Wo immer bisher die olympische Fackel aufgetaucht ist, hat sie hitzige Diskussionen um die Tibetpolitik Chinas und die Frage entfacht, ob die diesjährigen Spiele in Peking aus moralischen Gründen nicht zu boykottieren seien. Insbesondere diejenigen, die kein persönliches Interesse an der Veranstaltung haben, sind bereit „ihre“ Teilnahme abzusagen, um die Chinesen zur Einhaltung der Menschenrechte zu zwingen. Die anderen, die mit dem Reich der Mitte Geschäfte machen, argumentieren, dass eine Absage alles nur noch schlimmer machen und China zurück in die Isolation drängen würde.
Ehrlich gesagt geht mir der Anspruch von uns Westlern, die ganze Nachbarschaft beglücken zu wollen, auf die Nerven. Eigentlich hätten wir genug damit zu tun, vor unserer eigenen Haustür zu kehren. Wenn mir meine Nachbarn permanent vorschreiben würden, was ich zu tun hätte, würde ich mir das auch verbitten. Jede Familie hat seine eigene Kultur, die zu akzeptieren ist. Die einen beten vor dem Essen, die anderen nicht. In einigen Familien gehen beide Elternpaare zur Arbeit, in anderen bleibt die Mutter zuhause. In den einen hat jedes Kind sein eigenes Zimmer, in anderen teilen sie es mit ihren Geschwistern.
Kinder haben für solche Unterschiede ein intuitives Verständnis. Sie besuchen sich untereinander nach der Schule und gehen in den Häusern ihrer Freunde aus und ein. Sie sind fähig Unterschiede zu akzeptieren und sich ihnen anzupassen. Nur wir Erwachsenen machen unsere Vorstellungen vom Leben auch für andere verbindlich. Merkwürdig, nicht?
Aber wenn Sie das Verhalten Ihrer Nachbarn wirklich verändern wollen, gibt es da eine geheime Methode: Kaufen Sie sich ein neues Auto und parken Sie es vor Ihrem Haus. Nach einer Weile wird sich Ihr Nachbar ebenfalls eines kaufen. Renovieren Sie die Fassade Ihres Hauses oder decken Sie das Dach neu. Ihr Nachbar wird sich bemühen, es Ihnen gleich zu tun. Sagen Sie ihm, wohin Sie in den Urlaub fahren, und bald wird auch Ihr Nachbar die Koffer packen.
Dummerweise ist der Westen ein schlechtes Vorbild. Er präsentiert einen luxuriösen Lebensstil, den seine Nachbarn nun nach Kräften kopieren. Jeden Tag Fleisch, neue Autos, Klimaanlagen und Urlaubsflüge. Weil das, wenn es alle tun, unseren blauen Planeten ruiniert (wir mögen keine verschmutzte Luft) sagen wir ihnen, „tut das nicht!“ Aber die Nachbarn mögen es nicht, wenn man ihnen vorschreibt, wie sie sich zu verhalten haben (ich mag das auch nicht). Aber wir kennen ja jetzt die geheime Methode, um das Verhalten unserer Nachbarn zu verändern…
Wenn es uns wirklich stört, wie die chinesischen Machthaber mit den Tibetern umspringen, dann lassen wir den Fernseher in diesem Sommer einfach ausgeschaltet und kaufen keine chinesischen Produkte mehr. Aber letzteres würde ja unseren lieb gewonnenen Lebensstil beeinträchtigen.
Eine gute Woche &
Carpe Diem
Ihr Ralf Borlinghaus
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