
Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es Prostitution gibt. Akif Pirinçci hat die Erklärung: wegen Gucci-Taschen. Die wollen Frauen nämlich, darum machen sie “für Männer die Beine breit”. Das steht in seinem neuen Buch „Die Verschwulung der Gesellschaft“, das im Frühjahr erscheinen soll beim Verlag Lichtschlag in der Edition Sonderwege. Dessen männliche Belegschaft sitzt unterdessen zu dritt in dem winzigen Stand direkt hinter dem auf einer Freifläche des Ganges lesenden Autor und lacht an dieser Stelle einig. Noch während ich mich frage, warum hier niemand mit Obst und Gemüse gegen diese Lesung protestiert, erhebt sich lauter Gesang. Aber das ist dann doch nur eines dieser Guccitaschenwesen, das am Nachbarstand in aller Unschuld ein Lied trällert.
Akif Pirinçci hat sich einen Namen gemacht als „Hassprediger“, weil er in seinem Buch „Deutschland von Sinnen“ behauptete, Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer würden von Politikern und Journalisten „kultisch verehrt“. Eine steile These in einem Land, in dem eben jene Bevölkerungsgruppen teilweise massiv benachteiligt werden. Als müsste man jemanden kultisch verehren, um Missstände aufzuschreiben.
Aber offensichtlich fühlen sich Pirinçci und seine Anhänger bedroht. Und zwar nicht nur von Frauen, Homosexuellen und Zuwanderern, sondern auch von einer angeblichen Feminisierung der Gesellschaft (denn darum geht es im Wesentlichen in seinem Buch, aber „Verschwulung“ klang dem Verlag wohl reißerischer und damit viel besser). Denn diese Feminisierung sei ein wirtschaftliches Risiko, ja, auf diesen Unsinn muss man erst einmal kommen. Aber wenn Pirinçci gleich anschließend ohne Quellenangabe verkündet, Frauen erledigten nur zehn Prozent der nationalen Arbeitsleistung, belegt das diesen Unsinn für ein paar anwesende Herren, die anschließend ihre Begeisterung kundtun, völlig ausreichend.
Das Buch ist noch nicht fertig, aber Kostproben gab der Autor gerne zum Besten. Und manchmal sprechen Zitate auch für sich selbst. Also: „Den Selbstauflösungswahn der deutschen Gesellschaft haben wir dem Hofieren und der Anbetung des weiblichen Elements zu verdanken, der Unwucht feminisierten Denkens, welches Politik als ein [sic!] Geschenkeladen betrachtet, dessen Lager über Nacht die Heinzelmännchen auffüllen, diese Welt voller blutiger Konflikte wie durch beschlagenes Glas wahrnimmt und durch hohles Friedensgesabbel vergeblich zu zähmen versucht und das den Mann nur als eine Kombination aus Goldtaler kackendem Esel, vermeintlich jeden Augenblick auszurasten drohendem Gorilla und links grün Versifftes [sic!] papageienden Papagei [sic!] zu akzeptieren bereit ist.“ Ja, das ist ein einziger Satz, und er soll hier in Gänze stehen, damit niemand vermuten kann, es sei der gesunde Menschenverstand rausgekürzt worden. Falls Sie jetzt auch dringend duschen möchten, machen Sie einfach, und kommen Sie wieder! Es geht hier noch weiter.
Nach einer Viertelstunde geht neben mir ein Herr, der einen Jutebeutel der Jungen Freiheit bei sich trägt, auf dem die Worte „Political Correctness“ rot durchkreuzt sind. Wenn das hier sogar dem zu blöd ist, wie soll ich dann meine Gesichtsmuskeln unter Kontrolle halten? Ein angespannter Sicherheitsmann diskutiert lautstark mit einem anderen Herrn, er habe ihn doch gerade gefilmt, er solle es zugeben und das Video löschen. Nicht mal im Nonbook-Bereich ist die Buchmesse weiter von Literatur entfernt als hier. Das liegt auch an Pirinçcis widerwärtiger Sprache, die den Inhalt zwar ohnehin nicht retten könnte, aber so alles noch verschlimmert. Er schreibt unter anderem davon, eine Lesbe zu „besamen“. Als handele es sich um eine Kuh.
