Wenn – wie man liest – sich selbst Edelkarossen-Hersteller Porsche jetzt um ein warmes Plätzchen unter Mama Angelas Rockzipfel bemüht, dann ist es wirklich höchste Zeit, Friedrich August Hayek zu bemühen und mal wieder ein wenig in seinem Anti-Staatswirtschafts-Klassiker „Road to Serfdom“ (deutsch: „Der Weg zur Knechtschaft“) zu blättern. Zudem wäre der österreichische Ökonom und Nobelpreisträger vor rund einer Woche, am 8. Mai, 110 Jahre alte geworden, da kann man ihm ohnehin ein wenig die Ehre erweisen, und das will ich nachfolgend gerne tun. Mit Robert Misik hatte ich mich ja letztens noch über Hayeks Werk unterhalten, am Wochenende dann mal wieder darin gelesen, und was soll ich sagen: Ja, es ist immer noch verdammt aktuell. Bei dem was die Damen und Herren Volksvertreter in Berlin so treiben – wer weiß, was da noch alles an schönen Dingen auf uns zukommt -, da liest man so ein Werk gerne schon mal zur Prophylaxe. Und auch wenn man die Ansichten Hayeks zu Sozialpolitik und Verteilungsgerechtigkeit nicht immer für der Weisheit letzter Schluß nehmen muss, als wortgewaltiger Mahner vor dem schleichenden Weg in den Totalitarismus ist er noch immer unerreicht. Sehen wir uns also mal auszugsweise an, was der Friedrich August da so schreibt:
„Kann man sich eine größere Tragödie vorstellen als die, dass wir in dem Bestreben, unsere Zukunft bewusst nach hohen Idealen zu gestalten, in Wirklichkeit und ahnungslos das genaue Gegenteil dessen erreichen sollten, wofür wir gekämpft haben?“
Nein, kann man nicht, und in der Tat ist diese Passage aus der Einleitung des Werkes für mich einer der Kerngedanken des Buches. Auf ihn kommt Hayek in „Road to Serfdom“ mehrfach zurück, spricht den sozialistischen Vordenkern keineswegs ihre guten Absichten ab, warnt sie aber gleichzeitig vor den realen Folgen ihrer Politik; davor, dass ihre hohen Ziele nichts weiter als eine Utopie wären, die in der Praxis ins Gegenteil verkehrt würde. Das macht er sehr vehement, wenn auch nicht in jener Art von persönlicher Bitterkeit, die man bei den an Stalins Sowjetunion verzweifelnden Edelmarxisten Rudolf Hilferding, Max Eastman oder Walter Benjamin herausliest, und die etwa Hilferdings Mahnung vor der totalitären Staatswirtschaft noch diese spezielle Art von „human touch“ angedeihen lässt. „Road to Serfdom“ wird 1944 veröffentlicht, zu einer Zeit, als der industrielle Westen politisch ziemlich rot ist oder ohnehin in Trümmern liegt. Hayek bewies also zumindest Chuzpe, ein solches Werk gerade zu diesem Zeitpunkt zu veröffentlichen, noch dazu überwiegend in einer Deutlichkeit abgefasst, die keine Missverständnisse aufkommen lässt. Das Buch machte gewaltigen Eindruck auf die Liberalen aller Herren Länder, so auch auf die Väter der deutschen „Sozialen Marktwirtschaft“: Eucken, Röpke (dessen Frau Eva die erste deutsche Übersetzung verfasste), Rüstow, Müller-Armack – sie alle rekurrierten auf Hayek in ihren später erschienenen Werken. Ja selbst ein John Maynard Keynes, der das Werk während seiner Schiffsreise nach Bretton Woods im Juni 1944 las, fand durchaus warme Worte:
„Ihr Buch ist großartig und wir alle sollten Ihnen aus vollstem Herzen dankbar dafür sein, dass Sie so gekonnt aussprechen, was ausgesprochen werden muss. […] Moralisch wie auch philosophisch betrachtet, sehe ich mich fast vollständig einer Meinung mit Ihnen; und Sie haben nicht nur meine Zustimmung, sondern meine tief bewegte Zustimmung.“
„Road to Serfdom“ ist natürlich zuvorderst ein Bekenntnis für die Marktwirtschaft, geht aber darüber hinaus: es war insbesondere auch eine Art Pilotlicht für die spätere Transformation der zentral gelenkten Wirtschaft Nazideutschlands in ein marktwirtschaftliches System. Anno 1944 war die Niederlage der Nazis absehbar, die Frage für die Alliierten also akut, wie man wirtschaftlich mit dem in Kürze geschlagenen Feind umgehen solle. Hayek wollte die Antwort darauf klar und unmissverständlich liefern, aber damit nicht genug: er wandte sich mit „Road to Serfdom“ auch an die Öffentliche Meinung der westlichen Siegermächte, die seiner Meinung nach selbst in erschreckendem Maße Vorstellungen übernommen hatte, welche er im Denken der Nazis ausmachte. Unsicherheit und Ziellosigkeit wirft er ihnen darin vor, was daran läge, dass sie von ihren eigenen Idealen und dem, was sie von den Nazis trennt, nur verworrene Vorstellungen besäßen.
