Chaos as usual

Chaos as usual

Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Looking backward – eine friedliche Utopie

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Am Abend des 30. Mai 1887 bedient sich der junge Bostoner Aristokrat Julian West wieder einmal der Hilfe von Dr. Pillsbury: Julian leidet unter starker Schlaflosigkeit, und nur unter dem Einfluss von Dr. Pillsburys „animalischem Magnetismus" will es ihm gelingen, in einen tiefschlafähnlichen Zustand zu fallen. Um das Einschlafen nicht durch Straßenlärm zusätzlich zu erschweren, hat er sich im Keller eine schalldichte Schlafkammer bauen lassen, und dort versetzt ihn Dr. Pillsbury auch an diesem Abend wieder in den Hypnoseschlaf. Es wird das letzte mal sein, denn einerseits wird Dr. Pillsbury sich unmittelbar im Anschluss an die Seance nach New Orleans aufmachen, wo eine neue, berufliche Herausforderung wartet; andererseits bricht ausgerechnet in dieser Nacht ein entsetzlicher Brand aus, der Julians Haus in Schutt und Asche legt. Und weil niemand um die im Keller verborgene Schlafkammer weiß, wird allgemein angenommen, Julian hätte den Feuertod gefunden. Über hundert Jahre später, wir schreiben das Jahr 2000, erwacht Julian in seiner unterirdischen Kammer, und blickt in das verdutzte Gesicht von Dr. Leete, dem nunmehrigen Besitzer des Grundstücks; der entdeckte die Kammer bei Ausgrabungsarbeiten für einen Laborneubau im Garten seines Hauses...

Am Abend des 30. Mai 1887 bedient sich der junge Bostoner Aristokrat Julian West wieder einmal der Hilfe von Dr. Pillsbury: Julian leidet unter starker Schlaflosigkeit, und nur unter dem Einfluss von Dr. Pillsburys „animalischem Magnetismus“ will es ihm gelingen, in einen tiefschlafähnlichen Zustand zu fallen. Um das Einschlafen nicht durch Straßenlärm zusätzlich zu erschweren, hat er sich im Keller seines Hauses eine schalldichte Schlafkammer bauen lassen, und dort versetzt ihn Dr. Pillsbury auch an diesem Abend wieder in den Hypnoseschlaf. Es wird das letzte mal sein, denn einerseits wird Dr. Pillsbury sich unmittelbar im Anschluss an die Seance nach New Orleans aufmachen, wo eine neue, berufliche Herausforderung wartet; andererseits bricht ausgerechnet in dieser Nacht ein entsetzlicher Brand aus, der Julians Haus in Schutt und Asche legt. Und weil niemand um die im Keller verborgene Schlafkammer weiß, wird allgemein angenommen, Julian hätte den Feuertod gefunden.

Über hundert Jahre später, wir schreiben das Jahr 2000, erwacht Julian in seiner unterirdischen Kammer, und blickt in das verdutzte Gesicht von Dr. Leete, dem nunmehrigen Besitzer des Grundstücks; der entdeckte die Kammer bei Ausgrabungsarbeiten für einen Laborneubau im Garten seines Hauses. – Und, oh Wunder: nicht nur, dass unser Julian das Feuer unversehrt überstanden hat, nein: er ist seit 1887 auch keinen einzigen Tag gealtert. Dr. Leete nimmt ihn mit zu sich nach Hause, gemeinsam steigen sie aufs Dach und betrachten das sich ihren Blicken darbietende Panorama des modernen Boston: die rauchenden Schlote von einst sind verschwunden, schmucke Hochhäuser nehmen ihren Platz ein, die Szenerie wirkt sauber und aufgeräumt, der Himmel ist blau, die Luft rein und klar; nichts mehr von dem Schmutz und dem beißenden Rauch, und dem Gestank und dem Elend vergangener Zeiten: „Wie ist das möglich?“, fragt der erstaunte Julian seinen Gastgeber. Der erwidert:

