiturnote, Medizinertest und „Situational Judgement Tests“.
Die Anerkennung einer abgeschlossenen Berufsausbildung als hinreichende Studienqualifikation neben dem Abitur könnte Ihnen theoretisch die ganze Testerei ersparen.
Als einziges Kriterium halte ich das für schwierig. Es ist eine gute Sache, dafür einen Bonus auf die Abiturnote zu vergeben, wie derzeit von vielen Universitäten praktiziert. Denn eine fachnahe Ausbildung signalisiert durchaus eine hohe Motivation und wer schon im Beruf tätig war, hat sich bereits mit Menschen und Krankheiten beschäftigt. Das ist also aus meiner Sicht ein Zusatzkriterium – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wir würden dieses Gespräch vermutlich nicht führen, wenn die Zahl der Studienplätze mit der gestiegenen Bewerberzahl Schritt gehalten hätte. Tatsächlich gab es vor zwanzig Jahren sogar mehr Plätze als heute. Gibt es nun einen gestiegenen Bedarf nach mehr Medizinern, wie die Bundesärztekammer seit Jahren mahnt?
Da werden ja seit 20 Jahren die gleichen Diskussionen und verschiedenste Studien ins Feld geführt. Schwer zu sagen, ob diejenigen Recht haben, die mehr Ärzte fordern, oder diejenigen, die das erst in der Zukunft befürchten und momentan nur von einer falschen Verteilung sprechen…
… fast 380.000 Ärzte sind nach den aktuellsten Zahlen immerhin historischer Rekord.
Deshalb ist wahrscheinlich beides nicht falsch. Die Verteilung ist sicher momentan der entscheidende Knackpunkte: Viele Ärzte wollen einfach in der Stadt bleiben und nicht aufs Land gehen. Und lange wollten zu viele in die hochspezialisierte Medizin – erst seit kurzem geht der Trend wieder mehr in Richtung Allgemeinmedizin. Doch sprechen wir hier über langfristige Prozesse. Zwischen Problemfeststellung, Veränderungen im Rahmen des Studiums, und spürbarer Veränderung in der Versorgung vergehen schnell mal zehn, wenn nicht sogar noch mehr Jahre. Die Zeit haben wir nicht mehr.
Also befürworten sie als Universität nun die Schaffung neuer Studienplätze? Die Ärztekammer fordert ein Plus von zehn Prozent.
Das erreicht Bayern durch den neuen Standort in Augsburg ja schon in etwa. Aber bis eine neue Fakultät gegründet ist und Absolventen hat, vergeht sehr viel Ziel. Und der finanzielle Aufwand ist massiv.

Ist es das nicht wert?
Doch, das schon. Aber die Zeit ist der entscheidende Faktor. Wenn man jetzt schnell Veränderungen will und innerhalb von vier, fünf Jahren mehr Leute als Hausarzt aufs Land gehen sollen, dann reicht es nicht, nur an der langwierigen Ausbildung zu schrauben. Dann muss man aus meiner Sicht zum Beispiel direkt bei der beruflichen Weiterbildung für Ärzte ansetzen. Und das stellt sich als noch schwieriger dar. Wegen der Freiheit der Berufswahl kann man es nicht wie in anderen Ländern handhaben, wo schnell Kontingentlösungen geschaffen werden: Ab sofort weniger Chirurgen und Radiologen, wenn es mal einen Überschuss an Fachärzten gibt, und für einen festgelegten Anteil der Absolventen die Pflicht als Allgemeinmediziner zu arbeiten, weil es an denen gerade mangelt.
Inwiefern setzen Sie sich als Universität denn für mehr Studienplätze ein?
Wir äußern uns in allen Gremien, in denen wir gefragt werden. Noch einmal: Wir sind nicht gegen Studienplätze. Aber das Medizinstudium ist mit knapp 200.000 Euro pro Kopf das teuerste Studium überhaupt – sicher lässt sich manches noch effizienter machen, aber es wird immer viel kosten. Also muss man viel Geld in die Hand nehmen, doch zulasten anderer Fachbereiche soll es ja auch nicht gehen.
