Bereits im Jahre 1991 veröffentlichte der Systemtheoretiker Dirk Baecker sein Werk „Womit handeln Banken?“. Darin beschreibt er zunächst die modernen Kreditinstitute als selbstreferenzielle Systeme, gibt sodann einen prägnanten Überblick über die Entwicklung des Bankgeschäfts seit den 1930er-Jahren, um sich schließlich der Risikoverarbeitung der Banken zuzuwenden, welcher er als Triade aus Risikostrukturen, Risikoinstrumenten und Risikomanagement betrachtet. An allen drei Fronten verfeinerten und vervollständigten sie im Laufe der Jahre ihre Strukturen und Methoden – doch auch der größten Raffinesse zum Trotz unterliegen sie in ihrer Risikowahrnehmung weiterhin einem „blinden Fleck“, so Becker, was ihr Geschäft, den Handel mit Zahlungsversprechen, zu einer recht unsicheren Angelegenheit macht. Letztes Jahr erschien das Buch in einer inhaltlich unveränderten Neuauflage, und trotz der offensichtlichen Schwächen – die Nichtberücksichtigung des zwischenzeitlichen Wandels der Finanzmärkte und der dramatischen Veränderungen des Kreditgeschäfts unter dem Stichwort „Verbriefungen“ – ist es noch immer von bemerkenswerter Aktualität. „Noch die sicherste Bank ist ein unsicheres Geschäft“, resummiert Baecker – eine Erkenntnis, die anno 2009 zu einem Hunderte von Milliarden teuren Allgemeinplatz geworden ist. Ich habe mich kürzlich mit Dirk Baecker unterhalten – über sein Buch, seine generelle Sicht der Krise und kommende Projekte:
Herr Professor Baecker, in einem Beitrag für die Zürcher Zeitung haben Sie unlängst geschrieben, dass wir es bei der Bankenkrise mit einem „Liquiditätspoker um die dominierende Rolle in der Weltwirtschaft“ zu tun hätten, der für alle Beteiligten viel zu verlockende Gewinnmöglichkeiten geboten habe, um es ihnen zu erlauben, sich nicht daran zu beteiligen. Können Sie diesen Gedanken etwas näher ausführen?
Baecker: Was ich meine, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Die Ausweitung der Geldmenge durch die amerikanische Notenbank nach 2001 versorgte die Wirtschaft mit einem Geldüberhang, der nach Anlagemöglichkeiten suchte. Neu gegenüber früheren Krisen war nur, dass die Verbriefung der Kredite es jetzt ermöglichte, den Geldüberhang gleichsam gleich zweimal an leichtgläubige Kreditnehmer und an leichtgläubige Wertpapierkäufer loszuwerden, an den amerikanischen Hypothekenmarkt und an den internationalen Geldanlagemarkt. Die politische Konkurrenz der Amerikaner um die Initiative in der Weltwirtschaft fand mit Prämien gelockte Kredit- und Wertpapieranlageverkäufer, die das leichte Geld unter die Leute brachten und darauf setzten, dass sie selbst nicht zu lange auf riskanten Papieren sitzen blieben.
Was bedeuten in diesem Zusammenhang die Begriffe „Nullintelligenz“ und „Nullsummenkonstanz“?