„Ich würde viel darum geben, wenn ich einen Blick auf das Boston Ihrer Zeit tun könnte. Ohne Zweifel waren die Städte von damals, wie Sie andeuten, recht armselig. Wenn Sie sie hätten glänzend machen wollen, und ich bin nicht so unhöflich dies zu bezweifeln, so würden bei der herrschenden Armut, welche das Resultat Ihres merkwürdigen industriellen Systems war, die Mittel dazu gefehlt haben. Außerdem vertrug sich der weitgehende Individualismus, welcher damals herrschte, nicht mit dem Gemeinsinn. Das bisschen Reichtum, das Sie besaßen, scheint fast lediglich für Privatluxus verschwendet worden zu sein. Heutzutage dagegen ist keine Verwendung des Überschusses an Reichtum so allgemein beliebt als die für Verschönerung der Stadt, die alle gleichmäßig genießen.“

Und wenig später, nachdem Dr. Leete seinem jungen Gast seine Tochter vorgestellt hat, die liebreizende Edith, die unser wiederauferstandener Held gegen Ende des Werkes zum glücklichen Weib nehmen wird, erklärt er ihm, dass das 20. Jahrhundert, während er schlief, einige gravierende gesellschaftliche Änderungen gesehen hatte: Das Privateigentum wurde abgeschafft, nachdem es sich zunehmend in den Händen weniger Monopolunternehmer konzentriert hatte; der Staat organisierte nunmehr die Wirtschaft in Eigenregie, die soziale Wohlfahrt erreichte nie zuvor gekannte Ausmaße. Das Bildungswesen sowie das komplette kulturelle Angebot sind kostenlos zugänglich; es herrscht so gut wie freie Berufswahl, allerdings besteht eine Art allgemeine „Arbeitspflicht“, die alle Bürger zwischen dem 21. und dem 45. Lebensjahr zur aktiven Erwerbsarbeit verpflichtet; danach stünde es aber allen frei, staatlich alimentiert ihren ganz persönlichen Interessen nachzugehen. Die Frau ist unabhängig und in allen Belangen dem Mann gleichgestellt; Kriege gibt es keine mehr, Kriminalität auch nicht, demzufolge wurden alle Gefängnisse geschlossen.

Ob die Intelligenzia des Jahres 1887 angesichts der seinerzeitigen Umstände nicht das Gefühl gehabt hätte, dass mit ihrem System etwas nicht in Ordnung sein könne, will Dr. Leete von Julian wissen: hätten nicht Ungleichheit und Arbeiterelend zu entsprechenden Vorahnungen führen müssen?

„Das haben wir allerdings klar genug gesehen“, erwiderte Julian. „Wir fühlten, dass die Gesellschaft keinen Ankergrund mehr hatte und in Gefahr war, ein Spiel der Wellen zu werden. Wohin sie treiben würde, konnte niemand sagen, aber alle fürchteten die Klippen. Ich kann nur sagen, »dass, als ich in den langen Schlaf fiel, die Aussichten derart waren, dass ich mich nicht gewundert haben würde, wenn ich heute von Ihrem Dache aus auf einen Haufen verkohlter und mit Moos bedeckter Ruinen, anstatt auf diese herrliche Stadt geblickt hätte.“

Julian seinerseits will von Dr. Leete wissen, wie sich der gesellschaftliche Wandel des 20. Jahrhunderts genau vollzog, ob es schlimme Revolutionen gab, mit viel Gewalt und Blutvergießen?

