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Für die Arbeitswelt gilt: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Wir sind also in Bewegung – so oder so. Gehen wir doch in diesem Blog ein

Perspektivenwechsel: Der Arbeitnehmer als Unternehmer in eigener Sache

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Ein Unternehmen entsteht dort, wo ein Mensch sein Wollen, sein Können und seine Ideen in die Tat umsetzt. Damit hat jeder Mensch das Potential zum Unternehmer.

Wie entsteht ein Unternehmen? Die folgende kleine Begebenheit gibt Antwort: An einer Verkehrsampel bewegt sich ein Mann mit Eimer und Wischer zwischen den wartenden Autos. Veranlasst durch das kurze Kopfnicken eines Fahrers, säubert er binnen zwei Minuten die verschmutzte Frontscheibe eines Fahrzeuges. Der Fahrer sucht derweil nach Kleingeld, das er dem Mann anschließend durchs Autofenster reicht. Sobald die Ampel auf grün springt, rettet sich dieser zurück auf die Verkehrsinsel, um dort die nächste Rotphase abzuwarten.

Die Situation zeigt einen Menschen mit allen Merkmalen eines Unternehmers: Ein Mann (oder eine Frau), der etwas will (Geld verdienen und sich nützlich ma-chen), der etwas kann (Scheiben reinigen und andere davon überzeugen), der eine Idee hat (die Rotphase einer Ampel aus-nutzen) und der das notwendige Kapital (Wischer und Eimer) hat.

Ein Unternehmen entsteht dort, wo ein Mensch sein Wollen, sein Können und seine Ideen in die Tat umsetzt. Ein Unternehmen wächst, wenn sich viele Menschen mit eben diesen Fähigkeiten unter einer gemeinsamen Zielsetzung verbinden. Dabei gilt für die Wissensgesellschaft, dass die Bedeutung der Kapitalseite mehr und mehr hinter dem menschlichen Ideen- und Fähigkeitspotential zurücktritt. Damit hat jeder Mensch das Potential zum Unternehmer. Jeder Mitarbeiter hat damit selbst die Wahl, ob er sich als Mit-Arbeiter oder als Mit-Unternehmer sehen möchte. Und diese Entscheidung kann ein Mitarbeiter unabhängig von der Branche oder der Hierarchieebene fällen, in der er sich gerade bewegt.

Was geschieht, wenn Mitarbeiter einen Perspektivenwechsel wagen und sich konsequent als Unternehmer im Unternehmen betrachten? Sie stellen fest, dass ihre Arbeitsplätze durch die Unternehmerbrille in einem neuen Licht erscheinen:
Vor allem ist der Arbeitgeber nicht mehr Arbeitgeber, sondern strategischer Kunde, den der Arbeitnehmer selbstständig auf dem Arbeitsmarkt akquiriert hat. Diese Kundenbeziehung ist in der Regel auf Langfristigkeit angelegt und bedarf einer entsprechenden Pflege. Der Arbeitnehmer wird so zum Key-Account-Manager. Konflikte in der Kundenbeziehung müssen erkannt und pro-aktiv gelöst werden. Beziehungsnetzwerke innerhalb und außerhalb des Unternehmens müssen aufgebaut und gepflegt werden. Nicht zuletzt muss sich der Mitarbeiter als Dienstleister bei seinem Kunden für neue Aufgaben empfehlen und andererseits durch Gehaltsverhandlungen seine finanziellen Interessen durchsetzen.

