
Diese Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten und fängt an, wie jede gute Geschichte anfangen sollte: Mit einem Mann der einen Fez trug und über “Kamelscheiße” sprach. Der Fez ist so ein zeitloser, eleganter Kopfschmuck, dass man auch ganz nonchalant über solch krude Themen wie Wüstenschiffdung sprechen kann, ohne an Grazie und Verve zu verlieren. Die Sechziger-Jahre-James-Bond-Filmhaftigkeit bleibt einfach erhalten.
Dieser Mann jedenfalls stand am Eingang des Kein & Aber-Zeltes, als ich hineinging und war nicht das einzige, worüber ich bei der Veranstaltung “Dieter Meier liest und versucht zu singen” staunte. Im Zelt angekommen, roch es nach Lagerfeuer und Räucherstäbchen. Zusammen mit dem Interiör, das irgendwo zwischen Safari und wildem Orient zu verorten wäre, kam ich mir vor wie in einem Schamanenzelt, kurz bevor mich ein Heiler von einer unangenehmen Krankheit befreit. Dieser Heiler hätte gut Dieter Meier sein können, der mit seinem mantraesquen Bariton Texte wie Naturvolkweisen vortrug. Doch zu ihm komme ich gleich, vorher gibt es noch einiges zu erzählen.

An der Bar im Zelt wurden aufwendige Gin Tonic und andere Getränke der Convenience-Spitzenklasse angefertigt, doch irgendwas anderes gab dem Ganzen eine ganz, ganz besondere Würze: Es war das riesige Konterfei von Sepp Blatter, das neben der Bar hing. Sepp Blatter wurde vom Kein&Aber Verlag zum offiziellen Mitarbeiter des Monats ernannt und ihm zu Ehren lagen kleine Schälchen mit Sepp-Blatter-Buttons für jedermann aus.
Eigentlich sollte Dieter Meiers Auftritt um 16:30 Uhr beginnen, doch in diesem zeltstoffumspannten Mikrokosmos hatte Zeit keine Bedeutung. Sie verging einfach und keiner fragte weiter nach. Irgendwann stand er dann aber da, Dieter Meier, wie ein wohlgekämmter Ludwig van Beethoven und mit einer Rock’n’Roll-Verspätung von 45 Minuten. Nach seinen vielen Schaffensgebieten gefragt, sprach er dann zum Aufwärmen über den “Multi-Dilettantismus” den er “pflegte” und darüber, dass die Gesangsmelodie seines ersten erfolgreichen Songs aus einem einzigen Ton bestand.

Dann nahm Dieter Meier Platz und begann mit der Stimme eines Märchenvorlesers, sein Essay “Dieterchen im Glück” vorzutragen, was der eigentliche Anfang der Veranstaltung war, in der er Geschichten las und Lieder wie Protestsongs mit Akustikgitarrenbegleitung sang. Das erste Lied war dabei noch so neu, dass er den Text vom Blatt ablesen musste. In den Pausen zwischen den Texten und den Liedern sah ich mich immer wieder um und fühlte mich wohl, in diesem Schamanenzelt, mit Sepp Blatter, Dieter Meier und den vielen, vielen Schweizern, die in Helvetismen sprachen.
Und als ich ging, lächelte der Herr mit Fez am Eingang nochmal zum Abschied.