„Im Gegenteil“, erwiderte Dr. Leete, „es fand nicht der geringste Gewaltakt statt. Man hatte den Wechsel lange vorhergesehen. Die öffentliche Meinung war reif dafür und die ganze Masse des Volkes unterstützte ihn. Weder Gewalt noch Gründe konnten ihm widerstehen. Auf der anderen Seite fühlte man keine Bitterkeit mehr gegen die großen Korporationen, da man gelernt hatte, dieselben als notwendige Verbindungsglieder und Übergänge in der Entwicklung des wahren industriellen Systems anzusehen. Die bittersten Feinde der großen privaten Syndikate mussten jetzt anerkennen, wie unschätzbar und unentbehrlich ihre Dienste gewesen waren, um das Volk dafür zu erziehen, sein Geschäft selbst in die Hand zu nehmen. Fünfzig Jahre früher würde die Konsolidation der Industrie unter nationale Kontrolle selbst dem Sanguiniker ein sehr gewagtes Experiment geschienen haben. Aber die großen Korporationen hatten dem Volke durch Anschauung ganz neue Begriffe darüber beigebracht. Es hatte viele Jahre lang gesehen, wie Syndikate über Einkünfte verfügten, größer als die von Staaten, wie sie Hunderttausende von Arbeitern mit einer Geschicklichkeit und Wirtschaftlichkeit regierten, die in kleinen Verhältnissen nicht zu erreichen gewesen wären. Man hatte es als ein Axiom anerkannt, dass je größer das Geschäft, desto einfacher die zur Anwendung kommenden Grundsätze seien; dass das System, welches in einem großen Geschäftsbetrieb dasselbe ist, was in einem kleinen des Meisters Auge, zu besseren Resultaten führt. So kam es, dass als der Vorschlag gemacht wurde, die Nation solle die Funktionen der Korporationen selbst übernehmen, selbst der Furchtsame sich der Sache gewachsen fühlte. Gewiss war es ein großer Schritt, aber die Tatsache, dass die Nation die einzige Korporation wurde, befreite das Unternehmen von vielen Schwierigkeiten, gegen welche die einzelnen Syndikate hatten kämpfen müssen.“

Halten wir an dieser Stelle mal an: Die vorstehenden Passagen stammen aus dem Roman „Looking Backward or Life in the Year 2000″ von Edward Bellamy, veröffentlicht 1887; eine der meistgelesenen Sozialutopien des 19. Jahrhunderts, übersetzt in diverse Sprachen und vieldiskutiert, Blaupause für eine ganze Reihe späterer politischer Parolen von Arbeiter- und Studentenbewegungen; Bellamy verarbeitet darin seine Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Zuständen seiner Epoche, wählte angesichts der auf ihn einwirkenden Zwänge aber die Ausdrucksform der fantastischen Utopie. Das Buch erregte nach seinem Erscheinen ein gewaltiges Aufsehen, für viele Zeitgenossen Bellamys war es eine Offenbarung, in welcher der Autor das konkret aussprach, was sie selbst nur als diffuses Gefühl wahrnahmen, was sie insgeheim dachten oder träumten. Reformer, Frauenrechtlerinnen, Intellektuelle jeglicher Couleur, die Studentenbewegung: sie alle fanden ihre eigenen Visionen in Bellamys Werk in aller Ausführlichkeit wieder; die liberale Presse überschüttete es mit positiven Rezensionen, von der konservativen Seite hagelte es selbstredend die schärfsten Angriffe.

Bei allen Parallelen zum sozialistischen Staat, wurde „Looking backward“ in Marxisten-Kreisen eher lauwarm aufgenommen. Warum? – Bellamys Vorstellungen darüber, wie die Transformation der alten industriellen Ordnung vonstatten gehen sollte, konnte natürlich niemandem so recht gefallen, der von der Revolution des Proletariats träumte; der Klassenkampf will sich in Bellamys Welt irgendwie nicht gewaltsam entladen, Gleichheit wird in Frieden und aus Einsicht hergestellt. Aus der heutigen Retrospektive liest sich Bellamy denn auch weniger wie Karl Marx, sondern eher wie der späte Joseph Schumpeter oder der Psychoanalytiker Erich Fromm, und beide wurden hinsichtlich ihrer eigenen Utopien vom linken Lager bekanntlich aus ganz ähnlichen Gründen gescholten.