Hayek verfolgte mit seinem Werk also durchaus ambitionierte Ziele. Grundsätzliche Überlegungen für die Nachkriegszeit wollte er darin anstellen, die Wirtschaft, Politik und Kultur einschließen und das Individuum im Spannungsverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft darstellen sollten. Die Verwirklichung der Freiheit stand dabei im Vordergrund, und so ist dieses Buch gleichsam ein flammendes Plädoyer für die Individualität und eine ebenso dringende Warnung vor jeglicher Art von Kollektivismus. Der Begriff der „Freiheit“ erfährt bei Hayek – wie bei durchwegs allen liberalen Autoren – eine rein formal-rechtliche Definition. Von „politischer Freiheit“ schreibt er in diesem Kontext, im Gegensatz zur „wirtschaftlichen Freiheit“, die der Sozialismus darüber hinaus zwar verspräche, und weshalb er auf Intellektuelle wie auch die Menschen auf der Straße so anziehend wirke; ein Versprechen, das er aber nicht einhalten könne. Zudem eines, bei dessen Realisierungsversuch die politische Freiheit nur allzu leicht auf der Strecke bliebe.
Die unmittelbare Nachkriegszeit sah er daher vor einer grundlegenden, ordnungspolitischen Weichenstellung: entweder freier Wettbewerb oder zentrale Planwirtschaft – jegliche Form des „Mittelwegs“ zwischen diesen beiden Polen, wie er Alfred Müller-Armack zwei Jahre nach „Road to Serfdom“ in seinem eigenen Werk „Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft“ durchaus vorschwebte, lehnte er entschieden ab. Ein solcher würde nur dazu führen, dass die Gesellschaft umso schneller auf eine vollständige Zentralwirtschaft zuliefe:
„Wenn wir trotzdem rasch einem solchen Zustand zutreiben, so zum großen Teil deswegen, weil die meisten Leute immer noch glauben, es müsse möglich sein, irgendeinen „Mittelweg“ zwischen „atomistischem“ Wettbewerb und zentraler Steuerung zu finden. Nichts erscheint in der Tat auf den ersten Blick einleuchtender und geeigneter, auf durchaus vernünftige Leute eine Anziehungskraft auszuüben, als der Gedanke, unser Ziel dürfe weder die äußere Dezentralisierung des freien Wettbewerbs sein noch die vollständige Zentralisierung nach einem einzigen Plan, sondern eine wohl bedachte Mischung aus beidem. Bloßer gesunder Menschenverstand erweist sich auf diesem Gebiet als ein unzuverlässiger Führer. […] Sowohl das Wettbewerbsprinzip wie das der zentralen Steuerung werden zu schlechten und stumpfen Werkzeugen, wenn sie unvollständig sind. Sie sind einander ausschließende Prinzipien zur Lösung desselben Problems, und eine Mischung aus beiden bedeutet, dass keines von beiden wirklich funktionieren und das Ergebnis schlechter sein wird, als wenn man sich konsequent auf eines von beiden verlassen hätte.“
Für eine Wirtschaftspolitik, die sich just diesem „dritten Weg“ verschreibt, bietet das Werk deshalb auch wenig konkrete Hilfestellungen, was u.a. von Keynes sehr scharf kritisiert wurde. Dass das Extrem einer sozialistischen Planwirtschaft keine große Verlockung darstellt, wird wohl keiner mehr bestreiten, aber wo genau die Grenze zwischen staatlich gelenkter und reiner Wettbewerbswirtschaft verlaufen soll, dazu bleibt der Meister sehr vage. Aber seine grundsätzliche Überzeugung ist eben, ganz die Finger davon zu lassen: es mag zunächst die beste und ehrlichste Absicht bestehen, schreibt er, mit zentralwirtschaftlichen Interventionen nur bis zu einem gewissen Punkt zu gehen und keinesfalls darüber hinaus – politische oder soziale Erwägungen würden schließlich doch dazu führen, dass dieser Punkt überschritten wird.
