
Schwere Raplines wehen vom Eingang der Halle 4.1 herüber, wo das Poetenduo „Großraumdichten“ mit vom Reim gezügelter Wut eine „Politik in 3D-Ansicht“ fordert. Müde Standby-Demokraten mögen sich ihre Schnürsenkel zubinden und wieder auf die Straße gehen. In der darunter liegenden Halle 4.0, die immer wieder an ein zu groß geratenes Küchenstudio erinnert, hat man die Botschaft von oben verstanden – auch hier liegt der Rap im Blut.
„Freihandelsabkommen klingt doch gut / Aber hört jetzt mal, was TTIP wirklich tut / Ach, Kultur ist hier nur ein Handelshemmnis.“ Der Refrain ist mit der letzten Zeile gefunden, und so geht es noch ein paar Mal weiter, im Hintergrund schwenken Aktivisten Banderolen. „Laut genug?“ fragt die Sängerin. Ja, leider, möchte man sagen. Aber die Diskussion mit dem sperrigen Titel „Ich bin nur ein Handelshemmnis“ ist erhellend.
Der Börsenverein des deutschen Buchhandels klärt hier mit Attac darüber auf, was das Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den Vereinigten Staaten für das Buch bedeutet. Wenig Gutes, nimmt man an. „Kultur wird von den Freihändlern als Sperrgut im reibungslosen Fluss der Güter diskreditiert“, sagt die Moderatorin. Die Buchpreisbindung wird nach bisherigem Verhandlungsstand wohl unter die Räder kommen.
Erschwerend kommt hinzu: Man weiß fast nichts. Das gilt auch für den Diskussionspartner Hans-Jürgen Blinn, der die Verhandlungen als Bundesratsbeauftragter begleitet. Aber wie soll er eigentlich sein Amt erfüllen, wenn er sich mit den spärlichen Informationen begnügen muss, die ihm die EU-Kommissare nach den Sitzungen hinüberreichen? Was hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, wie die einzelnen Formulierungen des Vertrags aussehen, davon erfahre er nicht, sagt Blinn. Und jedes Wort kann hier gravierende Folgen haben.
Verhandelt wird nur unter Amerikanern und EU-Kommissaren. Auch die Mitgliedsstaaten bleiben außen vor. Merkel will das Abkommen trotzdem, Gabriel laviert, wird am Ende aber wohl doch im Namen der höheren Idee zustimmen. 3D ist auch ihre Informationspolitik nicht zu nennen. Wenig dringt nach außen.
Die audiovisuellen Medien wurden auf französischen Druck schon früh von dem Abkommen ausgenommen. Der Buchbereich muss sich dagegen die Schuhe schnüren und auf die Straße gehen. Von Attac angestiftet, werden 22 Frankfurter Buchhandlungen am Donnerstag protestieren. Neunzig Prozent der Buchhandlungen schlossen sich der Aktion an, sagt man nicht ohne Stolz. Am Ende wird noch einmal gerappt: „Ich bin ein Handelshemmnis, ich bin ein Handelshemmnis…“ Und singen es noch heute.
Thomas Thiel
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