Wie die obigen Zitate aus der deutschen Fassung zeigen, bietet das Werk höchst aktuellen und interessanten Lesestoff; weniger wegen seiner sozialpolitischen Quintessenz, zu der jeder stehen kann, wie er mag, sondern vielmehr der zahllosen Fragmente wegen: Fans des bedingungslosen Grundeinkommens werden darin genauso auf ihre Kosten kommen wie Vertreter des post-keynesianischen Lagers, die Diskussion um öffentliches Eigentum sowie alle möglichen Spielarten von Kooperation zwischen Staat und Privatsektor wird im Werk vorweggenommen, die Arbeitszeitverkürzung  – bekanntlich das große beschäftigungspolitische Thema des ausgehenden 20. Jahrhunderts – von Bellamy durchaus richtig antizipiert. Den späteren Ernst Bloch findet man wieder, wo Bellamy die Saat einer zukünftigen Wendung zum Besseren bereits in den elenden Zustände des 19. Jahrhunderts keimen sieht: „Irgendetwas stimmt nicht!“, ein diffuses, penetrantes Gefühl, das selbst in Aristokratenkreisen verbreitet ist und früher oder später nach Abhilfe schreit; der quasi zeitreisende Julian West ist ob seiner sich daraus ergebenden historischen Rolle ziemlich konsterniert, als Vertreter einer Generation, die „es“ wohl ahnte, jedoch nichts getan hat, und jetzt erkennen muss, wie schön die Zukunft schon viel eher hätte sein können, wenn sie was getan hätte. Was denken die Bewohner des schönen 20. Jahrhunderts über ihn? Ihn, das Relikt einer barbarischen Epoche, den „Elephant Man“ des kapitalistischen Zeitalters? Werden sie ihn jemals als einen der ihren akzeptieren und respektieren können? Wird seine Liebe zu Edith die krassen Gegensätze in den sozio-kulturellen Biographien der beiden überbrücken können? – Aber nein, welch ein Schreck: Julian erwacht – war die ganze schöne neue Welt nur ein Traum? – Oder ist das Erwachen aus diesem Traum nur ein Albtraum? – Lest und seht selbst, liebe Freunde. Aber als kleiner Hinweis: Werke wie dieses enden nicht ohne Happy End; das wußte Edward Bellamy auch schon anno 1887.

Interessantweise hatte Bellamy anfangs gar nicht vor, mit „Looking backward“ ein Programm zur Reform der Gesellschaft vorzulegen: eine fantastische Novelle sollte es werden, nichts weiter, ein „Märchen des sozialen Glücks“, wie er es selbst nannte. Aber je tiefer er in das Werk vordrang, umso klarer sei ihm geworden, dass er aus Versehen über die „vorherbestimmten Grenzsteine einer neuen Gesellschaftsordnung“ gestolpert war, und in dem Moment wandelte sich das unschuldige Märchen zum brisanten Manifest.

Wem Vorahnungen des Krieges, wie ich sie im letzten Beitrag skizzierte, nicht behagen, wem Marx zu gewalttätig ist, und wer Schumpeters Prophezeiung angesichts der aktuellen Nachrichtenlage nicht glauben mag, dass der Kapitalismus ausgerechnet seines großen Erfolges wegen in den Sozialismus übergehen wird, für den bietet Bellamy einen durchaus friedfertigen und in Einzelaspekten gar nicht mal so utopische Blick auf eine neue, bessere Welt. Das Werk erscheint noch immer als Taschenbuch, und ist an diversen Stellen im Web sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Übersetzung online verfügbar.


41 Lesermeinungen

  1. Jordanus sagt:

    Im Prinzip sind die großen...
    Im Prinzip sind die großen Konzerne also Beispiele für halbwegs funktionierende Planwirtschaften, für gelebten Sozialismus also. Auch wenn manche gleicher sind als die anderen, ist es prinzipiell doch besser drinnen als draußen zu sein in der Arbeitslosigkeit oder noch schlimmer: in der Selbständigkeit.
    Was manche Konzerne ihren Mitarbeitern an Zusatzversorgungen angedeihen lassen können, kommt sozialistischen Träumen schon sehr nahe. Dagegen sieht der Mittelstand meist leider alt aus.