Baecker: Das habe ich in einem Artikel für die tageszeitung ausführlich erläutert. Nullintelligenz, das heißt mangelnde Lernfähigkeit, ist eine Bedingung, die zwei Ökonomen, Dhananjay K. Gode und Shyam Sunder, in Simulationsstudien als Voraussetzung für die Möglichkeit eines effizienten Marktes nachweisen konnten. Das heißt umgekehrt, dass immer dann, wenn auf den Märkten intelligente Händler auftauchen, die über Informationen verfügen, über die andere nicht verfügen, Ungleichgewichte möglich sind. Und die Nullsummenkonstanzprämisse haben die beiden Soziologen Talcott Parsons und Niklas Luhmann als Grundregel des ökonomischen Spiels beschrieben: Wirtschaft funktioniert nur, wenn man annehmen kann, dass das Geld, das Person A an Person B für eine Leistung zahlt, anschließend Person A fehlt und Person B zur Verfügung steht. Wenn die Nullsummenkonstanzprämisse verletzt wird, kann eine bestimmte Geldsumme wie ein Partikel in der Quantenmechanik gleichzeitig mehreren Akteuren zur Verfügung stehen. Das jedoch lässt sich dann sehr bald nicht mehr rechnen. Daran nun wiederum ist die Pointe, dass die staatliche oder staatlich beeinflusste Notenbank die Geldmenge insgesamt über ihre Geldschöpfungshoheit variieren kann, sodass für sie als den einzigen an der Wirtschaft beteiligten Akteur die Nullsummenkonstanzprämisse nicht gilt. Es kommt zu Störungen, wenn die strikte Trennung zwischen dem Glauben an die Nullsummenkonstanz unter den Akteuren innerhalb der Wirtschaft einerseits und der Variation der Geldmenge durch die Notenbank andererseits aufgehoben ist.
Kommen wir kurz auf die Banken selbst zu sprechen: In Ihrem Buch „Womit handeln Banken?“ untersuchen Sie die Risikoverarbeitung im Kreditwesen und kommen zum Schluss, dass auch „die sicherste Bank noch ein unsicheres Geschäft“ sei. Warum?
Baecker: Jede Geldeinlage und jeder Kredit hat es mit Zahlungsversprechen und damit mit einer unbekannten Zukunft zu tun. Man kann weder sicher sein, dass eine Bank die ihr anvertrauten Einlagen wieder auszahlen kann noch dass ein Kreditnehmer in der Lage ist, seinen Kredit zurückzuzahlen. Der zitierte Satz betont das Risiko für die Seite der einer Bank anvertrauten Gelder.
In Ihrem Buch schreiben Sie sinngemäß, dass das Geschäft der Banken darin bestehe, aktiv den Markt nach beherrschbaren Risiken abzusuchen und dafür mittels Risikoinstrumenten profitable Lösungen zu finden. Problematisch sei das aber insoweit, als sie dabei nach der Unterscheidung „Risiko/Sicherheit“ sondieren, weshalb sie sich allzu oft auf der „sicheren Seite“ wähnten. Stattdessen müssten sie ihre Risikostrategien nach der Unterscheidung „Risiko/Gefahr“ ausrichten – was für mich paradox klingt. Könnten Sie etwas näher erläutern, was Sie damit meinen?
Baecker: Ich greife damit eine Empfehlung von Niklas Luhmann auf, die er Ende der 1980er Jahre auf dem Höhepunkt einer unter dem Namen „Risikosoziologie“ laufenden Theoriewelle formuliert hat. Man hatte entdeckt, dass anspruchsvolle soziale Verhältnisse, also Liebesverhältnisse, Parteiprogramme, Bildungswege, Investitionsprojekte und eben auch Kreditgeschäfte nicht etwa dann funktionieren, wenn alle Beteiligten nach einer Sicherheit streben, die unter Bedingungen der Komplexität nicht mehr zu haben ist, sondern nur dann, wenn alle Beteiligten sich bemühen, ihr eigenes Risiko zu bestimmen, darüber zu reden und es zu beherrschen. Der andere wird für mich verlässlich, wenn ich sein Risiko kenne und wenn ich sehe, dass dieses Risiko für ihn weder zu groß ist – dann wird er zum Hasardeur – noch zu klein – dann ist ihm gleichgültig, worauf er sich mit mir einlässt. Ich habe diesen Gedanken in dem kleinen Buch über Banken unter dem Begriff der „Risikostruktur“ etwas ausführlicher entwickelt. Er beruht jedoch auf Luhmanns Plädoyer für einen Abschied von der Unterscheidung zwischen Risiko und Sicherheit zugunsten der Unterscheidung zwischen Risiko und Gefahr. In der Unterscheidung von Risiko und Sicherheit ist „Risiko“ nolens volens der negative und „Sicherheit“ der positive Terminus. Dann muss man Risiken vermeiden, um Sicherheit zu erreichen. Und damit wird man von seiner eigenen Semantik in die Irre geführt, denn es bleibt ja dabei, dass man mit Risiken Geschäfte macht und mit deren Strukturierung (Bündelung, Trennung und Verteilung) den Erfolg seiner Geschäfte sichert. Unterscheidet man zwischen Risiko und Gefahr, wird „Gefahr“ der negative und „Risiko“ der positive Terminus und man ist auch sprachlich auf der Höhe dessen, was man praktisch tut. Das ist der Grundgedanke. Luhmann ergänzte ihn dann noch dadurch, dass er festhielt, dass Risiken die Ergebnisse eigener Entscheidungen sind – keine Entscheidung, kein Risiko beziehungsweise nur das Risiko der Nichtentscheidung -, während Gefahren unbeeinflussbar so oder so eintreten.
