We’ve been on the run
Driving in the sun
Looking out for number one
California here we come
Right back where we started from
(Phantom Planet, Titelsong zu „O.C. California“)
Allen sonnigen Fernsehserien aus dem „Golden State“ zum Trotz: Es sieht wirklich nicht gut aus für Kalifornien – fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, Heimat jedes achten Amerikaners und führende High-Tech-Schmiede des Planeten. Eine seit langem schwelende Krise droht den US Bundesstaat nunmehr endgültig ins Finanzchaos zu stürzen, und egal, wie die Geschichte schlussendlich auch ausgehen mag, sie wird eine große Anzahl von Verlierern produzieren. Der prominenteste darunter wohl Arnold „Hasta la vista baby“ Schwarzenegger, in dessen Rolle als Gouverneur, für die er seinerzeit als „Starbesetzung“ gefeiert wurde, wohl mittlerweile nichts mehr nach Drehbuch läuft. Er, der stolze Held diverser Äääktschn-Movies, er musste sich zum Zeichen der ultimativen Unterwerfung letzte Woche nach Washington begeben, um dem politischen Gegner im Weißen Haus eine Bundesgarantie für kalifornische Staatsanleihen aus dem Kittel zu schalmeien. Was für eine Erniedrigung! Und was für eine finanzpolitische Dramatik, mit der das bundesstaatliche Haushaltsfiasko plötzlich zum nationalen Anliegen der USA wurde.
Was die Krise in Kalifornien aber so interessant macht, ist weniger deren ökonomische Dimension – es gibt wesentlich imposantere finanzielle Debakel andernorts zu bewundern, in dieser Hinsicht haben die Amerikaner der Welt ausnahmsweise mal nicht die berühmte Nasenlänge voraus. Nein: Vielmehr scheint es sich in Kalifornien um eine politische, ja im Prinzip sogar eine Verfassungskrise zu handeln; oder – wenn man so will – einen schlagenden Beweis dafür, dass demokratische Institutionen gelegentlich richtiggehend dysfunktionale Wirkungen entfalten können, so edle Ziele man bei ihrer Schaffung auch verfolgt haben mag.
So sieht die Verfassung Kaliforniens insbesondere vor, dass Steuererhöhungen und Haushaltsbudgets nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden können. Das ist in dieser Konstellation einmalig in den USA (in den Staaten Rhode Island und Arkansas bedarf es einer 2/3-Mehrheit, um Steuern zu erhöhen, aber nicht, um den öffentlichen Haushalt zu beschließen) und bedeutet in der politischen Praxis nichts anderes, als dass der turnusmäßige Beschluss eines simplen Regierungshaushalts die exakt gleiche Abstimmungs- und Kompromissbereitschaft zwischen den politischen Lagern voraussetzt, wie die Änderung der Verfassung selbst. In politisch schwierigen Zeiten, in denen sich die Parteien ohnehin nicht unbedingt konstruktiv gegenüberstehen, also nicht gerade ein Spaziergang für die jeweilige Regierung.
Witzigerweise stammt die entsprechende Verfassungsregel, an der Kalifornien jetzt zu scheitern droht, ausgerechnet aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise: im Jahr 1933 wurde sie verabschiedet, und bis zu einer Novelle im Jahr 1962 betraf sie nur solche Budgetvorlagen, die Mehrausgaben um 5% und darüber vorsahen. Das taten sie allerdings häufig, Kalifornien entwickelte sich die Jahrzehnte hindurch eben eher in Sprüngen und Brüchen denn in linearer Gleichförmigkeit. Insbesondere in den 1950ern und 1960ern verschuldete sich Kalifornien massiv, um den Ausbau von Universitäten, Autobahnen und des staatlichen Wasserleitungssystems zu forcieren. Die Wähler stimmten dem aber regelmäßig ohne große Umschweife zu, auch der Finanzierung über höhere Steuern und Anleihen, denn irgendwie schafften es Republikaner und Demokraten immer wieder, zu entsprechenden „Deals“ zu gelangen, die sie ihrer jeweiligen politischen Klientel verkaufen konnten: Entweder waren Steuersenkungen der Republikaner gekoppelt mit Ausgabenkonzessionen an die Demokraten, oder Steuererhöhungspläne der Demokraten wurden den Republikanern mittels gleichzeitiger Ausgabensenkungen schmackhaft gemacht.