„Road to Serfdom“ ist – allen anderslautenden Gerüchten zum Trotz – kein Manifest des Laisser-faire – ganz im Gegenteil: wo der Wettbewerb aus irgendwelchen Gründen nicht funktionieren kann, sieht Hayek ganz klar den Staat am Zug. Auch sieht er, dass staatliche Zwangseingriffe in Fragen wie z.B. Arbeits- und Umweltschutz durchaus verträglich mit dem Wettbewerb sein können. Und selbst ein „ausgedehntes“ System der „Sozialfürsorge“ steht laut Hayek dem Wettbewerb nicht im Wege – solange es so organisiert wird, dass es ihn nicht weitgehend lahm legt. Was darunter genau zu verstehen ist, darüber schweigt er sich leider erneut aus, aber zumindest gibt es Hinweise:
„In allen Fällen, in denen eine Gemeinschaftsaktion Schicksalsschläge zu lindern vermag, die der einzelne nicht abzuwenden im Stande ist, gegen deren Folgen aber er ebenso wenig Vorsorge treffen kann, sollte zweifellos eine solche Aktion unternommen werden.“
Gleichzeitig lehnt er aber eine pauschale Sozialversicherung wegen vermeintlich negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb ab. Verteilungsgerechtigkeit käme als politisches Ziel ebenso wenig in Frage: wenn es extreme Einkommensunterschiede gäbe, schreibt er, dann wäre es allemal besser und für die Betroffenen auch würdevoller, wenn sie auf den „anonymen“ Kräften des Marktes beruhen, denn auf zentraler staatlicher Verteilungspolitik. Ebenso wenig kann er sich für staatliche Konjunkturpolitik zur Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit erwärmen. Und das, obwohl er sich der ungeheuren Bedeutung dieses Problems, insbesondere zur damaligen Zeit, durchaus bewusst war:
„Dies ist natürlich eines der ernstesten und dringendsten Probleme unserer Zeit. Gewiss wird zu seiner Lösung viel Planung im guten Sinn notwendig sein.“
Diese Einsicht hindert ihn aber nicht daran, noch im selben Absatz seinen großen Antipoden Keynes und dessen Konzept der staatlichen, fiskalpolitischen Steuerung zu kritisieren:
„Indessen fordert es nicht jene besondere Art von Planung, die nach Ansicht ihrer Verteidiger den Markt ersetzen soll. […] Andere glauben allerdings, dass ein wirklicher Erfolg nur von öffentlichen Arbeiten erwartet werden könne, die zur rechten Zeit und in sehr großem Maßstab vorgenommen werden. Das könnte aber zu einer weit größeren Einengung des Bereiches der Konkurrenz führen, und unternehmen wir Versuche in diese Richtung, so müssen wir vorsichtig zu Werke gehen, wenn wir vermeiden wollen, dass alle Wirtschaftstätigkeit in zunehmendem Maße von der Lenkung und dem Umfang der Staatsausgaben abhängig wird.“
Keynes schrieb ihm aufgrund dieser Passage eine scharfe Kritik, in der er ihm vorwarf, er würde moralische und materiell wirtschaftspolitische Fragen durcheinanderwerfen und sich um eigene Antworten drücken. Da er das Problem der Massenarbeitslosigkeit als solches erkannt habe, müsse er einsehen, dass die Grenze zwischen freiem Markt und staatlicher Intervention irgendwo gezogen werden muss. Er selbst hätte versucht, den Verlauf dieser Grenze nach seinen Vorstellungen aufzuzeigen, Hayek jedoch bliebe seinen Vorschlag schuldig.
Hayek wäre nicht Hayek, wenn das Buch nicht auch eine Reihe von Zitaten enthalten würde, bei denen es Sozialdemokraten, Linken und Gewerkschaftern die Zornesröte ins Gesicht treibt. Insgesamt ist es aber ein in meinen Augen recht unaufgeregtes Buch, das auch dadurch interessant wird, dass sich Hayek darin über weite Strecken direkt an den Ansichten großer Denker seiner Epoche abarbeitet, Karl Mannheim etwa, Walter Lippmann oder Werner Sombart.