Zudem äußerten Sie in Ihrem Buch die Ansicht, dass unter Risikogesichtspunkten alle wettbewerbspolitischen Maßnahmen, die auf eine Effizienzsteigerung und Deregulierung des Bankensystems hinausliefen, am überzeugendsten seien. Das war 1991 – hat Sie der zwischenzeitliche Verlauf der Geschichte widerlegt?
Baecker: Nein, dabei bleibt es; das gehört zum kleinen Einmaleins jeder Wirtschaftstheorie und sollte man nicht schon deshalb gering schätzen, weil es sich so neoliberal anhört. Wenn man Banken aus der Notwendigkeit, miteinander zu konkurrieren, herausnimmt, gehen sie Risiken ein, die sich für das gesamte System als Gefahren herausstellen, andernfalls nicht.
In der Systemtheorie gibt es den Begriff der „konditionierten Koproduktion“, bei der die Beobachtung den Beobachter formt und umgekehrt. Sie selbst sprachen in diesem Zusammenhang von einer „Logik der Kontamination“, die einer „Logik der sauberen, linearen und kategorialen Ordnung“ vorzuziehen sei. Waren Banker, Aufsichtsorgane und Politik zu sehr einer solchen „sauberen“ Logik verfallen, und wurden damit quasi „Teil des Problems“?
Baecker: Das kann man so vermutlich nicht sagen. Es gab allerorten hinreichend viele Informationen über die konkreten und die systemischen Risiken, die sich aufbauten. Das Problem entstand dadurch, dass es offenbar nicht attraktiv war, diese Informationen ernst zu nehmen und ihnen entsprechend zu handeln. Man konnte mit Gutgläubigkeit zu lange zu viel Geld verdienen.
Etwas, das Sie in „Womit handeln Banken?“ absolut zutreffend vorweggenommen haben, ist die Bedeutung der Ratingagenturen für das Risikomanagement der Banken. Wörtlich schrieben Sie: „Die Bank kann ihre Kreditentscheidungen dann im Endeffekt auf Investitionsentscheidungen in Kredite reduzieren, deren Bonität ihr von der Rating-Agentur mitgeteilt wird.“ In diesem Satz klingt eine gewisse passive Haltung der Banken schon an – hat es Sie überrascht, wie sehr er sich schließlich bewahrheiten sollte?
Baecker: Nein, doch was man inzwischen wesentlich schärfer beobachtet als vor 15 Jahren sind die incentives und disincentives für die Ratingagenturen, ihrer möglichen Aufgabe auch nachzukommen. Sobald Ratingagenturen ein Interesse daran haben, Risikoeinschätzungen abzugeben, die es ihnen ermöglichen, selber im Geschäft zu bleiben, bekommt das ganze Spiel eine Schieflage, die mehr Schaden als Nutzen anrichtet, weil man es unter Umständen zu spät durchschaut. Meine Markttheorie der Wirtschaft beruht ja wesentlich auf der Idee der Beobachtung zweiter Ordnung: Die einen beobachten die anderen auf das hin, was sie möglicherweise selber nicht sehen können – und machen durch eigene Geschäftsentscheidungen publik, also wiederum beobachtbar, was sie gesehen haben. Das funktioniert aber nur, wenn die Beobachterperspektiven garantiert verschiedene sind. Schauen alle in die gleiche Richtung, sehen auch alle nur dasselbe. Dann können blinde Flecken nicht korrigiert werden.
