Chaos as usual

Chaos as usual

Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Neocons als Aperitif, Stamokap zum Dessert – Ein Abendessen mit Robert Misik

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„Was willst Du hören?", frage ich, als wir in mein Auto steigen und ich nach meinem iPod greife. „Was hast Du denn anzubieten?", antwortet Robert Misik mit der unvermeidlichen Gegenfrage. „Alles, was gut ist", sage ich, und entscheide mich kurzerhand für die Stones. Und so machen wir uns also zu „Gimme shelter" auf den Weg, vom Hamburger Schanzenviertel, wo der österreichische Journalist und Schriftsteller gerade eine Lesung seiner „Politik der Paranoia" hinter sich gebracht hat, in das gar nicht weit entfernte Szenelokal. Eigentlich wäre es ja auch in der Kneipe am Veranstaltungsort weiterhin ganz nett gewesen, im „Haus 73", mit der charmanten Dame von der Heinrich-Böll-Stiftung neben mir und dem freundlichen Herrn vom Radio gegenüber; aber einerseits war es mir an dem Abend zu fröstelig geworden, um weiterhin draußen zu sitzen und Astra-Bier aus der Flasche zu trinken, und andererseits gibt es Dinge, die Ösis in der Fremde wirklich nur unter vier Augen besprechen können...

Prolog: Auf dem Parkplatz

„Was willst Du hören?“, frage ich, als wir in mein Auto steigen und ich nach meinem iPod greife. „Was hast Du denn anzubieten?“, antwortet Robert Misik mit der unvermeidlichen Gegenfrage. „Alles, was gut ist“, sage ich, und entscheide mich kurzerhand für die Stones. Und so machen wir uns also zu „Gimme shelter“ auf den Weg, vom Hamburger Schanzenviertel, wo der österreichische Journalist und Schriftsteller gerade eine Lesung seiner „Politik der Paranoia“ hinter sich gebracht hat, in das gar nicht weit entfernte Szenelokal. Eigentlich wäre es ja auch in der Kneipe am Veranstaltungsort weiterhin ganz nett gewesen, im „Haus 73″, mit der charmanten Dame von der Heinrich-Böll-Stiftung neben mir und dem freundlichen Herrn vom Radio gegenüber; aber einerseits war es mir an dem Abend zu fröstelig geworden, um weiterhin draußen zu sitzen und Astra-Bier aus der Flasche zu trinken, und andererseits gibt es Dinge, die Ösis in der Fremde wirklich nur unter vier Augen besprechen können.

Aperitif und Hors d’oeuvre

Als was bezeichnest du dich eigentlich, Journalist, Philosoph, Schriftsteller?

Misik: Als Journalist. Ist ja auch mein eigentlicher Beruf, seit ich damals mein VWL- und Geschichtsstudium abgebrochen habe und zur „AZ“ gegangen bin. Kennst Du die „AZ“ noch?

Ja, klar. Die wollte doch der Dings wieder hochpäppeln, wie hieß er denn noch gleich, dieser GGK-Werbefritze?

Misik: Schmid. Du meinst Hans Schmid.

Ja, genau der. Und dann, was hast du gemacht, als es dort zu Ende ging?

Misik: Ich wechselte zum „Profil“, dem Nachrichtenmagazin. Als Deutschlandkorrespondent, von Berlin aus. Und von dort ging ich zu „Format“, aber das war eher eine kurze Geschichte.

Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich Dir sage, dass dich in Deutschland nur wenige Leute kennen, die „Insider“ sozusagen. Wie sieht’s damit in Österreich aus?

Misik: Da kennt man mich durchaus. Doch, doch… durch die Video-Bloggerei, die ich für den „Standard“ mache. Das verschafft schon eine gewisse Popularität.

Lass uns mal über dein Buch „Politik der Paranoia“ sprechen. Dass ich das anders sehe als du, habe ich dir schon gesagt, oder?

Misik: Wie? – Ich dachte wir wären da einer Meinung?

Hinsichtlich der Zustandsbeschreibung, ja. Aber nicht hinsichtlich der Schlussfolgerungen.

Misik: Soll heißen?