In unseren heutigen, bailout-geschwängerten Zeiten, bietet „Road to Serfdom“ noch immer markante Orientierungspunkte. Die Politik setzt derzeit allerhand wirtschaftspolitische Akzente, die nicht nur jedem Hardcore-Liberalen, sondern auch ernsthaften Keynesianern die Haare zu Berge stehen lassen müssen: Bankenrettung hier, Opel-Rettung da, Abwrackprämie – alles Maßnahmen, die man mit einer Wettbewerbswirtschaft typischerweise nicht in Verbindung bringt. Es wäre interessant gewesen, Hayeks Kommentar zur aktuellen Situation zu hören, in welcher der von ihm so heftig kritisierte Sozialismus nicht zu leugnende Züge eines „Socialism for the Rich“ trägt bzw. darauf ausgelegt zu sein scheint, Kapitalinteressen mindestens ebenso zu schützen, wie die Jobs der betroffenen Arbeitnehmer. Alle diese Maßnahmen hätte er wohl rundweg abgelehnt, und in dieser Ablehnung ist ihm meiner Überzeugung nach zuzustimmen. Zumal es bei den heutigen Staatsinterventionen, im großen Gegensatz zu dem, was Hayek so scharf kritisierte, ja noch nicht mal um eine wie immer geartete höhere wirtschaftpolitische Logik geht, die man als solches gutheißen oder ablehnen könnte, sondern um nichts anderes als die Jagd nach Wählerstimmen. Während Hayek sich also noch darum bemühte, eine öffentliche Meinung zu bekehren, die von der Vision – aus seiner Sicht Utopie – einer besseren Welt beseelt war, treffen wir heute auf wenig mehr als parteitaktisches Kalkül und massentaugliche Interessenspolitik. Eine Politik, die in vielen Fällen noch nicht mal so tut, als ging es um etwas anderes als ihren eigenen Machterhalt.
Und ja: da wird Hayek, bei allem, was man ansonsten an dem Werk kritisieren könnte, plötzlich wieder brandaktuell.
<p>Mmmh. Habe schon bessere...
Mmmh. Habe schon bessere (tiefer gehende) Beiträge von Ihnen gelesen.
Nun was hätte Hayek zur Bankenrettung gesagt? Wenig mehr als ein dutzend Jahre nach der Weltwirtschaftskrise, die der Ausgang für Nazi-Deutschland und die Ursache für das „rote Denken“ in Westeuropa/Amerika war. Da schreibt jemand gegen Totalitarismus, Sozialismus und Wirtschaftlichslenkung an, und versteht nicht wo deren Ursachen/Begründung liegen?
Und mit Wettbewerbspolitik gegen Finanzspekulationen?
1) "großer Denker ... Walter...
1) „großer Denker … Walter Lippmann oder Werner Sombart“
Das sind heruntergekommene Massstäbe.
2) Totalitarismus? Unsere Bevölkerung ist antitotalitaristisch eingestellt – nicht im wünschbaren Masse, aber doch kilometerweit von der Putin-Verehrung der Russen bspw. entfernt. (Und darauf würde Hayek heute herumreiten – wie Dahrendorf es tut.)
3) Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn man heute checkt, ob die Alarmtröten aus einer vergangenen Epoche heute noch funktionsfähig sind. Allerdings arbeite ich mich selber seit längerem am japanischen Modell ab. Ohne im Vorwege Wertungen hinausposaunen zu wollen, möchte ich doch betonen, dass es sehr viel aktueller und relevanter ist. Gleichzeitig aber eben wohl auch auf den in unserer eigenen intellektuellen Tradition Verwurzelten immer noch – selbst als offenkundig zunehmend adaptierte gesellschaftliche Praxis – fremd wirkt. Real, aber nicht „denkbar“.
"Lesen zur Prophylaxe":
Cool....
„Lesen zur Prophylaxe“:
Cool. Orwell und Huxley hatten die meisten von uns wohl auf auf dem Lehrplan. Es entscheidet sich aber jenseits der Lektüre, ob selbige prophylaktisch oder als self-fulfilling prophecy wirkt.
Ich sag' gar nix - außer:...
Ich sag‘ gar nix – außer: Danke. Und: Respekt, dass Sie F.A. von Hayek offenbar doch zu würdigen wissen. Ich erinnere mich da dunkel an gewisse Tendenzen zum Austrians-Bashing…
Ich glaube du bist auf dem...
Ich glaube du bist auf dem Holzweg es gab nie Freie Märkte sie waren immer ein Ziel eine Utopie das ist ja der Witz an der Sache.Das diejenigen die gegen alles Utopische gewettert haben sich in ihre eigenen geflüchtet haben.In ein Schitzoides Wahngebilde nichts anderes ist grenzenloser Egoismuss.
