Peter Sloterdijk bezeichnete den Bremer Professor Gunnar Heinsohn einmal als „höchst anregenden Gelehrten, der die engeren Fachdisziplinen immer wieder zu wissenschaftlichem Nutzen überschreitet“. Und damit hat er wohl recht. Wer sich vergegenwärtigen möchte, was das in der Praxis bedeutet, sollte Heinsohns Doktorarbeit aus 1983 lesen – er wird zweifellos auf seine Kosten kommen, Satisfaction guaranteed! – Inhaltlich von schier unglaublicher Breite wie auch Tiefe, liest sich das Opus mit dem zugegeben sperrigen Titel „Privates Grundeigentum, Patriarchalische Monogamie und Geldwirtschaftliche Produktion – Eine sozialtheoretische Rekonstruktion zur Antike“ spannend; sogar sehr spannend für ein Traktat zu diesem Thema, und ich übertreibe wohl nicht, wenn ich sage, dass ich mich bei der Lektüre von Dan Browns „The Da Vinci Code“ kaum besser unterhalten habe. Im großen Unterschied zu letzterem handelt es sich bei Heinsohns Dissertation aber nicht um reine Fiktion, sondern die tatsächliche Antike – aus seiner ganz persönlichen Sicht. Und die ist – wie könnte es anders sein – auch schon anno 1983 alles andere als Mainstream.
Heinsohn „rekonstruiert“ – der Titel macht da keine falschen Versprechungen: Die Geschichte des Altertums erzählt er auf die ihm eigene Art und Weise, damit gleichzeitig die Geschichte des Patriarchats, der Entstehung des Eigentums und der Geldwirtschaft – alle drei topoi sieht er kausal miteinander verknüpft. Wenn man so will, dann ist diese Arbeit der Ausgangspunkt für alles Weitere, was Heinsohn gemeinsam mit seinem Kollegen Otto Steiger in den 80ern und 90ern zu Papier bringen wird. Und weil er bei seiner Promotion vor den beiden post-keynesianischen Großkalibern Hajo Riese und Jan Kregel offenbar der Meinung war, dass die Neuschreibung der Geschichte von sowohl Patriarchat als auch Geldwirtschaft für die Erlangung eines zweiten Doktortitels ja womöglich ein wenig mickrig sei, schob er im Appendix als Goodie noch schnell die Begründung nach, warum die Sumerer in Wahrheit die Chaldäer waren, und nicht schon 3000 v.Chr. sondern erst 2000 Jahre später durch das sonnige Mesopotamien spazierten. Und da sage noch mal einer, Nationalökonomie könne nicht spannend sein!
Vorneweg: Wer Heinsohn/Steigers Opus Magnum „Eigentum, Zins und Geld“ (EZuG) gelesen hat, und sich nicht vorstellen mag, dass aus der Feder eines der beiden auch richtig spannende und leicht lesbare Lektüre stammen könne: Doch! Dieses Werk liest sich geradezu wie ein Thriller, es ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite und dabei auch noch übersichtlicher als EZuG. „Weniger“ ist bekanntlich oft „mehr“, und Heinsohn schafft es hier, auf knapp 240 Seiten eine deutlich kompaktere Geschichte zu erzählen, als auf den rund 500 Seiten seiner gemeinsam mit Steiger verfassten Generaltheorie. Unter dem gegenüber der Dissertation leicht abgeänderten Titel „Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft. Eine sozialtheoretische Rekonstruktion zur Antike“ erschien das Werk 1984 auch als Buch, einzelne Exemplare sind in einschlägigen Antiquariaten oder im Online-Buchhandel offenbar noch gut erhältlich.