Ein Zitat von Ihnen lautet: „Die Krise, das ist auch die Stunde des freien Willens. Eine Krisenkultur ist eine Kultur, die die Möglichkeit des freien Willens vorsichtig, fast demütig, umkreist.“ – was meinen Sie damit genau?
Baecker: In einer Krise werden jene Umstände einer Situation auffällig, die man nicht unter Kontrolle hat. Das zwingt zur Einsicht in einen freien Willen, der, wie Giambattista Vico so schön gesagt hat, zwar frei, aber auch schwach ist.
Eines der ersten Werke, dass ich von Luhmann las – und das mein Interesse an der Systemtheorie erst so richtig entfachte – war „Realität der Massenmedien“. Darin thematisiert Ihr Doktorvater die rasant zunehmende Temporalisierung der Gesellschaft, insbesondere seit Aufkommen der elektronischen und der Online-Medien. Was denken Sie: Ist unsere Zeit schnelllebiger geworden, als wir verkraften? Stürzen wir gewissermaßen ständig von einer „statistischen Normaldepression“ in die nächste?
Baecker: Dieser Eindruck ist seinerseits ja circa 2000 Jahre alt, wurde also bereits mit dem Auftauchen der alphabetischen Schrift und der Möglichkeit der Entlastung des so genannten lebendigen Gedächtnisses, des eigenen Kopfes, formuliert. Vermutlich gibt es die ersten Befürchtungen einer zu großen Beschleunigung der Verhältnisse sogar, seit die Menschen sprechen gelernt haben und ein Wort schneller aussprechen als die entsprechende Sache, die es möglicherweise bezeichnet, machen zu können.
Schon klar, Gesellschaften mit Schrift sind „katastrophal“ anders, das hatte ich wohl verstanden. Aber vor 2000 Jahren – und auch vor 200 Jahren – war die Gegenwart noch kein bloßer „Umschlagspunkt“ zwischen Vergangenheit und Zukunft; sondern sie wurde als solches erlebt und verlieh der Gesellschaft damit eine gewisse Statik. Oder täusche ich mich da?
Baecker: Das ist richtig. In der Antike unterschied man zwischen (göttlicher) Ewigkeit und (irdischer) Flüchtigkeit. Ich bin mir nicht sicher, ob das für unsere Gemüter nicht entweder zu unbewegt wäre, wenn man auf Ewigkeit schaut, oder zu stressig, wenn man auf die Flüchtigkeit schaut. Damals half ja nur der Gedanken an die vanitas, die Vergeblichkeit, um sich weder von der Flüchtigkeit ja noch zu schnell von der Ewigkeit trösten zu lassen. Die Moderne hat ihre Zeitsemantik auf die Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umgestellt, mit einem interessanten Akzent auf einer als flüchtig verstandenen Gegenwart, der eigentlich nur jene Meditationspraktiken gewachsen sind, die dann doch wieder auf Dauer umstellen. Die moderne Gesellschaft ist prinzipiell dynamisch, weil sie nur eine Gegenwart kennt, die in jedem Moment schon wieder vergangen ist. Dann denkt man an die nicht mehr zu verändernde (allerdings: umschreibbare) Vergangenheit und an die unbekannte (allerdings: über Prognosen immer wieder versuchsweise abgesicherte) Zukunft und entdeckt, dass nur noch Verlaufsmodelle wie die der Biografie, der Karriere, der Geschichte einen einigermaßen verlässlichen Halt geben. Krisen muss man in Kauf nehmen, um diese Verlaufsmodelle mit einem hinreichenden Ausmaß an Nichtlinearität, das heißt mit der Fähigkeit zur Verarbeitung von Überraschungen auszustatten.