Was schlecht wäre und wovor wir wirklich Angst haben, ist, dass der politische Wille zu schnellen Lösungen dazu führt, dass mehr Studienplätze auf Kosten der Qualität geschaffen werden. Dann nämlich leidet, wofür wir in den letzten Jahren viel gekämpft haben: dass Ärzte heute besser ausgebildet werden als je zuvor.
Man kann es auch anders sehen: Die Politik setzt auf die Zuwanderung von ausländischen Ärzten, derer es in Deutschland mittlerweile fast 50.000 gibt. Und die Universitäten nutzen das Geld für andere Zwecke, als in teure Studienplätze zu investieren.
Kurzfristig gedacht stimmt das natürlich. So wurde es in meiner Schweizer Heimat auch lange gehandhabt. Mit der Situation heute ist man aber nicht wirklich glücklich. Denn auf die Ausbildung im Ausland haben wir keinen Einfluss. Dazu kommt ein großes Problem: Deutsch ist keine Weltsprache. Anders als in angelsächsischen Ländern kommen also Ärzte zu uns, die der deutschen Sprache nicht richtig mächtig sind. Und die müssen dann mit Patienten in schwierigen, oft sogar existentiellen Situationen sprechen können. Damit kann die Gesellschaft verständlicherweise schwer leben – in Deutschland wie in der Schweiz.
Die Fragen stellte Niklas Záboji
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Prof. Dr. Pascal Berberat hat nach seinem Medizinstudium an der Universität Bern eine Ausbildung zum Chirurgen absolviert. Er leitet das TUM Medical Education Center der Fakultät für Medizin und hat den Lehrstuhl für Medizindidaktik, medizinische Lehrentwicklung und Bildungsforschung inne. Seit 2017 ist er zweiter Studiendekan und als solcher zuständig für die Studiengangs- und Curriculumentwicklung.
Alle genannten Auswahlverfahren und -Kriterien sind nicht wirklich valide und reliabel, denn...
…die Menschen sind zum Einen sehr verschieden und der Arztberuf hat sich gewaltig diversifiziert. Daß die Abinote nicht wirklich entscheidend ist für die Eignung, ist in aller Munde. Aber die Alternativen sind fragwürdig, denn auf standardisierte und überall verwendete Tests kann man sich sehr gut “vorbereiten”, da sind die “Auswendiglernkünstler” wieder im Vorteil. “Rollenspiele” ohne reale Anforderung und Beziehungsaufnahme zu einem wirklich kranken Menschen liegen manchen Leuten sehr, andere werden in “gestellten” Situationen garnicht “angesprochen”, sie fühlen und erleben nichts so als wären sie im Kino, wo kein wirkliches Leben stattfindet… während sie bei realen Herausforderungen zur Höchstform auflaufen.
Lebensrealität
Ich studiere selbst Medizin, allerdings habe ich etwas später begonnen. Viele junge Studenten kommen mir noch sehr “schülerartig” vor. Auch kommen viele einfach, dass meine ich schon sagen zu können, aus Elternhäusern, wo immer eine gewisse Menge Geld vorhanden war. Der Durchschnitt ist nun mal schon anders als an anderen Fakultäten. Die kommen dann aus ihrer Blase am Gymnasium an die Uni, wo sie auch in einer “Art Blase” Medizin studieren und arbeiten dann mit Ende zwanzig in diesem Beruf. Bis dahin haben sie die Welt immer aus einer gewissen Perspektive erlebt. All die Empathie ist oft sozusagen nur “angelesen”. (Nicht zuletzt durch viele Romane.) Zumindest erscheint mir das manchmal so. Eine Lösung habe ich allerdings auch nicht. Aber mich stört schon Folgendes: Warum wird eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf nicht in die Auswahl miteinbezogen? Ein Abiturient, der eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger gemacht hat, hat bzgl. der Studienplatzauswahl überhaupt keine Verbesserung. Warum ist das so?
