Chaos as usual

Chaos as usual

Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Bonus-Banker, Blaubeer-Spekulanten & Politische Interventionisten

| 21 Lesermeinungen

Jetzt, wo bekanntlich die Krise vorbei ist und der V-förmige Aufschwung vor der Tür steht, ist es vielleicht nicht mehr so arg wichtig, dass wir eine in...

Jetzt, wo bekanntlich die Krise vorbei ist und der V-förmige Aufschwung vor der Tür steht, ist es vielleicht nicht mehr so arg wichtig, dass wir eine in Wirtschaftsdingen so beschlagene Frau Bundeskanzlerin haben. Aber trotzdem: Wie Frau Merkel bereits in jungen Jahren ihr Talent für die Blaubeer-Arbitrage unter Beweis gestellt hat, das nötigt einem einfach professionellen Respekt ab: In durchaus riskanten private-to-public-Transaktionen den goldenen kapitalistischen Grundsatz „Buy low – Sell high“ verwirklicht und dabei Gewinnspannen von 100% eingefahren – die Rendite-Maximierer unserer Tage erblassen vor Neid. Kein Wunder daher, dass sich der Joe so gut mit der Angie versteht, wo die ihm und seinen läppischen 25% doch jederzeit die lange Nase drehen kann.

Aber bei aller Bewunderung ist doch ein Wort der Kritik angebracht: Wäre Klein-Angie seinerzeit erwischt worden, als sie den Arbeiter- und Bauernstaat mit ihren Strohmanngeschäften finanziell über den Tisch zog, Schimpf und Schande wären ihr wohl sicher gewesen. Vor allem aus politischen Kreisen hätte sie wohl ganz ähnliche Moralpredigten zu hören bekommen, wie sie die erwachsene Frau Bundeskanzlerin heutzutage den rendite- und bonusgeilen Bankern hält, dass sie nämlich gierig und selbstsüchtig sei und ihren eigenen Profit auf Kosten der Allgemeinheit erzielt.

Aber da hätte sich Angie, das Kind, womöglich zur Wehr gesetzt, hätte eine Unschuldsmiene aufgesetzt und ein fröhliches Kindchen-Grinsen, wie sie Jahrzehnte später zum festen Bestandteil des professionellen Mimik-Repertoirs aller Bailout-Banker dieser Welt geworden sind, und gesagt:

„Aber das ist doch nicht verboten!“

Tja, meine sehr verehrten Kritiker der internationalen Finanz- und der sozialistischen Blaubeer-Spekulation: An dieser Stelle müssen wir uns eine simple aber nichtsdestoweniger entscheidende Wahrheit vergegenwärtigen: Verboten ist das alles tatsächlich nicht. Und wie heißt es so schön in unserer liberalen freemarket-Economy, in der sich die „Freien“ nach Lust und Laune entfalten dürfen? – „Was nicht ausdrücklich verboten ist, das ist erlaubt!“

Caramba – so ist es!

Und an dieser Stelle sollten wir uns mal eine Minute Zeit nehmen, um Jürgen Habermas zu würdigen, nicht nur, weil er vor kurzem 80 geworden ist, sondern weil er bereits vor Monaten in einem Interview mit der ZEIT etwas sehr Richtiges gesagt hat, sinngemäß: Die Politik soll aufhören, über Moral, Werte, freiwillige Codices, Gentlemens agreements und ähnliche Transzendalien zu quatschen, und endlich ihrer gesetzgeberischen Verantwortung nachkommen.

Und wer möchte sich dieser Aufforderung nicht anschließen? Aber genau das tut die Politik ja nicht. Allen voran unsere in Blaubeeren-Geschäften so versierte Frau Bundeskanzlerin und ihre regierenden, schwarzen Parteigenossen scheuen sich in Wahrheit davor, wie der Teufel vor dem Weihwasser. Denn es gehört zum verqueren Weltbild der so genannten „Konservativen“, dass Ordnung zwar sein muss – aber staatliche Regelung oder gar gesetzlicher Zwang? – Pfui gacks, geht gar nicht! Daher ist Deutschland auch dieses merkwürdige Land, in dem das wohlfeile politische Geschrei in einem auffallend krassen Missverhältnis zur gesetzgeberischen Initiative steht. Notabene: in Wirtschaftsdingen, und nur in Wirtschaftsdingen, auf dem Gebiet der „gewöhnlichen“ Bürgerrechte ist man da wesentlich weniger zimperlich, wie diverse legislative Projekte der jüngeren Vergangenheit unter Beweis stellen.

