Chaos as usual

Chaos as usual

Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Carrie Bradshaw trifft Luhmann und die Laura Girls

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Bei SPIEGEL Online lesen wir von einem interessanten Gerichtsurteil: Das Arbeitsamt muss einem Bordell keine Prostituierten vermitteln, entschied das Bundessozialgericht in Kassel am Mittwoch, und wies damit die Forderung eines Bordellbetreibers aus Speyer an die Bundesanstalt für Arbeit in dritter und letzter Instanz ab. "Eine solche Handlung der öffentlichen Gewalt lässt sich nicht mit der Werteordnung des Grundgesetzes vereinbaren", heißt es laut SPIEGEL in der Urteilsbegründung. Der Kläger betreibt unter der Marke "Lauras Girls" zwei Bordelle. Deren Dienstleistungen will er zukünftig von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten anbieten lassen, daher bat er die Arbeitsagentur um Hilfe bei der Suche nach geeigneten Mitarbeiterinnen aus Deutschland und der Europäischen Union. Als Art der Tätigkeit gab er die "Vornahme sexueller Handlungen" an. Sein Argument vor Gericht: Prostitution sei mittlerweile ein normales Gewerbe, die Bundesagentur dürfe ihm daher die Vermittlung von Arbeitskräften nicht verweigern, das dürfe sie nur bei kriminellen Aktivitäten. Zudem wären die Jobs sozialversicherungspflichtig und "Wenn sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, muss sich die Anstalt auch um sie kümmern." Damit ließen ihn die Richter jedoch abblitzen. Ich kann mir nicht helfen, aber mich faszinieren derlei Geschichten total. Aus streng gesellschaftsphilosophischer Sicht, versteht sich.

Bei SPIEGEL Online lesen wir von einem interessanten Gerichtsurteil: Das Arbeitsamt muss einem Bordell keine Prostituierten vermitteln, entschied das Bundessozialgericht in Kassel am Mittwoch, und wies damit die Forderung eines Bordellbetreibers aus Speyer an die Bundesanstalt für Arbeit in dritter und letzter Instanz ab. „Eine solche Handlung der öffentlichen Gewalt lässt sich nicht mit der Werteordnung des Grundgesetzes vereinbaren“, heißt es laut SPIEGEL in der Urteilsbegründung.

Der Kläger betreibt unter der Marke „Lauras Girls“ zwei Bordelle. Deren Dienstleistungen will er zukünftig von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten anbieten lassen, daher bat er die Arbeitsagentur um Hilfe bei der Suche nach geeigneten Mitarbeiterinnen aus Deutschland und der Europäischen Union. Als Art der Tätigkeit gab er die „Vornahme sexueller Handlungen“ an. Sein Argument vor Gericht: Prostitution sei mittlerweile ein normales Gewerbe, die Bundesagentur dürfe ihm daher die Vermittlung von Arbeitskräften nicht verweigern, das dürfe sie nur bei kriminellen Aktivitäten. Zudem wären die Jobs sozialversicherungspflichtig und „Wenn sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, muss sich die Anstalt auch um sie kümmern.“ Damit ließen ihn die Richter jedoch abblitzen.