Schlimm ist für den Autor übrigens auch die Vorstellung, nicht das Geschlecht könne als vordringlichstes Merkmal eines Menschen gelten. Ein Professor, der die Idee äußerte, das Geschlecht sollte nur so viel wert sein wie etwa das Sternzeichen, wird gleich auf seine eigene sexuelle Orientierung reduziert und als „stockschwul“ klassifiziert. All diese unterschiedlichen sexuellen Identitäten verwirren Pirinçci jedenfalls sehr. Kein Wunder bei jemandem, der das Wort Hermaphrodit wie Hermapfrodit ausspricht.
Julia Bähr
Ich weiß ja nicht, was Herr Pirinci so alles einnimmt,
aber es bekommt ihm definitiv nicht. Was er da zusammengeschrieben hat ist ein solch himmelschreiender Unsinn, daß sehr schnell klar wird: der Mann hat offenbar große Geldsorgen und muß unbedingt Geld verdienen, egal wie. Insofern ist er es, der für eine bestimmte Leserschaft “die Beine breit macht” um sein eigenes Gucci-Täschchen zu erhalten, geistige Prostitution, sozusagen. Bedauernswert, lächerlich und nicht ernst zu nehmen.
Keine Angst vor der Political Incorrectness
Die Provokation hat den Empfaenger erreicht! Bravo Pirincci!
Der Mann hat recht, unsere vertrocknete und verkrustete Gesellschaft ist anscheinend nur noch auf dieser Wellenlaenge erreichbar. Und legt er nicht tatsaechlich den Finger auf so manche gesellschaftliche Fehlentwicklung, die jeder sehende Buerger kennt aber nicht wagt auszusprechen? Die Gedanken sind zwar frei, aber Wort und Schrift? Pirincci zeigt, dass es auch anders geht, schliesslich leben wir doch in einem freien Land, oder?
maskuline oder feminine Gesellschaft?
wenn ich wählen müsste und diese steilen Thesen, die Pirinçci aufstellt, nur teilweise stimmen könnten, würde ich eine feminisierte – verschwulte? – Gesellschaft einer maskulinen Gesellschaft vorziehen.
Betrachtet man allein das letzte Jahrhundert, das 100 % maskulin und extrem machohaft begonnen hat und mit einer angeblich femininen Neigung endete, so ist meine Wahl klar. Die erste Hälfte des Jh. hat Grausamkeiten gesehen, wie nie zuvor, während in der zweiten Hälfte mit der Aufhebung von Diskriminierungen zumindest begonnen wurde (Minderheiten, Frauen,Homoehe,…).
Und wenn man sich heute zum Beispiel diesen Macho Putin ansieht: einfach nur noch lächerlich, aber gefährlich. Und welche Staaten diskriminieren noch Schwule: zurückgebliebene Machostaaten oder welche mit einer Dominanz patriarchalischer Religionen.
Nun ja, ich denke nicht im Ernst dass eine positive Entwicklung allein durch “Feminisierung” angeregt wurde, aber sie ist zumindest ein Zeichen für Fortschritt
Wir können uns natürlich für eine feminine Gesellschaft entscheiden,
liebe Frau Myer; aber wir sollten doch in Betracht ziehen, dass der Rest der Welt sich ebenfalls entscheiden kann und dass uns unsere Entscheidung wiederum als böse Schwäche ausgelegt werden kann! Denn so, wie sich eine von Männern völlig dominierte Gesellschaften als nicht zukunftsfähig herausgestellt haben (einige Völker probieren es immer noch …) würde eine weiblich dominierte Gesellschaft an unheilbaren Krankheiten leiden. Der – vorsichtig ausgedrückt: dominierenden! – natürlichen Geschlechter sind nämlich zwei, männlich und weiblich. Wäre schon nett, man könnte wenigstens diesen Krieg in diesem Land beenden und jeden tun lassen, was er am besten kann. Sonst kriegen wir nämlich gar nichts hin.