Ich glaube nicht, dass die Konservativen auf dem Rückzug sind, wie du schreibst. Auch der Moderator deiner Lesung vorhin war meines Erachtens gänzlich auf dem falschen Dampfer: dass der Staat jetzt an allen Ecken und Enden in die Wirtschaft eingreift, ist mitnichten als Rückzug der Konservativen zu deuten, eher im Gegenteil: sie haben den Staat für ihre Zwecke in gewisser Weise gekapert. Die Teilverstaatlichungen, die bislang stattgefunden haben und vermutlich auch weiterhin noch stattfinden werden, haben nur peripher mit Arbeitnehmerinteressen zu tun, sondern dienen primär dem Schutz von Gläubiger- und Eigentümerpositionen. Das kann man begrüßen oder verteufeln, ganz wie man mag, aber jedenfalls hat das nicht das Geringste mit Kollektivierungen im Sinne der Linken zu tun.Da ging man ja selbst in den USA noch forscher ans Werk, bei der Quasi-Verstaatlichung von Chrysler zum Beispiel, bei der die bisherigen Eigentümer und ein Teil der Gläubiger fast alles verloren. 

Misik: Schon. Aber dass es einen gewissen Paradigmen-Wechsel gibt, dass die Töne aus dem konservativen Lager leiser werden, dass ihre Galionsfiguren nicht mehr ganz so forsch auftreten, das kannst Du doch nicht abstreiten?! – Dass sie Leute wie dich plötzlich in der FAZ schreiben lassen, das zeigt doch, dass tektonische Verschiebungen im Gange sind.

Ich bin aber auch ein „Bürgerlicher“ und kein „Linker“. Dass man heutzutage mit Ansichten, die vor 20 Jahren noch zum festen Programm der CDU gehörten wie auch zum unbedingten christlich-sozialen Wertekanon, plötzlich als „Linker“ tituliert wird, mag ja durchaus sein, aber im Grunde kann es sich dabei ja nur um eine zeitweilige Irritation des bürgerlichen Bewußtseins handeln. Neulich schrieb einer in meinem Blog, ich würde für eine „sozialistische Ökonomie“ plädieren – das ist natürlich im Heimatland des „Rheinischen Kapitalismus“ der Witz des Jahrhunderts! Und an Müller-Armack und Röpke wollen sie sich plötzlich auch alle nicht mehr erinnern. Meine These ist: der Neoliberalismus hat die Konservativen überrannt. Wie und wann genau, weiß ich auch nicht, vielleicht war es auch eine schleichende Infiltration, aber die „Paranoia“, von der du schreibst, ist womöglich keine konservative der Liberalen, sondern eine liberale der Konservativen.

Misik: Die Neokonservativen heißen ja auch deshalb „Neo“, weil sie Positionen vertreten, die dem klassischen Konservativismus fremd gewesen wären. Die Begeisterung für einen ungehemmten Kapitalismus und die Eigentumsgesellschaft per se machten sich die Konservativen vergangener Jahrhunderte nicht zu eigen. Und selbst im 20. Jahrhundert: Das erste Nachkriegsparteiprogramm der CDU war keineswegs eine Ode an die Marktwirtschaft. Die Herausbildung des Neokonservativismus verlief allmählich, eher in Etappen von Jahrzehnten denn Jahren. Der Frankfurter Soziologe Helmut Dubiel schrieb vor rund 20 Jahren, der Neokonservativismus wäre nicht neu im Sinne von Einsicht, die zuvor noch niemand gehabt hätte. Sondern er wäre eine Reaktionsbildung. Der aggressive Neokonservativismus, den wir seit den sechziger Jahren in den USA sahen, der sich mit der Wahl von Ronald Reagan dann erstmals Zugriff auf die Macht verschaffte, der Amerika in Kulturkämpfe verstrickte – der erlitt mit der Wahl Barack Obamas die ganz große, historische Niederlage. Deklassiert wurden sie, die Konservativen, obwohl sie mit McCain und Sarah Palin alles in die Waagschale warfen, was sie an reaktionären Überzeugungen und Symbolen aufzubringen vermochten. Einen progressiven Präsidenten haben sie stattdessen gewählt, die Amerikaner, noch dazu einen schwarzen – doch, ich denken schon, dass hier das liberale Amerika wieder zu sich zurückgefunden hat. Barack Obama ist ein lupenreiner Progressiver, der linksliberale Positionen in einer Sprache formuliert, die die große Mehrheit der Bürger auch versteht. Klar: eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und auch Obama muss sich jetzt mit einem politischen und bürokratischen Umfeld arrangieren, das noch vom Geist der marktradikalen Epoche geprägt ist. Klar kann er auch scheitern, so wie vor ihm schon Clinton gescheitert ist oder in Großbritannien Tony Blair. Oder nimm die rot-grüne Regierung in Deutschland: das war doch geradezu das Paradebeispiel des politischen Scheiterns, eine richtiggehende Kapitulation vor dem Zeitgeist.

