Chaos as usual

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Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Madoff schafft Vertrauen

| 27 Lesermeinungen

Bernard „Bernie" Madoff hat das Vertrauen getötet, schreibt die FTD heute. Vom Vertrauen der Anleger in die Gilde der professionellen Vermögensverwalter ist die Rede: mit beiden Händen hat er es wohl an der Kehle gepackt und dann zugedrückt, der Bernie Madoff, kaltblütig und erbarmungslos, solange, bis es schließlich keinen Japser mehr machte und besinnungslos zu Boden fiel. Und jetzt ist es dahin - mausetot, kaputt, nichts mehr zu machen. On the fly hat er ein paar Milliarden eingesackt, um es mit Friends & Family zu verpulvern, hat Geld veruntreut, das ihm nicht gehörte, „Other Peoples' Money" - bekanntlich schon für Danny Devito Inspiration und innerer Antrieb, der Stoff, der ihm ein freches Grinsen entlockte, wenn auch nur im gleichnamigen Film. Aber Madoff ist echt, ein Charakter aus Fleisch und Blut, ihn kann man anfassen, mit bloßen Händen; das Geld hingegen nicht mehr - das ist futsch. Soundsoviele Anleger, die Madoff ihre Spargroschen anvertraut haben, würden ihn auch gerne anfassen, mit bloßen Händen - oder besser: Fäusten, noch besser: Baseballschlägern. Ginge es nach dem Willen dieser Menschen, dann wären die 150 Jahre im Knast, die der Richter dem 71-jährigen heute aufgebrummt hat, eine wahrlich milde Strafe im Vergleich zu dem, was ihm ansonsten vielleicht auf offener Straße zugestoßen wäre, nach Einbruch der Abenddämmerung.

Bernard „Bernie“ Madoff hat das Vertrauen getötet, schreibt die FTD heute. Vom Vertrauen der Anleger in die Gilde der professionellen Vermögensverwalter ist die Rede: mit beiden Händen hat er es wohl an der Kehle gepackt und dann zugedrückt, der Bernie Madoff, kaltblütig und erbarmungslos, solange, bis es schließlich keinen Japser mehr machte und besinnungslos zu Boden fiel. Und jetzt ist es dahin – mausetot, kaputt, nichts mehr zu machen.

On the fly hat er ein paar Milliarden eingesackt, um es mit Friends & Family zu verpulvern, hat Geld veruntreut, das ihm nicht gehörte, „Other Peoples‘ Money“ –  bekanntlich schon für Danny Devito Inspiration und innerer Antrieb, der Stoff, der ihm ein freches Grinsen entlockte, wenn auch nur im gleichnamigen Film. Aber Madoff ist echt, ein Charakter aus Fleisch und Blut, ihn kann man anfassen, mit bloßen Händen; das Geld hingegen nicht mehr – das ist futsch. Soundsoviele Anleger, die Madoff ihre Spargroschen anvertraut haben, würden ihn deshalb auch gerne anfassen, mit bloßen Händen – oder besser: Fäusten, noch besser: Baseballschlägern. Ginge es nach dem Willen dieser Menschen, dann wären die 150 Jahre im Knast, die der Richter dem 71-jährigen heute aufgebrummt hat, eine wahrlich milde Strafe im Vergleich zu dem, was ihm ansonsten vielleicht auf offener Straße zugestoßen wäre, nach Einbruch der Abenddämmerung.

Dem Vertrauen nützt aber auch die schlimmste Strafe nichts mehr, weil das ist wie gesagt tot und erledigt. Oder doch nicht? Der unbeteiligte Beobachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Vertrauen an den Finanzmärkten offenbar eine ziemlich zähe Natur ist – und keineswegs so leicht umzubringen, wie bisweilen angenommen. Nun ist das in jedem ordentlichen B-Movie, das auf sich hält, auch nicht anders: da kehrt die längst tot und steif geglaubte Leiche noch mal zurück, für den eigentlichen Höhepunkt der Handlung, zumeist, um unter pubertierenden College-Schülerinnen ein blutiges Massaker zu veranstalten, vermittels blank geschliffener Küchenutensilien oder benzinbetriebener Gartenwerkzeuge. Aber kurz danach fällt dann immer der alles entscheidende Schuss, durch den hereinstürmenden Cop, der im Streifenwagen zufällig vorbeigefahren kam, oder – als gern genommene Variante – durch das hässliche, zahnspangenbewehrte Klassendummchen, das die im Handgemenge auf den Esszimmerboden fallende Pistole des Polizisten aufnimmt und sie mit zitternden Händen auf den bereits schwer entstellten Untoten richtet, wobei sich irgendwie ein Schuss löst, der dem makaberen Treiben schließlich ein Ende bereitet. Jetzt erst wird die vermeintliche Leiche endgültig zu einer solchen, zumindest für diesen Teil der zukünftigen Trilogie, weil das kennen wir aus Hollywood natürlich nur zu gut: Fortsetzung folgt.