„Wenn es freiwillig nicht funktioniert, muß der Staat die Regeln setzen. Und das wird er auch tun“, tönt Norbert Röttgen, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Gut gebrüllt Löwe – aber mal im Ernst: Wer wollte ihm das abkaufen? Wir Bonus-Millionäre und Blaubeeren-Arbitrageure wissen doch insgeheim alle, dass da einmal mehr einer nur den starken Mann markiert, wo er in Wahrheit längst vor der eigenen Ideologie kapituliert hat. Und falls doch die angedrohten „Regeln“ kommen, dann nur, weil wir sie uns selbst geschrieben haben, oder besser: unsere internationalen Law firms, die haben in solchen Dingen ja reichlich Erfahrung, wie uns das Haus zu Guttenberg jüngst wissen ließ.

Und deshalb, meine lieben Freunde, werden sich die Dinge in Deutschland auch weiterhin nicht ändern. Und diese seltsame Epoche des strukturellen Liberalismus bei gleichzeitiger Maximierung der spontanen, politischen Intervention kann weitergehen; diese lustige Zeit, in der sich der Staat laut offizieller Diktion aus allem und jedem raushalten soll, sich aber gleichzeitig dazu veranlasst sieht, in ebensovielen Angelegenheiten ad hoc tätig zu werden, vom Erscheinen des nächsten Quelle-Katalogs bis zur offenbar „systemischen“ Frage, welcher Glückliche sich nun dieses Posterchild von bankrottem Automobilkonzern namens Opel ans Bein binden darf.

Und in der Tat, das ist „systemisch“: Die Politik liebt nämlich die Intervention, denn Intervention erzeugt Helden, verschafft positives Medienecho, erhöht die Umfragewerte. Wo wäre die deutsche Politik in der öffentlichen Meinung, wenn sie der Wirtschaft tatsächlich einen adäquaten ordnungspolitischen Rahmen gesetzt hätte? Wenn Banken mir nix dir nix pleite gehen dürften, weil sie dabei nicht gleich die ganze Volkswirtschaft mit in die Tiefe reißen? Oder wenn eine sektoral ausgeglichene Volkswirtschaft einen temporären Einbruch der Exportnachfrage einfach so im Binnenkonsum ausgleichen könnte? Pahh – nicht auszudenken! Dann wäre ja nix mehr los in diesem Land.


21 Lesermeinungen

  1. lemming sagt:

    @odradek
    Nein,...

    @odradek
    Nein, Subventionsbetrug war das nicht. Sie hat ja keine Subventionen bekommen, sondern nur ausgenutzt, dass es welche gab („Arbritrage“ ist da wohl doch richtig). Kinder verstehen den Kapitalismus eben am besten. Darum werden wir auch von Kindsköpfen regiert.

  2. Klaus sagt:

    Ja, ja es wird mal wieder...
    Ja, ja es wird mal wieder nichts passieren obwohl der Laden schon reichlich schief liegt. Und natürlich haben die Damen und Herren Politiker unserer heutigen Situation den entscheidenden Vorschub gegeben.
    Doch sollten wir uns alle fragen, ob es damit abgetan sein kann unsern Politiker die Schuld zu geben und dann den Hintern doch nicht vom Sofa zu bekommen um unser Land nicht weiter verkommen zu lassen. Die nächsten Wahlen werden es zeigen ob Deutschland weiter belogen sein möchte.
    Schau mer mal.

  3. bob sagt:

    von und zu Guttenberg und...
    von und zu Guttenberg und Papst Benedikt machen jetzt erstmal den Wirtschaftsaufschwung.

  4. Guter Text, wenn sie schreien...
    Guter Text, wenn sie schreien hat man genau ins Schwarze getroffen.
    Die einzige Funktion der Lobbyparteien der Wirtschaft ist nämlich ihrer Gesetzgebungspflicht nicht nachzukommen und somit den nützlichen Zustand der Rechtlosigkeit für die Wirtschaftskriminellen aus der Verwand- oder Bekanntschaft herzustellen.
    Die FDP existiert eigentlich nur aus diesem Grund in unserem Land. Ihr Job ist es für größtmögliche Gesetzeslücken zu sorgen.
    Somit ist es nachher unmöglich irgendeinen Gauner zur Verantwortung zu ziehen.
    Das klappt doch vorzüglich. Sie machen ihren Job wirklich 1a.
    Da ist noch kein Banker hinter Gitter in good old germany und das bleibt auch so.
    Wo kämen wir da auch hin , wenn die Großkriminellenen auf einmal zur Verantwortung gezogen werden.
    Wer soll denn dann die Gastronomie mit Champuspartys ankurbeln?
    Ach sorry ich vergaß, daß würden dann ja die Malocher machen. Ohne volkswirtschaftliche Schäden in Billionenhöhe könnte die Wirtschaft ja schließlich höhere Löhne zahlen.