Hauptgericht

Worin besteht also konkret die „Paranoia“, von der du in deinem Buch schreibst?

Misik: Nimm den Marktradikalismus als Beispiel. Die Neokonservativen sind glühende Verfechter eines liberalen kapitalistischen Systems. Denke in Deutschland etwa an Friedrich Merz und sein letztes Buch „Mehr Kapitalismus wagen“. Gleichzeitig wissen sie aber, dass der Kapitalismus eine hedonistische Konsumkultur hervorbringt, ja sogar hervorbringen muss, die aber in ihren eigenen Worten gleichbedeutend ist mit Nihilismus. Die Neoliberalen wissen das auch, aber es bereitet ihnen keinerlei Stress. Und den ultraliberalen Anarchokapitalisten sowieso nicht. Die Neokonservativen aber stört das kolossal, ja es empört sie richtiggehend. Dass die globale Turboökonomie keinen Stein auf dem anderen lässt, die moderne Gesellschaft zunehmend zersetzt wird: das schmeckt ihnen überhaupt nicht. Gegen die ökonomische Dynamik wollen sie sich aber nicht stellen, weil die ist ihnen – als überzeugte Marktwirtschaftler – ja heilig. Also müssen die Werte ran. Ihre eigenen Werte, ganz zufälligerweise. Denn es geht ihnen dabei nicht um individuelle Moralvorstellungen, die einzelne Menschen aus Überzeugung haben, sondern um einen gesellschaftlichen Imperativ, eine allgemeine Sittlichkeit. Stell dir das am besten als eine Art „Kodex“ vor, eine Sammlung von Verboten. Verbote sind ja neuerdings wieder sehr populär, im politischen Tagesgeschäft.

Wie verteilt sich das auf die beiden großen Volksparteien, deiner Meinung nach. Oder ist das nur ein Phänomen der konservativen Parteien?

Misik: In meinen Augen ist es schlicht nicht wahr, dass es die großen Gegensätze zwischen „Links“ und „Rechts“ in der Politik nicht mehr gäbe, dass die großen Volksparteien quasi austauschbar geworden sind. Wenn überhaupt, dann rücken linke Positionen zunehmend in die „Mitte“. Die meisten sozialdemokratischen Parteien in Europa sind hingegen von klassischen linken Positionen abgerückt. Und die Rechte bewegt sich schon seit Jahren nicht mehr in Richtung Mitte, obwohl sie in ihren Parolen nach wie vor von nichts anderem redet. Gleichzeitig rücken aber die Bürger immer stärker nach links, zumindest wenn man den Statistiken glaubt. Demnach hätten sich in Deutschland in 1993 rund 24 Prozent der Bürger als „links“ eingeordnet, in 2007 schon 34 Prozent. Und wer weiß: in 2009 sind es vielleicht nochmals deutlich mehr geworden.

Kann aber auch sein, dass „links“ in 1993 nur schlicht eine andere Kategorie des politischen Bewusstseins war, als in 2007.   

Misik: Natürlich. Allerdings scheint es darüber hinaus auch zunehmend wieder Mehrheitsmeinung zu werden, dass die Gewerkschaften einen stärkeren Einfluss haben sollten.

Warum kann dann aber die Links-Partei in Deutschland diese Stimmung nicht für sich nutzen? Sie verliert ja derzeit eher sogar an Zustimmung, während paradoxerweise ausgerechnet die FDP zulegt.

Misik: Das Problem mit der Links-Partei ist, dass sie offenbar als Protestpartei wahrgenommen wird, die man sich zwar gut in der Opposition vorstellen kann, aber nicht in Regierungsverantwortung. Die Linken sind meiner Meinung nach auch innerlich zerrissen und es grenzt für mich an ein Wunder, dass es die Partei in der Form überhaupt noch gibt. Der Bogen, denn sie politisch spannen will, wird ihr vermutlich eines nicht allzu fernen Tages das Genick brechen.