Durch die Unternehmerbrille sieht sich der Arbeitnehmer zugleich auch in der Rolle des Leiters Produktion. In ihr fühlt er sich voll verantwortlich dafür, dass alle Aufträge seines Kunden pünktlich und in bestmöglichster Qualität abgewickelt werden. Er macht sich aktiv Gedanken darüber, wie er die Arbeitsabläufe, für die er verantwortlich ist, permanent verbessern und weiterentwickeln kann. Er setzt sich konsequent für Innovationen und Verbesserungen in seinem Verantwortungsbereich ein.
Damit nicht genug. Er befände sich zu-gleich auch in der Rolle des Leiters Produktentwicklung. Als solcher macht sich der Mitarbeiter-Unternehmer Gedanken darüber, welche Anforderungen sein Beruf morgen an ihn stellt und wie er sich heute schon am besten darauf vorbereiten kann. Er wartet nicht darauf, bis sein Arbeitgeber-Kunde ihm etwaige Weiterbildungsmöglichkeiten anbietet. Vielmehr wird er seine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung einrichten und einen Teil seines Einkommens in die eigene Aus- und Weiterbildung investieren. Denn er weiß: Nicht sein Kunde, sondern er selbst ist dafür verantwortlich, sich als Dienstleister fit für die Zukunft zu machen.
Bleibt die Rolle des Leiters Marketing. Hier entwickelt der Arbeitnehmer ein Gespür für Veränderungsprozesse, die seine Marktposition beim Kunden bzw. am Arbeitsmarkt gefährden. Er entwickelt Strategien, die sicherstellen, dass er mit seinen Leistungen innerhalb seines Kunden-Unternehmens und auf dem Arbeitsmarkt positiv wahrgenommen wird. Er ist darauf bedacht, sein Image, seine Person als Marke aktiv zu managen.

Ein Arbeitnehmer, der diesen Perspektivenwechsel vollzieht, wird neue Ideen entwickeln, durch die er seinen persönlichen Erfolg innerhalb des Unternehmens, in dem er heute tätig ist, aber auch am Arbeitsmarkt sicherstellt. Für Gefahren entwickelt er Sensoren und arbeitet aktiv an alternativen Strategien. Selbstbewusst definiert er seine Interessen und setzt diese durch.

Die Vorteile aus Arbeitgebersicht liegen auf der Hand: Der Mitarbeiter als Unternehmer weiß, dass der eigene nachhaltige Erfolg sich nur über den Erfolg des Kunden, also den des Arbeitgebers realisieren lässt. Und auf einmal fängt die Belegschaft an, auch nach innen konsequent in Kundenstrukturen zu denken. Neue Ideen werden generiert. Ein neues Qualitätsbewusstsein entsteht. Produktivitätsreserven werden freigesetzt.

Und der Preis? – Mitarbeiter, die mitdenken, die selbstbewusst sind und beteiligt werden wollen an den Ergebnissen ihrer Leistungen, materiell und immateriell. Es wird deutlich, dass dieser Preis nicht als Kosten, sondern als Investition in die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbuchen ist.

Eine schöne Woche &
Carpe Diem

Ralf Borlinghaus

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1 Lesermeinung

  1. derketzer sagt:

    Wer mir Angebote macht, die...
    Wer mir Angebote macht, die ich nicht abschlagen kann, ist kein Kunde.
    Die Verhandlungsposition eines Arbeitsnehmers gegenüber seinem Arbeitsgeber ist ziemlich beschränkt: Er kann kaum einen Auftrag seines „Kunden“ ablehnen, er kann auch nicht so einfach den Auftraggeber wechseln. „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Und für Selbstständige gilt schon lange der alte Leitsatz, dass man mit einem einzelnen Kunden nicht mehr als 25% des Umsatzes machen soll.
    Eine große Anzahl von unternehmerischen Entscheidungen für seine eigenen Tätigkeiten bleiben dem abhängig beschäftigten „Fest“-Angestellten versperrt. Also kann der Angestellte kein „Unternehmer“ sein. Dies erzählt man ihm nur, damit er glaubt, er sein frei und nicht „abhängig beschäftigt“. Wenn es hochkommt, ist er „scheinselbstständig“.
    Heutzutage wimmelt es von euphemistischen Ausdrücken, George Orwell hätte seine wahre Freude daran. Nehmen wir zum Beispiel die Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“. Eigentlich gibt der Arbeitnehmer die Arbeit, und der Arbeitgeber gibt die Bezahlung. Arbeit-„Geber“ klingt aber so gnädig und uneigennützig: Ich gebe Dir etwas zu arbeiten, eigentlich benötige ich Deine Arbeit auch gar nicht, und eigentlich kann ich auch fast nichts bezahlen. Die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer setzen den Schwerpunkt der Schuldfrage auf die Seite des Arbeitnehmers, weil er ja etwas nimmt. Bei Fest-Angestellten mag das vielleicht tatsächlich sein, weil per Vertrag sein Gehalt feststeht, aber die Arbeit noch zu leisten ist. Aber man sollte trotzdem mal über die Begriffe nachdenken.
    Dies aus der Perspektive eines IT-Freiberuflers. Ich selbst bekomme ab und an Anfragen, ob ich nicht an einer „Fest“-Anstellung interessiert wäre („Wer heutzutage noch von Festanstellung redet, ist unseriös“ s. Personalberater in der FAZ oder FASZ vor wenigen Jahren). Meistens antworte ich wie Dilbert „Sie meinen wohl, Sie wollen mir weniger bezahlen“.
    Einmal bekam ich eine Anfrage von einem großen deutschen Prestige-Unternehmen im Personentransport für einen Qualitätsmanagement-Job auf Konzernebene: Die Fix-Bezahlung sei gering (um 2001-02 ca. 30-40 TEUR, wenn ich mich nicht irre), aber es gäbe über projektorientierte Zielvereinbarungen die Möglichkeit auf sehr gute Einkommen. Welche Schwachköpfe steigen auf so etwas ein? Wenn man erst einmal drin ist, ist die Verhandlungs-(Macht)-position für die Zielvereinbarungen ziemlich schlecht. Ich bin nicht weiter auf dieses „Angebot“ eingegangen. Es war wahrscheinlich der „Dank“ für einige Ideen, die ich in 2000 dem damaligen QM auf einem DGQ-Regionaltreffen auf seine Frage geliefert hatte, wie sie ihre Auslastung verbessern könnten: „Warum nicht das Ganze gleich ganz anders angehen? In Eurem Business sind doch fast alles Fixkosten, weil die Infrastruktur im Prinzip auch fix ist. Neue Kunden verursachen kaum zusätzliche Kosten außer ein bisschen Strom und ein paar Kontrolleuren. Wenn man neue Kunden gewinnt, steigert das den Ertrag sofort sehr stark. Warum nicht spezielle Angebote oder billigere Tarife für unausgelastete Transporte, z.B. Angebote mit Bindung an bestimmte Transporte wie im Flugverkehr? Flexibilität kostet schließlich, das ist vielen wohl nicht klar. Warum nicht ein neues Tarifsystem, das nicht nur die Entfernung, sondern auch die Auslastung berücksichtigt? Wofür hat man denn die Informatik? Warum nicht mal konkurrenzfähige Preise gegen die Konkurrenten Auto und Flugzeug spieltheoretisch ausrechnen? Innerdeutsche Flüge lohnen sich bzgl. Zeit-Preis-Verhältnis nur in wenigen Ausnahmen. 25-30% der Fluggäste haben Flugangst. Die Autofahrer kalkulieren völlig falsch und rechnen nur die Benzinkosten. Außerdem wird zunehmend das Öl knapp, die Zeit spielt für Euch. Macht den Leuten doch mal Eure Vorteile klar.