Ich kann mir nicht helfen, aber mich faszinieren derlei Geschichten total. Aus streng gesellschaftsphilosophischer Sicht, versteht sich. Genauso, wie letzte Woche schon die News über den baldigen Familienzuwachs im Hause Parker-Broderick; Zwillingen wie man hört – wir gratulieren! -, mit denen aktuell nicht Ms. Sarah Jessica Parker selbst schwanger geht, die Dame, die wir alle als real-life-Double von Schuhfetischistin Carrie Bradshaw aus „Sex and the City“ kennen, sondern eine Leihmutter mit dem schönen Namen „Michelle“. Über die genauen Hintergründe dieser reproduktiven Menage-à-trois wollen wir uns hier nicht weiter auslassen – sie gehen uns im Grunde auch gar nichts an -, festhalten wollen wir nur, dass das Leihmuttergewerbe in den USA offenbar floriert und dabei Margen abwirft, wie zu Pablo Escobars besten Zeiten der Kokainhandel: die Leihmütter selbst kassieren für 9 Monate Kopfschmerzen, Übelkeit und Geburtsstress zwar nur relativ bescheidene 30.000 Dollar, aber Vermittlungsagenturen, die im Auftrag der prospektiven Eltern eine geeignete Gebärmutterbesitzerin suchen, kassieren wohl in der Regel 100.000 Dollar und mehr für ihre Dienste, wenn man den wie üblich gut informierten einschlägigen Medien glauben darf. Und dieselben Medien erzählen uns, dass das im Land der unbegrenzten Möglichkeiten natürlich alles keine große Sache mehr wäre, diverse andere Prominente wären auf diesem Wege ebenfalls schon zu Kinderfreuden gekommen, der Latino-Barde Ricky Martin etwa, von unzähligen Homosexuellen-Paaren ganz zu schweigen, und eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft wird das alles als ganz und gar „normal“ gelten.

Schöne neue Welt also, die wir kurz mal verlassen wollen, um ins Jahr 1974 zu reisen. Damals schrieb der marxistische US Soziologe Harry Braverman folgendes:

„Die Bevölkerung verlässt sich nicht mehr auf soziale Organisationsformen in Gestalt von Familie, Freunden, Nachbarn, Gemeinschaft, Älteren und Kindern, sondern bedient sich des Marktes nicht nur für Nahrung, Kleidung und Wohnung, sondern auch für Erholung, Unterhaltung, Sicherheit, für die Betreuung der Jungen, der Alten, der Kranken, der Behinderten. Bald werden nicht nur die Material- und Dienstleistungsbedürfnisse der Gesellschaft durch den Markt bestimmt sein, sondern auch alle emotionalen Erscheinungsformen des Lebenszyklus.“

Runde 35 Jahre später sind wir also an einem Punkt angekommen, wo sich in der gesellschaftlichen Realität selbst der elementarste menschliche Vorgang, nämlich der von Zeugungsakt, Schwangerschaft und Geburt, in einem marktwirtschaftlichen Kontext präsentiert; oder – um mit dem Anthropologen Karl Polanyi zu sprechen – zur „Warenfiktion“ geworden ist, als solches mit einem Preisschild versehen wird und dem Gesetz von Angebot und Nachfrage unterliegt. Dass die Prostitution als vermeintlich „ältestes Gewerbe der Welt“ gilt, muss uns nicht weiter irritieren: Sie wurde – zumindest in unseren Breitengraden – niemals von der Gesellschaft als solches gelebt, sondern führt bis zum heutigen Tage eine Randexistenz in der sozialen und rechtlichen Grauzone. Tendenzen, sie von dort herauszuholen und in die Mitte des gesellschaftlichen Establishments zu führen, gibt es zwar durchaus, aber eben erst seit relativ kurzer Zeit. Und entsprechende Widerstände seitens der Gesellschaft ebenso, wie das oben zitierte Gerichtsurteil ja eindeutig belegt.

Wir können anhand dieser (und zahlreicher anderer) Beispiele also beobachten, dass sich das Marktwirtschaftliche in unserem Leben ständig ausbreitet, und dabei in Bereiche vordringt, die bislang intimsten menschlichen Zusammenhängen vorbehalten waren, in einem Rhythmus, der von autonomer Bewegung und gesellschaftlichem Widerstand bestimmt wird. Letzterer ergibt sich zumeist aus moralischen, rechtlichen oder religiöse Auffassungen, Traditionen, Sicherheitsbestimmungen und dergleichen mehr, und oft genug ist nicht klar mit welchem Argument man nun den „moral highground“ für sich reklamieren könnte, dem protagonistischen oder dem antagonistischen: Ist es begrüßenswert, dass Frauen ihre natürliche Gebärfähigkeit zur Einkommenserzielung nutzen können, oder sollte man das als „ausbeuterisch“, „unmenschlich“, „unethisch“ oder was auch immer ablehnen? Und warum sollte dann Prostitution, jenseits konservativer Moralvorstellungen, eigentlich nicht als „normale“ Dienstleistung gelten dürfen (kriminelle Machenschaften außen vor)? Es sind doch gerade die Apologeten des Liberalismus, die uns neuerdings immer von „Freiheit“ und „individueller Entfaltung“ predigen – wer bestimmt da, was jetzt noch als „erlaubt“ und was als „nicht mehr erlaubt“ gelten soll? Wer spielt den Richter? Und nach welchen Regeln? Und ist es nicht so, dass, wo die Fans des Liberalismus zufällig aus dem konservativen Lager entstammen, sich bisweilen krasse Widersprüche zwischen liberalem Leitmotiv und konservativem Wertebewusstsein ergeben, wie das Robert Misik kürzlich so erfrischend in seinem neuen Buch „Politik der Paranoia“ dargestellt hat?