Die Story selbst ist schnell erzählt: bis rund 1000 v.Chr. vegetiert die Menschheit mehr schlecht als recht unter dem Einfluss wiederkehrender, kosmischer Katastrophen – Erdachsenverkippungen etwa oder Änderungen der Sonnenumlaufzeit bzw. der Eigenrotation der Erde. Das Zusammenleben erfolgt in feudalen Strukturen oder aber in matrilinearen Stämmen, deren materielle Versorgung von den Frauen getragen wird, während sich die Männer und Söhne als recht gewalttätige Krieger, Jäger oder auch nur als Viehtreiber betätigen. Die bisweilen prekäre Versorgungssituation des Stammes bringt es mit sich, dass die Frauen die Tötung von Neugeborenen praktizieren, um damit die Population des Stammes auf einem der materiellen Lage entsprechenden Niveau halten. Darüber hinaus liegt auch die sexuelle Initiative bei den Frauen, sie wählen ihre (auch clan-fremden) Männer bzw können diese auch wieder verstoßen, wenn sie ihrer überdrüssig werden oder es Notlagen erfordern. Die derart verstoßenen Männer haben dann zwar prinzipiell die Möglichkeit, zur Sippe ihrer Mütter zurückkehren, allerdings ist ihnen dieser Weg in Notzeiten regelmäßig versperrt, wenn die mütterliche Sippe sie mangels eigener Unterhaltsmöglichkeiten nicht aufnehmen kann oder womöglich gar nicht mehr existiert. Diese Männer erfahren sich dann plötzlich frauen- wie auch heimatlos.
Durch besondere Umstände, die Heinsohn in einer der oben angesprochenen kosmischen Katastrophen größeren Ausmaßes vermutet, und die insbesondere einen Kälteeinbruch im Norden und eine allgemeine Wanderungsbewegung gen Süden ausgelöst haben könnten, häufen sich jetzt die Verstoßungen, sodass sich ganze Ansammlungen heimatloser Männer an einem Ort bilden. Ihres gewohnten sozialen Hintergrunds verlustig gegangen, sind sie zwar im selben Schicksal miteinander verbunden; losgelöst von den solidarischen Bindungen und wechselseitigen Unterhaltspflichten im Stamm, trauen sie sich aber untereinander nicht über den Weg. Sie bilden einen frauenlosen Kriegerhaufen, der zunächst durch die Gegend zieht, bis er irgendwo Land erobert und dort siedelt. Und zwar in einer für sie gänzlich neuen Gesellschaftsform, dem Patriarchat. Dieses ist nicht nur durch den zunächst offenkundigen Mangel an Frauen gekennzeichnet, sondern kann darüber hinaus auch nicht mehr mit jener Art von Solidarität aufwarten, wie sie einst den Stamm kennzeichnete. Daher teilen sie das Land untereinander auf, um es in individueller Autonomie zu bewirtschaften. Diese Bodenaufteilung wird institutionell verankert, das Privateigentum entsteht. Zeitgleich muss es auch zur Staaten- bzw. Polisbildung kommen, um die so entstandenen Institutionen abzusichern.
Was fehlt jetzt noch zum Glück? – Ganz genau: Die Damen. Die Neo-Patriarchen besinnen sich ihrer kriegerischen Talente und ziehen aus, um Frauen zu rauben. Deren bisherige Männer, Brüder und sonstige Angehörige werden dabei regelmäßig dahingemetzelt, was die derart erworbenen Gemahlinnen durchaus mit Rachegelüsten quittieren. Daher ist die von nun an sich entwickelnde Beziehung zwischen Mann und Frau eine der sexuellen Unterdrückung. Und zwar vor allem in Fragen der Fortpflanzung, denn eines ist den Patriarchen klar: die neugewonnene Privatautonomie auf der eigenen Scholle kann auch schnell wieder verloren gehen, insbesondere dann, wenn man keinen männlichen Erben hinterlässt. Eine eindeutige Vater-Sohn-Linie muß etabliert werden, da andernfalls die Söhne ihr Erbe nicht reklamieren könnten. Jeglicher Ehebruch der Frau, aus dem illegitimer männlicher Nachwuchs hervorgehen könnte, wird daher unter Todesstrafe gestellt. Zudem geht das Recht der Kindstötung jetzt ausschliesslich auf den Mann über. Darüberhinaus erhält er das Recht, seine Frau auch wegen diverser anderer Verfehlungen mit dem Tode zu bestrafen.