  2. Jordanus sagt:

    @Thomas Strobl
    "Der einzige...

    @Thomas Strobl
    „Der einzige Österreicher, der wirklich wußte, was Sache ist, war Joseph Schumpeter.“
    Und Mozart? Robert Musil? Joseph II.? Maria Theresia? Andreas Hofer? Rilke? Die hatten alle keine Ahnung?

  3. Thom sagt:

    Ich frage mich, was in der...
    Ich frage mich, was in der Utopie mit den verbissen verteidigten Privatinteressen der Profiteure des alten Systems passiert ist, wie sie ohne Gewalt überwunden werden, wo doch mit Gewalt sie sich verteidigen. Die andere Frage wäre natürlich, ob man wirklich einen totalitären Staatskörper haben möchte und ob dieser nicht, immanenten Gesetzen nach, sich zum Unterdrücker auswachsen müßte. Wenn man den Platz, den der Markt heute einnimmt, durch den Staat ersetzt, sind die Menschen nicht befreit. Beides gälte es abzuschaffen. Deswegen waren die Marxisten nicht überzeugt. Nicht wegen der Friedfertigkeit der Revolution (Revolution galt in manchen Marxistischen Jargons als gewaltfreies Pendant zur Revolte).

  4. stroblt sagt:

    @Jordanus

    Sorry, da habe ich...
    @Jordanus
    Sorry, da habe ich mich wohl mißverständlich ausgedrückt: meine Aussage bezog sich lediglich auf den Kontext der „Österreichischen Schule“ der Nationalökonomie.
    Die Liste der ansonsten famosen Ösis ließe sich über deine Aufzählung hinaus natürlich noch lange fortsetzen, gar keine Frage.

  5. Die Analogie...
    Die Analogie Sozialismus<->Konzern funktioniert nicht. Weder hat Polen mit der DDR, noch die UdSSR mit Nordkorea konkurriert. Von Monopole aufbrechenden, innovativen Neugründungen ganz zu schweigen. (Zugegeben: Der Wettbewerb auf der nach unten offenen Skala der Menschenrechtsverletzungen wurde mit bemerkenswerter Intensität unter den Bruderstaaten ausgetragen.)
    Natürlich sind Großunternehmen zentral geplante Einheiten; aber wenn Du diese als Maßstab nähmest – von den Wettbewerbsaspekten mal abgesehen – dürften sozialistische Gesellschaften in der Folge eben auch nicht mehr als ein paar Zehntausend Mitglieder haben, die „beplant“ werden. Außerdem bezweifele ich, dass die vergleichsweise banalen „Bedürfnisse“, die aus der Herstellung von einem, sagen wir mal: Opel resultieren, mit den extrem komplexen und diversifizierten Präferenzen (und deren häufig nicht-transitiver Ordnung!) von Individuen in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang sind.
    Empirisch lässt sich ganz gut belegen, dass die zu bürokratischen Monstern wachsenden quasi-sozialistischen Großunternehmen (Schumpeter!) irgendwann in richtig fiese Schwierigkeiten geraten (ENRON, MCI Worldcom; kennt noch jemand Digital Equipment?). Die Konsequenzen sind – nicht erst seit Rockefellers Zeiten – erzwungene oder freiwillige Aufspaltungen in kleinere Einheiten.
    Ein ethisches Grundproblem kommt meines Erachtens in den Diskussionen derzeit auch viel zu selten zur Sprache: Die Vergesellschaftung und Zentralisierung führt aufgrund des Mangels an allokativer Effizienz zwingend zu Wohlfahrtsverlusten. Ganz zu schweigen von den Trittbrettfahrer-Effekten, den quasi-institutionellen Anreizen zum rent-seeking und und und….
    Was die Praxisbezogenheit der Hayek’schen Gedanken angeht – da spricht beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung unter Maggie Thatcher Bände. Von Ehrhards Vertrauen auf den Wettbewerb als Entdeckungsprozess ganz zu schweigen.

