Ein Satz aus Frank Walter Steinmeiers gestriger Parteitagsrede ist bei mir hängen geblieben, weil er in meinen Augen das ganze Dilemma der Politik, insbesondere sozialdemokratischer Politik in der Ära nach Schröder, verkörpert:
„Ich habe den Opelanern in die Augen geschaut. Ich habe ihre Angst gesehen, ihre Hoffnung. Ich sage niemandem in Not: "Du bist nicht systemrelevant."
Er hätte es ihnen besser gesagt! Er hätte sich verkneifen sollen, sich selbst für einen modernen Regenmacher zu halten und der Welt etwas vorzumachen: Im Kapitalismus steht jedes Unternehmen jederzeit zur Disposition, und mit ihm seine Arbeitsplätze. Fährt Herr Steinmeier Opel? Hat sich der klatschende SPD-Parteitag jüngst massenweise neue, bunte Opels zugelegt? Nein? Ah, da schau her. Aber selbst wenn: Der Krieg um Marktanteile und Gewinnmargen in der Automobilindustrie würde kein bisschen anders verlaufen. Steinmeier hätte – wenn er ehrlich wäre – den Opelanern stattdessen sagen müssen, dass es den Markt nicht interessiert, ob er oder irgendjemand sonst sie für systemrelevant hält: er, der Markt, entscheidet, welche Unternehmen und Arbeitsplätze im Konkurrenzkampf überleben. Und an diese ernüchternde Botschaft hätte er – vor der Agenda 2010 – anschließen können, dass – wenn der Markt den Daumen nach unten dreht – sich trotzdem keiner um seine private Zukunft Sorgen zu machen braucht: Sozialsysteme wie auch Arbeitsmarktpolitik würden dafür sorgen, dass jeder, der arbeiten will, auch Arbeit finden wird; und dass bis dahin für ihn und seine Familie gesorgt werden wird.
Doch das kann Steinmeier heute natürlich nicht mehr, denn es waren Gerd Schröders – und damit seine – Reformen unter dem Schlagwort „Hartz IV", die jegliche Gewissheit über die eigene Zukunft im Falle des Arbeitsplatzverlusts zerstörten. Und allen gruppendynamischen Übungen in Sachen „kämpferische Parteitagsstimmung" zum Trotz: Der einstmals sozialdemokratische Wähler wird ihm das nicht vergessen. Weiterlesen