Der Patriarch kann sein Eigentum aber auch zu Lebzeiten recht schnell wieder verlieren, nämlich dann, wenn er es nicht ordentlich zu bewirtschaften versteht. Schuldknechtschaft und Sklaventum halten Einzug in unsere schöne neue Welt, nicht nur gespeist von den unglücklichen Bewohnern diverser eroberter Territorien, sondern vor allem auch von wirtschaftlich gescheiterten Polis-Bürgern, d.h. ehemaligen „Freien“.
Aus dieser Entwicklung, und damit gänzlich anders als etwa Karl Marx oder Friedrich Engels, erklärt Heinsohn denn auch die Herausbildung der Klassengesellschaft: aus einem individuell unterschiedlich verlaufenden Verteilungs- und Akkumulationsprozess nämlich, der aus einer ursprünglich homogenen Masse von Habenichtsen, die allesamt mit ein wenig Landeigentum und lediglich ihrer Freiheit starteten, eine nach ökonomischen Kriterien geschichtete Hierarchie formte. Geld macht’s eben möglich, und wo Geld ist, sind auch Schulden und Zins, alles weitere ist dann nur noch eine Frage der Zeit.
Interessanterweise vergehen aber diese quasi-kapitalistischen Eigentumswirtschaften auch wieder, und die Menschheit fällt reproduktiv zurück in die Feudalwirtschaft. Warum? Weil die nach und nach immer dominanter werdenden Großgrundbesitzer mit ihren riesigen Sklavenbetrieben die kleineren Betriebe immer weiter verdrängen, und deren Besitzer versklaven. Diese Entwicklung gelangt aber eines schönen Tages an ihr natürliches Ende, an dem jeder zusätzliche Ertrag durch die zusätzlichen Kosten aufgefressen wird. Was machen die Großgrundbesitzer daher? Sie entlassen ihre Sklaven in eine Art Leibeigenschaft und übertragen ihnen ein Stück Land zur unselbständigen Bewirtschaftung. Dieses System hält sich vom Ende des römischen Reiches fast das gesamte Mittelalter hindurch, bis gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Lollarden in England erfolgreich den Aufstand proben, und damit den Grundstein für eine Renaissance der Geldwirtschaft legen.
Typisch für Heinsohn, ist das Werk aufgebaut als intensive Diskussion einer Vielzahl von Primär- und Sekundärquellen. Heinsohn ist – ganz im Gegensatz zu dem, was ihm die Mainstreamer immer wieder unterstellen – kein verkappter Erich von Däniken: er beschäftigt sich sehr intensiv mit den etablierten und als jeweils führend auf ihrem Gebiet angesehenen Autoren in Altertumsforschung, Geldtheorie, Archäologie, Ethnologie, Mythologie und diverser anderer Disziplinen. Darüber hinaus spannt er einen weiten Bogen durch die antike Mythenwelt, findet Brauchbares in Odyssee, Gilgamesch-Epos und anderen großen Erzählungen und ordnet Herodot, Plutarch und vor allem Hesiod dem jeweiligen Kontext zu.
Wer sich für wissenschaftlich fundierten Offstream in Geschichte und Wirtschaft interessiert – in diesem Werk wird er garantiert fündig. Und wie gesagt: es liest sich – was bei Heinsohn leider nicht immer der Fall ist – wirklich spannend.
ganz ehrlich: dieser blog ist...
ganz ehrlich: dieser blog ist wirklich meistens ziemlich interessant. aber diese esoterische heinsohn-grenzen-des-wachstums-gequatsche nervt doch. ich habe in heinsohns seite in der faz nichts aber auch gar nichts gefunden war man mit traditionellen instrumenten der ökonomie nicht erklären könnte. entsprechend ist sein einfluss auch gleich null. das muss nichts heißen, tut es aber in diesem fall.
@hacedeca
>gut, ich kenne nur...