  6. Devin08 sagt:

    Die Geburt wird...
    Die Geburt wird schmerzhaft!
    @kalupner: Ich finde Ihre Beiträge ja recht interessant, zumal sie meine wissenschaftliche Neugierde weck(t)en. Doch, wie wollen Sie denn dieses „energie- und sachkapitalsteuer-finanziertes Zweiteinkommen für Jedermann“ durchsetzen? – per Volksabstimmung?! Aber selbst wenn Ihnen das gelänge, wäre das einen Konflikt, den Sie da herauf beschwören, und zwar mit den all den Agenten der „Leistungsgesellschaft“, den „Leistungseliten“, wofür sie sich merkwürdigerweise ja (fast) alle halten. In der Tat, gegen sie/Sie muss man mit dem Fetischgedanken argumentieren. Es gibt keine algorithmischen Tricks, mit denen sie die Menschen aus ihrer politisch-ökonomischen Matrix hinaus befördern. Und noch sind die Menschen das, wofür sie sich halten, und das, wofür sie sich halten, entnehmen sie ihrer hauptsächlich ökonomisch bedingten Sozialisation, die wiederum ideologisch unterlegt ist. Und diese Ideologie ist Ausdruck der „geronnenen“ Ökonomie einer gegebenen Epoche, oder anders ausgedrückt: Ergebnis des jeweiligen Standes des Klassenkampfes. Und wenn das nicht gar der Hauptgrund für ist, für des Volkes Widerstand gegen den Sozialismus, dessen ununterbrochenen Niederlagen nämlich, genau genommen seit den Bauernkriegen, dann wüsste ich nicht, warum es heißen sollte, dass die Geschichte die Geschichte der Sieger ist? Wenn wir die Geschichte umschreiben wollen, dann müssen wir siegen lernen!
    Für die Masse der Bevölkerung ist Ihr „Zweiteinkommen“ genau das, was andere „bedingungsloses Grundeinkommen“ nennen, und was sie allesamt für „Sozialismus“ halten. – Lesen Sie nur mal die FAZ-Leserkommentare Querbeet! Sie nehmen den Leuten ihre „Seele“, so oder so! Und was glauben sie, was die Leute dagegen zu setzen haben? – Kampf, Klassenkampf gar, auf jeden Fall Widerstand! Mit solchen Tricks können Sie vielleicht den einen oder anderen Börsenmakler überzeugen. Deren Zinstheorie hört sich nämlich fast genauso an, irgendwie wie die „Weltformel“, von der die Stringtheoretiker (Das Elegante Universum – Brian Greene) so schwärmen, aber keinen marxistischen Dialektiker, und, gar merkwürdig genug, auch nicht das Volk.
    Ihr „Tipping-Point“ ist in etwa das, was die Sozialdemokraten mit Keynes glaubten gefunden zu haben: das homöopathische Mittelchen das den sauren Kapitalismus (dem Chaos) so allmählich in den süßen Sozialismus (die Ordnung) wandelt. Noch leben wir in jener Klassengesellschaft – die das Chaos spaltet in zweierlei Ordnungen -, und die wohl gerade so aussieht, als würde sie abgewrackt – und was nicht unbedingt eine freundliche Haltung gegenüber dem Proletarier zu sein scheint – und somit keineswegs völlig identisch ist mit Chaos oder Ordnung, und damit wären alle „Tipping-Points“ „Enten“, Gehirnkonstrukte, die den Bedürfnissen des „Mittelstandes“ abgeguckt scheinen. Dieser mag es nämlich nicht, wenn er enteignet wird, weder vom Großkapital noch vom sozialistischen Proletariat. Und er fürchtet um sein kleines Individuum (seine Identität, seine Ordnung), was da verloren geht, in dieser Maschinerie der Moderne. – Merke: Gesellschaften sind nicht gleich Physik oder Biologie, oder gar Mathematik!
    Mag sein, dass die Klassen nicht mehr so sind, wie zu Marx’ Zeiten, aber wer glaubt, ohne eine Klassenanalyse an dem Thema vorzukommen, soll mir nicht wissenschaftlich kommen, denn der betreibt nur linke Esoterik. „Das Kapital geht mit dem Sozialismus schwanger“ (Marx), das ist ein Schlüsselsatz, ein sehr aktueller. Das heißt nämlich auch: Die Geburt wird schmerzhaft!
    Zur Entspannung (Geburtsvorbereitung) empfehle ich Slavoj Žižeks „Die Parallaxe“ (vgl. auch: „Wolf Singer, die Philosophie und Žižeks Parallaxe“ https://blog.herold-binsack.eu/?p=142).