Im November findet in Berlin die 3. „X-Organisationen“ statt, die „Biennale für Management und Beratung“. Können Sie kurz erklären, worum es bei dieser Veranstaltung geht, und welche Highlights den Besucher dieses Jahr erwarten?
Baecker: Über die Highlights informiert man sich am besten auf der Website des Kongresses, www.x-organisationen.de. Grundsätzlich geht es uns in diesem Jahr um die Frage des intelligenten Umgangs mit Nichtwissen. Dass wir mit Nichtwissen umgehen können müssen, macht die Krise überaus deutlich. Doch wie macht man das, ohne in Paralyse zu verfallen. Meine Empfehlung lautet, sich an die Devise zu halten, die von dem Wirtschaftssoziologen Charles F. Sabel auf den Begriff des „studied trust“ gebracht worden ist. Man schenke dort Vertrauen, wo es angebracht zu sein scheint, studiere aber laufend, ob es auch gerechtfertigt ist.
Zum Abschluss: Die Systemtheorie besagt, dass sich die Wirtschaft nur dynamisch stabilisieren lässt, was natürlich in der Praxis die Instabilität des Systems zu einem Dauerproblem macht. Wenn Sie den Regierungen der Welt 3 Maßnahmen auftragen könnten, die aus systemtheoretischer Sicht zu einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung beitragen, welche wären das?
Baecker: Entscheidend ist entsprechend der von Ihnen referierten Prämisse, dass die Politik sicherstellt, dass die Wirtschaft über ein hinreichend großes Reservoir an bewältigbaren Instabilitäten verfügt. Das sind erstens frei bewegliche Preise, zweitens auf eine sozialverträgliche Art und Weise einigermaßen bewegliche Löhne und drittens ein Wettbewerbsrecht, das sowohl den Kunden die Wahl zwischen den Anbietern als auch den Unternehmen den freien Zugang zu den Märkten sichert. Das wären drei Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Wirtschaft den Anlass und die Möglichkeit hat, sich laufend mit neuen Informationen zu versorgen und auch entsprechend dieser neuen Informationen neue Entscheidungen zu treffen. Zu bedenken ist dabei, dass die Instabilität beziehungsweise dynamische Stabilisierung der Wirtschaft kein Selbstzweck ist, sondern sicherstellt, dass ein komplexer Apparat an Investition, Produktion und Konsum sich laufend an die wechselnden Konstellationen einer komplexen Gesellschaft anpassen kann. Umgekehrt bedeutet dies, dass jede Stabilität eine Gefahr darstellt, weil sie den Anpassungsdruck aus dem System herausnimmt.
Herr Professor Baecker, ich bedanke mich für das Gespräch.
Unterscheidet sich dieser...
Unterscheidet sich dieser systemtheoretisch drapierte Liberalismus in irgendeiner Weise von den anderen seiner Spielarten? Ich denke nicht. Der gemeinsame Nenner ist – methodisch – dass „Wirtschaft in der Wirtschaft stattfindet“, also irgendwie als autonom fungierendes System verstanden und der eigenlogischen Marktoptimierung überlassen werden kann. Diese Auffassung war schon immer hoffnungslos „unterkomplex“, legitimiert allenfalls als „Modellannahme“ einer VWL, die wiederum dieses Modell tautologisch zirkelschliessend entfaltet. Jede Ökonomie ist politisch, sozial und, auch, ideologisch fundiert und ohne diese Fundamente nicht verstehbar.
Ein bisschen semantische...