@hacedeca
>gut, ich kenne nur die von Dir vorgestellten Auszüge
Könnte ja eventuell daran liegen, nicht wahr? Ich beschreibe in meinen Schilderungen lediglich wie ICH Autoren und ihre Werke lese. Wer sich darüberhinaus ein Bild machen will, von wegen was der Autor wie und an welcher Stelle genau sagen will, wie er es herleitet, wo er nicht nur beschreibt sondern vielleicht ideologisiert, welche Quellen er wie nutz … das muß man sich halt dann mal selber anschauen.
Eigentum ist keineswegs...
Eigentum ist keineswegs „männlich“.
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Die ursprüngliche Bildung von PRIVATeigentum erfolgte vermittels physischer Gewalt, nämlich durch Raub und Versklavung. Aufgrund ihrer überlegenen physischen Kraft sind die Männer die Räuber und Sklavenhalter.
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Ein ähnliches Muster findet sich zum Teil auch in der Natur: Männliche Konkurrenten messen ihre Kräfte. Das weibliche Tier lässt sich dann vom dem physisch überlegenen männlichen Tier begatten.
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Mit der Etablierung der bürgerlichen Gesellschaft wird den Bürgern die Aneignung von Privateigentum vermittels physischer Gewalt verboten. Das war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung einer menschlichen Kultur im Vergleich zu den primitiven, auf physischer Gewalt basierenden Auseinandersetzungsformen in der Tierwelt sowie in den vor-bürgerlichen Zeiten.
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Der bürgerliche Staat erhält das Gewaltmonopol. Dadurch verschwindet die physische Gewalt nicht, sondern wird exklusiv dem Staat übertragen, sei es durch Durchsetzung der Rechtsordnung gegenüber den rechtsunterworfenen Bürgern, sei es zur Durchsetzung staatlicher Interessen gegen andere Staaten auf dem Wege von Kriegsdrohung und Krieg.
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Mit der Kriminalisierung der physischen Gewalt als Mittel der Interessendurchsetzung der Bürger verschwindet jedoch nicht die Gewalt in der Interaktion zwischen den Bürgern, sondern sie verändert ihre Erscheinungsform. Entscheidend wird, wer „Definitionsmacht“ besitzt und die „Spielregeln“ bestimmen kann, nach denen der Transfer von Privateigentum zwischen den Bürgern erfolgt. So werden erbitterte Kämpfe um das Arbeits-, Konsumenten-, Steuer-, Sozialrecht etc. geführt, weil deren Formulierung die jeweils andere Seite bei der Durchsetzung ihrer antagonistischen Interessen begünstigt oder benachteiligt. Arbeitnehmerschutzrechte gehen genauso wie Konsumentenschutzrechte zu Lasten des Privateigentums auf Unternehmerseite; über die Gestaltung des Steuerrechtes wird Privateigentum mehr oder minder zu Staatseigentum und damit zum Gegenstand von Umverteilung etc.
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Im alltäglichen Kampf der Bürger um die Aneignung von Privateigentum entscheidet das jeweilige Recht, was noch legale Übervorteilung, Verführung, Nötigung, Täuschung etc. ist und was illegaler Betrug, Nötigung, Erpressung, Raub etc. ist.
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Der Einsatz von Gewalt zum Zwecke der Aneignung von Eigentum sowie der Ausbeutung hat sich in der Konkurrenz der Bürger gewandelt in juristische, ökonomische, ideologische und psychologische Gewalt. Wobei der Bürger nach wie vor physische Gewalt legal anwenden darf, aber nicht direkt und unvermittelt, sondern er muss auf dem Rechtwege die Anwendung von physischer Gewalt durch die Exekutivorgane des Staates erwirken.
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Friedrich Engels bezeichnete den Kapitalismus als „System des legalen Betruges“.
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Ist das Privateigentum damit in der kapitalistischen Gesellschaft „weiblich“ geworden, weil die Aneignung von Privateigentum nunmehr vornehmlich auf dem Wege der Übervorteilung vermittels List und Täuschung erfolgt?
@wiesengrund. So einfach ist...
@wiesengrund. So einfach ist es auch wieder nicht, da mit der Ableitung vom Eigentum eine nicht-ökonomische Größe Einzug ins Wirtschaftsgeschehen hält. Offenbar ist es schwer zu akzeptieren, dass der wirtschaftliche Fortschritt endogen ist.
