
Manchmal wird Mut ja belohnt. Und manchmal geht man optimistisch in eine Diskussionsrunde, obwohl der Titel schon verdächtig schwammig klingt: “Wertschätzungskette: von der Wertentwicklung zur Werte-Entwicklung.” Da erwartet einen dann ein Singer/Songwriter, der zur Einstimmung etwas von Glück und Pesos singt, und es dämmert selbst dem größten Optimisten: Das hier könnte ein bisschen krude werden.
Wurde es dann auch. Wenn man annimmt, dass jeder in den Titel etwas anderes hineingelesen hatte, ist es wohl von Vorteil, dass jeder der Geladenen über völlig andere Dinge sprach als die anderen. Die Dänin Else Christensen-Redzepovic blieb noch nah am (angenommenen) Thema: Sie erzählte von den Bewerbungen für Kulturhauptstädte, an denen sie mitarbeitete, und erörterte, wie Wirtschaft und Kultur voneinander profitieren könnten, dass sie gar in Firmen voneinander lernen könnten, weil Künstler dort die Kommunikation und den Innovationsgeist verbessern.
Die Kommunikation, wirklich? Das ist angesichts der Tatsache, dass Künstler meist Einzelkämpfer sind und das oft auch sehr schätzen, eine zwar schöne, aber auch etwas steile These. Aber es wird natürlich noch viel besser.
Michael Göring von der Zeit-Stiftung nämlich schloss dort zwar an (“Was können wir als Zivilgesellschaft erreichen, ohne auf die Mittel des Bundes oder der Länder zurückzugreifen?”), lenkte den Fokus dieser völlig kopflosen Runde dann aber schnell auf sich selbst und bewarb ausführlich seinen eigenen Roman. Der hat auch irgendwas mit Werten zu tun, es geht um die Kindertransporte anno 1938, und wer einen Roman findet, der nicht irgendwie was mit Werten zu tun hat, bekommt von uns ein Lustiges Taschenbuch geschenkt.
Auftritt Karl-Heinz Land, der auch ein Buch geschrieben hat, bei dem es wiederum um Zukunft geht. Dass die Technologie Ursache UND Lösung unserer Probleme sei, erfahren wir von ihm. Das hatte dann zwar mit dem Titel endgültig nichts mehr zu tun, aber ehrlich, könnten Sie den jetzt noch korrekt wiedergeben? Reden wir lieber über das, was Karl-Heinz Land uns mitteilen will: “Wer sagt denn, dass der Mensch zum Arbeiten gedacht ist? Vielleicht wär’s viel sinnvoller, in Afrika ein paar Bäumchen zu pflanzen.” Außerdem würde in ein paar Jahrzehnten niemand mehr für Geld arbeiten, das mache dann alles die Künstliche Intelligenz, der Mensch könne sich unterdessen dann eben mit irgendwas beschäftigen. Mit sonderbaren Podiumsdiskussionen etwa. Oder Kultur eben, um mit angezogener Handbremse im großen Schwung zurück zum Thema zu sliden.
Es ist jedenfalls ab und zu ganz nett zu sehen: Wenn nicht mal die Moderatorin oder die Teilnehmer des Podiums wissen, worum es geht, liegt es nicht am eigenen mangelnden Textverständnis. “Und ich sage immer: ‘Liebe Politik, gebt den Menschen Klarheit!'”, deklamiert Herr Land. Allein, die Politik hört ihn nicht. Und die Unklarheit dieser Veranstaltung geht immerhin auch fast schon wieder als Kunstform durch.
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Bäumchen pflanzen ist also keine Arbeit für den Herrn Land.
Gehe ich recht in der Annahme, der Herr hat noch nie selbst Bäume gepflanzt?