Ein bisschen semantische Zauberei (Risiko/Gefahr statt Risiko/Sicherheit), ein paar Versatzstücke aus der Systemtheorie („Meine Markttheorie der Wirtschaft beruht ja wesentlich auf der Idee der Beobachtung zweiter Ordnung“) – und fertig ist eine neue windelweiche Rechtfertigung der Religion: „Der Markt heilt sich selbst unter der Voraussetzung flexibler Löhne und freien Zugang zu den Märkten“.
So einen systemtheoretischen Unsinn habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Man gebe den Ökonomen eine Theorie an die Hand und was machen sie daraus? Dinge, die auf der Hand liegen, werden derartig verquast formuliert, dass sie wie an den Haaren herbeigezogen wirken.
Irgendwie wirkt das Interview wie die mathematisch-freudschen Theorien eines Jacques Lacan. Kleine Lese-Empfehlung an den Interviewer und den Herrn Professor:
„Eleganter Unsinn – Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen“ von Alan Sokal und Jean Bricmont. Besonders das Kapitel 4 dort: Epistemischer Relativismus in der Wirtschafts- ääh Wissenschaftstheorie.
"die modernen Kreditinstitute...
„die modernen Kreditinstitute als selbstreferenzielle Systeme“………….. so ein Humbug, das hätten die gerne, Nothern Rock und Indymac sollten ihnen eine Lehre gewesen sein. Und all die anderen, das sind ALLE, sie wurden NUR durch die Ausschaltung der von ihnen immer geforderten Marktmechanismen „gerettet“. Ich schlage vor, ihn sein Geld in der Wirtschaft verdienen zu lassen, das hilft vielleicht gegen Elfenbeinturmblindheit. Es fehlt immer und ewig die Summe der zu zahlenden Zinsen, ohne jedes wenn und aber. Es handelt sich in jedem Fall beim heutigen Geld und der heutigen Verschulung nur und ausschließlich um ein Schneeballsystem. Deshalb reicht es völlig Schuldpapiere in Höhe der zu zahlenden Zinsen durch die Zentralbank „aufzukaufen“ und die Zinsen lange Zeit niedrig zu lassen. Damit geht das System nicht unter, manches Finanzinstitut aber sehr wohl, sollte unter heutigen Bedingungen ein Finanzinstitut schief liegen, müßte es auf jeden Fall liquidiert werden. Das heißt, die Krise ist ihrem Typ nach nicht der Weltwirtschaftskrise, sondern dem Typ Japankrise zuzuordnen.
Yep, da ist es nun das...
Yep, da ist es nun das Interview….und shocking…es beginnt mit einem Halbgott-Zitat: „Die Ausweitung der Geldmenge durch die amerikanische Notenbank nach 2001 versorgte die Wirtschaft mit einem Geldüberhang,…“, yep, das ist dann typisch Baecker, da endet plötzlich alles in der Auflösung der Differenz in einer anderen Differenz: Wo eben noch Zahlung versus Nichtzahlung stand, da ist plötzlich wieder die einfache Begrenzung/Ausdehnung der Geldmenge….schwups ist die ganze Systemtheorie einfach an die Mauer der Neoklassik zerschellt. Und so geht das lustig weiter: Da wird dann von effizienten Märkten geredet und von Lernfähigkeit und Marktstörungen….Interessant, da sind wir dann bei Stratifikation und nicht mehr funktionale Differenzierung, yep, da weiss mal wieder einer wie so alles zu funktionieren hat für die Gesamtheit der Gesellschatf, also die Allokation und so, yep, und ich dachte bei Luhmann sind Märkte effizient, wenn Zahlungen oder Nichtzahlungen erfolgen….solange das System operiert, solange ist es effizient. Punkt.
Und zum Schluss soll die Politik dann noch irgendwie das Funktionieren der Wirtschaft durch Steuerung sicherstellen…..Gott, Luhmann rotiert im Grab…
Muss jetzt weg…später mehr.
„I was never more certain of how far away I was from my goal than when I was standing right beside it.“
Vincent (gattaca)
Das ist die Systemtheorie des...