@ Thomas Strobel
Kann Deine...
@ Thomas Strobel
Kann Deine Begeisterung für Heinssohn überhaupt nicht nachvollziehen. Mir sind Heinssohn und Steiger zuerst in den 80ern mit ihrem Buch über Hexenverfolgen begegnet, die sie als Reaktion der Kirche auf die Bevölkerungsverknappung durch die Pest deuteten: die Hexenverbrennungen hätten der Ausrottung des Wissens um Geburtenverhütung gedient und vor allem Hebammen und Heilerinnen gegolten, die dieses Wissen tradierten. Selbst wenn an dieser starken These etwas dran sein sollte – die historische Forschung weist eigentlich nicht in diese Richtung – so ist völlig klar, dass ihre Zahlen (7 Millionen Hexenverbrennungen) vollkommen übertrieben und durch nichts belegt waren, und dass die Hexenverbrennungen in ihrer großen Mehrzahl durch eine ebenso große Vielfalt von Motiven ausgelöst wurden. Es ist auch absurd, anzunehmen, dass ein großer kirchlicher Masterplan zur Bevölkerungspolitik so geheim geblieben oder nur in so wenigen Andeutungen im Hexenhammer publiziert worden wäre, dass bis jetzt einzig unsere beiden Autoren ihn aus den Wirrnissen der Geschichte herauslesen konnten. Hingegen erscheint es durchaus naheliegend, dass Hebammen, was die Autoren als Hauptbeleg anführen, öfter zum Hexenthema wurden, weil sie ja im sozialen Leben an einer ganz gefährlichen Stelle standen: Schuldzuschreibungen für alle möglichen Formen von Unglück waren ja sehr häufig der Auslöser für Hexenprozesse, und eine mißlingende Geburt war nun mit das größte Unglück.
Aber das Buch mit seinen starken Thesen war süffig und spannend zu lesen, und hat mich damals zunächst beeindruckt. So recherchierte ich auch ein wenig, und stieß auf einen Aufsatz Heinssohns über Immanuel Velikowsky, den er offenbar ganz großartig fand. Nun vertrat Velikowsky so absurde astronomische Theorien, die in krassem Gegensatz zu nun wirklich bestens gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen, dass ich stark an Heinssohns Verstand zu zweifeln begann. Später bekam ich dann noch mit, dass er meinte, so nebenbei die Zeitrechnung der Althistoriker im großen Stil korrigieren zu können. Für mich war Heinssohn damit erledigt.
Erst Herr Sloterdijk hat mich durch eine sehr lobende Besprechung motiviert, Heinssohns Buch über das demographische Problem überzähliger junger Männer und deren Gewaltpotential zu lesen. Dieses Buch hat durchaus seine Qualitäten. Nur ist die Idee nicht neu, Heinssohn hat hier nur ein Thema aufgegriffen, das in der deutschen Diskussion bisher zu kurz kam. Und er hat dies auf eine sehr mechanisch-materialistische Weise getan, Kultur als intervenierende Variable kommt bei ihm nicht vor. Dies führt zu nicht wenigen Einseitigkeiten seiner Darstellung. Aber trotzdem war die Lektüre lohnend.
Nun habe ich aufgrund Deiner starken Empfehlungen auch „Eigentum, Zins und Geld“ gekauft. Werde bei Gelegenheit zu lesen anfangen, in der Hoffnung, es nicht wieder mit einer großen Überfliegergeschichte zu tun zu haben, wo sich die Herren Heinssohn und Steiger, getragen von narzistischen Größengefühlen, über die Niedrigkeiten gewöhnlicher Forschertätigkeit erheben und ihrer zweifellos reichlich vorhandenen Phantasie freien Lauf lassen. In dem von Dir besprochenen Buch von Heinssohn jedenfalls scheint mir das sehr stark der Fall zu sein. Es hat natürlich schon etwas faszinierendes, wenn einem die großen Verläufe der Geschichte plötzlich nicht mehr als verwirrende Vielfalt von Details und wenig sinnreichen Entwicklungen entgegentreten, sondern als große Story, die ihre tiefe Logik und ihre klaren Spannungsbögen hat. Da kann man sich dann leicht über die krittelnden Kleingeister unter den Historikern hinwegsetzen, die sagen werden, nein, so sei das doch bei genauerer Betrachtung bestimmt nicht gewesen. Und über viele Dinge könne man doch gar keine klare Aussage treffen, weil einem schlicht die Belege dafür fehlen.
