Für einige Wenige ist ihr Job eine einzige Lovestory. Für viele ist er es nicht. Viele von uns sind mit ihrer Arbeit seit Jahren verheiratet, doch die Liebe zu ihr ist schon vor Jahren irgendwie abhanden gekommen. Obwohl wir in unseren Positionen kreuzunglücklich sind, wagen wir nicht an Scheidung zu denken; aus Sorge um unsere Betriebsrente und all die anderen schönen Annehmlichkeiten, die der Job für uns bereithält. Stattdessen ziehen wir in der Kantine über Arbeitgeber und Kollegen her, um uns nach Pausenschluss wieder pünktlich am Schreibtisch einzufinden.
Im Rückblick verklären sich die Jahre an der Uni zum goldenen Zeitalter. Alles schien möglich. Wir hatten unendlich viel Zeit, um vor dem Spiegel der Bildung zu stehen und an unserer professionellen Attraktivität zu arbeiten. Die Semesterferien waren günstige Gelegenheiten zum Petting oder One-night-stand mit der einen oder anderen Firma draußen. Zurück auf dem Campus haben wir dann über unsere Affären gesprochen und derjenige mit der attraktivsten Company war der King. Aber das waren bloß Spielereien und hatten eigentlich nichts zu bedeuten. Noch oft mussten wir zurück vor den Spiegel und unsere junior-professionellen Pickel pflegen.
Zu guter letzt wurde uns das häusliche Nest der Alma Mater zu eng und wir mussten uns um unseren Lebensunterhalt kümmern. Wir hielten also nach geeigneten Partnern Ausschau. Sexy sollte er sein, vorzeigbar, seriös und wohlhabend, unser künftiger Arbeitgeber. Wir blätterten uns durch die Heiratsanzeigen. Je größer und bunter die Stellenanzeigen, desto reizvoller erschienen uns die Bräute. Aber nach einer Weile holte uns die Wirklichkeit ein. Die schönsten Bräute waren nur einigen Wenigen von uns vorbehalten. Die große Mehrheit musste sich mit der Realität arrangieren.
Nicht die schönsten, nicht reichsten; das machte uns nichts aus, wenn der Arbeitgeber wenigstens solide und treu war. Dann, nach einigen aufregenden Flitterwochen, begann das Eheleben langweilig zu werden. Die Unternehmen zeigten sich bei näherem Hinsehen als weniger hübsch als es in den Bewerbungsgesprächen den Anschein hatte. Schlechte Gewohnheiten kamen zutage, wir mussten mit merkwürdigen Charakteren zusammenarbeiten, und bekamen es mit betrieblichen Ineffizienzen zu tun. Schließlich gingen wir fremd und banden uns an neue Partner, immer auf der Suche nach der wahren Liebe. Viele von uns brachten es so auf zwei, drei oder mehr Beziehungen.
Doch heute sind wir erwachsen; wir kennen das Leben und sind darüber Realisten geworden. Wir haben uns arrangiert. All die leidenden Singles um uns herum im Blick, geschieden, ohne Betriebsrente und all die anderen schönen Nebenleistungen, und nur mit magerem Unterhalt können wir es auf unseren glanzlosen Arbeitsplätzen ganz gut aushalten. Der tägliche Kleinkrieg – der gehört einfach dazu. Wir beginnen ihn sogar zu lieben… Trotzdem, manchmal, tief in der Nacht sind unsere frühen Träume wieder da: Sex & Job & Rock’n’Roll. Da möchte man dann aufwachen, alles hinter sich lassen und sich noch einmal auf die Suche nach dem richtigen, wahren Job machen. > Und dann geht die Post ab.
Beste Grüße
Carpe Diem!
Ralf Borlinghaus
Lieber Herr Borlinghaus,...
Lieber Herr Borlinghaus,
ein Artikel, der mir aus der Seele spricht!
Auch ich war ein beziehungsscheues Wesen, immer bereit fuer den Flirt mit einer noch schaerferen Braut getreu dem Motto „verliebt, verlobt, und nie verheiratet“.
Jetzt, als beziehungserfahrener Kaempfer, bin ich jedoch muede geworden, denn insgeheim weiss ich, dass es diese Traumfrau leider nicht gibt. Ich habe mein Feinripp angezogen und verbringe meine Tage auf dem Sofa, hauptsache Bier ist da und Fussball laeuft in der Glotze. Meine Angetraute hat sich in eine unausstehliche Keifzange verwandelt und noergelt den ganzen Tag herum.
Was nun? Scheidung, getrennte Betten, die zweiten Flitterwochen als letzte Rettungsmassnahme?
Ich bin noch unschluessig, aber auf jeden Fall traeume ich gerne vom Tag X als alles begann, frage mich jedoch, ob ich es anders machen oder doch wieder jedem kurzen Rock hinterherrennen wuerde?
Mit nachdenklichen Gruessen,
Andreas Steidele
Lieber Bora-Blogger,
die...
Lieber Bora-Blogger,
die Wortspielereien sind ja alle sehr nett, aber es kann doch nicht sein, dass wir nur träumen vom perfekten Leben, in dem die Post abgeht. Man kann doch, nein, man muss doch immer wieder daran arbeiten…!? Und wer sich scheiden lassen möchte, hat doch gerade jetzt im Aufschwung alle Chancen. Sie schreiben: Carpe Diem. Aber vermutlich muss das Wagen über den Tag hinaus gehen, sonst hat man eines Tages allen Grund, sich selbst leid zu tun.
Man muss ja nicht jedem Rock hinterherlaufen, wie Steidele schreibt, aber man darf auch nicht aufhören, die Augen offen zu halten.
Ich bin jedenfalls entschlossen, weiter am Leben teilzuhaben. Jetzt ganz bald.