Ab Mitte der 90er-Jahre war es aber mit derartigen Deals vorbei: „No new taxes“ wurde zum allgemeinen politischen Leitmotiv eines fiskalisch konservativen Wählerpublikums, und damit zum Lackmus-Test für jeden hoffnungsvollen Anwärter auf den Gouverneursposten. Die Zwei-Drittel-Bestimmung in der kalifornischen Verfassung, seit 1962 existent und über dreißig Jahre lang kein Problem – in der Ära des neuen politischen Zeitgeists führt sie nun regelmäßig zur Totalblockade.
Bleiben als letztes Mittel die Volksabstimmungen, von denen Kalifornien in den letzten Jahren bereits einige gesehen hat, zuletzt wieder am 19. Mai. Viele Wahlberechtigte machten sich diesmal aber erst gar nicht die Mühe, ihre Stimme abzugeben, und von denen, die es taten, wies die Mehrheit so gut wie alle Maßnahmen zur Rettung des Haushalts zurück. Einzig das Einfrieren der Bezüge von Mandatsträgern in Budgetdefizit-Jahren fand Zustimmung. Im Ergebnis steht Kalifornien nun vor einem 23,5 Mrd Dollar Haushaltsloch und einer Liste höchst unpopulärer Einsparmaßnahmen, die ausgerechnet denjenigen das Leben schwerer machen werden, für die es bereits bisher kein Honigschlecken war. So werden die Ausgaben für das Medi-Cal-Programm dramatisch gekürzt, aus dem vor allem sozial Schwache medizinische Versorgungsleistungen beziehen, zudem die Zugangskriterien für ein weiteres Programm geändert, sodass rund 225.000 Kinder ihre Anspruchsberechtigungen verlieren werden. Darüberhinaus sind kräftige Kürzungen im Schulsystem geplant, teilweise noch im laufenden Schuljahr. Andere Maßnahmen hingegen klingen eher kurios, so hat Schwarzenegger bereits angekündigt, rund 38.000 Häftlinge aus den chronisch überfüllten Gefängnissen des Landes zu entlassen. Auch sollen staatseigene Immobilen im großen Stil verkauft werden, um Bares zusammenzukratzen. Dabei soll angeblich selbst vor dem altehrwürdigen Schwerverbrecher-Knast „San Quentin“, erbaut zu den wilden Zeiten des kalifornischen Goldrausches, nicht Halt gemacht werden: geht es nach dem Willen der Republikaner, dann soll die Anstalt alsbald ins Landesinnere verlegt werden, um die in einer Bucht nördlich von San Francisco gelegene „ocean-front property“ meistbietend zu verhökern.
Mit ziemlicher Sicherheit wird das aber alles nichts helfen, und die Regierung Obama schon relativ bald vor der Aufgabe stehen, sich nach GM und Chrysler mal an einem richtig großen Bailout zu versuchen. Der könnte allerdings wegweisend sein, weit über das finanzielle Schicksal von Kalifornien hinaus auch für die USA selbst. Und damit – ob es uns gefällt oder nicht – auch für die gesamte Weltwirtschaft.
Na ja die Kritik an der...
Na ja die Kritik an der SPD/Grünen Regierungszeit in allen Ehren, die grössten Dummheiten fanden aber sicherlich unter ‚verhaltenem‘ Applaus der ‚CDU/CSU‘ und der FDP statt.
Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass sich die beiden Fraktionen sich sonderlich gegen Hartz iv, Unternehmenssteuerreform oder Erbschaftssteuerreform gestemmt hätten.
Auch sollte man nicht Demokratien mit Demokratie verwechseln, sobald 50 % einer wahlberechtigten Bevölkerung einer/mehreren Wahlen fernbleiben hat das ja nichts mehr mit einem Wahlentscheid der Mehrheit zu tun. Die Mehrheit in Kalifonien will – wohl zu recht – mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben.
