Das Prinzip eines Pyramiden- oder Kettenbriefspiels ist schnell erklärt: Alle Teilnehmer erwarten, nach ihnen würden weitere Spieler einsteigen, aus deren Einsatz dann die Rückzahlung des eigenen Spielgeldes bestritten sowie das – zumeist sagenhafte – Gewinnversprechen der Organisatoren eingelöst wird. Weil die ganze Nummer logischerweise nur solange funktionieren kann, als neu hinzutretende Teilnehmer gefunden werden, andernfalls alle übrigen noch im Spiel befindlichen Spieler alles verlieren, sind derartige Kettenbriefspiele üblicherweise gesetzlich verboten. Bis auf eines, zufällig das größte Pyramidenspiel überhaupt: Der Kapitalismus.
Dieses Spiel ist absolut legal, seine erfolgreichen Spieler werden zumeist als „Helden" verehrt und rangieren in den gesellschaftlichen Hierarchien an oberster Stelle. Die goldene Regel im Kapitalismus lautet: Solange zur Bedienung aller Schulden neue Nachschuldner gefunden werden, läuft alles wunderbar. Bleiben diese aber aus, dann heißt es: Game over! – Der Kettenbrief reißt, der Aufschwung schlägt um in die Krise, und alle, die gestern noch jubelten, sind plötzlich stinksauer. Zumeist gibt es dann ziemlich lautes Geschrei, wenn es besonders hart kommt auch eine knackige, kleine Revolution, oder gar einen ausgewachsenen Krieg, mittels derer die alten Wetten aufgehoben und die Schuldenuhren auf „Null" zurückgedreht werden, sodass das lustige Kreditspiel von Neuem starten kann. Der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan verlieh dieser Sorge Ausdruck, als er vor einigen Jahren um „new credits" förmlich bettelte, und selbst durch drastische Leitzinssenkungen massiv dazu beitrug, dass sie auch tatsächlich eintrafen; sein Nachfolger Ben Bernanke tut sich da schon erheblich schwerer, die Neuschuldner wollen sich seit geraumer Zeit partout nicht einstellen, die wirtschaftlichen Auswirkungen ihres Fernbleibens werden zunehmend schlimmer. Weiterlesen