Chaos as usual

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Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Der Nuklearsprengkopf in der Bundeslade oder: Die „Goldlösung ex ante" des Staatsschuldenproblems

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Bei einem weichgekochten Frühstücksei und dem Studium der Tagespresse stellt Thomas Strobl fest, dass die vom Sachbuchautor Paul C. Martin in den späten 80ern so genannte "Goldlösung ex ante" für das Problem der Staatsschulden offenbar noch immer in den Köpfen einiger prominenter Goldbugs herumspukt. Kein Wunder, denn dabei würden alle Währungen der Welt gegenüber Gold dramatisch abgewertet und im Umkehrschluss der Preis der Feinunze dramatisch nach oben schießen. Warum es aber so ziemlich sicher nicht kommen wird, erklärt er in diesem Beitrag.

Gestern verbrachte ich nach langer Zeit wieder einmal einen Tag in Wien. Ein wunderschöner Tag, wenn auch mit extremen Temperaturen, die selbst eingefleischte Strache-Sympathisanten daran erinnern sollten, dass Österreich untrennbarer Teil des Balkans ist: bereits gegen 9 Uhr morgens herrschte Rijeka, und spätestens ab 11:30 befand man sich zwischen Schwarzenbergplatz und Graben mitten im hochsommerlichen Dubrovnik. Abgesehen davon war Wien wie immer – „just Wien“ – und so ketzerisch das klingen mag, aber die Weltwirtschaftskrise tut der Atmosphäre der Stadt gut: keine 5 Millionen japanische Touristen auf den Straßen und in den feinen Läden der Kärntnerstraße kann man jetzt auch wieder ohne fließende Russischkenntnisse einkaufen. Darüber hinaus gibt man sich in den essenziellen Dingen des Lebens weiterhin traditionsbewusst, kocht das „weiche Ei“ zum Frühstück auch tatsächlich „weich“, was gar nicht anders sein darf, weil man sonst das Eigelb mit dem Kornspitz nicht austunken kann; etwas, was die Anderen, die Deutschen etwa, nie kapieren werden, weil bei denen sind auch die als „weich“ deklarierten Eier notorisch hart gekocht; aber wie sollten sie es auch verstehen, die Armen, sie haben ja auch keine Vorstellung davon, was ein echter Kornspitz ist, und unter derartigen Bedingungen stellt sich natürlich kein kulinarisches Bewusstsein ein.

So saß ich also im „Frauenhuber“ und genoss mein Frühstück, sehr zuvorkommend bedient vom korrekt gekleideten Herrn Ober, der obendrein durch beredten Smalltalk auszugleichen suchte, dass er mich eingangs für einen verdammten deutschen Touristen hielt. Wie meinen? Na, sooo lange war ich nun aber auch wieder nicht weg gewesen! Aber gut: vermutlich nichts weiter als die typische déformation professionelle des rot-weiß-roten Gastgewerbes – es sei ihm also verziehen. Sitze ich also wie gesagt so da im Frauenhuber, erfreue mich der riesigen Auswahl an Tageszeitungen (übrigens auch etwas, was die Deutschen nie begrei… aber OK, lassen wir das, hat eh keinen Sinn) und erblicke im Kulturteil des „Standard“ eine Grußbotschaft der Bregenzer Festspiele an die Hollywood-Filmstudios, sie wären auch in der nächsten James Bond-Produktion gerne wieder Schauplatz der Handlung:

Bühnenbild der Bregenzer Festspiele

(Quelle: Der Standard vom 23.07.2009)

Wobei sie dazugelernt haben, die smarten Vorarlberger Kulturmanager, denn während Tosca letztens wirklich nur als Kulisse für Agent 007 taugte, ist das diesjährige Bühnenbild von Aida – mit apartem Nuklearsprengkopf in maßstabgetreuer Replica der Bundeslade – multi-thematisch verwertbar, und nach allem, was man so hört, ist der nächste „Indiana Jones“ ja schon in der Mache.

Und damit kommen wir nun, nach kurzer – meinen sentimentalen Heimatgefühlen geschuldeter – Vorrede zum eigentlichen Thema dieses Beitrags: Gold & Atomblitz, Atomblitz & Gold. Passt nicht, meinen Sie? Wäre außerdem nach Gert Fröbe in „Goldfinger“ bereits ziemlich ausgelutscht? – Tzz… Sie haben ja keine Ahnung! Gucken wir mal gemeinsam in die „Financial Times“ vom letzten Mittwoch:

„How to liquidate the USA debts without entering the nuclear war?“

Steht dort auf Seite 3 in großen Lettern, no joke. Zwar nicht im redaktionellen Teil, sondern in der Anzeige eines gewissen „Anticrisis Settlement & Commodity Centre“, kurz ASCENT. Dahinter verbirgt sich wiederum der russische Geschäftsmann German Sterligoff, eine durchaus bemerkenswerte Persönlichkeit, die vom millionenschweren Oligarchen zum ultra-religiösen Eremiten mutierte, und ihre Botschaften auch im Netz unter der Adresse sterligoff.com in die große, weite Welt hinausträgt.