Hast du jemals ernsthaft angenommen das es in der Politik um etwas anderes geht als Machterhalt?
Man kann nur Hoffen und das ist die einzige Hoffnung die ich habe das es unsere Gesellschaft fertig bringt und über den nötigen Willen zum Leben verfügt die Noxe zu entfernen und sich selbst zu Heilen in dem wir alle du ich sie die bestehenden Machtverhältnisse langsam aber Zielsicher ausradieren.Stückchen für Stückchen steter Tropfen höhlt den Stein… Bis die Hydra Macht besiegt ist… und da man es alleine nicht schaffen kann wird auch niemand dafür Ruhm ernten.
@Jörg. Du glaubst...
@Jörg. Du glaubst tatsächlich, diese Gesellschaft sei antitolitaristisch eingestellt ? Wie naiv. Ich sage nur Internet, Fernsehen, BND. Der Totalitarismus kommt schleichend, und zwar so, dass wir uns dessen Intstrumenten gerne bedienen.
Ich lese Ihren Artikel im...
Ich lese Ihren Artikel im ‚Study Room‘ des Reform Club in London, unter Hayek’s Portrait. Hayek’s Buch hat England in den ersten Regierungsjahren von Margaret Thatcher aus einer tieferen und zaeheren Wirtschaftsmalaise gerettet, als wir sie jetzt haben. Wie immer, hat man nicht darauf geachtet, wann die Medizin zum Gift wird. Hayek’s Buch sollte den Geist und das Verhalten von Individuen formen. In dem Moment, indem man glaubte, ein sich selbst erhaltendes System geschaffen zu haben, wurden wir von dem inherenten Risiko der ‚condition humaine‘ eingeholt und bestraft. Das System laeuft nicht von alleine, es bedarf der Werte bewusster Individuen, die eine Kultur schaffen, gegen die man nicht ungestraft verstoesst.
Das Fehlen dieser Kultur ist wohl die eigentliche Ursache des temporaeren Versagens des Marktes.
Mitnichten, wie Phönix aus...
Mitnichten, wie Phönix aus der Asche
@Strobl: „wenn es extreme Einkommensunterschiede gäbe“, schreibt er, „dann wäre es allemal besser und für die Betroffenen auch würdevoller, wenn sie auf den „anonymen“ Kräften des Marktes beruhen, denn auf zentraler staatlicher Verteilungspolitik.“ Das ist nett, wie hier an die Würde der vom Kapitalismus in die Armut Verbannten gedacht wird. Aber eigentlich möchte ich gar nicht solches oder jenes im Einzelnen diskutieren, das ist wahrlich Schnee von gestern. Interessanter ist da vielleicht mein Lektürevorschlag als Kontrapunkt: wie wäre es mit Tim Weiners „CIA“ – „die ganze Geschichte“ – wie er behauptet.
Nicht, dass es da was gäbe, was einem Linken nicht längst bekannt war: Keine Militärdiktatur auf diesem Planeten, die nicht von diesem CIA finanziert worden wäre (manchmal sogar mit direktem Waffeneinsatz, Guatemala, Kuba, Indonesien, Iran…). Und beileibe, es geht mir nicht um die Frage: welche Moral ist die Bessere, die es wert wäre, mit definitiv unmoralischen Mitteln durchzusetzen? Denn selbstredend war das genau die Zeit, in der auch ein KGB nicht von gestern war. Er war sogar der Bessere, von beiden, wenn man jetzt vom Mossad absehen möchte.
Mir geht es darum, wie Werte von gestern schamlos, skrupellos, gnadenlos mit Füßen getreten werden. Wie man mit ehemaligen Feinden (deutschen oder japanischen Faschisten zum Beispiel) von heut auf morgen gemeinsame Einsätze macht, gegen den aktuellen Feind, den eigentlichen offenbar, den Kommunisten, wie es immer wieder heißt.
Es ist entsetzlich zu lesen, dass alle Werte, nur für die Massen sind (oder für gewisse Intellektuelle), da stehen die Demokraten den Kommunisten keineswegs nach.
So war zum Beispiel Mossadegh kein Kommunist, aber er wollte sich von den Briten nicht mehr weiter so bestehlen lassen, flugs wird er von den Briten mit massiver Unterstützung des CIA, aus der Regierung geputscht. Alles Kommunisten, wie gesagt, dem Hauptfeind.