Was eigentlich kurios ist, oder? Wer sonst als die Links-Partei wäre im Stande gewesen, einen wirklich neuen Wirtschafts- und Politikentwurf konstruktiv zu formulieren und dafür bei breiten Bevölkerungsschichten zu werben?

Misik: Ganz genau. Zumal sie die Köpfe dafür ja durchaus hätte. Und mit einem Flassbeck hätte sie …

Uhh, ich habe nicht den Eindruck, dass Flassbeck auf die Linke noch groß was gibt. In seinem neuesten Buch „Gescheitert“ klingt er jedenfalls nicht danach.

Misik: Ja, aber immerhin kennen er und Lafontaine sich gut. Und ein Stück weit ist Lafontaine ja auch voll auf Flassbecks wirtschaftspolitischem Kurs. Aber Lafontaine alleine ist eben nicht die Linkspartei; und selbst er kann ab und an nicht davon lassen, aus reinem Populismus heraus auf Versatzstücke aus der sozialistischen Mottenkiste zurückzugreifen; wie etwa bei dieser Podiumsdiskussion, wo er plötzlich die „Rückenteignung“ von Schaeffler propagierte, weil deren Arbeiter seiner Ansicht nach zuvor enteignet worden wären. Das halte ich für ziemliche Fehlgriffe, das nimmt im Grunde auch keiner ernst, und ein Stück weit disqualifiziert sich die Linke damit auch. Andererseits machen sie aber in einer Reihe von Kommunal- und Landesregierungen offenbar einen recht ordentlichen Job.

Ja, aber auch nur innerhalb der etablierten Bahnen. Da kann man auch gleich SPD wählen, findest du nicht?

Misik: Vielleicht besinnt sich ja die SPD auf ihre Wurzeln und politischen Traditionen, das soll man nicht von vornherein ausschließen. Auf lange Sicht kann ich mir ohnehin nicht vorstellen, dass die Linkspartei und die SPD nebeneinander existieren. Früher oder später werden sie auch auf Bundesebene koalieren, da bin ich mir recht sicher.

Dessert und Espresso

Weißt du was ich glaube? – Dass wir auf eine Art Cross-Over aus Schumpeter und Hilferding zulaufen; der Staat steigt bei den Unternehmen ein und übernimmt die Banken, aber nicht etwa deshalb, weil es mit dem Kapitalismus so super gelaufen wäre, wie Schumpeter in seinem Spätwerk meinte. „Kann der Kapitalismus überleben? Nein, ich glaube nicht, dass er das kann“, schrieb der Weltökonom und Vater des innovativen Pionierunternehmers ja am Schluss seines lustigen Lebens. Aber die Gründe für das Ende werden wohl nicht die von ihm vorhergesehenen sein, sondern eher die von Rudolf Hilferding.

Misik: Da fällt mir immer diese Szene aus einer Podiumsveranstaltung in Harvard ein, die Paul Samuelson in einem seiner Werke 1969 schildert, mit Wassily Leontief, Joseph Schumpeter und Paul Sweezy, in der Leontief als Moderator wohl sinngemäß gesagt haben muss: „Zu meiner rechten hier ist Paul Sweezy, der mit Marx und Lenin behauptet, der Kapitalismus werde sterben, und zwar an einem bösartigen Krebsgeschwür, und absolut nichts kann dagegen helfen. Und zu meiner linken haben wir Joseph Schumpeter, der ebenfalls behauptet, der Kapitalismus werde sterben; und das sagt er auch noch in aller Heiterkeit, seit ihm die Tränen ausgegangen sind, nachdem er sie bereits 1914 beim Anfang vom Ende der Habsburgermonarchie vergossen hat. Aber laut Schumpeter stirbt der Kapitalismus nicht an Krebs, sondern an einer Neurose: er zerstört sich aus Hass auf sich selbst.“ – Aber zu Hilferding: er hat ja gegen Ende seines Lebens ebenfalls seine Position kräftig revidiert, angesichts dessen, was er in der Sowjetunion Stalins an Erfahrungen machte. „Der größte Gegensatz heute ist nicht Sozialismus und Kapitalismus, sondern Freiheit oder Staatssklaverei“, meinte er fortan. Das sollten insbesondere die beherzigen, die heutzutage andauernd von „Freiheit“ reden, dabei aber ausschließlich in ökonomischen Dimensionen denken. Die Freiheit und die Demokratie dürfen nicht als bloßes Abfallprodukt des ökonomischen Staatsinteresses verstanden werden.