Wie werden die Amis also ihre Schulden los, ohne gleich einen Atomkrieg anzuzetteln? – Tja, dammned good question, sage ich da leise bei mir – erst jetzt realisierend, wie schlimm die große Anzeigenflaute offenbar auch Blätter vom Schlage einer FT bereits erfasst hat, sodass sie wirklich jeden Scheiß drucken müssen, für den irgendeiner zu zahlen bereit ist. Und außerdem hadere ich mit mir selbst, ärgere mich, dass mir der Titel nicht eingefallen ist, als ich seinerzeit meinen Beitrag über die Krugi-Schelte schrieb. Ich meine: Große Krisen schreien nach großen Überschriften, und da kommt mein „Konjunkturprogramm Weltkrieg“ ja doch eher lauwarm daher. „Atomkrieg“ – das wär’s gewesen! Aber andererseits: Ich lerne ja noch. Schauen wir also mal, was der Herr Sterligoff und sein Anticrisis Centre unter besagtem Titel der Welt ans Herz legen:

Die gesamten Schulden der USA beliefen sich auf über 100 Billionen Dollar, schreiben sie, und um aus denen realistischer Weise jemals wieder rauszukommen, bedarf es einer „force majeure“, sprich: einer Ausrede auf die „höhere Gewalt“, etwa folgender Machart (wenn ich sie für unsere amerikanischen Freunde formulieren dürfte): „Sorry Freunde, tut uns ja echt leid, dass wir Euch nix mehr zurückzahlen können, aber hey: ist ja wohl wirklich nicht unsere Schuld, gell?“

Derartige Formen „höherer Gewalt“ seien in der Geschichte immer wieder Revolutionen und Kriege gewesen – klaro, das wissen wir, seit der frühesten Antike hauen wir uns wegen der Kohle gegenseitig die Schädel ein – und angesichts der monumentalen Beträge neuzeitlicher Außenstände läuft unterhalb von „Atomschlag“ natürlich gar nichts.

    Muss aber ja gar nicht sein, schreibt Herr Sterligoff, weil neben der schuldbefreienden Wirkung hat so ein Atomkrieg ja auch eine ganze Reihe Nachteile, die man womöglich nicht in Kauf nehmen möchte. Daher sein Vorschlag zur Güte (Achtung Goldbugs, jetzt kommt Euer Part!): auf die goldgedeckte ASCENT-Währung umsteigen, die auf den schönen Namen „Golden“ hört. Originell, nicht wahr? Wusst‘ ich’s doch, dass Euch das gefällt!

    Was ihm dabei konkret vorschwebt, ähnelt dem Prozedere, dass der erst kürzlich hier präsente Sachbuchautor Paul C. Martin bereits in den späten 80ern als „Goldlösung ex ante“ beschrieb (und gleich auch wieder verwarf): Staaten werten ihre Währungen gegenüber Gold extremissimo ab, sagen wir mal spaßeshalber auf 1 Billion Dollar pro Unze, und zahlen dann ihre gesamte ausstehende Schuld mittels ein oder zwei Maple Leafs, Kruegerrands, Philharmoniker oder was sie halt sonst so in ihren Tresoren vorrätig haben. Martin schildert die Szene der fiktiven Schuldentilgung als eher surreal anmutende Gala-Vorstellung, bei der der Präsident der USA vor die auf der Ehrentribüne versammelten Staatsoberhäupter der Gläubigerstaaten tritt, eine kurze Ansprache hält und ihnen dann eine lausige Unze Gold vor die Füße wirft; was dann zunächst vor Ort unschöne, tumultartige Szenen und den Einsturz der Tribüne hervorruft, und Tags darauf den Zusammenbruch all derjenigen Länder, die – anders als Deutschland, die USA und eine Handvoll weiterer Staaten – zufälligerweise nicht LKW-Ladungen voll Gold ihr Eigen nennen und auch über keine nennenswerten Vorkommen im heimischen Boden verfügen.