Wir werden uns zukünftig mit derlei Fragen intensiver und öfter zu beschäftigen haben, das ist für mich so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Alleine schon deshalb, weil wesentliche Elemente unseres Gemeinwesens noch immer auf einem Gesellschaftsbild beruhen, das dem heutigen ja schon nicht mehr wirklich entspricht, der gesamte Apparat der sozialen Sicherung etwa; und weil das Vordringen der Marktwirtschaft in noch tiefer liegende Bereiche des Menschseins nicht aufzuhalten sein wird – die moderne Medizin und die Genforschung eröffnen da ein weites Spielfeld. Der deutsche Mediziner, Psychotherapeut und Professor für Organisationslehre Fritz B. Simon schreibt in seiner stark an Luhmann angelehnten „Einführung in die systemische Wirtschaftstheorie“:

„Der Tausch Geld gegen Gut hat den Vorteil, dass der Einzelne der Geiselhaft seines sozialen Herkunftssystems und dessen Anpassungsforderungen entkommen kann. Nun ist es im Prinzip möglich, auch als isoliertes Individuum zu überleben, dem sich niemand zur Hilfe oder Solidarität verpflichtet fühlt, und das selbst keine derartigen Verpflichtungen eingeht.“

Wir sehen heute bereits, dass gelebte Individualität, sofern man sie sich leisten kann, vor keinen moralischen, sozialen oder biologischen Grenzen mehr halt macht. Zukünftige Gesellschaften werden daher völlig anders funktionieren, als es unserer traditionellen Sicht entspricht: Entscheidungen für oder gegen eine bestimmte Lebensweise sind dann keine Frage mehr von Moral, Tradition oder familiärem Hintergrund, sondern schlicht eine des Preises. Und in einer solchen Gesellschaft, in der Begriffe wie „Individualität“ und „Freiheit“ unmittelbar an den Begriff „Geld“ geknüpft sind, wird logischerweise auch alles, was Geld „kostet“, als Einschränkung von Individualität und Freiheit empfunden: eigene Kinder zum Beispiel. Insofern ist die Prognose nicht schwierig, dass das weitere Voranschreiten einer von Geld- bzw Marktprozessen getragenen Individualisierung gleichzeitig auch zu DER entscheidenden Herausforderung für das Gemeinwesen werden wird, wovon unsere heutigen Rentendebatten bereits erste Vorahnungen liefern; wie auch die News vom amerikanischen Leihmutter-Gewerbe oder das Gerichtsurteil zum Prostitutionsgewerbe.

 


57 Lesermeinungen

  1. Stephan sagt:

    Der Faktor 'Arbeit' wird halt...
    Der Faktor ‚Arbeit‘ wird halt dem Faktor ‚Kapital‘ immer ähnlicher. Der Mensch machte sich ja im 15./16. Jh. auf, etwas fern von sich zu finden. Und 400-500 Jahre später erkennt er nun, dass er sich funktional differenzieren „lässt“. Eine super Leistung!! Der Mensch prostituiert sich ständig selbst, nur erkennt er, vor wem und mit welchen Mitteln?? Dies wird er bis zu genau dem Zeitpunkt tun, als er das Maschinelle oder das „KAPITAListische“ als ablehnenswert begreift, weil es sich als vertaner Erkenntnisweg herausstellt. Ob sich das Folgende dann als Bärenmarktfalle herausstellt, ist dann die Quizfrage? Also, was versteckt sich eigentlich hinter der Ökonomisierung?!