Real-Satire
Habe Pirinçci nicht gelesen, meine Detailkenntnis ist also auf Artikel über ihn beschränkt, glaube aber, dass der sprachliche Unflat (inkl. Hermapfrodit), den er so blubbert, für seine Interpretation eine hilfreiche Spur legt. Aber egal, ob er das intendiert oder nicht: objektiv betrachtet ist das Phänomen Pirinçci eine ziemlich gute Real-Satire, die die Kritiker einer öffentl. Diskussion auf’s Korn nimmt, einer Diskussion, welche die Wirklichkeit durch eine ideologisch-moralisch (=anti-diskriminierend) getönte (PC-) Brille betrachtet (zu denen ich mich auch zähle) + die durchaus aufklärerisch einen Teil dieser Kritiker trifft, treffsicherer als manch empörter “Aufschrei”…
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Nicht nur Herr Pirincci zweifelt an den Gendertheorien – sie sind wissenschaftlich widerlegt. Immerhin hat Simon Baron-CohenProfessor of Developmental psychopathology an der Cambridge Unversität darüber gut geforscht. Da es schon bei Säuglingen signifikante Hormonunterschiede gibt, braucht man also nicht mal die eigene Beobachtung, um die Unterschiede – ohne äußeren Einfluss – zu erkennen. Pirrincci benennt Tabus und deckt sie erfrischend tabulos auf. Deutschland von Sinnen ist z.B. ein Buch, das als Gegenentwurf der faktenarmen und dogmenreichen politischen Korrektheit tatsächlich Fakten und Vernunft entgegenhält. Mit der entsprechenden Wut.
Ein brillanter Provokateur, dessen Brillanz vor nichts zurückschreckt.
Bereits mit der phonetischen Nähe seines Schlachtrufs von der “Verschwulung” zum Unwort der “Verjudung” spielt Pirinçci verabscheuungswürdig mit unterschwelligen Ressentiments. Das Ganze wirkt auf mich wie ein unausgesprochenes “wie damals”, das vor der Unterdückung des gesunden Menschenverstandes (früher hieß das wohl “Volkswille”) durch angeblich anmaßende Minderheiten warnt. Vielen Dank, Herr Pirinçci, bei solch perfiden Geschmacksverstärkern vergeht mir der Appetit darauf, von der Suppe Ihrer Argumente auch nur zu kosten, so wohlschmeckend mir Ihre eine oder andere Zutat auch erscheinen mag.
Wer Pussy Riot feiert...
muss Pirincci locker verkraften. Oder ist das Primitive das Monopol der Linken???
Eine Runde Pöbel, aber geschäftstüchtig.
Ich habe von P. nichts ausser seinem Katzenkrimi gelesen, weil ich ab einem bestimmten Mass von Primitivität einfach aussteige und mich mit keiner These mehr beschäftige.
Verkaufen werden sich seine Machwerke trotzdem, es gibt (genügend) zu viele Menschen, die schon immer mal … Political Correctness … Denkverbote … Jank und Grein …
Dennoch verstehe ich, woher P. kommt:
Der Umgang der akademischen Linken mit ihren politischen Feindbildern war und ist genauso pöbelhaft. Wer seine Kontrahenten reflexhaft als “Nazis” bezeichnet, unterstellt ihnen, paranoide, judenhassende Massenmörder zu sein. Der “Rassist” ist nur unwesentlich besser. Von daher bekommt die Linke auf der rechten Seite, worum sie gebeten hat – Gegner, die jegliche Zurückhaltung als unverdientes Zugeständnis an den politischen Gegner ansehen. Die amerikanische Tea Party zeigt, wohin das am Ende führt.
Artikel wie der hier abgedruckte werden den Verkauf seiner Bücher natürlich nur befeuern.
Grus