  5. annoknips sagt:

    @dunnhaupt: Wo bitte konnte...
    @dunnhaupt: Wo bitte konnte man denn monatlich 100 Ost- in 100 Westmark umtauschen? Ist jetzt zwar eh zu spät, interessieren würde mich das trotzdem mal…

  6. Oh je, Herr Kupner.
    Es weht...

    Oh je, Herr Kupner.
    Es weht der Epochenwechsel, es weht der Hauch großer Geschichte.
    Was sie und ihre IM Erika nur nicht mitbekommen zu haben scheinen: wir leben bereits mitten drin, es gibt nichts mehr zu regeln und zu steuern, vorzubereiten und zu arrangieren. Die Maschine hat längst zugepackt, die telematische Gesellschaft ist seit 30 Jahren im Entstehen und alle Indices und Charts des Stockexchange hängen unlängst an dieser Kybernetik, Es gibt kein neues Zeitalter, in dem eine deutsche Kanzlerin der Welt vorsitzen wird. Wir leben in der Erlösung durch Verödung.
    Es ist die Politik der Maschine, die jedes Getue durch Menschenhand überflüssig gemacht hat, da die Maschine und die Apparate zuverlässiger entscheiden.
    Ich mag ja ihren Ansatz, systemintegrierend zu denken…Frederic Vesters…nicht wahr…und dass das Wachstum so nicht weiter wachsen kann und das alles. Doch nicht nur der von ihnen zurecht gescholtene Habermas, auch sie kicken tote Pferde.

  7. websimultan sagt:

    Und wie heißt es so schön in...
    Und wie heißt es so schön in unserer liberalen freemarket-Economy, in der sich die „Freien“ nach Lust und Laune entfalten dürfen? – „Was nicht ausdrücklich verboten ist, das ist erlaubt!“
    Hier freut sich der Neid am Schaden des anderen. „Manche Güter sind wie Freskogemälde, welche man wohl zerstören, aber nicht wegnehmen kann“, sagt unser Philosoph Leibniz, dabei hat er jedoch nicht an die menschliche Gier gedacht, die auch das – bis zum Totalverlust – doch noch vermag.
    Der US-Immobilienmarkt in 2008 war/ist(?) nicht nur einfach der liberale freemarket-Economy. Er konnte weltweit Anlagendruck von den Banken nehmen und dabei die Gier der Banker befriedigen… mit einer gut eingeführten Ratingagentur als Katalysator. Und wenn der ganze Schnee verbrännt… die Asche (der betrogene Betrüger) bleibt uns doch. Dass er nun wie ein Phönix… und im weißen Hemde da stehen kann… ziehen die Steuerzahler ihn aus dem Schlamassel.

  8. Richter169 sagt:

    Ich frage mich, wieso erzählt...
    Ich frage mich, wieso erzählt sie jetzt plötzlich soviel aus ihren Leben? Stimmen die Stories die sie da sagt? Da habe ich doch meine Bedenken.
    Bis dann
    LG von Richter169

  9. ads sagt:

    Gebote und Gestze, die das...
    Gebote und Gestze, die das „Zusammenleben“ regelnprivat und geschaftlich sollten verstandlich sein und wer daruber hinaustritt muss dafur sich selbst beschuldigen. Alles andere ist Pharisaertum und sollte in die Schranken verwiesen werden basierened auf normalem, unverkorkstem menschlischem Denken (commen sense). Die christliche Doktrienen sollten dafur ein Vorbild sein ohne die historischen Auswuchse. Ob dies aber der Welt hilft is fraglich aber ein Bollwerk in der Flut konnte Deutschland den Ruf einer Nation von Geist, Geschichte und Wissen gut bekommen. Guter Menschenverstand und Respect fur den Mittelstand, der hoch respected und anerkannt ist in der ganzen Welt das erwarted die Welt von Deutchland. Keine grossen amerkanische „phrasen“ Idioten in deutsch. In den Staten mochte sie schon lange at acta legen aber das geht hoffnungslos daneben, denn zu viele dumme Nachamerstaten haben nicht begriffen dass dieses USA kaput ist und sie gerne Hilfe annehmen wurden.
    ……Aber alle haben schiss davor den Staten die Stirn zu bieten and zu sagen „FO“ or „get lost“.

  10. pjk sagt:

    Etwas verspätet: Ja, guter...
    Etwas verspätet: Ja, guter Artikel, und ein wichtiger Punkt. Da dürfte sich doch auch der Halbgott freuen. Natürlich ist der Ad-hoc-Interventionsstaat ein schwacher Staat, auf allen Seiten anfällig für Einflußnahme von Partikularinteressen und mit allen denkbaren Möglichkeiten politischer Akteure zu „opportunistischem Verhalten“. Und es scheint mir auch die Quintessenz derzeitiger christdemokratischer Politik zu sein, mit der Minimierung von transparenter Regulierung umso mehr Raum für derart Ad-hoc-Intervention und die damit einhergehenden Optionen von Insidern zu öffnen. (Die Volatilität der V- und W-Ausschläge wird viele vordergründige Anlässe zum Intervenieren bieten.) – Und auch Linklater hat für Ex-Politiker doch gewiß ein paar nette Posten zu vergeben, und wenn nicht Linklater selbst, dann andere damit personell verbundene Großunternehmen.

Kommentare sind deaktiviert.