“ Die Ideen fand der QM auch ganz super. Dafür wurden dann bei der Konzeption und der Kommunikation fundamentale Fehler gemacht, die mir gleich auffielen, als das Ganze an die Öffentlichkeit ging. Die Beratung ging an eine teuere Unternehmensberatung, und leider bekam ich nicht mal einen Miniauftrag, weil man angeblich nicht mit Freiberuflern zusammenarbeite. Schadenfreude ist doch die schönste Freude: Letztendlich hat sie diese Fehlentscheidung deutlich mehr Geld gekostet als mich. Aber es war ja auch nicht ihr Geld.
    In Wirklichkeit wollen Unternehmen nicht noch mehr Unternehmer, sondern abhängig Beschäftigte, denen man wie im Mittelalter vorschreiben kann, was sie zu tun haben, und was sie dafür erhalten, aber ohne die Möglichkeit zu verhandeln.
    Wie hieß es einmal in einem Artikel (FASZ oder FAZ?) sinngemäß von da Vinci, Michelangelo oder Raffael? „Wehe Dir, wenn Du für einen Fürsten arbeitest. Jeden Tag erkundigt er sich, wie denn die Arbeit voranschreite. Und Du kannst froh sein, wenn Du Dein Geld erhältst.“
    Ein britischer Freund, der früher Director einer der größten Unternehmensberatungen war und heute selbstständig als Unternehmensberater weltweit tätig ist, sagte mir später, nachdem ich ihm meine obigen Erfahrungen erzählte, dass er nachweislich für seine Kunden 50 Milliarden Euro an Nutzen gebracht hat (gewonnene Ausschreibungen, Steigerungen von Gewinn oder Umsatz, etc.). Von den 0,2%, die er laut Vertrag erhalten sollte (also 100 Mio. Euro), hätte er bis heute nicht einmal 10 Mio. Euro bekommen. (Warum er seine Ex-Kunden – ich bezeichne sie immer als „Unkunden“ 😉 – nicht verklagt, ist ein kompliziertes Thema.) Einmal gewannen sie doch nicht, obwohl sie freitags erfuhren, dass sie bei einer öffentlichen Ausschreibung Platz 1 geschafft hatten, und gleich eine große Party feierten. Am folgenden Montag ging der Auftrag trotzdem an die Sippe von Herrn Schwarz-Schilling. Er sagte, dass das am Wochenende auf Sylt entschieden wurde, wo sich die 250 mächtigsten Familien regelmäßig sehen, sei nur ein Gerücht. (Apropos: Wieviele Leute brauchen denn nun wirklich unbedingt diesen ICE nach Sylt?)
    Man kann jetzt einwänden, dass er mit <0,02% ~~ <10 Mio. € doch nicht schlecht bedient sei, aber wenn man bedenkt, dass seine Kunden (besonders die Vorstände) erheblich größeren Nutzen hatten, und ihn trotzdem und trotz Vertrags nicht fair bezahlt haben, dann bekommt man eine bessere Vorstellung davon, was in den Unternehmen vor sich geht.
    Beim Nehmen sind alle schnell bei der Hand, nur mit dem Geben gibt es noch Probleme.
    In meinen 20 Jahren Berufstätigkeit habe ich viele Unternehmen und Manager gesehen. Nach meinen Beobachtungen sind 99% der Manager nur Ausbeuter (das 1% ist nur eine prophylaktische Ausnahme) und erbringen eigentlich keine Leitungs- oder Integrationstätigkeiten: Alle wollen nur etwas bekommen, ohne zu leisten.
    Siehe internationale Checkliste für Persönlichkeitsstörungen oder DSM-IV:
    Narzistisch – In zwischenmenschlichen Beziehungen sind Sie ausbeuterisch und ziehen einen Nutzen aus anderen, um Ihre eigenen Ziele zu erreichen.
    Nach meinen eigenen Beobachtungen würde ich die narzistische Störung als Eintrittskarte ins Management und als K.O.-Kriterium fürs Top-Management ansehen, dann kommen die Ängstlichen und die Paranoiden im Mittelmanagement.
    Siehe auch Hesse/Schrader in „Die Neurosen der Chefs“ oder die Kienbaum-Studie von Rolf Berth: 30% der Manager haben eine leichte Neurose, ein Drittel hat eine mittlere Neurose, und 1% ist schwer gestört.
    Nicht zu reden von den 10% Psychopathen im Management.

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