Und das verleiht interessanterweise auch Hayeks „Road to serfdom“ wieder brennende Aktualität, das du in „Politik der Paranoia“ noch ziemlich kritisiert hast. Wenn auch in einem völlig anderen Kontext, als ihn sich Hayek ausmalte.

Misik: Wohl wahr. Es ist eine ziemlich verrückte Welt.


23 Lesermeinungen

  1. Fazit: Akrobaten in der...
    Fazit: Akrobaten in der Zirkuskuppel – ratlos.

  2. wisi sagt:

    @Martin
    das ist auch meine...

    @Martin
    das ist auch meine Empfindung und scheint daher zu kommen, dass es eben ohne Verlassen des bisherigen Systems keine Lösung gibt
    auf der Sonnenseite des so geschätzten Kapitalismus Pyretten schlagend einen Weg aus dem Dilemma zu finden gleicht halt dem Versuch, das Perpetuum mobile retten zu wollen, obwohl die Konstrukteure mehr oder weniger weinerlich ihren Betrug als Irrtum zu verniedlichen suchen

  3. Tarantoga sagt:

    Dieses "Diskussionsformat"...
    Dieses „Diskussionsformat“ finde ich recht angenehm und interessant zu lesen, aber es läd mangels Zuspitzung nicht unbedingt zum Mitdiskutieren ein.
    Wegen mir könntest Du so etwas öfters machen. Da gäbe es sicherlich noch andere interessante Gesprächspartner. Das Format ist insofern interessanter als ein Interview, weil Du ja eine Position vertrittst. Mir gefällt es.

  4. keiner sagt:

    Mon dieux! Linke Subkultur in...
    Mon dieux! Linke Subkultur in der FAZ! Das ich das noch erleben muss….
    Aber im Übrigen muß ich leider Martin recht geben: Zu viel elitäres Geschwelge in Andeutungen von Zitaten, zu wenig Butter bei die Fische…

  5. Jörg sagt:

    "Ich bin aber auch ein...
    „Ich bin aber auch ein „Bürgerlicher“ und kein „Linker“
    Das eine ist ein soziologischer, das andere ein politischer Begriff. Man konnte sie schon in Weimar problemlos zusammendenken. Es soll wohl in Wirklichkeit so etwas ähnliches heissen wie: „Ich bin ein linksbürgerlicher Konservativer“. Das hat zwar Neuigkeitswert als Selbstattribution, wirft aber Interpretationsrätsel auf. Ich verstehe bloss soviel: Müller-Armack und Röpke sind zwar beiseitegeschoben worden, aber es kommt darauf an, sich nicht von der Frage beirren zu lassen, warum das geschehen sein könnte, sondern einfach mal kontrafaktisch die Existenz entsprechender Anschlussselektivität zu unterstellen. Damit hat man dann die Terminologie von Luhmann und Habermas im Sack und kann dennoch ein voluntaristisches Sahnehäubchen obendrauf setzen. Es gibt ja Leute, bei denen das intellektuelle Rekombinationsspiel unmittelbar mit der historischen Wirklichkeit verknüpft ist und auf diese zurückwirkt – Andrew Sullivan wäre ein Beispiel dafür. Aber ich glaube, das sind typischerweise Schwarztrinker.
    Jedenfalls kommt die Sahne von der Milch. Was sagt der Konservative nun zur Lage ihrer Produzenten? Wir ahnen es nicht mal. Und uns etwas ahnen machen können – das müsste einer halt schon drauf haben. Vielleicht würden wir dann auch von unseren mentalen Vorentscheidungen über Linke und Konservative abrücken. Wie Fontane sagt: Das ist ein weites Feld. Und eine Aufforderung zum Ackern.