Sie kann sich in dem bestehenden, bzw. vorherrschenden Klüngel aus Parteien, Presse, Journalismus, Wirtschafts- und Militärinteressen wohl keine Stimme mehr verschaffen und verstummt. Was dazu führen mag, dass Minderheiten lauter schreien, aber deshalb werden aus Minderheiten weder Mehrheiten noch Wahrheiten. Aus dem demokratisch/republikanischen Einheitsbrei ist wohl eher nichts Vernünftiges zu erwarten. (5 % der Politiker ausgenommen!)
Lösungsmöglichkeiten, meine Vorschläge und noch ganz ins Unreine:
1. Wahlen mit einer Wahlbeteiligung unter 50 % sind automatisch ungültig.
2. Wahlen mit einer Wahlbeteiligung unter 50 % sind binnen 4 Wochen zu wiederholen.
3. Bei der zweiten ungültigen Wahl sind alle Parteien, die an den 2 Wahlen teilgenommen haben (an mindestens einer reicht) von der kommenden 3. Wahl auszuschliesen.
4. Alle bisherigen Kandidaten sind von der 3. Wahl ausgeschlossen.
5. Die nächste Wahl findet nach dem ‚freien‘ Wählerprinzip statt. Parteipropaganda bisheriger Parteien verboten.
Das würde garantieren, dass der Profipolitikklüngel mal ausgetauscht werden müsste. Frisches Blut, nicht vorsortiert und durch unzählige Parteigremien kontrolliert und ranzig geworden würde in die Parlamente strömen. Und in die Talkshows!
"weil die Kapazitäten der...
„weil die Kapazitäten der Untersuchungshaftanstalten ebensowenig ausreichen wie die Personalkapazitäten der Gerichte“.
Das ist beides KEIN Problem der Finanzen, sondern ein Problem der Gesetzgebung. Vereinfachte Verfahren und finanziell günstigere Haftunterbringungen (es braucht nicht jeder ne komfortable Einzelzelle mit Kernfedermatraze, Fernseher und Klimaanlage) würden das Problem sofort lösen.
Steuererhöhungen werden immer nur von denen gefordert, die selbst keine/wenig Steuern zahlen. In meinen Augen ist das eine fürchterliche Anmaßung! Diese Argumentation „Das Geld ist ja irgendwo da, da können wir es doch für (…) verwenden“, wird nur von den Menschen gebracht, die vom Geld verdienen keine Ahnung haben. Ihr solltet euch an die eigene Nase fassen und selbst sozial aktiv werden, statt das immer nur von anderen einzufordern.
@ Delphin
wieso eigentlich...
@ Delphin
wieso eigentlich nicht?….. guter Vorschlag, um dem Parteidünkel ein Ende zu setzen… frag mich sowieso, warum es nur die bekannten Alternativen beim wählen gibt…
es müssten öffentliche Gelder genutzt werden, um eine Demokratieplattform zu gründen und zu unterhalten, wo Meinungsaustausch ggf. Abstimmungen erfolgen können ohne Parteipropaganda und und und….. wo bitteschön steht denn, das Demokratie heisst immer zwischen rot / grün / gelb / schwarz entscheiden zu müssen…
Ausserdem finde ich das mit dem Einfrieren der Bezüge nicht schlecht!!!
Desweiteren nach dem Motto „wir sitzen alle in einem Boot“, verstehe ich weiterhin nicht, warum es sich die Herren und Damen Politiker dauerhaft auf dem Sonnendeck gemütlich machen…
Zack würde ich sagen… nach erfolglosem herumpolitieren – Viel Erfolg auf dem Arbeitsmarkt beim geniessen der ach so schönen Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer…. „Mitrudern angesagt“…
@Kritiker
Jupp, blöde...
@Kritiker
Jupp, blöde großbürgerliche Vereinigung hier. Alle die über den verschiedenen Beitragsbemessungsgrenzen liegen oder Privatiers sind, wissen gar nicht wie es ist, richtig Steuern und SV-Beiträge zu zahlen. Und das bißchen, dass sie zahlen, können sie noch mit Anlagen in Schiffe, Filme oder Windkrafträder verrechnen, so dass sie noch weniger zahlen. Oder gleich nach Liechtenstein bringen.
