Literaturblog

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Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt 2019

Ein schöner Verriss ist auch ein Geschenk

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© ORF/Puch JohannesWarum tun die sich das an? Jackie Thomae bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.

Es könnte mit dem Autorendasein so schön sein, gäbe es diese lästigen Kritiker (ja, auch uns) nicht. Die in der Zeitung gehen ja noch (uff), die bei Amazon kann man zur Not auch ignorieren, wenn einer dem Buch zwei Sterne gibt, weil die Post mal wieder den Umschlag geknickt hat. Schwieriger ist es, wenn man gleich einem ganzen Rudel von ihnen leibhaftig gegenübertritt, wie es beim Bachmann-Wettbewerb der Fall ist, der Topmodelshow des Bildungsbürgertums, so Moderatorin und Verlegerin Christiane Frohmann. Was richtet das, was richtet Kritik allgemein im Inneren des Autors an? Eine Diskussion auf der Orbanism-Bühne wollte dieser Frage nachgehen. Es war dann aber vor allem Thomae, die zu einer Antwort beitragen konnte.

Das liegt vor allem daran, dass sie im Sommer nicht davor zurückgeschreckt ist, in Klagenfurt vor einem Kritikerpodium zu lesen. Einer der Juroren, so berichtet sie, ist immer der Dieter Bohlen, und einige ergehen sich immer in Thomas-Bernhard-Vergleichen, anstatt mal wirklich genau zu berichten, was einen Text und dessen Sprache wirklich ausmacht. Zu lang, zu staubig, zu österreichisch findet Kritiker Stefan Mesch die Angelegenheit und Autorin und Kolumnistin Margarete Stokowski würde gerne mal einen belesenen Fliesenleger oder eine Lehrerin in die Jury einladen, an denen der Bullshit abprallt. Jüngeren Autoren raten viele Verleger und Agenten ohnehin von der Teilnahme ab, berichtet Thomae, sie hingegen habe sich reif genug gefühlt und geistig gewappnet, indem sie mit dem Schlimmsten rechnete. Und dann guckt man besser nicht auf Twitter: Schöne Stimme, schön gelesen, lauteten da die Urteile zu ihrem Vortrag. Sicher ein Kompliment, aber das will man als Autor ja auch nicht hören.

Wichtiger findet Margarete Stokowski dann die persönlichen Meldungen, die sie auf Lesungen ihres Buches “Untenrum frei” vor Ort erreichen. Die Frau etwa, die aufgrund der Lektüre beschloss, die Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte ihres Unternehmens doch noch weiterzuführen, ist mehr wert als jede Kritik und geht einem auch persönlich näher. Einen schönen fundierten Verriss hätte sich Stokowski dennoch gewünscht. Nicht aus Masochismus, sondern weil Verrisse einfach doch unterhaltsamer seien als Lob und auch besonders gut begründet werden müssen. Dann sei ein Verriss auch ein Geschenk.

Das Schlimmste aber, so Kritiker Stefan Mesch, sind diese lauwarmen Kritiken, diese drei Sternchen. Viele seiner Freunde lesen trotz Zeitnot zwar  gerne, aber nach dem zweiten oder dritten lauwarmen Buch steigen sie oft aus und gehen als Buchkäufer verloren. Deshalb hat er sich auferlegt, bei Rezensionen zuerst zu überlegen, ob die Lebenszeit seiner Leser nicht an das Buch verschwendet sein könnte. Und dann radikal vor der Lektüre zu warnen.

Das ist ein anderer Ansatz als die geschmäcklerische Einordnung jenes Kritikers, der Thomae “Mitteschicksenprosa” attestierte, was die Autorin wiederum ziemlich amüsierte. Überhaupt das geschmäcklerische: Den ersten Absatz könne man vor allem dann oft streichen, wenn es um eine Autorin gehe, so Frohmann. Denn darin gehe es meist nur um ihr Aussehen, ihre Gestalt, ihr charmantes Lächeln. Weg damit! Das sind die Dinge, die schlimmer schmerzen als ein saftiger Verriss. Und das ist für unsereins, die ja ab und an auch in der Position des Rezensenten ist, doch eine beruhigende und gute Nachricht.


1 Lesermeinung

  1. RMPetersen sagt:

    Als Zeitungsleser und Fernseher aus Vor-Internet-Zeiten ...
    … möchte ich sagen: Die Verrisse von Reich-Ranicki waren die schönsten. (Aber, die Walser ja mehrfach deutlich machte, auch die gemeinsten.)

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