Nach dem Hosianna und „Wir sind Papst!“ der ersten Tage scheint Benedictus XVI auf dem Kreuzweg des höchsten Amts der Christenheit vor dem Bildstock der „Geisselung und Verspottung“ angelangt und sich verwundert die Augen zu reiben: „Wie kann man nur so missverstanden werden? Der ich antrat, Frieden zu stiften und die Christenheit zu versöhnen, ich, der noch tausende von Menschen in Köln in Ekstase versetzt hat, werde nun von den Medien durch die launische öffentliche Meinung gehetzt. Schon höre ich vereinzelt ‚Kreuzige ihn‘ rufen. – Das ist bitter.“ So haben sich die Zeiten nicht verändert, sie haben sich nur verkehrt. Wäre es früher an dem Stellvertreter Christi auf Erden gewesen von vermeintlich irregeleiteten Häretikern und Ketzern in Politik, Wissenschaft und Kultur bei Androhung des Kirchbanns den Widerruf zu fordern, ist es nun die Öffentlichkeit mit ihren inquisitorischen Medien, die den Papst zu intellektueller Zucht und Ordnung rufen. Und derjenige irrt, der meint, die Scheiterhaufen öffentlich zelebrierter Ketzerverbrennungen seien schon vor Jahrhunderten endgültig verloschen. Sie werden nur von anderen errichtet und angezündet. – So geriert sich unsere aufgeregte Medienwelt mit Ihrem Ruf nach Widerruf am Ende päpstlicher als der Papst selbst.
Ihr Ralf Borlinghaus
Ach nein, so ein bißchen...
Ach nein, so ein bißchen medialen Gegenwind gleich zu einem Autodafé und damit den Papst zum Märtyrer aufzuwerten ist doch etwas weit hergeholt. Es kann doch auch eigentlich niemanden wundern, daß die kritische Öffentlichkeit sehr genau hinsehen muß, wie eine Religionsgemeinschaft mit dem Thema des (vermeintlichen oder tatsächlichen) Antisemitismus umgeht, die so eine ausführliche antisemitische Geschichte (die auch noch theologisch unterbaut ist) hat, und die sich bis zum heutigen Tage — beispielsweise in ihrem Festkalender — praktisch auf die grob antisemitische Theologie Konstantins stellt, der z. B. das Osterfest eingeführt hat mit der Begründung: »Denn es erschien … eine äußerst unwürdige Tatsache, daß wir in diesem äußerst heiligen Fest den Gewohnheiten der Juden folgen sollten, welche – verdorbene Schufte! – ihre Hände befleckt haben mit einem ruchlosen Verbrechen … Laßt uns also nichts gemeinsam haben mit dem äußerst feindlichen Pöbel der Juden.«
Und auch, daß die »Wir sind Papst«-Rufe leiser werden, da das Volk doch jetzt einen neuen Messias in Übersee [ https://www.faz.net/m/%7B7D7C1697-5CB6-46EB-A40E-0954F85DD9D0%7DPicture.jpg ] gefunden hat, kann niemanden erstaunen, der einigermaßen weiß, wie die Leute halt so sind.
Was BILD (und angehängt WELT...
Was BILD (und angehängt WELT und FAZ) bei der Papst-Wahl und -Inthronisation geleistet haben, war eitler, touristisch verbrämter Nationalismus von Menschlein, die schon gar nichts mehr mit Katholizismus (… gar Christentum wie von Jesus selber!) zu tun haben, sondern wirtschaftliche Ausbeutung, Sex, Sport und Meinungsdresche betreiben, wie es sich medial noch finanziell und un-ökologisch rentiert.
Der Zungenkrampf um Päpstliches (Antiweibliches, Anti-Anderes, Anti-Naturnahes…) hat mich noch nie überzeugt.
Auch was hier als „Theologisches“ angepreist wrid, ist kalter Kaffee des akklamationssüchtiger Vormodernismus seit Pius X.