"andere Perspektiven": von...
„andere Perspektiven“: von denen einige leider den Nachteil haben, dass sie nur in ein radikal antiwissenschaftliches Weltbild passen. Ihre Artikulation erfüllt eigentlich den Tatbestand der Religionsstiftung. Der Verzicht auf Ritualvorschriften und die sonstigen üblichen Akzidenzien von Religionen ist womöglich nur der taktischen Einsicht zu verdanken, dass auch der Religionsmarkt gesättigt ist und nur unter der Voraussetzung penetriert werden kann, dass sich eine Alternative zum „wissenschaftlichen Weltbild“ durchsetzen lässt, an dessen Geltungsansprüchen sich bekanntlich alle Kulte wenig erfolgreich abarbeiten.
Ich werde jetzt nicht darauf eingehen, dass, damit Heinsohn recht haben könnte, Astronomie, Biologie, Paläontologie und Metallurgie auf den Müllhaufen geworfen werden müssten. Ich dachte, die Heinsohn-Promotion hier hätte den Zweck einer Vertiefung der Debatte über ökonomische Theorien, i.e., Keynesianismus, Neoklassik, Marxismus oder auch Malthusianismus etc.
„argumentiert zumeist deskriptiv, nicht normativ“: das ist nicht mal ansatzweise wahr. Er argumentiert oftmals nicht, sondern strickt ein Garn. Wer aber fabuliert und Stories erzählt, der ersetzt Präskription nur durch Suggestion (Ich gebe jedoch zu, dass man dieses Verfahren auch als „narrative Argumentation“ nobilitieren kann).
Tut mir leid. Es ist vollkommen wurscht, dass Heinsohn an einzelnen Stellen begründete Hinweise auf eine potentielle Ambiguität archäologischer Daten geben kann, da ihre Interpretation eben dennoch nicht in Heinsohns Belieben gestellt ist, sondern im Rahmen bspw. des astronomisch Möglichen bleiben muss.
Und damit zerschellt die ganze schöne Theory of Everything und hinterlässt einen Haufen historischer Detailbeobachtungen, die es erst von allerlei Kontexthalluzinationen zu befreien gilt.
<p>@Hartmut Amft </p>
<p>Die...
@Hartmut Amft
Die Natur kennt kein Eigentum, daher ist in meinen Augen jeglicher Rekurs auf sie sinnlos. Das läßt sich bereits bei Cicero nachlesen („Von Natur aus gibt es kein Eigentum“, De Officiis, 1, VII, 21). Raub und Gewalt sind keine Aneignungsformen des Eigentums, sondern lediglich des Besitzes. Man kann ein Auto stehlen, aber nicht dessen Eigentümer werden, solange man nicht an den KFZ-Brief kommt. Man kann ein Haus besetzen, sprich in Besitz nehmen, aber man wird dadurch nicht sein Eigentümer.
Natürlich stammt der Ursprung dessen, was hernach als „Eigentum“ deklariert wurde, zunächst aus einer bloßen Besitznahme, nichts anderes schreibt ja Heinsohn. Aber sobald das Eigentum als solches mal etabliert und rechtlich abgesichert ist, scheidet seine Aneignung durch bloße Besitznahme aus.
Die Frage, die Heinsohn versucht zu beantworten lautet, deshalb auch: was machte aus Besitzgesellschaften Eigentümergesellschaften?
Währungsformen haben seit...
