Chaos as usual

Chaos as usual

Wer sich heutzutage in den Straßenschluchten des Kapitalismus bewegt, muss aufpassen, von einstürzenden Paradigmen und herabfallenden

Bonus-Banker, Blaubeer-Spekulanten & Politische Interventionisten

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Jetzt, wo bekanntlich die Krise vorbei ist und der V-förmige Aufschwung vor der Tür steht, ist es vielleicht nicht mehr so arg wichtig, dass wir eine in...

Jetzt, wo bekanntlich die Krise vorbei ist und der V-förmige Aufschwung vor der Tür steht, ist es vielleicht nicht mehr so arg wichtig, dass wir eine in Wirtschaftsdingen so beschlagene Frau Bundeskanzlerin haben. Aber trotzdem: Wie Frau Merkel bereits in jungen Jahren ihr Talent für die Blaubeer-Arbitrage unter Beweis gestellt hat, das nötigt einem einfach professionellen Respekt ab: In durchaus riskanten private-to-public-Transaktionen den goldenen kapitalistischen Grundsatz „Buy low – Sell high“ verwirklicht und dabei Gewinnspannen von 100% eingefahren – die Rendite-Maximierer unserer Tage erblassen vor Neid. Kein Wunder daher, dass sich der Joe so gut mit der Angie versteht, wo die ihm und seinen läppischen 25% doch jederzeit die lange Nase drehen kann.

Aber bei aller Bewunderung ist doch ein Wort der Kritik angebracht: Wäre Klein-Angie seinerzeit erwischt worden, als sie den Arbeiter- und Bauernstaat mit ihren Strohmanngeschäften finanziell über den Tisch zog, Schimpf und Schande wären ihr wohl sicher gewesen. Vor allem aus politischen Kreisen hätte sie wohl ganz ähnliche Moralpredigten zu hören bekommen, wie sie die erwachsene Frau Bundeskanzlerin heutzutage den rendite- und bonusgeilen Bankern hält, dass sie nämlich gierig und selbstsüchtig sei und ihren eigenen Profit auf Kosten der Allgemeinheit erzielt.

Aber da hätte sich Angie, das Kind, womöglich zur Wehr gesetzt, hätte eine Unschuldsmiene aufgesetzt und ein fröhliches Kindchen-Grinsen, wie sie Jahrzehnte später zum festen Bestandteil des professionellen Mimik-Repertoirs aller Bailout-Banker dieser Welt geworden sind, und gesagt:

„Aber das ist doch nicht verboten!“

Tja, meine sehr verehrten Kritiker der internationalen Finanz- und der sozialistischen Blaubeer-Spekulation: An dieser Stelle müssen wir uns eine simple aber nichtsdestoweniger entscheidende Wahrheit vergegenwärtigen: Verboten ist das alles tatsächlich nicht. Und wie heißt es so schön in unserer liberalen freemarket-Economy, in der sich die „Freien“ nach Lust und Laune entfalten dürfen? – „Was nicht ausdrücklich verboten ist, das ist erlaubt!“

Caramba – so ist es!

Und an dieser Stelle sollten wir uns mal eine Minute Zeit nehmen, um Jürgen Habermas zu würdigen, nicht nur, weil er vor kurzem 80 geworden ist, sondern weil er bereits vor Monaten in einem Interview mit der ZEIT etwas sehr Richtiges gesagt hat, sinngemäß: Die Politik soll aufhören, über Moral, Werte, freiwillige Codices, Gentlemens agreements und ähnliche Transzendalien zu quatschen, und endlich ihrer gesetzgeberischen Verantwortung nachkommen.

Und wer möchte sich dieser Aufforderung nicht anschließen? Aber genau das tut die Politik ja nicht. Allen voran unsere in Blaubeeren-Geschäften so versierte Frau Bundeskanzlerin und ihre regierenden, schwarzen Parteigenossen scheuen sich in Wahrheit davor, wie der Teufel vor dem Weihwasser. Denn es gehört zum verqueren Weltbild der so genannten „Konservativen“, dass Ordnung zwar sein muss – aber staatliche Regelung oder gar gesetzlicher Zwang? – Pfui gacks, geht gar nicht! Daher ist Deutschland auch dieses merkwürdige Land, in dem das wohlfeile politische Geschrei in einem auffallend krassen Missverhältnis zur gesetzgeberischen Initiative steht. Notabene: in Wirtschaftsdingen, und nur in Wirtschaftsdingen, auf dem Gebiet der „gewöhnlichen“ Bürgerrechte ist man da wesentlich weniger zimperlich, wie diverse legislative Projekte der jüngeren Vergangenheit unter Beweis stellen.

„Wenn es freiwillig nicht funktioniert, muß der Staat die Regeln setzen. Und das wird er auch tun“, tönt Norbert Röttgen, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Gut gebrüllt Löwe – aber mal im Ernst: Wer wollte ihm das abkaufen? Wir Bonus-Millionäre und Blaubeeren-Arbitrageure wissen doch insgeheim alle, dass da einmal mehr einer nur den starken Mann markiert, wo er in Wahrheit längst vor der eigenen Ideologie kapituliert hat. Und falls doch die angedrohten „Regeln“ kommen, dann nur, weil wir sie uns selbst geschrieben haben, oder besser: unsere internationalen Law firms, die haben in solchen Dingen ja reichlich Erfahrung, wie uns das Haus zu Guttenberg jüngst wissen ließ.

Und deshalb, meine lieben Freunde, werden sich die Dinge in Deutschland auch weiterhin nicht ändern. Und diese seltsame Epoche des strukturellen Liberalismus bei gleichzeitiger Maximierung der spontanen, politischen Intervention kann weitergehen; diese lustige Zeit, in der sich der Staat laut offizieller Diktion aus allem und jedem raushalten soll, sich aber gleichzeitig dazu veranlasst sieht, in ebensovielen Angelegenheiten ad hoc tätig zu werden, vom Erscheinen des nächsten Quelle-Katalogs bis zur offenbar „systemischen“ Frage, welcher Glückliche sich nun dieses Posterchild von bankrottem Automobilkonzern namens Opel ans Bein binden darf.

Und in der Tat, das ist „systemisch“: Die Politik liebt nämlich die Intervention, denn Intervention erzeugt Helden, verschafft positives Medienecho, erhöht die Umfragewerte. Wo wäre die deutsche Politik in der öffentlichen Meinung, wenn sie der Wirtschaft tatsächlich einen adäquaten ordnungspolitischen Rahmen gesetzt hätte? Wenn Banken mir nix dir nix pleite gehen dürften, weil sie dabei nicht gleich die ganze Volkswirtschaft mit in die Tiefe reißen? Oder wenn eine sektoral ausgeglichene Volkswirtschaft einen temporären Einbruch der Exportnachfrage einfach so im Binnenkonsum ausgleichen könnte? Pahh – nicht auszudenken! Dann wäre ja nix mehr los in diesem Land.


21 Lesermeinungen

  1. Entenquak sagt:

    "Transzendalien ". Hmm. Fehlt...
    „Transzendalien „. Hmm. Fehlt da nicht ein „ent“? Ist das das eingebaute Osterei? Obwohl: Gugl findet netto 2 Egebnisse. Söhr, söhr sölten.

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