Soweit es das Anlegervertrauen betrifft, befinden wir uns offenbar längst in einem Sequel, denn wäre es tatsächlich ein so fragiles Gemüt, wie die Kläger im Fall Madoff behaupten, es wäre schon vor Jahrzehnten freiwillig aus dem Leben geschieden. Spätestens in den 80ern, den „Greedy Eightees“, der Ära der Ivan Boeskys, Michael Milkens und Dennis Levines. Wenn es überhaupt lebend bis in die 80er gekommen wäre, denn bereits ein bis zwei Jahrzehnte früher hätten solch illustre Figuren wie Bernie Cornfeld zweifelsohne einen schweren Härtetest bedeutet, an dem sicherlich viele zartbesaitete Frohnaturen gescheitert wären. Aber selbst wenn es die 70er überlebt hätte und die 80er auch, um die Jahrtausendwende wäre dann definitiv Schluss gewesen: aus, vorbei, die „New Economy“ und die in ihrem Fahrwasser schwimmenden Schwindler und Betrüger hätten ihm den Gar aus gemacht, es zerstückelt, in Müllsäcke verpackt und im Wald verscharrt. Und nie wieder hätte man es zu Gesicht bekommen!

Doch nichts dergleichen: es war einfach nicht tot zu kriegen, das Anlegervertrauen, kehrte regelmäßig immer wieder zurück, trotz der vielen bösen Menschen, die hinter ihm her waren, um es auf das Schlimmste zu missbrauchen, die Schurken, die an den Finanzmärkten ihr Unwesen trieben; und nicht nur das, zumeist kam es sogar zu zweit, seine feiste Schwester im Schlepptau – die Gier – und gemeinsam legten sie dann wieder so richtig los; gerade so, als wäre nichts gewesen. Ist das Anlegervertrauen also unverwüstlich?

Meine These lautet: solche Mega-Betrüger wie Madoff zerstören das Vertrauen keineswegs, sondern ganz im Gegenteil: sie stärken es. Durch die schiere Größe ihrer Untaten ziehen sie die gesammelte Schlechtigkeit des Systems auf sich und absorbieren sie, die vielen großen und kleinen Betrügereien an den Finanzmärkten. Sie geben dem Verbrechen ein Gesicht und dem Verrat einen Namen: Madoff! Ja, Madoff, der ist es, holt ihn Euch, dann wird alles gut! Bevor Madoff nicht hinter Schloss und Riegel sitzt, können die Dinge nicht mehr so sein wie früher, damit alles wieder in Ordnung kommt, muss Madoff bestraft werden; aber sobald das geschehen ist, können wir weitersehen, dann kann in die Märkte wieder Ruhe einkehren.

Betrüger wie Madoff helfen uns, unser Misstrauen zu verarbeiten. Wenn ein großer Fisch erwischt und aus dem Verkehr gezogen wird, dann werden die kleineren Vergehen erträglicher. Die Institutionen haben dann ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt – die Wertpapieraufsicht, die Strafverfolgung, das Gesetz. Schaut nur: Da sitzt er jetzt, im Knast, die nächsten 300 Jahre! Das System – es funktioniert: Anlagebetrug lohnt sich nicht, die Verbrecher werden gefasst. Hurra!

Vertrauen ist à priori nicht begründbar, sondern muss gelernt werden. Dies geschieht durch Generalisierung, in dem singuläre Vertrauensurteile verallgemeinert werden, und schließlich Erwartungen unabhängig vom spezifischen Erfahrungshintergrund prägen. Wenn das funktioniert, dann wird Vertrauen zum ganz großen Möglichmacher, unter anderem von Märkten und insbesondere natürlich Finanzmärkten. Wenn das Vertrauen aber nicht mehr da ist, dann werden auf Märkten nur noch „Zitronen“ gehandelt, wie es der Nobelpreisträger Akerloff ausdrückte: nichts geht dann mehr, weil alle Beteiligten fürchten, systematisch übers Ohr gehauen zu werden. Das aber kann sich kein Markt leisten, und schon gar nicht der größte Finanzmarkt der Welt. Darum werden Fälle wie der von Madoff in USA immer auch in aller Öffentlichkeit ausgeschlachtet, der Delinquent multi- und cross-medial vorgeführt, im Primetime-TV und auf den Titelseiten der großen Blätter: „Seht her, das ist er! Wir haben ihn!“ – Der Beweis ist erbracht: das System funktioniert.

