
#hasufi15, das steht für Hanser, Suhrkamp, Fischer. “Den Hashtag bekommen wir bestimmt trending”, sagt Moderator Leander Wattig, und das ist realistisch, denn das Publikum ist zahlreich. Seit einer Stunde schon feiern sich um die siebzig, achtzig Literaturblogger warm, gegen deren munteres Schwätzen nebenan im Azu-Bistro der famose Schriftsteller Bov Bjerg sein ebenso famoses Buch “Auerhaus” anlesen muss, was seiner Stimme nicht guttut. Ich kenne Bov seit 15 Jahren aus diesem Internet und habe ihn noch nie gesehen. Ein bisschen wie die Blogger nebenan, nur dass wir beide gebloggt haben, als noch keiner so richtig wusste, was das eigentlich ist. Ab und zu gab es Podiumsdiskussionen darüber, ob das schlimmer digitaler Exhibitionismus sei, was wir da machen, andere hielten es für Kunst. Uns war das damals egal. Wir machten einfach.
Heute hingegen sitzen hier Vertreter von drei großen Publikumsverlagen und erzählen, wie sie die “Relations” zu den Bloggern pflegen, dass sie selbstverständlich Rezensionsexemplare verschicken, dass das alles so schick subjektiv ist und ganz anders als dieses klassische Feuilleton. Ich sitze dann immer etwas seltsam berührt daneben, denn inzwischen habe ich ja die Seiten gewechselt. Ich blogge nicht mehr, das machen heute andere. Irgendwann hat das Feuilleton angerufen, und jetzt schreibe ich für Geld in dieses Internet hinein. Sehr oft ist es noch genau das gleiche Gefühl wie damals, so wie jetzt im Moment. Ich mache mich hier gerade extremst locker, dabei bin ich doch Feuilletonist.
“In Blogs wird ganz anders besprochen”, sagt Frauke Vollmer, Social-Media-Frau bei Hanser. Außerdem, fügt Autor Clemens Setz hinzu, hassten Kritiker lange Bücher. Er weiß, wovon er spricht, er schreibt meistens lange Romane. Aber eigentlich machten diese Literaturkritiker das Gleiche wie Blogger, nur mit anderem Vokabular. Allerdings schrieben die Literaturkritiker halt nur Literaturkritik. Blogger hingegen könnten auch ganz autobiografisch schreiben oder sogar eine komplette Aushebelung der Literaturkritik abliefern. Was genau diese Feuilletonisten so tun, wurde dann nicht ganz klar, aber alle hatten ihre Vermutungen. Eventuell sollte man das nächste Mal eines dieser geheimnisvollen Wesen hinzubitten, um eine etwas bessere Vorstellung von ihm und seinem Tun zu gewinnen.
Eigentlich, denke ich, kann ich das alles ja auch, das Autobiografische, das Subjektive – und werde kurz nachdenklich, warum ich in einer Blogumgebung (auch hier) anders schreibe als für eine Zeitung (also eine mit richtigem Papier). Es hätte wohl niemand etwas dagegen, dass ich mich auch dort austobe, man erwartet es nur nicht. Es wäre wohl auch die falsche Umgebung. Man macht sich im (eigenen) Blog eher einmal nackig oder zum Affen als in einer Zeitung, in der noch so viele andere Fremde mit einem zusammen auf der Seite stehen. Ich gehe ja auch nicht im Badeanzug in die Oper. Es wäre deplaziert. Was aber nicht bedeutet, dass ich im kleinen Schwarzen ins Schwimmbad gehen würde.
Juan S. Guse, Autor beim Fischer-Verlag, hat sich in Vorbereitung auf das Panel extra ein paar Blogs angeschaut. Er war enttäuscht, sagt er, dass da meist genau die gleichen Bücher besprochen werden wie im Feuilleton auch. Man könnte doch da ganz anderes machen, etwa vergessene Klassiker wiederbeleben, Ludwig Hohl oder so. Alle Dinge, für die das klassische Feuilleton wegen des Tagesgeschäftes zu beschäftigt ist. Das könnte sich im besten Fall anfühlen, wie hin und wieder einen Antiquar zu besuchen, der einem Empfehlungen gibt.
Und da hat er tatsächlich recht. Auch ich habe das Gefühl, dass in Buchblogs noch zu wenig gespielt wird. Wo die Reise stattdessen hingeht, zeigt die folgende Fragerunde, die sich vor allem mit einem Thema beschäftigte: Könnte man nicht irgendwie dafür sorgen, dass da ein bisschen Geld rumkommt? Wir zahlen ja die Hotelzimmer selbst und alles. Wie isses mit Bannerwerbung? Könnten die Verlage nicht mal was lockermachen? Die Verlage waren ein wenig verblüfft, ob das den Bloggern denn so recht sei, aber die winkten ab, ach was, kein Ding, wir passen schon auf unsere Glaubwürdigkeit auf und werben nur für gute Bücher. Und beschworen wieder einmal die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten, denn da können ja immerhin ein paar Blogger von ihrem Tun leben.
Es war eine seltsame Zeit, als plötzlich Blogger Geld verdienen wollten – so um 2003 oder 2005 herum muss das gewesen sein. Es hat uns Altblogger ja lange nicht interessiert, weil wir das Blog nie als Geschäftsmodell sahen, sondern als Spielplatz und Wohnzimmer und eigen Fleisch und Blut, das verkauft man nicht. Mir kommt das bis heute tatsächlich unanständig vor, aber die Zeiten haben sich geändert. Blogger sind jetzt eine wirtschaftliche Größe für die Verlage geworden. Man redet gern über die eigene Bedeutung. Aber das tun Journalisten ja auch, und ich finde es genauso unangenehm.
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Eine interessante Entwicklung. Nur noch einige Jahre zuvor (im Internetzeitalter – Jahrhunderte) war die Werbung in den privaten Blogs ein absoluter NoGo, jetzt aber ist es ein Geschäftsmodel. Kann man hier über die Gentrifizierung der Blogosphäre sprechen? Oder hält die Motivation der Bloggenden nur solange man mindestens einen Input hat: monitären oder rezeptionellen?
Bei einem Blog von mir – zu Zeiten, als ich da noch aktiv war (i.e. als ich noch am Leben war, denn alles andere ist Tod) – bekam ich des öfteren Anfragen aus den grösseren Medienhäuser, dass ich ja doch gerne über dies und jenes erzählen könnte. Habe ich freundlich abgelehnt, auch Banners-Ads. Einige meine Blogger-Freunde hatten da aber mitgemacht – und aus einem polemischen, subjektiven, lesenswerten Medium ist zuweilen ein PR-Platform geworden. Diese Blogs überlebten jedoch, als eine zusätzliche Existenzunterstützung. Meine Blogs muss ich vernachlässigen, wg Überstunden des Broterwerbes. Keine Ahnu