Das ist die Systemtheorie des Heizungsmonteurs: Der kennt auch nur Thermostat und Kessel an seinem System. Um das ganze System zu verstehen, muss man aber ‚Jahreszeiten‘, ‚Vorlieben des Heizungsbesitzers‘, ‚Art der Nutzung des Hauses‘, ‚Klimawandel‘ und andere dem Spezialistenblick eher fernliegende Faktoren mindestens gleichrangig in Rechnung stellen. Anders ausgedrückt: Ein Ökonom als ‚Beobachter zweiter Ordnung‘ bleibt immer nur ein Meister Röhricht, ein Heizungsmonteur mit fachlichen Scheuklappen also …
Habe gerade einmal...
Habe gerade einmal nachgeschaut, was der Forschungsgegenstand von D. Backer an der Zeppelin-University ist:
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„Lehrstuhl für Kulturtheorie und -analyse | Forschung
Wir beschäftigen uns mit der nächsten Gesellschaft. Die nächste Gesellschaft steht vor der Herausforderung, die Folgen der Einführung des Computers zu bewältigen, so wie die moderne Gesellschaft ein Ergebnis der Einführung des Buchdrucks war. Die Struktur der Gesellschaft stellt sich von der funktionalen Differenzierung in Sachbereiche wie Politik und Wirtschaft, Recht und Wissenschaft, Kunst und Religion um auf eine Differenzierung in Netzwerke, die heterogen zusammengesetzt sind und als Kontrollprojekte formatiert sind. Die Kultur der Gesellschaft verlagert ihre Akzente von der Orientierung an Kritik, Gleichgewicht und Funktion auf eine Orientierung an Kontrolle, Form und Design. Herz und Verstand der Menschen sind noch der Vormoderne verbunden. Wie werden sie den Anschluss an die nächste Gesellschaft finden?“
https://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/kulturtheorie/kulturtheorie_forschung.php?navid=139
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Stelle fest, dass mein Herz und Verstand noch der Vormoderne verbunden ist.
Glücklicherweise.
"... dass unter...
„… dass unter Risikogesichtspunkten alle wettbewerbspolitischen Maßnahmen, die auf eine Effizienzsteigerung und Deregulierung des Bankensystems hinausliefen, am überzeugendsten wären. … dabei bleibt es; das gehört zum kleinen Einmaleins jeder Wirtschaftstheorie“
Klar – wozu soll denn auch eine Realität taugen, wenn sie nicht zur (neoklassichen) Theorie passt. Machen die das aus ideologischer Verblendung oder ist es bloß ein weiterer Fall von „Wess Brot ich ess, des Lied ich sing“? Und ich beginne mich zu fragen, welche von beiden Erklärungen wohl die schlimmere ist …
Die Systemtheorie rechtfertigt...
Die Systemtheorie rechtfertigt nichts sondern zeigt uns Perspektiven aufzeigen. Aber hier sehen wir natürlich auch nichts anderes als die mediale Aufbereitung von Wissenschaft.
Etwas verwunderlich ist nur, dass Prof. Baecker einen Satz wie „In einer Krise werden jene Umstände einer Situation auffällig, die man nicht unter Kontrolle hat. Das zwingt zur Einsicht in einen freien Willen…“ von sich gibt.
Warum sagt Dirk Becker nicht...
Warum sagt Dirk Becker nicht einfach, dass die ökonomisch-politische Vermachtung, d.h. die Bildung geheimer Macht-/Stabilitätsstrukturen oberhalb und innerhalb der Marktwirtschaft (= freie Spiel der ‚Schumpeter‘-Kräfte) des Teufels für hochkomplexe, dynamische Systeme sind, und die Crashs hervorrrufen? Er redet von Stabilität:“Umgekehrt bedeutet dies, dass jede Stabilität eine Gefahr darstellt, weil sie den Anpassungsdruck aus dem System herausnimmt.“ Diese Stabilität ist doch nur das Ergebnis von implementierten Blockaden der dezentralen Anpassungsvorgänge der Akteure und der Preise – zum Nutzen einer erst kleinen oder dann immer größer werdenden Machtclique. Die freie Konkurrenz wird machtstrukturell ausgehebelt.