  2. mylli sagt:

    "elementarste menschliche...
    „elementarste menschliche Vorgang, nämlich der von Zeugungsakt, Schwangerschaft und Geburt,“
    Das manche doch die Wale, Ratten und Kühe auch, oder hab ich in Biologie nicht aufgepasst. Wieso also die Aufregung? Wenn ich meinen Psychotherapeuten bezahle, wieso dann nicht auch meine Prostituierte? Mit ersterem bin ich enger verbunden.
    Interessanter wären da schon Fragen anlehnend an Gattaca. Ist bald nur mehr das perfekte Leben wertvoll? Wenn ja, für wen, warum?
    Was nützt einem endlichen Wesen die Nutzenmaximierung? Mal schauen, vielleicht sagt mir der Kierkegaard was zu der Frage.

  3. goodnight sagt:

    @Thomas Strobl

    Nope, nicht...
    @Thomas Strobl
    Nope, nicht das funktionale System Wirtschaft gewinnt an bedeutung auf Kosten aller anderen Umwelt, sondern das Geld.
    Wirtschaft ist ja letztlich Markt, und der Markt hat weder im Bildungssystem, noch im Rechtssystem noch im Politisches System, noch bei der Religion noch bei der Kunst etc. eine systemrelevante Bedeutung. Wirtschaft ist da immer Umwelt. Yep, natürlich klagen Künstler über geringe Nachfrage und der Rechtsstaat muss finanziert werden und Politiker wollen auch ein bisschen Geld, aber ein Künstler wird weder von Geld motiviert (yep, wenigstens nicht am Anfang) noch nach Nachfrage bewertet (Z.B. sind die von Kritikern gelisteten Bücher, Filme, Musikstücke etc. fast immer der masse kaum zugänglich und finanzielle Katastrophen); das Rechtssystem entscheidet nicht nach Geldflüssen oder Angebot und Nachfrage sondern immer noch nach Gesetzen; Politiker sind oft käuflich, aber erst dann, wenn sie nach ca. 20 Jahren Politik an wichtigen Entscheidungsebenen angekommen sind…und dann auch nur in geringen Umfang, weil der Verlust von mandat und Macht ist durch Geld kaum zu kompensieren..d.h. wer Geld will, der geht nicht in die Politik.
    Whatever, der Großteil unserer Gesellschaft wird nicht über Marktprozesse gesteuert. Markt haben wir meist nur 5 Minuten am Tag, wenn wir etwas kaufen (wollen)….den Rest des Tages verbringen wir mit Bildung, Vorschriften, Technik etc. und zwar innerhalb von Hierarchien (vulgo: Organisationen) und nicht in Märkten. Unsere Freizeit ist dann Liebe, Kunst oder Sport….oder virtuelle Welten in Fernsehen und Internet und PSP etc. wo wir uns gerne in virtullen Gesellschaften aus der Vergangeheit bewegen, die stratifikatorisch strukturriert sind.
    Also, nix von Markt und Wirtschaft weit und breit.
    Das Einzige, was immer da ist, das ist das Geld. Denn Geld ist das perfekte Kommunikationsmedium, weil es in keinster Weise an Personen gebunden ist. Man kann es erwerben unabhängig von Geschlecht, Rasse, Bildung, Intelligenz, körperlicher Leistungsfähigkeit etc. Will man Macht oder Ruhm oder Liebe, so ist man z.B. immer an seine körperliche Attraktivität bzw. Leistungsfähigkeit gebunden, man muss ganz bestimmte Leistungsleven errreichen, um mitzuspielen. Hingegen kann man sehr viel Geld durch Unternehmertum, Bankraub, genialen technischen Ideen, oder auch einfach nur durch das drehen eines Homepornovideos erreichen. jeder hat eine Chance…und deshalb wollen auch alle mitspielen….siehe China, welche Möglichkeiten sich plötzlich für einfache Bauern ergeben….
    Zudem ist Geld natürlich maximale Information in minimalster Informationsdichte.
    Ich kann den gesellschaftlichen Wert eines Porsches mit technischens Daten, Design, Prestige etc. beschreiben, um ihn von anderen abzugrenzen….oder ich sage einfach den Preis und schon habe ich eine klare einfache Grenzziehung, die jeder versteht….Ich bin zahlungsfähig…Du nicht. …..unabhängig von Sprache, weil in Zahlen. Für Zahlen braucht man keine Bildung und keinen Dolmetscher. So kauft auch der Arabische Prinz gerne einen Porsche, den er im Sand nicht fahren kann, oder der Redneck-Ami trotz Tempolimit. Wichtig ist einfach die Information der Abgrenzung, die Weltweit verstanden wird. Porsche wäre nicht weltweit erfolgreich, wenn seine Sportwagen nur die Hälfte kosten würden.
    Geld ist Globish, eine globale Sprache, die einzige globale Sprache.
    Geld bittet jedem Indivuum unendliche Entwicklungsmöglichkeit mit minimalsten Aufwand.
    Jedoch ist das nur ein Kosntrukt des Individuums, denn es kann letzlich nicht wirklich mittels Geld in andere Funktionsbereiche wechseln. Diese merkt es, wenn das Idividuum genügend geld besitzt, um seine sozialen Kontakte über Geld zu regeln, d.h. Liebe, Macht und Ruhm zu kaufen. Dann wird es es merken, dass man mit Geld nur Geld kaufen kann, d.h. bei Vollzug der gekauften Liebe Geld immer in der Kommunikation mitschwingen muss, dass der gekaufte Politker immer an die Zahlung erinnert werden muss, dass der Ruhm mit der Schwankung des Geldkontos korreliert. D.h. man bleibt immer im Wirtschaftssystem gefangen.
    „42nd Street: Women’s breasts draped across every billboard, every display, littering the sidewalk. Was offered Swedish love and French love, but not American love. American love; like Coke in green glass bottles, they don’t make it anymore. “
    Rorschach (watchmen)