  6. Die Neocons haben gerade den...
    Die Neocons haben gerade den größten Gewinn iherer Geschichte eingefahren.
    Die Fakten: In der BRD gibt es 3,5 Bill Euro Guthaben, dazu kommen darauf begebene 9 Bill. Euro Schulden. Solange die Schuldner bereit sind, im Hamsterrad zu rennen, Zinsen auf ihre Schulden zu zahlen, gibt es kein Problem. Solange die Einkommen nicht steigen, ist auch Inflationsdiskussion irreal. Die steigenden Preise werden mit fallenden Umsätzen beantwortet. Eine Ausnahme waren die konsumwütigen Gestalten, dafür stehen sie bei uns vor dem Konkursrichter, bei den Amis wohnen sie irgendwann in den bekannten Zeltstädten. Das und nur die, sind diejenigen, die über ihre Verhältnisse gelebt haben, natürlich incl. des Geldgewerbes, denn die besitzen im Zweifelsfall wertlose Schuldscheine, aber kein Geld.
    In dem Augenblick, in dem sie nicht mehr im Hamsterrad rennen wollen oder können, ist das gesamte Finanzsystem erledigt. Auf der anderen Seite haben alle, zu Recht, Angst davor in dieses Hamsterrad zu geraten, sich zu verschulden. Also müssen Anreize geschaffen werden, damit jemand bereit ist, im Hamsterrad den Schlankmacher zu spielen. Und bei den Gier- Geiz- und Neiddebatten, von wegen Steuererhöhungen und sonst welchem Tünnef, wird ein vernünftiger Mensch sagen, ich werde lieber Beamter. Nur so ruiniert man jeden Staat, jedes Volk, das erlebten wir in den vergangenen 10 Jahren. Die Frage ist nur, wie hoch sind die Guthaben, sind die Schuldner in der Lage die Zinsen auf die Guthaben zu garantieren. Das ist der Fall, MIT AUSNAHME DER DERIVATE. Und genau da liegt der Sieg der Neocons, dieses wertfreie Zeug wurde im Prinzip mit Zentralbankgeld hinterlegt. Ein Verbrechen an allen ehrlichen Bürgern.
    Pleite, das ist der Moment, in dem niemand mehr an die Rückzahlung der Schulden glaubt. Dann gibt es nur eine „Währung“, Gold, also Sachwerte.
    Die derzeitige Problematik wird in den USA, auch hier, vom falschen Ende her aufgespult. Zur Zeit ist kein einziges Problem der Finanzkrise gelöst, es gibt nicht einmal einen Lichtschimmer am Ende des Tunnels, denn dazu müssen Einkommen steigen und/oder Steuern sinken. Die Nettoeinkommen, das frei verfügbare Geld, müssen steigen. Wachstum ist sonst nicht möglich. Schwierig in einer weltweiten Rezession. Da liegen doch wohl die Lösungen ganz klar auf der Hand.

  7. bob sagt:

    Ich sag euch, woran der...
    Ich sag euch, woran der Kapitalismus stirbt: Überarbeitung. (Karoshi, nennt es der Japaner.)

  8. pjk sagt:

    Die programmatischen und...
    Die programmatischen und praktisch-politischen Widersprüche der Linkspartei erklären sich m.E. wesentlich aus folgendem Dilemma:
    Die Linkspartei wird mit großer Wahrscheinlichkeit frühestens 2017 eine reale Regierungsbeteiligungsperspektive im Bund haben. Bis dahin wird sie aber in mehreren – auch westlichen – Bundesländern mit in der Regierung sein und irgendwie Politik gestalten müssen. Die Politikziele der Linken sind nun aber derart, daß sie ohne einen Zugriff auf die institutionellen Ressourcen der Bundesebene nicht im entferntesten verwirklicht werden können. Wie also soll die Linkspartei unter diesen Voraussetzungen in den Ländern und Kommunen ein eigenständiges politisches Profil gewinnen? Und dies vor allem in den finanziell schwächeren Regionen Deutschlands? Wachstumsschwäche und ausufernde Staatsverschuldung werden sich vermutlich in den Kommunalfinanzen zuerst bemerkbar machen, und dann muß man bedenken, daß der Solidarpakt zugunsten der östlichen Bundesländer 2019 ausläuft und neu verhandelt werden müßte. Wenn wir bis dahin nicht einen enormen Wachstumsschub und große Verteilungsspielräume haben werden, sehe ich da eher schwarz. Vielerorts wird die Linkspartei in konkreter politischer Verantwortung also mehr oder weniger eine Art Konkursverwalter sein und trotzdem glaubhaft eine andere politische Perspektive auf Bundesebene vertreten müssen. Das ist das Dilemma. Ich bin nun nicht unbedingt ein notorischer Fan der Linkspartei, aber eine Wahlalternative stellt sie für mich schon dar. Und mit Verlaub, @Devin08, bei aller Wertschätzung für manche Ihrer analytischen Kommentare: Diese Parolen wie „Linke raus aus den Regierungsbeteiligungen“ – ich kann es einfach nicht mehr hören. Sollen jetzt auch alle gewählten Linkspartei-Bürgermeister in den Gemeinden ihr Amt niederlegen und stattdessen herumlaufen und Anti-Afghanistan-Plakate kleben? So etwas zu fordern ist doch verantwortungsloses Sektierertum.
    Was die Linkspartei in der Kommunalpolitik dann tatsächlich macht, das steht allerdings auf einem anderen Blatt, und das ist mancherorts in der Tat kein Ruhmesblatt…