Gruß
Krieg zwischen Ost und West...
Krieg zwischen Ost und West und die Pest oder Cholera
Möchte doch an dieser Stelle an den großen kalifornischen Schriftsteller Upton Sinclar erinnern, hier eine kleine Würdigung seines Werkes https://www.sinclair-edschulz.de/. Ich selbst habe noch eine Lektüre, vor mehr als 20 Jahren gelesen (habe das Buch auf Nimmer-Wiedersehen verliehen, Titel vergessen), in Erinnerung, in der es um die „Völkerwanderung“ der kalifornischen Landbevölkerung und sonstiger Massenarbeitslosen ging. Krise, Hungersnot, Dürrekatastrophen verwüsteten das Land und verelendeten seine Menschen. Und es scheint mehr als nur ein Metapher, das nun zum zweiten Mal, und nunmehr auch die größte Krise bis dato aller Zeiten, auch wieder in Kalifornien getopt werden soll. Die reichste Nation, will heißen: das Land mit den meisten Reichen, scheint die ärmste. Wenn es noch genug Bauern, Landarbeiter und Arbeiter gibt, dann scheint die Annahme nicht verkehrt, dass von dort aus ein neuer amerikanischer Bürgerkrieg ausbricht. Die Ignoranz und Arroganz der Reichen dort, tut dann ihr Übriges. Das wird nicht ein Krieg zwischen Nord und Süd, sondern zwischen Ost und West – sprichwörtlich! Wenn es dann aber noch gelingen sollte, die Unterdrückten und Ausgebeuteten aus dem Süden, Westen und Norden, die zumeist Schwarze oder andere indigene Völker (Indianer und Eskimos) und gewisse nationale Minderheiten („Latinos“ etc.) sind, zu gewinnen, wird das ein Hauen und Stechen, wie das die Welt noch nicht gesehen haben dürfte. Hier zeigt sich dann erst, welche Rolle einem Obama zugedacht ist.
Und @pjk/Dietz: Große Koalition bedeutet die Diktatur der 2/3 über das restliche Drittel. Ich meine damit nicht das Drittel im Bundestag, sondern das in der Gesellschaft. Genau genommen ist diese Formulierung auch falsch – dies mit der großen Koalition, denn Allparteienkoalition, wäre wohl besser. Faktisch regieren derzeit alle im Bundestag vertretenen Parteien auf die eine oder andere Weise „mit“. Entweder durch eine oberfaule Opposition (FDP/Grüne) oder/und durch Mitregierung auf Länder- und Kommunalebene. Sie bilden zusammen die Vertreter dieser 2/3. Selbst „Die Linke“, die sich den „Unterklassen“ so verbunden wähnt, macht dort, wo sie regiert, nichts anderes als die Regierenden. Sie verwaltet die Krise, die Not und unterdrückt so den Aufstand, hält den „Mob“ aber bei Laune, den sie bei Gelegenheit zu benutzen gedenkt. Wenn es aber dazu kommt, dass aus dem einen Drittel zwei werden, dann wird es Zeit für eine offene Diktatur, für die sich alle, ich sagte alle, jetzt schon vorbereiten. Lafontaine gefällt sich jetzt schon (nicht nur an Fasching) in der Pose des Napoleon, Cem Özdemir spielt mit im Konzert der wahren Mächtigen neben der Macht – er ist schließlich Mitglied in der Atlantik-Brücke, neben Westerwelle und anderen bekannten Gesichtern und Institutionen (https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantik-Br%C3%BCcke) – und die Übrigen sind alt-bekannte wie weniger bekannte „Offiziere des Kapitals“ (Marx über die hohen Beamten) – die Bürokraten der Macht.
Lassen wir uns nicht beirren: es gibt keine Wahl, es sei denn, die zwischen Pest oder Cholera.
Die griechischen...
Die griechischen Polis-Demokratien, immerhin Urbild all unserer Republiken, rochierten in schöner Regelmäßigkeit zwischen der Demokratie und einer Diktatur auf Zeit, die alle ‚Parteien‘ dysfunktionalisierte und dann bittere Notwendigkeiten durchzusetzen hatte. Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen …
Seid nicht geschockt von...