  4. Jörg sagt:

    "Warum gewinnt das funktionale...
    „Warum gewinnt das funktionale System „Wirtschaft“, das ja im Prinzip nur eine von diversen Umwelten für jedes Individuum darstellt, so dermaßen an Bedeutung auf Kosten aller anderen Umwelten?“
    Ich würde bestreiten, dass dies global zutrifft. Ebensogut kann man übrigens fragen, warum sich im römischen Imperium die Sklaverei gegen das freie Bauerntum durchsetzte. Das war eben Systemwandel innerhalb einer Kultur.
    Jedenfalls gebe ich zu, dass ich zwar glaube, Luhmann zu verstehen, aber eben etwas anders als goodnight. Ich lasse auch die Vorstellung des partiell erfolgreichen Versuchs regressiver Aufhebung von funktionaler Differenzierung zu. Ich möchte nämlich mal erklärt bekommen, wie ich ohne diese Annahme die Entwicklung hin zur Konvergenz von Politik und Geschäft bei Luhmann unterbringen soll.

  5. stroblt sagt:

    @goodnight

    Das mit dem Geld...
    @goodnight
    Das mit dem Geld als perfektem Kommunikationsmedium habe ich wohl verstanden. Das erklärt aber nicht, warum wir uns aus einer Heterarchie diverser Funktionssysteme defacto in eine Hierarchie des Wirtschaftssystems entwickelt haben. Oder doch?

  6. Devin08 sagt:

    „Versorgungsehe“
    @pjk:...