Referenzuniversitäten arbeiten schon mit standardisierten Verfahren
Eine naiv erscheinende “Logik”, die der Kampagne für neue Auswahlkriterien zugrunde gelegt wird, lautet: Bewerber für das Medizinstudium, die den 1er NC nicht geschafft haben, seien sozial kompetenter? – Dass der NC die höchste Vorhersagegenauigkeit für den Studienerfolg hat (kaum Studienabbrecher in der Medizin bislang, die dieses Kriterium aufweisen) wird übersehen? Es gibt im Übrigen auch belastbares Datenmaterial, das zeigt, dass insbesondere Quereinsteiger, also Bewerber, die keinen 1er NC hatten und erst mit einer Ausbildung eine Wartezeit überbrücken mussten, am ehesten das Studium wieder abbrechen.
Auch gibt es schon längst ausgewählte Unis in B.-W. oder Göttingen, insbesondere Münster NRW, die den 1er NC (Einladungen bis 1,3/ 1,4) p l u s Ganztagsassessments (standardisiert) einsetzen, um weitere Fähigkeiten wie soziale Kompetenz, Stressresistenz, naturw. Fähigkeiten, Geschicklichkeit zusätzlich zu prüfen und danach ihre Studenten auswählen. Die Uni Münster z.B. arbeitet seit Jahren mit der psychologischen Fakultät zusammen und hat für die Kriterien zusätzlich zum 1er NC belastbare Zahlen und ein belastbares Ganztagsverfahren zur Auswahl. – Mit jedem Praktikum im Studium, 3 Monaten Pflege! sind verpflichtend in den ersten 4 Sem. (zu leisten in den Semesterferien), mit jedem Schwerkranken etc. wächst die soziale Kompetenz zudem in 12 Jahren Ausbildung sowieso, sofern nicht auch schon mit einem hervorragenden Leistungsprofil (1er NC) vorhanden. Wir kennen viele gewissenhafte und sozial engagierte junge Leute, die ein hervorragendes Abi gemacht haben und fraglos für andere da sind. Medizin ist zwar ein hoch qualifizierter, aber auch ein helfender Beruf – schon jetzt. Sinnvoll erscheint es wiederum, das verpflichtende Pflegepraktikum, das obligatorisch ist, schlicht beizubehalten, da zeigt sich früh, ob jemand mit dem Körper anderer Menschen arbeiten kann. Auch die frühe Nähe zur Arbeit an der Leiche trennt die Spreu vom Weizen. Aber auch das ist nichts Neues und wird schon realisiert. –
Es ist die “Logik” einer politischen Kampagne, all den Ärzten, der letzten Jahrzehnte (1er NC) pauschal zu unterstellen, sie hätten verminderte soziale Fähigkeiten, nur, weil sie sich einem hohen Leistungsziel (notwendig!) gestellt haben. Das spricht doch, im Gegenteil, eher für weitere Fähigkeiten: Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen. Man möchte nun beim Einstieg ins Studium das Niveau senken und den Zugang erleichtern unter der Maßgabe, dass sich Bewerber mit weniger guten Noten – bereits vor dem 1. Tag des Studiums – verpflichten, in 10 – 12 Jahren auf das Land zu gehen (Landarztquote). Während der jahrelangen von Anfang an praktischen und theoretischen Ausbildung zeigt sich doch erst, welche Fachrichtung für wen passend ist. –
Fazit: Bevor an der hervorragenden Medizinerausbildung in Deutschland geschraubt wird: Bitte erst mal auf valide Verfahren und Daten zugreifen, bevor man das Rad neu erfindet (Referenzuniversitäten wie Münster, die schon standardisierte Verfahren haben kontaktieren, Studienabbrecherquoten vergleichen – mit und ohne 1er NC etc). Dann dürfte die Gefahr, dass die hervorragende Medizinerausbildung in Deutschland nicht an Niveau verliert auch gemindert sein.
Zu:Wie soll man soziale Kompetenz messen?
Nach langjähriger Erfahrung sowohl in Klinik als auch Allgemeinpraxis
kann ich nur sagen, dass sich soziale Kompetenz auch im Laufe des
Berufslebens, besonders in den ersten Jahren entwickelt. Sie ist m.E. in einem sozialen Beruf nicht mit 25
Jahren festgelegt! Man nennt das auch learning by doing.Die Frage ist für mich eher wie weit der /die betreffende lernwillig ist, motiviert ist dafür, das zu erlernen.