Seid nicht geschockt von California! Be happy! Die Weltkrise entwickelt sich nach den Erkenntnissen der Chaophysik. Durch das Aufschaukeln des Ancien Régime wird der Exodus und der Ordnungsübergang vorbereitet. Die Turbulenzen, vom Finanzsystemskandal, von der Wachtumsabsturzkrise, den Bankencrashs, der GM-, Chrysler-, Californien-Insolvenz usf. generiert, senken den Beharrungswiderstand und die Weiter-So-Mittel der alten Machtspitzen. Irgendwann ist diese so niedrig, dass die Mächtigen einem kleinen Anstoß nichts mehr entgegensetzen können und das System bricht zusammen. Oder – und das ist die Rettungsoption – einer aus der Machtspitze, z.B. eine Gorbatschowa, führt bewußt einen genialen Änderungsimpuls (= Diskussion des EPIKUR-Projekts, das in die Weltordnung des KREATIVEN führt) ein, der das Exodus-Momentum als gesteuerten Prozess auslöst.
Wenn Obama nicht mehr weiter weiß, dann wird Angela ihn anrufen und ihm helfen, vom Crashpfad auf den KREATIV-Pfad des weltindustriellen Fortschrittsordnung zu gerlangen, in dem sie ihm erklärt, welche steuerungssystemischen Inhalte das EPIKUR-Projekt enthält. Die 23 Mrd. $ und die 2/3 Barriere in California seien gelobt, wenn sie Obama ans Ende seines Latein und an die Kante führen. Californien ersparte uns dann viel Blindflugzeit.
Die Genialität-im-Evolutionsprozess hat uns die Wahl zwischen Crash oder Creativ in die Hand gegeben – und nicht die zwischen Pest und Cholera.
„Auch sollen staatseigene...
„Auch sollen staatseigene Immobilen im großen Stil verkauft werden, um Bares zusammenzukratzen. Dabei soll angeblich selbst vor dem altehrwürdigen Schwerverbrecher-Knast „San Quentin“, erbaut zu den wilden Zeiten des kalifornischen Goldrausches, nicht Halt gemacht werden: geht es nach dem Willen der Republikaner, dann soll die Anstalt alsbald ins Landesinnere verlegt werden, um die in einer Bucht nördlich von San Francisco gelegene „ocean-front property“ meistbietend zu verhökern.“
Da winken gute Geschäfte für die Raubritter und Plünderer des Gemeinwesens.
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„San Quentin“ als zukünftiges Gentrifizierungsprojekt mit Yuppies als neuen Bewohnern. That ´s America!
@kritiker, Harry Haller
Meine...
@kritiker, Harry Haller
Meine Herren, es wäre amüsant, wenn es nicht mittlerweile so ermüdend wäre. Da wirft mir der eine vor, ich wollte ja wohl selbst kein Geld verdienen und lieber dem Staat auf der Tasche liegen, der andere aber unterstellt mir ein derartig großes Vermögen, daß ich vor lauter Schiffs- und Filmfonds schon gar nicht mehr aus noch ein wüßte. Damit haben Sie immerhin schön vorgeführt, wie sich die Fragen der Staatsfinanzen immer gleich in einen diffusen Sozialneid übersetzen lassen, der bedarfsweise gleichermaßen nach unten wie auch nach oben gerichtet werden kann. Wegen derartiger Repliken beginne ich steuerpolitische Diskussionen neuerdings auch immer mit einer Forderung nach Erhöhung der Mehrwertsteuer, um solcherlei Verdächtigungen zuvorzukommen.
Mit einem gewissen Interesse nehme ich freilich zur Kenntnis, daß die Finanzen gar nicht das Problem darstellen, sondern das Vorhandensein von Klimaanlagen in den Gefängniszellen. Diese Logik läßt sich freilich auch gut auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes oder des Gesundheitswesens ausweiten, und wenn wir dann erst einmal die Golfplätze auf den Hinterhöfen der Polizeireviere abgeschafft haben, dann werden wir wahrhaft ein Volk von Freien sein.