    „Versorgungsehe“
    @pjk: „Versorgungsehe“! – sie liefern wirklich die besten Stichworte. Hätte hierzu einen Beitrag, den ich schon (leicht abgewandelt) bei Don Alphonso gepostet habe (ich befürchte aber, dass er dort versauert, alles ist halt nicht nur hipp, schick oder komisch, und der gute Don erleidet so langsam den unverdienten Erstickungstod). Hier passt er vielleicht besser.
    Ich denke, dass die „Versorgungsehe“ gerade auf dem Prüfstand steht, sowie überhaupt der „Geschlechtervertrag“, wenn man das man so nennen soll. Denn die Geschlechter kämpfen nicht mehr um eheliche/häusliche/sexuelle Vormacht, sondern um ökonomische/soziale/politische. Der Postfeminismus ist rein sozialer Kampf, wenn überhaupt noch ein Kampf.
    Und das scheint mir der Einstieg in die Endschlachten im und um das Patriarchat und damit um die Klassengesellschaft. Die Frage ist nur, führt das zu einem sozialen Krieg, also Klassenkrieg, und vernichtet dieser die Klassengesellschaft, oder verkommt die ganze Gesellschaft in einem quasi asexuellen wie asozialen Trauma?
    Des Mannes Götze
    … Was aber die Liebe selbst betrifft, die Sie als das „Größte“ bezeichnen, da würde ich Ihnen gerne etwas entgegensetzen. Vielleicht wusste Casanova etwas mehr darüber, als der Rest dieser armseligen Menschheit (meiner Wenigkeit mit einbegriffen). Nüchtern betrachtet, scheint sie mir nicht viel mehr als gelungene oder zumeist weniger gelungene (Selbst-)Manipulation zu sein. Die Paartherapeuten reden da von Projektion, wohin ich die Illusion verorte, nämlich das gründlichste Missverständnis bzgl. des Patriarchats, das man überhaupt haben kann. Bedauerlicherweise, oder vielleicht gar glücklicherweise, erfahren wir gegenwärtig – im Zeitalter der neu aufgebrochenen Geschlechterkriege, der ultimativen gar – mal die „ganze Wahrheit“ ; und die ist wirklich nicht schön, für keines der Geschlechter (dazu gehören nämlich auch die Zunahme von Kindesmord und Kindesmissbrauch durch Mütter). Zum Thema Liebe unter dem Aspekt von Patriarchat und Poesie habe ich mal was geschrieben, siehe : „Der persische Hafiz, die (Homo-)Erotik, und der Nihilismus“, https://www.herold-binsack.eu/downloads/Hafiz_die_Homo_Erotik_der_Nihilismus.pdf (auch das hierin erwähnte „Was dem Manne sein Orakel…“), ist mittlerweile veröffentlicht: https://www.herold-binsack.eu/downloads/Was%20dem%20Manne%20sein%20Orakel.pdf – und vielleicht lesenswert)… Noch eine Bemerkung, wie ich das zusammengefasst – etwas vereinfacht – darstelle. Wenn Hobbes den „Mensch als des Menschen Wolf“ bezeichnete – worin er gründlich irrte, denn ein solches, diese Zuschreibung verdienende, Wesen, scheint mir noch gar nicht geboren (die Barbarei steht uns als Option vorerst noch offen) -, meine ich, dass das Weib unter dem Patriarchat nicht des Mannes Untertan geworden ist – die Bibel irrt nicht nur darin, aber darin ganz besonders, nämlich geradezu paradigmatisch – , sondern dessen Götze. Und das ist die eigentliche Ironie, auch und gerade ob jener, von allen monotheistischen Religionen den patriarchalischen Gesellschaften vorgestellten Verheißung, resp. für das männliche Geschlecht, dass doch ein untertäniges Weib der Lohn für dessen Frevel (gegenüber dem Weib) sei!
    Ich denke, im Moment werden viele – schon lange – offene Rechnungen beglichen, noch vor der ultimativen Barbarei! Und im Angesicht dieser Flut, bleiben „niemandes Füße trocken“ (um mal mit der FAZ, wie mit der reichlich zynischen Bemerkung von Mihm in: Rente-Rentenkürzung, 03.05.09, zu sprechen, https://www.faz.net/s/Rub4D8A76D29ABA43699D9E59C0413A582C/Doc~E4466749B821D4DD0A52C1A31BD8B9E97~ATpl~Ecommon~Scontent.html ).
    (vgl. https://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2009/05/06/die-reisekarte-fuer-die-bundestagswahl.aspx?CommentPosted=true#commentmessage)