Und soziale Kompetenz allein bringt noch keinen einzigen Arzt/Ärztin dahin, wo sie in naher Zukunft benötigt werden. Hier müssen u.a. neue Anreizsysteme und Versorgungstrukturen geschaffen werden. Kaum jemand will
heute noch eine Einzelpraxis auf dem Land mit 50-60Std.Woche führen.
Bei eigenem Investitionskostenrisiko.
Dazu war vor nicht langer Zeit das Beispiel eines Kollegen hier aufgeführt, der damit drohte, seine Praxis wg. Überlastung zu schliessen(Meck-Pomm. glaube ich.)DANN hat man ihm mal wenigstens zugehört.
Zur Änderung der Strukturen gehört auch die Änderung des Vergütungssystems. Hier wird immer noch technische Medizin besser bezahlt. Die ” sprechende”, sozialkompetente Medizin hat das Nachsehn,
der Arzt, der sich viel Gesprächszeit nimmt,kann das nicht entsprechend abrechnen. Also lieber bei 3 Patienten in der gleichen Zeit einen Ultraschall durchführeno.ä.
Ich bin sehr gespannt darauf, wie in den kommenden Jahren die
gesundheitspolitischen Herausforderungen bewältigt werden.
Dr. M. Henne (63J.)
Unsinnige Fehlanreize
Die Politik ist wie immer überfordert selbst sehr sehr langfristige Entwicklungen zu erkennen und wenn notwendig zu steuern. Das ist bei Grundschulplätzen so, wo die “Kunden” schon 6 Jahre vorher aktenkundig werden als auch bei Landärzten.
Jetzt Medizinstudenten auf eine Niederlassung als Landarzt zu verpflichten ist eine Maßnahme die nur langsam wirkt und die dann in der politischen Hektik schon während ihrer Laufzeit ganz sicher mehrfach umjustiert wird. Das ist als ob ein Rennfahrer einen Öltanker steuern wollte.
Man braucht Maßnahmen die schnell wirken und zwar bei Ärzten die hier und heute vor der Frage stehen wo sie sich niederlassen wollen. Landarztstellen sollten einfach ausgeschrieben werden mit einer höheren Dotierung für jeden einzelnen Abrechnungsposten. Kein Standort kann so unattraktiv sein, als das er nicht bei entsprechender Bezahlung doch interessant würde. Es gehört schlicht zur Daseinsvorsorge, die sich nicht zuletzt aus dem Grundgesetz ergibt, hier Lösungen zu finden die funktionieren. Und wenn es der dreifache Satz der üblichen Kassenleistung wäre.
Auf einen Arzt, der mir sozial kompetent erklärt, ...
warum sein Kunstfehler keiner ist, oder der mich aufgrund sozialer Kompetenz gepaart mit mangelndem Fachwissen frühzeitig unter die Erde bringt, kann ich gerne verzichten. Den können sich die Leute teilen, die sich beim Arzt lieber ausweinen als ihre Krankheiten fachgerecht diagnostizieren und behandeln zu lassen.
Und wer soll die ganzen Gespräche führen?
Meiner Meinung nach wird es nicht gerechter, egal was man macht. Es ist ja nicht so, dass die Ärzte nachher andere Berufe ausüben sondern das sie den Beruf nicht Deutschland ausüben oder sich freundlichere Arbeitsbedingen in Bereichen außerhalb der eigentlichen Medizin suchen. An der Eigenung scheitert es nicht.
Natürlich ist es richtig, dass die Abiturnote nicht alles ist, allerdings ist die Medizin ein sehr komplexes Gebiet, wo Auswendiglernen notwendig ist, schliesslich finden Sie es auch nicht toll, wenn der Arzt permanent googelt.
Ich würde 20% der Studienplätze versteigern, 40% wie bisher nach der Abi-Note und 40% unter allen Bewerbern, die nicht zum Zug gekommen sind.
Mag ungerecht klingen, ich finde aber jedes andere Verfahren auch nicht besser sondern bestenfalls aufwendiger.