Aber im Ernst: Im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung ist der öffentliche Dienst in Deutschland im internationalen Vergleich personell deutlich unterausgestattet. Die Angaben in verschiedenen Quellen differieren da: Zwischen 12 und 13% der Beschäftigten arbeiten in D im öffentlichen Dienst, in den meisten OECD-Staaten liegt der Wert so zwischen 20 und 25%. In Berlin ist die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zwischen 1995 und 2007 von etwa 180.000 auf unter 120.000 zurückgegangen, gleichzeitig beschäftigt die öffentliche Hand hier aber mittlerweile 17.000 Ein-Euro-Jobber.
Sie werden mit der Ihnen eigenen Logik nun messerscharf schlußfolgern, daß ich selbst auch im öffentlichen Dienst beschäftigt bin und in eigener Sache argumentiere. Wieder falsch (sie mögen es mir glauben oder nicht). Ich habe bloß weder das Geld noch die Neigung, privat aufzurüsten, einen privaten Swimming-Pool anzuschaffen, in einer Gated Community zu leben etc. Und ich möchte später mal auch nicht von unqualifizierten Ein-Euro-Jobbern gepflegt werden (aber das ist wieder ein anderes Thema).
Siehe u. a. hier:
https://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4310/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Finanz__und__Wirtschaftspolitik/Oeffentlicher__Gesamthaushalt/052__Der__Staat__wird__schlanker.html
@Devin08
Sie mögen ja nicht ganz unrecht haben, aber ich unterstelle dem System einfach mal eine gewisse grundlegende Stabilität für das kommende Vierteljahrhundert der mir vielleicht verbleibenden Lebenszeit, und ich möchte da dann doch die beste der schlechten denkbaren Varianten realisiert sehen. Aktuell scheint mir das eben Schwarz-Rot zu sein. Schwarz-Gelb würde eine forcierte Spaltung der Gesellschaft und zunehmende Handlungsunfähigkeit des Staates bedeuten, jede Dreiparteienkonstellation aber Instabilität und fortgesetztes Geschachere um Marginalien. Sie mögen das nun mit Ihrer Revolutions-Perspektive begrüßen, allein, ich prophezeie Ihnen: Die viel wahrscheinlichere Alternative zu einem noch irgendwie nationalstaatlich-demokratisch überformten Kapitalismus wird nicht die allgemeine Emanzipation in einer sozialen Erhebung sein, sondern ein „schmutziger“ informeller Günstlingskapitalismus osteuropäischer Prägung, der sehr gut mit einem Abbau staatlicher Institutionen klarkommt. Für einen großen Teil der Bevölkerung wird das keine erfreuliche Alternative sein, aber derartige Ordnungen können eine größere Beharrungskraft entwickeln, als man zunächst glaubt – man schaue auf die fast ein Jahrzehnt andauernde Jelzin-Ära in Rußland (deren institutionelle Muster auch heute nicht wirklich überwunden sind).
Das kleinere Übel und das...
Das kleinere Übel und das Immunsystem
@pjk: Was die Perspektive angeht, widerspreche ich Ihnen gar nicht, ganz im Gegenteil (ich bin mehr Realist als Sie glauben), nur wird diese nicht unwahrscheinlicher dadurch, dass wir permanent das „kleinere Übel“ wählen, wir machen das größere so nur noch wahrscheinlicher. Man kann das mit dem Immunsystem des Menschen vergleichen: Auch Antibiotika ist, unter bestimmten Gesichtspunkten betrachtet, das „kleinere Übel“, sind doch Menschen früher an wesentlich harmloseren Erkrankungen gestorben, als Antibiotika zum Beispiel heute mühelos behandelt. Wir erleben aber gerade, wie genau dies dazu führt, dass unser körpereigenes Abwehrsystem zusammenbricht! Im Ergebnis werden wir wohl bald an noch harmloseren Erkrankungen sterben, als das früher schon der Fall war. Ich kann nur hoffen, dass Sie da mit Ihren „25 Jahren“ nicht zu großzügig gerechnet haben. Im Übrigen ist meine Revolutionsperspektive eine theoretische, die ich natürlich praktisch versuche umzusetzen, aber nicht voluntaristisch, also subjektivistisch, verkannt.