Währungsformen haben seit Beginn an auch ein „Geschlecht“…
(vom Beginn der patriarchaischen Gesellschaft an wurde das weibliche unterdrückt… ist im Ungleichgewicht…bis zur heutigen Zeit)
Ich finde sehr interessant, wie sich die von Herrn Strobel angeführten Beispiele mit anderen Ansichten aus der Antike und den Urgesetzen von „Ying“ (weiblich) und „Yang“ (männlich) in Beziehung bringen lassen…
siehe dazu:
https://www2.moneymuseum.com/frontend/library/texts/text.jsp;jsessionid=1284105F812681600567EBF9564609D4?id=78148
Komischerweise treffen hier Erkenntnisse aus der Archäologie und Geschichtsforschung mit esotherischen Elementen aufeinander, welche auch grundlegend für die Entwicklung der Zivilisation an sich waren…
Das Thema ist noch umfassender als es den Anschein hat…
@Jörg
>von denen einige...
@Jörg
>von denen einige leider den Nachteil haben, dass sie nur in ein radikal antiwissenschaftliches Weltbild passen.
Mit der hier besprochenen Arbeit wurde Heinsohn summa cm laude promoviert. Das muss man keinesfalls überstrapazieren, aber der Vorwurf der „Anti-Wissenschaftlichkeit“ greift damit ins Leere.
>Ich werde jetzt nicht darauf eingehen, dass, damit Heinsohn recht haben könnte, Astronomie, Biologie, Paläontologie und Metallurgie auf den Müllhaufen geworfen werden müssten.
Müßten sie keineswegs bzw nur insoweit, als mit Popper ausnahmslos jede wissenschaftliche Theorie irgendwann mal auf dem Müllhaufen der Geschichte landet, nämlich dann, wenn sie falsifiziert ist. Gerade in den genannten Disziplinen gibt es aber bekanntlich recht weite Theoriespielräume und Toleranzgrenzen, insoferne scheint mir die Frage eher zu sein, an welchem Ende der Ungewissheit man sich akademisch positioniert.
>Er argumentiert oftmals nicht, sondern strickt ein Garn. Wer aber fabuliert und Stories erzählt, der ersetzt Präskription nur durch Suggestion (Ich gebe jedoch zu, dass man dieses Verfahren auch als „narrative Argumentation“ nobilitieren kann).
Meines Wissens wurden dafür auch eine ganze Reihe von Nobelpreisen vergeben.
>Es ist vollkommen wurscht, dass Heinsohn an einzelnen Stellen begründete Hinweise auf eine potentielle Ambiguität archäologischer Daten geben kann, da ihre Interpretation eben dennoch nicht in Heinsohns Belieben gestellt ist, sondern im Rahmen bspw. des astronomisch Möglichen bleiben muss.
Exakt. Und nun der Hinweis bitte, wo dies nicht der Fall wäre.
>Und damit zerschellt die ganze schöne Theory of Everything und hinterlässt einen Haufen historischer Detailbeobachtungen, die es erst von allerlei Kontexthalluzinationen zu befreien gilt.
Hübscher Satz, aber was besagt er? Ist unser Mainstream-Weltbild vielleicht keine „Kontexthalluzination“ aus Detailbeobachtungen? Wir haben es hier allenfalls mit der Abwägung zweier solcher Halluzinationen zu tun, und können uns nun entscheiden, welche davon uns eher zusagt. Das ist ja in Wahrheit auch dein argumentatives Problem, nicht wahr? Daher auch der Vorwurf der „Anti-Wissenschaftlichkeit“ an Heinsohn gleich in der Einleitung. Eine Diskreditierung, der er sich in seinen Werken nicht ein einziges Mal bedient.
@Thomas Strob
Schon...
@Thomas Strob
Schon fanzinierend das du auf Heinsohns Junge Männer die die Hauptthese sind nicht eingehst du bist nämlich kein Dummerchen und weist genau das alles mit den jungen Männern steht und fällt da man aber Empirisch dalegen kann das es die jungen Männer nicht gibt ist Heinsohns Argumentation Toast und du weist auch genau das dem so ist…
Must du dich bei Gott beschweren nicht bei mir das es Transsexuelle gibt…