    Das scheint auch Sterligoff zu wissen, denn in seiner FT-Anzeige beschreibt er die Auswirkungen seines Planes auf einzelne Nationen u.a. wie folgt:

    […] 4) As for China guess for yourself;  

    Tja, ganz genau: guess for yourself, ob die Chinesen als der mit Abstand größte Dollar-Gläubiger des Planeten eine solche Aktion wirklich witzig finden würden. Was uns geradewegs wieder zu den Nuklearsprengköpfen zurückbringt, von denen China ja durchaus ein paar auf Lager haben soll, und damit zurück auf Feld 1 der ganzen Misere.

    Vermutlich wird es also so, wie sich das Herr Sterligoff in seiner FT-Kampagne vorstellt, in der Praxis nicht ablaufen. Gleichwohl ist das beschriebene Verfahren – wenn auch in deutlich abgeschwächter Form – noch immer das prinzipielle Szenario, auf dem die feuchten Träume vieler Goldbugs beruhen, wie man sie in einschlägigen Blogs, Freiheitsforen und ähnlichen para-ökonomischen Selbsterfahrungs-Workshops zuhauf nachlesen kann. Von Frieden und Freiheit ist dort fast ständig die Rede, so wie auch in besagter Anzeige in der Financial Times. Aber mal ganz im Ernst: daran kann ich angesichts der skizzierten Auswirkungen, die den Globus einmal mehr aufteilen in „Haves“ und „Have-nots“, aber dieses Mal so richtig und im ganz großen Stil, ernsthaft nicht glauben. Eine derartige Goldlösung wird es daher bestimmt nicht geben; und jede andere, bei der zunächst die Goldparitäten der einzelnen Weltwährungen festgelegt werden und dann erst das Settlement der wechselseitigen Forderungen und Schulden stattfindet – eine „Goldlösung ex post“ also – ändert am Gläubiger-/Schuldnerstatus der einzelnen Länder überhaupt nichts: warum sie dann überhaupt in Erwägung ziehen?

    Weshalb meine feste Überzeugung seit jeher lautet: es wird im internationalen Währungsgefüge zu überhaupt keinem neuen Goldstandard kommen. Gold mag man schätzen oder nicht, Freunde, aber wer seine Vision von Reichtum, Friede und Freude auf der Erwartung eines zukünftigen Goldstandards aufbaut, hat in meinen Augen nur die Wahl, ob er lieber auf dem Holzweg oder dem falschen Dampfer reisen möchte.


    41 Lesermeinungen

    1. hacedeca sagt:

      @Michael Dietz
      .
      "Sag dem...

      @Michael Dietz
      .
      „Sag dem verwirrten Russen, von den 100 Billionen Dollar US-Schulden sind ungefähr 1/10 Auslandsschulden.“
      .
      Also würden unter einem kaum verschleierten Bankerott über eine Abwicklung der FED zugunsten einer staatlichen Notenbank ja eigentlich hauptsächlich die Amerikaner leiden? Na, das ist ja mal eine schöne Ausrede! Ob die Chinesen das froher stimmen wird?

    2. FinMike sagt:

      Und wie wäre es anstatt der...
      Und wie wäre es anstatt der kurzfristigen Entwertung mit einer gut gepflegten, rasant galoppierenden Inflation? Wäre doch sicher machbar, so ca. kommendes Jahr, oder?

    3. goodnight sagt:

      Yep, wenn selbst HG nicht mehr...
      Yep, wenn selbst HG nicht mehr an GOLD glaubt, yep, dann können wir das Thema endlich in die Bundeslade packen und verbuddeln.
      „Look at this. It’s worthless – ten dollars from a vendor in the street. But I take it, I bury it in the sand for a thousand years, it becomes priceless. Like the Ark.“
      Belloq (raiders of the lost ark)

    4. stroblt sagt:

      @Tippfehler
      .
      Danke für den...

      @Tippfehler
      .
      Danke für den staatstragenden Hinweis. Die Welt wäre ein schlechterer Ort ohne Leute wie Sie.

    5. rum sagt:

      FritzV, Ihre Warenkorbdeckung,...
      FritzV, Ihre Warenkorbdeckung, die Indexwährung, ist keine gute Lösung. Darüber ist viel geschrieben worden. Bei der Goldwährung geht es nicht um das objektive Wert, der alle wirtschaftlichen Realitäten transzendiert, auch wenn man naiv diesen Eindruck hat: es geht um den Mechanismus, der räumliche und zeitliche Stabilität in einer Art fördert, für die es internationealen Konzens ohne viel Juristerei leicht zu haben ist, die zwar viel geldpolitischen Spielraum, aber wenig Spielraum für Schwindel und Finanzierung mit Inflation läßt. Natürlich hat die Goldwährung auch große Nachteile. Nur, ebenso die Kritiker wie die Schwärmer scheinen wenig Ahnung zu haben, wie die Goldwährung funktioniert.