Und solches, nun von Hayek zu lesendes, ist mir in Stil und Inhalt, nach der Lektüre dieses „CIA“ wahrlich nicht fremd, bildet es doch die semantische Brücke für deren Einsätze, zum Beispiel auch solche mit „Agent Orange“ über den Wäldern Vietnams: alles gegen die Kommunisten, gegen die Zentralisten, gegen die, die mit der Planwirtschaft daherkommen.
So einfach geht das heute nicht mehr, Herr Strobl. Die Messlatte ist etwas höher anzusetzen.
Im Übrigen, gehen zurzeit alle „sozialistische Maßnahmen“ vom Kapital selber aus, oder von was reden Sie? Und bestätigt das nicht einen gewissen objektiven Lauf der Dinge? Die Planwirtschaft ist das unmittelbare Ergebnis der kapitalistischen Marktwirtschaft (so wie die soziale Revolution das des Klassenkampfes in der kapitalistischen Gesellschaft), denn sie kommt mitnichten wie Phönix aus der Asche.
Werter Herr Strobel,
v. Hayek...
Werter Herr Strobel,
v. Hayek schrieb „The Road to Serfdom“ zu einer Zeit, in der es um die große Auseinandersetzung darum ging, ob man den Weg des Sozialismus einschlagen solle, oder den der Marktwirtschaft. Dieser gedankliche Ansatz paßt auf die heutige Zeit nur in bescheidenem Maße, denn es ist ja (leider) gerade keine ideologische Auseinandersetzung, ob bzw. wie und wie stark sich Staaten/Regierungen in der Wirtschaft engagieren. Offiziell zumindest behauptet ja niemand, die Staatswirtschaft sei der bessere Weg. Vielmehr wird einfach „utilitaristisch“ und letztlich konzeptions- (bzw. Ideologie-)los hier und da interveniert, wo entweder Wählerstimmen locken und/oder gutmenschliche Wohltaten vollbracht werden können (wer hinterher die Zeche zahlt, steht auf einem ganz anderen Blatt – noch glauben die Meisten offenbar, die Wirtschaft ließe sich mit ein wenig Staatshilfe auf Münchhausen-Art aus dem Sumpf lupfen).
Daß es nur schiefgehen kann, wenn der Staat (letztlich: ein paar Politiker) sich der bessere Unternehmer zu sein dünkt, ist zwar richtig, aber bislang wird das doch weit überwiegend (gerade von den Regierungen in Deutschland und anderswo) garnicht bestritten, vielmehr wird die dauernde staatliche Intervention als „Ausnahme“, „vorübergehend“ und quasi Notwehr gerechtfertigt.
Wie dem auch sei: Der Lesbarkeit Ihres Texts tut es leider Abbruch, daß Sie die indirekte Rede nicht beherrrschen und stattdessen immer den Konjunktiv verwenden: Das verändert aber den Sinn! Es ist z.B. ist ein großer Unterschied, ob, wie Sie schreiben, „… ihre hohen Ziele nichts weiter als eine Utopie wären,“ (das ist ein Konjunktiv: also sind die hohen Ziele nicht real), oder aber „ihre hohen Ziele nichts weiter als eine Utopie seien“ (indirekte Rede: dann gibt es die hohen Ziele durchaus und es wird eine Meinung dazu referiert). Bitte feilen Sie hieran ein wenig!
Ich habe den Weg zur...
Ich habe den Weg zur Knechtschaft zweimal gelesen, mit gehörigem Abstand, und auch beim zweiten Mal in diesem Buch nichts finden können, was es über den Rang einer zeit- und umständegebundenen Polemik gegen die Staatswirtschaft hinausheben könnte. Sie ist weder besonders geistreich noch etwa informationsgeladen.
Die Litanei „Staat ist schlecht, privat ist gut“ ist einfach langweilig, zumal Hayek das Gegenstück zu Kollektivismus und Sozialismus, nämlich seinen von staatlichen Eingriffen freien „Markt“ nicht einmal andeutungsweise kritisch betrachtet.
So warnt er seine Leser mit krassen Überzeichnungen und der Behauptung einer offensichtlich gar nicht existierenden Zwangsläufigkeit vor einem Weg in die Knechtschaft und empfiehlt uns einen anderen in eben denselben Zustand, nur eben nach sozialdarwinistischen Abläufen und noch dazu ohne das geringste Instrumentarium zur friedlichen Abwehr von Knechtschaft und Ausbeutung.
Aber vielleicht kann mir hier mal jemand erzählen, was diese Buch bedeutsam machen könnte und warum wir es heute noch lesen sollen.