Das Vertrauen erfreut sich also – trotz oder gerade wegen Madoff – bester Gesundheit.


27 Lesermeinungen

  1. lemming sagt:

    Ich vermute, das...
    Ich vermute, das Anlegervertrauen ist darum so robust, weil es im Grunde Selbstvertrauen ist, und zwar in dem Sinne, dass man annimmt, die Mehrheit der anderen sei noch dümmer als man selbst. So entstehen Märkte – und insbesondere natürlich Finanzmärkte…

  2. Bernhard sagt:

    Keiner gibt gerne Fehler zu....
    Keiner gibt gerne Fehler zu. War da nicht eine Psychostudie, die besagt, dass Menschen gerne Fehler wiederholen; also gerne auf die gleiche Betrügerei hereinfallen.
    Kommt der Ganove: Tja, Ihr Geld ist futsch. Labber, Rhabarber. Da müssen Sie das doppelte investieren, dann holen wir alles zruück und noch viel mehr. Guckt Euch doch mal die Bärenmarktrallye-Zocker an.
    Thomas braucht da nicht in die Vollen zu gehen. Vertrauen beruht häufig auf eine besondere Form der „Dummheit“. Das heißt Vertrauen ist stabil. Ressentiments halten sich auch bei entgegengesetzter Wirklichkeit doch recht lange, nicht wahr? Werden nicht gerade Bärenmarktenthusiasten bei ihren Wetteinsätzen wieder einmal mehr enttäuscht, wie schon die Monate zuvor?
    Gibt es hierzu Aussagen in der Systemtheorie, ketzerisch gefragt? Systemtheorie ist doch hier in Mode. und die Spieltheorie nicht. Schade.
    Gruß
    Bernhard

  3. lemming sagt:

    @bernhard
    Gut gefragt! :...

    @bernhard
    Gut gefragt! : <>
    Jede, die du dir vorstellen kannst (nämlich alle, die irgendjemand anders schon ohne Systemtheorie gemacht hat), gibt es IN der Systemtheorie, aber es gibt keine DER Systemtheorie, das ist nämlich „theoretisch“ ausgeschlossen… oder „systemisch“, die Systemtheorie macht nämlich keine Aussagen, mit sowas gibt sie sich gar nicht ab, sie macht nur Aussagen ÜBER Aussagen und die besagen immer, warum die besagte Aussage ausgesagt werden MUSSTE, systemlogisch gesehen…
    Aber ich sehe schon, ich kriege hier noch einen Systemtick, trotz aller guten Vorsätze, also psssttt.. nichts mehr davon!

  4. Kennen sie das Goethe Zitat:...
    Kennen sie das Goethe Zitat: „Mein Freund, entschuldige meinen langen Brief, ich hatte keine Zeit für einen Kurzen!“ Werden Sie pro Zeile bezahlt?

  5. Ich sagt:

    Also ich finde die Strafe...
    Also ich finde die Strafe schon krass. Madoff ist doch nur ein Betrüger. Für Mord kommt man wohl kaum 150 Jahre hinter Gitter. Ich hätte höchstens 10 Jahre für angemessen gehalten. Eine Widerholung durch Madoff bräuchte man wohl nicht befürchten.
    In meinen Augen ein politisches Urteil.

  6. mylli sagt:

    @ lemming
    Stimmt, wir ÖSIS...

    @ lemming
    Stimmt, wir ÖSIS sind z.B. 8 Millionen begnadete Kicker, bis auf die ca. 20, die halt leider die Nationalmannschaft bilden.
    @ Hausherr
    Können wir darauf vertrauen, dass wir uns alle nicht betrügen (oder dass wenigstens nicht wir alle uns betrügen)? Tun wir das nur aus Angst vor Strafe nicht?
    Ist ein Vertrauen darin, dass wir uns auch für unser gemeinsames Wohl sorgen, nicht bedingungslos?