  7. Jörg sagt:

    Nicht schlecht, goodnight (und...
    Nicht schlecht, goodnight (und mich zugleich verdammt an ein berühmtes Marx-Zitat erinnernd). Wenn das Kommunikationsmedium sich den Code eines anderen Funktionssystems zu unterwerfen versucht, ist das Gelingen daran geknüpft, den Akt der Okkupation deutlich zu manifestieren – eine Bedingung, mit der Grenzen der Wiederholbarkeit dieses Vorgangs und der „Säkularisierbarkeit“ des Invasionsmediums im neuen Kontext gesetzt sind.
    (Ich hab auch schon lebensnäher formuliert.)
    Deshalb steht’s ja auch immer in der Presse: weil es sich nicht um den Default für den jeweils gegebenen Interaktionstyp handelt.

  8. amor-fati sagt:

    Herr Strobl, Sie stellen sich...
    Herr Strobl, Sie stellen sich die Frage, warum das funktionale System Wirtschaft auf Kosten der anderen Umwelten so sehr an Bedeutung gewinnt, dabei haben Sie m.E. diese Frage doch bereits beantwortet. Die relevanten Instanzen, die früher eine solche Ausbreitung des Markwirtschaftlichen gebremst hatten, zählen Sie ja mit Moral, Recht und Religion bereits in Ihrem Artikel auf. Wenn diese Instanzen als Korrektive (aus je unterschiedlichen Gründen) wegfallen, was soll dann einer grenzenlosen Ausbreitung des Marktwirtschaftlichen im Wege stehen? In einer Welt, in der die Staaten global miteinander konkurrieren, ist das Auferlegen von irgendwelchen Fesseln an alles, was die eigene Wirtschaft bremsen könnte, objektiv gesehen mit Nachteilen verbunden. Was global gilt, wirkt auch in den Individualbereich hinein, den Sie in Ihrem Artikel im Blick haben.

  9. Manul sagt:

    Frage: Sind wir schon wieder...
    Frage: Sind wir schon wieder so weit, wonach es uns normal erscheint, dass Menschen sich missbrauchen lassen, um sich am Leben zu halten? Das Viktorianische Zeitalter mit seiner Doppelmoral lässt grüssen, aber Hauptsache der Taler rollt, denn mehr scheint heute wirklich nicht mehr zu zählen. Wie gut, dass ich noch nicht zu Abend gegessen habe…

  10. goodnight sagt:

    @Thomas Strobl

    Nope,...
    @Thomas Strobl
    Nope, äh…liest Du meine Beiträge oder überfliegst Du noch? 😉
    Also, ich wiederhole: Da ist nichts mit Hierarchie des Wirtschaftssystems. Punkt. Wo siehst Du sowas? Wo kann man das beobachten? Ich habe doch oben geschrieben, dass man der Illusion erliegt sich Liebe, Macht und Ruhm kaufen zu können, aber man bleibt im Wirtschaftssystm, d.h. man kann mittels Geld nicht in andere Systeme steuernd eingreifen. Romantische Liebe kann man nicht kaufen, echte Macht auch nicht, Wahrheit sowieso nicht und Recht ebenso nicht. Daher bitte ich Dich mir ein einziges Bsp. zur erbingen, wo das Rechtssystem gekauft wird, wo politische Macht mittels Geld gesteuert wird, wo ein alter reicher Mann die wahre liebe fand etc. etc. Also, bitte Fakten , nicht die illusion, nicht das hearsay.
    Wo ist da die hierachie der Wirtschaft? Wenn die Politik die Banken finanziert, so setzt das nicht die banken über die politik, eher das gegenteil.
    Whatever, ich bitte Dich das zu konkretisieren.
    „I had a flair for languages. But I soon discovered that what talks best is dollars, dinars, drachmas, rubles, rupees and pounds fucking sterling.“
    Yuri (lord of war)

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