  9. pjk sagt:

    Noch ein Gedanke zur Krise des...
    Noch ein Gedanke zur Krise des (neo-)konservativen Bewußtseins.
    Die hedonistische Konsumgesellschaft und die Kritik daran scheinen mir in dem Zusammenhang nur ein Oberflächenphänomen zu sein. Eigentlicher Grund des Unbehagens ist der Umstand, daß sich der moderne institutionelle Kapitalimus vom sozialen Typus des Wirtschaftsbürgers emanzipiert.
    Nun war der Wirtschaftsbürger als selbstbestimmter Tatmensch, der im idealisierten Tatmenschen der Renaissance sein Vorbild hatte, zumindest in Deutschland wohl immer schon eher ein Wunschbild mit wenig Entsprechung in der Realität. Die Gebrüder Mann haben das Selbstverständnis des deutschen Bourgeois ja bereits ziemlich schonungslos dekonstruiert, und die mit den Arisierungen im Dritten Reich auf sich geladene Schuld hat im bourgeoisen kollektiven Unterbewußtsein hierzulande wohl auch ihre Spuren hinterlassen, auch wenn man das im Boom der Wirtschaftswunderjahre nach außen hin zunächst kompensieren konnte.
    Der moderne institutionelle Kapitalismus mit seiner Trennung zwischen unternehmerischen Funktionen und Eigentümerfunktionen hat dem alten Wirtschaftsbürger als dominantem sozialen Typus aber endgültig den Todesstoß versetzt. Der CEO einer Kapitalgesellschaft ist kein Unternehmer im eigentlichen Sinne mehr, sondern ein Bürokrat, der seiner Organisation nur noch mit begrenzter Loyalität verbunden ist und umstandslos in eine andere Bürokratie hinüberwechseln kann. Der entfremdete Kapitaleigner, der auf die unternehmerischen Entscheidungen praktisch keinen Einfluß mehr nehmen und nur einmal im Jahr auf der Hauptversammlung etwas abnicken kann, ist erst recht kein Wirtschaftsbürger mehr.
    Der Kapitalismus hat sich also sozusagen von der Bourgeoisie emanzipiert. Als Akkumulationsmaschine läuft er immer weiter… immer weiter… aber er pflügt dabei auch die Lebenswelten seiner ursprünglichen Protagonisten samt ihrer sozialen Phantasmagorien unter. Das ist das ideelle Dilemma der bürgerlichen Konservativen.
    Aber man muß dem nicht nachtrauern. Es genügt, sich etwa Heinrich Manns „Untertan“ in die Erinnerung zu rufen, und auch die Rolle des deutschen Wirtschaftsbürgers in der braunen Zeit, dann kann man das Verschwinden dieses sozialen Typus nicht als großen Verlust empfinden…

  10. wessinger sagt:

    Hallo Herr Strobel!
    Ich habe...

    Hallo Herr Strobel!
    Ich habe diesen Ihren Blog ( ich liebe es „Der Blog“ zu sagen, es lebe DER Blog!“)
    etwas hart kritisiert, aber eigentlich mag ich Ihre Beiträge sehr, finde sie sehr spannend, habe alle gelesen, muss mal gesagt werden!
    „Dass der Staat jetzt an allen Ecken und Enden in die Wirtschaft eingreift, ist mitnichten als Rückzug der Konservativen zu deuten, eher im Gegenteil: sie haben den Staat für ihre Zwecke in gewisser Weise gekapert.“
    Aber das ist noch keineswegs ausgemacht. Darum wird es in den nächsten Jahren gehen: Wem gehört der Staat?

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