  7. flatter sagt:

    Systemtheorie hin,...
    Systemtheorie hin, Spieltheorie her, im Jahr des Darwin erweist sich einmal mehr, daß soziale Kontrolle systembildnerisch und stabilisierend wirken kann – wenn sie stattfindet. Daß der Tausch nicht auf die Kunst der Täuschung reduziert wird, leistet gemeinhin die Gemeinschaft der Tauschenden, die auf eine für alle nachvollziehbare Lebenswelt angewiesen ist. „Vertrauen“ ist nur angebracht, wo die Basis in Form solcher sozialer Kontrolle angelegt wird.
    Das vielschichtige Problem abstrakter Märkte, die keine sind, weil sich die Tauschenden auf keinem Marktplatz mehr begegnen und selbst die Gerichtshöfe keine ordentlichen Schauprozesse mehr leisten, ist aktuell nicht zu lösen. Die Voraussetzungen für das „Vertrauen“, dessen Notwendigkeit die Handelnden erst allmählich erkennen, sind nicht einmal rudimentär vorhanden. Man möchte gern glauben, daß irgendwann irgendwie wieder Ordnung einkehrt. Diese Ordnung aber darf das gute Geschäft nicht beeinträchtigen, worin das Credo des aktuellen Neoliberalismus besteht.
    Im Grunde wollen sie aber kein Vertrauen. Eine soziale Dimension als Basis des Marktgeschehens? Wie soll das gehen? Wer will das wirklich?

  8. Sterngucker sagt:

    Bei vielen Bankpleiten seit...
    Bei vielen Bankpleiten seit 1950 (ca. 150), wie der Herstatt Bank – Pleite 1973, wurden damals noch die Verantwortlichen erst mal mit grün-weißen Taxis abgeholt und durften zumindest so lange, bis Hintergründe und Verantwortlichkeiten ermittelt waren, auf Staatskosten frühstücken.
    .
    Irgend wann in den Folgejahren bis heute hat dann eine Entwicklung stattgefunden, die der einzigartigen Spezies der Kapitalanleger, der man das Fell mehr als einmal über die Ohren ziehen kann, verbogen blieb.
    .
    Die Fallensteller heute, sind den Wildhütern immer einen Schritt voraus, so scheint es. Sie können ihre Beutetiere ob ihrer Dummheit in die Fallen zu laufen ungestraft verhöhnen, einer der Oberfallensteller, Hilmar Kopper, sich vor Millionenpublikum im Fernsehen hinstellen und beteuern, die stinkenden Köder die seinesgleichen auslegten, selbst natürlich nie angerührt zu haben. Den Wildhütern ist es dazu verwert, den Fallenstellern all zu dicht auf die Pelle zu rücken, Erkenntnisse zu der ganzen Wilderei gelten als Staatsgeheimnisse und bleiben Untersuchungsausschüssen verborgen.
    .

  9. FritzV sagt:

    Wie heißt es doch hier und...
    Wie heißt es doch hier und heute im Blatte: „Im Rahmen der allgemeinen Erholung der Börse in den vergangenen Wochen konnten auch die Finanzwerte deutliche Kursgewinne verzeichnen. Manche Papiere legten in den vergangenen Wochen um bis zu 440 Prozent zu.“ Das „Vertrauen“ ist also putzmunter. Dabei ist „Vertrauen“ eigentlich der falsche Terminus im Bezug auf Finanzwerte. „Vertrauen“ belege ich positiv, menschlich. Also nichts, womit ich die Finanzmärkte in Verbindung bringe. Bei spekulativen Finanzgeschäften geht es nicht um „Vertrauen“, sondern um Ein- bzw. Ausstiegszeitpunkte. Schulbuchmäßig laufen Börsen in Zyklen. Z.B. so: „Vertrauen“ schaffen, gerne auch durch einen Volksschauspieler, entspricht dem Einstiegsszenario. Volksaktie pushen, entspricht der „Milchmädchenhausse“. Dann, Kollaps, Ausstiegsszenario mit gleichzeitigem bashen des Volksschauspielers, hier Mad-off, der Ikone der Upperclass. Kann auch Cornfeld heißen. Hauptsache Bernie (wie war das doch noch gleich, IOS oder SOS ?)
    Komisch, daß nur diejenigen auf den armen Mad-off einschlagen, deren Kröten weggewandert sind. Von den „Gewinnern“ wollte offensichtlich keiner mit dem Baser auf den dauergrinsenden Bernie losgehen. Schneeball hin oder her. Und ich denke, die Leutchens sind auch deshalb so sauer auf den Magier (ach ne, das war ja Greenspan), weil er sie als die dümmsten der Dummen geoutet hat. Nach ihnen gab es einfach keinere größeren Idioten mehr. Aber keine Panik Leute: nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

  10. dehan2 sagt:

    Ist es nicht eher...
    Ist es nicht eher Risikofreudigkeit oder Spielleidenschaft oder gar Gewinnsucht anstelle von Vertrauen? Sind wir nicht alle noch Jäger und Sammler und die schwer erreichbaren und rotesten Früchte sind der Inbegriff der Begierde. Momentan verdienen sich nämlich an dem täglichen auf und ab der Finanzmärkte die Gewinnjäger dumm und dusselig.

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