  7. Alvar Hanso sagt:

    @Thomas Strobl
    "Du wirst...

    @Thomas Strobl
    „Du wirst feststellen, dass in deiner Aufzählung die Namen Minsky und Keynes fehlen“
    Die Beschäftging mit beiden setze ich bei einem bekennenden Keynesianer einfach vorraus.

  8. mylli sagt:

    @ Ösi-Problem

    "vergiß...
    @ Ösi-Problem
    „vergiß Hayek, von Mises und die ganze andere Ösi-Baggage“
    Und das sagt ein bekennender Österreicher?
    Vielleicht zu tief inhaliert?

  9. stroblt sagt:

    @mylli

    Die "österreichische...
    @mylli
    Die „österreichische Schule“ der Nationalökonomie ist gemeint, nicht die ganzen anderen tollen Österreicher, allen voran Beethoven, Wagner, Goethe…

  10. @ Devin08 Die...
    @ Devin08 Die dominodynamische Übermacht der kleinsten, aber evolutionsprozess-eigenen Geniepunktänderung in hochkomplexen Systemen-in-der-Aufschaukelungskrise ist ja gerade der einfache und sichere Evolutionprozessclou, um die Macht des Weiter-So-Beharrende/Ancien Régime auszuhebeln – und der schon milliardenfach im Evolutionsprozess erfolgreich war. Auch die Systemkrise-der-Kapitalstockmaximierer führt zwingend in die emergent, neue Ordnung der Weltindustriekultur und wird von einer Tipping-Point-Innovation angestoßen werden. Meine Tipping-Point-Hypothese, die ich positiv getestet habe und bis auf Weiteres immer wieder ins Spiel bringen werden, ist der EPIKUR-Lohn. Er funktioniert nicht über die träge Zustimmung irgendeiner beharrenden Mehrheit in Parlamenten oder Parteien …. , sondern über die sichere Erkenntnis der Finanzmarkttrader und Unternehmensspitzen, dass die IGMetall keine Tariflohnrunde mehr schafft, wenn die EPIKUR-Lohnalternative öffentlich bekannt wird, weil der EPIKUR-Lohn die überlegene Alternative zu den Flächentariflohnerhöhungen ist, und dass deshalb die 75%ige Zustimmung der IGM-Mitglieder zum Streik unerreichbar wird. Gegen dieses Wissen über den Geniepunktinnovation, und darüber, dass es eine globale, selbstläuferische und eine für die Nichtkapitalbesitzer wünschenwerte Exodusoption gegen den Systemcrash gibt, ist kein Machtstrategen- und Bürgerkraut gewachsen. Wegen mir , d.h. wegen der Gefahr, dass ich während einer Metalltarifrunde mit dem EPIKUR-Lohn-Zweiteinkommen dazwischen funken könnte, wurden ja schon mehrere Metalltarifrunden (1991 und 1995) in aller Eile über die Bühne gezogen. Es ist nichts mächtiger, als die Geniepunkterkenntnis für den Ordnungsübergang, für die die Zeit reif ist.

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