
Wenn doch bloß nicht dieses urdeutsche Manöver des Handtuchs in der Welt wäre. International berüchtigt und immer wieder nicht mit eingeplant, wenn man eine freie Sitzgelegenheit wittert. Ein Damenschal, drei Stühle. Die Frau, die dafür verantwortlich war, weiß, was sie da tut. Das macht sie nicht zum ersten Mal. Diese Frau spielt in der Platzhalter-Königsklasse und dieser Schal hält die Sitze frei, als wäre er polizeiliches Absperrband. Touché! Und: Da alle Sitzplätze belegt waren, wurde aus dem Literaturhaus Frankfurt halt ein Ort, an dem die Menschen näher zusammen rückten. Auch mal was Feines in unseren modernen, kalten Zeiten.
Das Publikum scheint dem Idealismus nachzueifern, der von der Veranstaltung ausgeht: Das Netzwerk unabhängiger Verlage und der Verein der Hotlist vergaben den diesjährigen Preis der Hotlist (dotiert mit 5000 Euro) und den Melusine-Huss-Preis (ein Druckgutschein im Wert von 4000 Euro). Danach gab’s ‘ne Party.

Das jährliche Prozedere bis zur Kandidatur sah auch 2015 in etwa so aus: 171 unabhängige Verlage bewarben sich mit ihrem jeweiligen Buch des Jahres. Aus diesem Fundus filtere ein Komitee die dreißig besten Titel, und legte diese Liste dann einer Jury vor, die sie auf sieben Bücher runterdiskutierte. Per Leservolksentscheid wurden noch drei weitere Titel mit auf die Liste genommen. Fertig war die doch sehr demokratische Hotlist 2015. Am Abend der Verleihung, durch die Claudia Cosmo geleitete wurden dem Publikum alle zehn Bücher noch einmal kurz vorgestellt. An dieser Stelle nochmal: einen herzlichen Gruß an die Dame und ihren Schal. Hoffentlich saß sie bequem. Doch sagte Claudia Cosmo irgendwann während ihrer Moderation ja, dass wir uns die Hotlist wie eine literarische Trinkhalle vorstellen sollen. Und eine waschechte Trinkhalle hat ja auch keine Bestuhlung. Der Melusine-Huss-Preis ging jedenfalls an den Verbrecher Verlag für Anke Stellings “Bodentiefe Fenster” und der Preis der Hotlist an den Kookbooks Verlag für Monika Rincks “Risiko und Idiotie”.

Als die anschließende Party begann, erkannte man spätestens an den Augenringen in Partyfarben, wer schon die ganze Messewoche Präsenz zeigte und wer gerade erst angereist ist. Hauke Hückstädt sagte in seiner Eröffnungsrede zwei prägnante Sachen. Zum einen: “Die Zukunft der Bücher hat nichts mit der Zukunft zu tun. Die Zukunft der Bücher hat mit den Büchern zu tun.” Und zum anderen, dass er hoffe, dass die Party länger ginge, als die Party des Fischer Verlags am Abend zuvor. Und danach sah es auch aus. Trotz messebedingter Menschenerschlaffung wurde getanzt, gelacht und viel geredet. Sehr viel geredet. More is einfach more. Und was natürlich zu jeder Party auch gehört: Auf der Treppe vor dem Eingang hingen die Leute in dieser kalten Oktobernacht so lange rum und rauchten, als sei die Blasenentzündung eine Trophäe zum mit nach Hause nehmen.
Titel eingeben
All diese Selbstuntersuchungen. Alles ist ganz wie ein Ärztekongress. Leider mangelt es dem Alkohol an Qualität. Und die Bonbonieren mit euphorisierenden Testproben sind natürlich auch nicht vorhanden. Dafür findet man sich freaky beim CVJM. So wie kein Buch der Aufmerksamkeit lohnt, so wohl keine Party der Anwesenheit. Denn der Eros liebt nicht die leichte Beute der Praktikantenprodukte. Können Sie wirklich zu Aladdin Sane tanzen? Können Sie das? In einer Selbstuntersuchung, die die Nacht verwandelt. Und Sie können sich an keine Operation erinnern in irgendeinem Bett. Nein. Die Heilige Charlotte bleibt abscondit. Nächste Jahr, vielleicht. Beim CVJM.