Chaos as usual

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Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Europa oder Egoismus

| 14 Lesermeinungen

Hier nur ein kurzer Verweis auf meinen Beitrag im heutigen FAZ-Feuilleton: die Botschaft mag nicht die sein, die man jetzt hören will, aber ich bin überzeugt davon, dass das die entscheidende Frage der nächsten Monate und Jahre sein wird. Und ob wir wollen oder nicht: wir werden uns ihr stellen müssen; gänzlich unabhängig davon, wie Nobelpreisträger Krugman darüber denkt, hier bitte nicht den Aufhänger mit dem eigentlichen Thema verwechseln. Als vor 10 Jahren der Euro eingeführt und die Wirtschafts- und Währungsunion weitestgehend vollzogen wurde, wußten wir alle, dass wir damit den "2. Schritt" vor dem 1. machen. Die politische Union würde sich danach schon noch einstellen, quasi "von selbst", hieß es damals. - Hat sie aber nicht. Stattdessen wurde der politische Einigungsprozess verzögert und verwässert, was die längste Zeit nicht weiter störte, weil der Himmel blau und die Konjunktur rosig war. Doch jetzt, wo sich die Sachlage entscheidend geändert hat, stellen wir mit Erstaunen fest, dass wir Institutionen benötigen würden, die zu schaffen wir verabsäumt haben.

Hier nur ein kurzer Verweis auf meinen Beitrag im heutigen FAZ-Feuilleton: die Botschaft mag nicht die sein, die man jetzt hören will, aber ich bin überzeugt davon, dass das die entscheidende Frage der nächsten Monate und Jahre sein wird. Und ob wir wollen oder nicht: wir werden uns ihr stellen müssen; gänzlich unabhängig davon, wie Nobelpreisträger Krugman darüber denkt, hier bitte nicht den Aufhänger mit dem eigentlichen Thema verwechseln.

Als vor 10 Jahren der Euro eingeführt und die Wirtschafts- und Währungsunion weitestgehend vollzogen wurde, wußten wir alle, dass wir damit den „2. Schritt“ vor dem 1. machen. Die politische Union würde sich danach schon noch einstellen, quasi „von selbst“, hieß es damals. – Hat sie aber nicht. Stattdessen wurde der politische Einigungsprozess verzögert und verwässert, was die längste Zeit nicht weiter störte, weil der Himmel blau und die Konjunktur rosig war. Doch jetzt, wo sich die Sachlage entscheidend geändert hat, stellen wir mit Erstaunen fest, dass wir Institutionen benötigen würden, die zu schaffen wir verabsäumt haben.

Meiner Meinung nach wird es daher höchste Zeit, dass der „1. Schritt“ vollzogen wird: ansonsten sehe ich das bisher Erreichte im europäischen Integrationsprozess tatsächlich in größter Gefahr.

Zum FAZ-Feuilleton-Beitrag „Europa ist in größter Gefahr“

 


14 Lesermeinungen

  1. Die soziale Union wurde schon...
    Die soziale Union wurde schon immer vermisst, wenn auch nicht überall vorgetragen oder gerne gehört. Der EURO verbessert die Handelsbeziehungen – Geld mit Geld machen, geht nicht mehr so einfach, wie Sorros weiland durch seine Massemacht die Briten mal um 1Mrd. Pfund erleichterte (was bei üblichem Umsatzgewinn einem Investitionsverlust von ca. 14Mrd. Pfund gleichlommt). Nur via Spekulation. Das ist schon ein Fortschritt, wenn sowas nicht mehr geht! Es wäre nicht schlecht, statt hehrer Theorie, sich auf einfaches konzentrieren. Aus dem medialen Verwirrspiel rausfinden, welchem Affen da eigentlich Zucker gegeben wird, ist gar so einfach nicht. Ich hätte einen Vorschlag zum Weltkrisengipel:
    Ich schlage vor: Herrn Alan Greenspan einen angemessen dotierten „Hohen Ökologischen Luftschutzpreis“ für sein erfolgreiches Wirken um die Befreiung der kreativen Geldjongleure zu verleihen. Eine eigentlich ganz einfache Sache: man nehme ein paar Buchstaben CDS, ABS, etc. assoziiere damit Zahlen und wandle anschließend all diese Hirngespinste via Krise in echtes Geld. Ressourcenschonender hat noch niemand Brillantcolliers den Gnädigsten und Güldene Rolex Uhren den Herrlichen zukommen lassen.
    Was zu loben wäre.
    krhode@arcor.de

  2. oes2 sagt:

    Hier werden zwei Dinge...
    Hier werden zwei Dinge miteinander vermischt: Politik und Ökonomie – ein brisanter Cocktail.
    Die politische Einigung Europas ist die eine Seite. Leider wurde sie aus idealistischen Motiven unterschätzt, so dass die wichtigsten Fragen erst gar nicht gestellt wurden: Was bedeutet diese Einigung konkret, wie weit soll sie politisch gehen, wer alles soll dazugehören – bis hin zu der Frage, ob angesichts der kulturellen Unterschiede eine politische Meinungsbildung (die innerhalb der BRD schon schwer genug ist) und eine demokratische Regierung überhaupt möglich sind. Der Status quo jedenfalls ist davon meilenweit entfernt. Und dabei reden wir noch nicht von der Wirtschaft.
    Die Frage, welche Strategie in der Krise angewendet werden soll, ist zunächst unabhängig davon, ob sie national oder EU-weit betrieben werden soll/kann. Die viel wichtigere Frage, inwieweit Politik überhaupt in der Lage ist, ökonomische Prozesse zu steuern, wird leider nicht mehr gestellt, sondern die Antwort wird vorausgesetzt. Politik kann – qua Macht – intervenieren; den Beweis, dass sie steuern kann, ist sie bisher schuldig geblieben. Im Gegenteil, vieles spricht dafür, dass es die Politik war, die die Krise verursacht hat (was auch Krugman nicht bestreitet).
    Mit der Doktrin des billigen Geldes und einer verfehlten Sozialpolitik wurde eine Bubble-Economy mit inkonsistenten Strukturen (in der Finanz- und Realwirtschaft) geschaffen, die mit einem Knall platzte. Anstatt die falschen Dogmen zu entsorgen und die Fehlentwicklungen zu korrigieren, laufen wir nun Gefahr, die geplatzten Blasen mit Konjunkturprogrammen zu flicken und mit frischem Geld wieder aufzublasen.
    Das Verwunderliche: Keynes hatte die Blaupause für eine Politökonomie geliefert, an die heute keiner mehr glaubt (zu Recht, da Keynes von falschen Voraussetzungen ausging), während immer noch am Paradigma des Primats der Politik festgehalten wird.

  3. j1.meyer sagt:

    Die aktuelle Frage ist, wie...
    Die aktuelle Frage ist, wie tief die Krise noch gehen kann und wie lange sie andauern wird.
    Betreffend 1. Schritt: Ich glaube kaum, dass Regierungen, so unterschiedlich wie Deutschland, Rumänien oder Griechenland, dazu bereit sind, die politische Union zu schaffen. Natürlich ist die Krise eine Chance. Ist sie aber auch eine Chance für die Politik, die Politiker? Was ist in der EU denn überhaupt demokratisch legitimiert? Wann konnte das Volk zum letzten Mal Ja sagen zur EU? Darf man das Volk schon gar nicht fragen?
    Die EU Komission hat in den vergangenen Jahren immer mehr Macht erhalten oder sich selbst geschaffen. Natürlich sind die Hauptentscheidungen immer noch in den jeweiligen Staaten zu machen.
    Dennoch, die entscheidende Frage ist letztlich: Kann sich die EU politisch vereinen, ohne dass der Einigungsprozess von unten kommt?

  4. Der Säzzer sagt:

    Mooooment!

    Sie reden vom...
    Mooooment!
    Sie reden vom zweiten Schritt, den wir vor dem ersten getan hätten. Ich stelle da mal die These auf, dass schon der »erste Schritt«, nämlich Institutionen für gesamteuropäisches Handeln zu schaffen, nicht der erste Schritt hätte sein dürfen.
    Sondern: Als erstes hätte der Schritt zur einer kulturellen und sozialen Einheit mit kulturellen und sozialen Eigenheiten stehen müssen. Ein Prozess, der meines Erachtens 1-2-3 Generationen bedürft hätte. Aber man wollte lieber schnell »Kasse machen«. Beispielsweise haben europäische Institutionen bisher nur eines gebracht: Vereinheitlichung von Produktionsnormen und damit auch die Vereinheitlichung von Lebensentwürfen (Arbeit gehört nun mal zum Lebensentwurf dazu), ungeachtet regionaler Eigenheiten, anstatt Verständnis und Akzeptanz der Vielfalt und Unterschiede Europas zu fördern.
    Ein Europa der Regionen, wie es von den Vätern der EU angedacht war, wird so – auch in der Krise – nicht entstehen. In dieser Krise wird eher ein Zentralstaat Europa entstehen, den keiner – gerade nach der Krise – haben will.
    Vielleicht sollte man sich auf das besinnen, was man kann: in der EU die nationalen Interessen mit denen anderer Nationen innerhalb Europas koordinieren, auch wenn das Verhandeln schwierig ist.

  5. Ismail sagt:

    Prof. Krugman hat durchaus...
    Prof. Krugman hat durchaus Recht damit, daß eine Verweigerung seitens der Bundesregierung fatale Folgen haben könnte. Es ist überhaupt nicht Verständlich warum gerade Deutschland seine fünfzigjährige Investition in die EU so mal schnell abschreibt. Ein Auseinanderbrechen der Union hätte gerade für uns fatale Folgen. Wenn man tatsächlich für die Einigung Europas ist, dann hat man jetzt die beste Chance seit 1958 um dies auch zu tun. Die Schwäche der anderen bedeutet auch, daß Deutschland jetzt die Chance hat Europa so zu gestalten wie wir das immer wollten: demokratischer, transparenter, bürgerfreundlicher und internationalistischer.

