Wenn Sie ein Unternehmen gründen und aufbauen, machen Sie sich auf einen Marathonlauf gefasst! Einen Marathon laufen Sie nicht einfach. Sie träumen zunächst davon (ich habe von der Selbständigkeit seit meinem Studium geträumt). Dann beginnen Sie irgendwann mit dem Training. Sie probieren verschiedene Laufschuhe aus. Vielleicht lesen Sie Bücher über mögliches Lauftechniken und befragen erfahrene Läufer über deren Erfahrungen und wie es geschafft haben, durchzuhalten.
Dann, eines Tages, haben Sie plötzlich eine Idee von einem Produkt oder Service, den Sie aufgrund Ihrer Ausbildung und Ihren Erfahrungen selbständig anbieten können. Das ist der Moment, in dem Sie sich an der Erstellung eines Geschäftsplans versuchen. Vielleicht beginnen Sie mit der Formulierung eines Mission Statements, analysieren Ihren Zielmarkt, entwickeln ein Produkt- und ein Marketingkonzept, schärfen Ihre Unique Selling Proposition und erstellen einen Finanzplan. Sie werden vermutlich spannende Diskussionen mit Ihrem Lebenspartner und Ihren Kindern haben und werden diese spätestens jetzt als Ihre wichtigsten Stakeholder kennen- und respektieren lernen. Im besten Fall sind diese Ihre Cheerleader, die Sie an den Start begleiten und anfeuern.
Dann wird es ernst. Sie haben Ihre alte Firma verlassen; Papierkram und Behördengänge sind erledigt. Sie stehen an der Startlinie und der Startschuss setzt Unmengen an Adrenalin frei. Sie starten Ihren Lauf mit einer Roadshow bei Kontakten aus Ihrem persönlichen Netzwerk, denen Sie sich und Ihr neues Business präsentieren. Vielleicht rufen Sie auch hunderte von Menschen an, die Sie nicht kennen. Innerhalb von dreißig Sekunden kommen Sie mit ein paar prägnanten Sätzen auf den Punkt, damit Ihre Ansprechpartner Sie nicht abwimmeln. Sie fühlen sich wie ein König, wenn Sie den Gesprächstermin bekommen und wissen genau, wann Sie gut waren und wann nicht.
Dann erhalten Sie Ihren ersten Auftrag. Jetzt müssen Sie zeigen, was Sie können und exzellente Qualität bringen. Das positive Kundenfeedback ist Ihnen genauso wichtig wie das Honorar, das Sie einige Monate später – hoffentlich – bekommen. Weitere Kundenaufträge geben Ihnen die notwendige Routine und Freiraum für neue Marketingaktivitäten, wie z. B. das Schreiben eines regelmäßigen Newsletters, das Suchen nach Kooperationspartnern oder das Arbeiten an einem Buch über Ihre Serviceleistungen.
Plötzlich liegen die ersten dreißig Kilometer Ihres Marathons hinter Ihnen. Sie wissen jetzt, wie Endorphine schmecken und wie sich schmerzende Knie anfühlen. Ein oder zweimal waren Sie kurz davor, sich einfach nur hinzusetzen und aufzugeben. Aber jedes Mal war da irgendjemand im richtigen Augenblick am Wegrand, der Ihnen eine Erfrischung gereicht und aufmunternde Worte zugerufen hat, und so konnten wieder ein Stück weiter mit Kilometer 42,192 klar vor Augen.
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Marathonlauf? Ich habe selten...
Marathonlauf? Ich habe selten eine so unpassende Analogie für Unternehmensgründung gehört. Für Marathonlauf trainiert man ewig und wird selbst dann nicht bezahlt, wenn man unter 2.20 läuft. Marathon kann man nur wenige Jahre laufen, dann sind die Gelenke geschädigt.
Mit Adrenalin und Endorphinen kann man vielleicht selbstreferentiellen Sport betreiben, aber ein Unternehmen ist eine rein soziale Aktion. Ein Marathonläufer aber läuft nur alleine für seine persönliche Bestzeit.
Solche Analogien lassen aber verstehen, warum es in Deutschland keine Unternehmerkultur, keine Risikokultur, keine Kultur des Scheiterns gibt: Die Orientierung am Sport erzwingt die Siegeslüge.
Übrigens: Der erste Auftrag hat überhaupt nichts mit Qualität zu tun. Davon mehr, falls es hier zu einem Dialog kommen sollte.