
Schwerwiegender Verdacht, über den man komisch stolpert: Bücher sind für die Buchmesse nicht das wichtigste. Das Plakat an einem Stand in Halle 3 scheint schon darauf zu verweisen: „Lesen ist extrem gefährlich!“ Also hält man sich quer überm Korridor lieber an Äpfel, die dort von einem Verlag in großen Kisten feilgeboten werden, der seine Bücher derweil in Jutesäcke gestopft darbietet, als wolle man sie wegen allseits obwaltender Lesegefährlichkeit da nie mehr rausholen.
Gleich dahinter stellt sich Unicef (das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) mit einem Riesenstand und einer „Tagesempfehlung“ vor. Unicef ist bis jetzt ja sowieso nicht als Hersteller oder Vertreiber von Büchern aufgefallen, weshalb sich die „Tagesempfehlung auf eine Art eingeschweißte Erdnusspampe namens „Plumpy Nut“ beschränkt: An die armen, hungernden Kinder unserer Welt verteilt, hülfe „Plumpy“ ihnen, für einen Tag die ausreichenden Kalorien, Fette etc. zu bekommen und über den beißendsten Hunger erstmal wegzukommen – erklärt der freundliche junge Mann, der einem gleich noch eine Liste unter die Nase hält, in die man sich als globaler „Plumpy“-Spender eintragen kann.
Gleich daneben lockt eine zwar erdnussbutterlose, aber auch in Deutschland sehr prospektbekannte toskanische Fattoria, die Unmengen ihres Weins, ihres Käses, ihrer Oliven, ihres Öls und ihrer Nudeln dem flanierenden Buchmessengast zum Verkauf darbietet. Auf die Frage, was das denn alles mit der Buchmesse zu tun habe, bekommt man die Antwort, es sei von den Fattoria-Leuten ja bitte auch eigenhändig ein Kochbuch verfasst worden, mit dessen Hilfe man aus den Fattoria-Produkten wunderbare Gerichte zaubern könne. Darauf eine sauren 2013er Sangiovese mit erdigem Abgang, der nach bittermandeligen Ausredefrüchten und blumiger Überteuerungsnote schmeckt.
Auch die Halle 4 ist mit Wein- und Café-Ständen gut vertreten. Die Republik Österreich präsentiert sich sowieso am gültigsten nicht als Buch-, sondern als kakanisches Kaffeebohnen- und Grüner-Veltliner-Land. Wo die Kulinarik in der Literatur schon seit langem auf dem Rückzug ist, nimmt sie auf der Buchmesse immer größeren Raum ein – eine Art gerechter Ausgleich.
Gerhard Stadelmaier