  6. pjk sagt:

    Politische Integration im...
    Politische Integration im disparaten Gebilde der EU 27 ist wohl eher unwahrscheinlich: zu viele Vetospieler, die an dem ganzen Spiel nur insofern interessiert sind, als sie sich aus ihrer Vetoposition herauskaufen lassen können. Die Idee eines Kerneuropa sollte wieder aktiviert werden, „karolingische Vollendung“ nannte das Timothy Garton Ash einst. Man hätte dann einen Integrationskern vielleicht zunächst aus Frankreich, Deutschland, Benelux, der allerdings eine gewisse Gravitationswirkung entfalten würde; um diesen Kern herum dann konzentrische Kreise unterschiedlich tiefer Integration. Dann wäre auch die duale Alternative „Vollmitgliedschaft oder keine Mitgliedschaft“ aufgeweicht, und es gäbe andere Möglichkeiten als bisher, in diese EU-Kreise auch die Ukraine und die Türkei einzubeziehen. Innerhalb des Integrationskernes wäre freilich eine entschiedene Demokratisierung der politischen Institutionen nötig.
    Soweit zum Politischen. Was aktuelles Krisenmanagement angeht, stimme ich Ihnen völlig zu: Dieses halbprotektionistische Herumgewurstel nach dem Prinzip „Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd and’re an!“ kann sicher zu nichts Gutem führen. Wenn das osteuropäische Schuldendesaster dort zum einem Zusammenbruch des Finanzsektors führt, dann wird es auch hier crashen. Die Idee einer Euro-Anleihe scheint mir sinnvoll. Und noch mal zur Ukraine: Wenn der IWF mit der dortigen Regierung um 3% oder 5% Haushaltsdefizit feilscht und zudem Forderungen stellt, deren Erfüllung das Land umgehend unregierbar machen würde, dann hat das schon etwas Gespenstisches.

  7. Alvar Hanso sagt:

    @Thomas Strobl
    Ich schätze ja...

    @Thomas Strobl
    Ich schätze ja deine Beiträge in der FAZ, aber hast du nicht Angst das irgendwann mal der Geist von Alfred Nobel vor dir steht und sich für die inflationäre Verwendung seines Namens im Zusammenhang mit Wirtschaftswissenschaftlern „bedanken“ wird?

  8. oes2 sagt:

    @pjk
    Wohin soll dies führen,...

    @pjk
    Wohin soll dies führen, wenn finanzielle Schlamperei belohnt wird? Damit wird den Betroffenen die Chance genommen, aus ihren Fehlern zu lernen. Das hat nichts mit Protektionismus zu tun, denn für sein eigenes Handeln Verantwortung zu tragen, ist die Voraussetzung für eine funktionierende Gemeinschaft. Jetzt in das Helfersyndrom zu verfallen und die Welt retten zu wollen, leistet nur weiterem Opportunismus Vorschub, sich auf andere zu verlassen. Auch sollten wir nicht in gouvernantenhafte Panikreaktionen verfallen, aus Angst, dies und jenes „könnte“ passieren, denn damit machen wir uns nur erpressbar.
    Schließlich sind unsere Politiker im eigenen Land schon mit genügend Rettungsaktionen ausgelastet, die wir zu bezahlen haben – was in allzu großer Hilfsbereitschaftseuphorie oft übersehen wird. Konjunkturprogrammen sind politische Placebos mit einer ansteigenden Staatsverschuldung als Schleifspur.

  9. pjk sagt:

    @oes2
    Nein, kein...

    @oes2
    Nein, kein Weltrettungs-Helfersyndrom. Es geht nur um gemeinsames Krisenmanagement in Europa. Gewiss sind die betroffenen Staaten auch durch das Versagen ihrer eigenen Eliten in die mißliche Lage geraten. Und in der Zukunft wird man einigen Ländern auch klarmachen müssen, daß ihr durch EU-Transferzahlungen ermöglichtes steuerpolitisches Free-Riding nicht fortgesetzt werden kann. Aber meines Erachtens wären auch für Deutschland die Schäden viel größer, wenn man die Volkswirtschaften der osteuropäischen Länder jetzt unter einer Welle von Privatinsolvenzen und in der Folge Bankeninsolvenzen zusammenbrechen ließe.
    https://www.telegraph.co.uk/finance/financetopics/g20-summit/4995384/Ukraine-and-Lativia-warn-of-financial-disaster-in-the-West-if-they-are-not-helped.html

  10. Huuh.rrah sagt:

    Werter Herr Strobl, zum...
    Werter Herr Strobl, zum politisch geeinten Europa schwebt mir ein Verfahrensweg vor. Lassen sie alle auf dem Kontinent beheimateten Völker darüber abstimmen, was sie davon halten, und dann proklamieren Sie es, – das politisch geeinte Europa.
    Die Wahlergebnisse veröffentlichen Sie vier Wochen später. Da sollten Sie aber bereits in Australien angelandet sein. Wenn Sie mich als rückständig einstufen, dann sind Sie Ihrerseits der Zeit wohl um etwa hundert Jahre voraus. Denn Fortschritt ist derzeit nirgends auf der Startbahn.

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