    6. For 72 years, the building at...
      For 72 years, the building at the intersection of Bullion Boulevard and Gold Vault Road in Fort Knox, Kentucky has symbolized the financial strength of the United States of America. The United States Bullion Depository, better known as Fort Knox, is said to contain 147.3 million troy ounces of gold, over half the nation’s total reported gold bullion holdings of 261.5 million troy ounces. The remaining 114 million ounces are said to be stored at the Denver and Philadelphia Mints, the West Point Bullion Depository, and the San Francisco Assay Office. Assuming a price of $1,000 / ounce, the nation’s gold is worth $261.5 billion. If the metal is actually there, it represents the largest sovereign stockpile of gold bullion in the world.
      However, the gold holdings of the U.S. have not been audited in more than 50 years. One reason given for the lack of an audit is that it would be “too expensive” to conduct one. An audit would cost a few million dollars, at most, so using cost as a reason for not performing it strains belief when placed in the context of the country’s Fiscal Year 2009 deficit of $2,000,000,000,000.00+, and federal debt of $11,600,000,000,000.00+. It is curious that one of the few places within the government where costs appear to be of concern relates to an audit of the one, true monetary asset possessed by the American people.

    7. Agnostiker sagt:

      Diese Krise ist nur zu...
      Diese Krise ist nur zu bewältigen, wenn sie long/short differenziert analysiert und durch den Anleger hebelgerecht bei den Hörnern gepackt wird. Einfach wird es jedenfalls nicht. Glück auf!

    8. FritzV sagt:

      @rum25. Juli 2009,...
      @rum25. Juli 2009, 14:27
      >>FritzV, Ihre Warenkorbdeckung, die Indexwährung, ist keine gute Lösung. Darüber ist viel geschrieben worden.<< W-rum nicht? Sie scheinen sich ja ein bisserl mit BWL/VWL auszukennen. Würden Sie vielleicht mal ein paar Pros und Contras diesbezüglich nennen wollen? Wußte vorher gar nicht, daß es das schon gibt. Ist wirklich auf meinem Mist gewachsen (und das als nicht BW-/VWLer. Kein Scherz, beim Teutates) und lehnt sich an die Idee an, daß, ich meine unter Adolf oder in der Zeit davor, schon mal jemand auf die Idee kam, die Reichsmark an "die stündliche Arbeitsproduktivität eines deutschen Arbeiters" zu koppeln. Habe mich diesbezüglich eben schon mal ein wenig im Netz umgesehen, aber etwas aktuelles, brauchbares habe ich nicht gefunden. Eins dürfte doch aber wohl klar sein, das heute angewandte Verfahren mit einem ständigen Plus in der Geldversorgung ist zwar besser als jegliche Tendenz zur Deflation, doch werden dabei die Sparer, Versicherten und Gläubiger von Geldforderungen laufend an ihrem Vermögen gekürzt, man kann auch sagen: bestohlen. Während die Börsen gleichzeitig von einer Liquiditätshausse zur nächsten hasten. Übrigens, Sophia ist ein schöner Name.

    9. Domenq sagt:

      Wiener Nonchalance verklärt...
      Wiener Nonchalance verklärt die grosse Krise. Für „Schmäh“ als Beitrag zur Nicht-Lösung der Manilulationen sind wir dankbar. Auch wenn „Stuss“ heraus kommt, so ist es immer noch „Staats-tragender Stuss mit Kultur“.
      Gold repräsentiert den Wunsch, die Papiergeld-Manipulation der herrschenden Klasse zu beenden – nicht mehr und nicht weniger…

    10. Huckbart sagt:

      So ein Journalistengeschwätz...
      So ein Journalistengeschwätz ! Der Artikel ist so komisch geschrieben, so „gelallt“ von vorne bis hinten. So „möchte gerne“ – als wäre alles so furchtbar toll.
      Wien „just“ Wien – so ein saudummes Geschwätz.
      Mit solchen Artikeln können mir die Journalisten nicht kommen, sollen sie bitte klar und deutlich schreiben was sie meinen.
      Zitat:
      Weshalb meine feste Überzeugung seit jeher lautet: es wird im internationalen Währungsgefüge zu überhaupt keinem neuen Goldstandard kommen. Gold mag man schätzen oder nicht, Freunde, aber wer seine Vision von Reichtum, Friede und Freude auf der Erwartung eines zukünftigen Goldstandards aufbaut, hat in meinen Augen nur die Wahl, ob er lieber auf dem Holzweg oder dem falschen Dampfer reisen möchte
      Aha, mal wieder eine ANTI-Gold-Artikel. Hört Hört. Was kriegt den der Schreiber dafür, daß er mal wieder gegen Gold wettert.

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