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Das ist das Problem dem sich Walter Eucken und Ludwig Erhard intensivst gewidmet haben – und ORDOliberal n i c h t gelöst haben. Das ist der Ansatzpunkt für den gheistigen und den machtpolitischen Weg aus der derzeitigen Wachstumsabsturzkrise. Und das führt zur Logik, nach der sich das freie Spiel der Kräfte im Evolutionsprozess – besonders auf dessen KREATIVEN Akzelerationspfad organisiert. Erst mit einem evolutionsprozess-logisch erweiterten ORDOliberalismus, den ich öko-KREATIVEN ORDOliberalismus nenne, kann die Vermachtungstendenz in hochkomplexen Marktwirtschaften mit den evolutionsprozess-eigenen Instrumenten und Leistungsstrukturen begegnet werden. Und deshalb ist es der Zielpunkt meiner revolutionären Strategie, die seit über 60 Jahren herangewachsene Macht- und Steuerungsstruktur (= Kostenschere zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit) umzukehren und so die Tyrannei des Wachstumszwang-Regime der Kapitalstockmaximierer über die Zerschlagung des Metalltarif-Kartells zu stürzen.
Eine ‚letzte Stabilität‘ in den USA, deren Zusammenbruch wir erlebt haben, war ja die über Jahrzehnte abgesicherte und schließlich wirtschaftspolitisch hergestellte Steigerung der Immobilienpreise. Dieser Trendstabilität in den USA entspricht der Stabilität, mit der in Deutschland die Bruttoarbeitskosten stetig anstiegen – seit 1982 sogar ohne die vorherigen Schwankungen im Aufwärtstrend, d.h. seit 1982 stiegen sie wie mit dem Lineal gezogen. Damit hat das Hightech-Rumpelstilzchen seine Märkte bis zum Exzess ( z.B. Transrapid zum Flughafen München, teure Arbeitsplätze machen höhere Rationalisierungsinvestments rentabel) expandieren lassen. Mit dem Ersatz der Metall-Flächtentariflohnerhöhunnen durch ein energie- und sachkapitalsteuer-finanziertes Zweiteinkommen für Jedrmann würde diese Kostenscheren-Stabilität-hin-zum-Crash beendet werden. Sanft und Kostenlos kommen wir aus dieser Crashperspektive nicht heraus. Der Exodus aus dem Crash-Pfad führt leider nur über eine öko-KREATIV-ORDOliberale Revolution unserer Wirtschaftweise und unseres Hightech-Lebensstils.
Wettbewerb?
1. Belegen nicht...
Wettbewerb?
1. Belegen nicht die Krisen des Kapitals – die von Anfang an, und noch mehr die der letzten Jahrzehnte -, dass das alles eben genau so nicht funktioniert, bestenfalls im Modell?
2. Und ist nicht die aktuelle Krise der (neuerliche) Beleg dafür, dass die Versuche, die Wirklichkeit nach diesem Modell zu formen, zu immer schlimmeren Krisen führen?
3. Was erzählen wir eigentlich den zurzeit 1 Milliarde Menschen auf diesem Planeten (und die Krise soll dem noch mal 200 Millionen zuführen), die definitiv keinen Zugang zu „auf eine sozialverträgliche Art und Weise einigermaßen bewegliche(n) Löhne(n)“ haben, nämlich, weil sie gar keine Löhne haben; und damit erledigt sich auch der Zugang zu den Produkten des Marktes – für diese Leute?
4. Und last not least: Was soll das Gerede von „Wettbewerb“ in der Epoche der Herrschaft des transnationalen Kapitals? Es gibt vielleicht einen Wettbewerb zwischen diesem Kapital und den Resten an Nationalstaaten – einen ziemlich asymmetrischen -, das war‘s dann aber auch!