Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Nostalgiewelle: Die DDR-Comics sind wieder da

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Uwe Tellkamp, in diesem Jahr Gewinner des Deutschen Buchpreises, hat bei aller kritischen Distanz zur DDR wohlige Erinnerungen an die "Mosaik"-Hefte seiner...

Uwe Tellkamp, in diesem Jahr Gewinner des Deutschen Buchpreises, hat bei aller kritischen Distanz zur DDR wohlige Erinnerungen an die “Mosaik”-Hefte seiner Jugend. Das waren schon die Ausgaben, nachdem Hannes Hegen 1975 die Digedags aufgeben mußte und sie durch die Abrafaxe ersetzt wurden. Aber natürlich kennt Tellkamp auch die Klassiker, weiß genau, wann Ritter Runkel sein Debüt erlebte, wann Digedag verschwand und wieder auftauchte, was die großen Zyklen sind und warum die Sprechblasen 1961 durch Textkästen ersetzt wurden. Das darf mittlerweile unter Comic-Freunden auch in Westdeutschland als Teil der Allgemeinbildung gelten.

Doch viel mehr weiß man im Westen über Comics aus der DDR nicht. Auch nicht, daß es seit 2005 einen kleinen Dresdner Verlag gibt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, weniger prominente Serien als ausgerechnet die Digedags (die in Nachdrucken präsent sind) oder die Abrafaxe (deren Abenteuer noch immer erscheinen) wieder zugänglich zu machen. Guido Weißhahn heißt der Spiritus rector von Holzhof Comics, und seine Programmpalette umfaßt so obskure Titel wie “Die Reise zu den Proximanen”, eine Raumfahrtgeschichte mit dem Berliner Ingenieur Karl Gabel, die kein Geringerer als der bekannte DDR-Zeichner Erich Schmit 1956 in der Zeitung “Wochenpost” als Strip veröffentlicht hat. Es war der erste Versuch des renommierten Blattes mit Comics – und auch der letzte, denn obwohl mit dem “Mosaik” erst im Jahr zuvor ein spezielles Comic-Magazin für die DDR genehmigt worden war (das natürlich nicht von Comics, sondern nur von Bildgeschichten reden durfte), waren die ideologischen Bedenken gegen die angeblich amerikanische Erzählform immens. Die Macher störten sich daran nicht: Schmitts Geschichte hat immensen Charme und nimmt nicht zuletzt die wenig später einsetzenden Weltraumabenteuer der Digedags vorweg.

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Und sie erscheint bei Holzhof Comics in der Urversion, denn als Schmitt, der vor allem als Comic-Zeichner der “Berliner Zeitung” bekannt werden sollte, 1967 in deren Wochenendbeilage kurzerhand die elf Jahre alten Geschehnisse um Karl Gabel noch einmal erzählte,  war aus dem ursprünglich rein deutschen Kosmonautenteam ein deutsch-sowjetisches geworden. Das wäre nicht besonders spektakulär, wenn nicht 1956 noch der klare Wille zu erkennen gewesen wäre, die einheimische als eine gesamtdeutsche Mannschaft zu verstehen. Zwar wirkte als treibender Geist hinter dem deutschen Atomraumschiff ein Professor aus Weimar, doch schon bei Gabel selbst blieb unklar, ob er nun aus Ost- oder West-Berlin stammte, und Schmitt führte Namen und Aussehen seines Helden explizit auf Clark Gable zurück. gables Kosmonautenkollege Haberkorn stammte gar aus Hannover, der Raumfahrer Klüverbaum aus Hamburg, und nur Dr. Alfred Sauerkohl, der Bordmediziner, war als Leipziger eindeutig in der DDR verwurzelt.

 

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Unter den Nachdrucken bei Holzhof finden sich allerdings auch Scheußlichkeiten wie “Basil” , eine von Andreas J. Mueller 1979 für die Frauenzeitschrift “Für dich” gestaltete Serie um einen jungen Mann, der in ein imaginäres Regenbogenland reist – eine ziemlich eskapistische Handlung in einem Land, das seinen Bürgern wenig Freigang gewährte.  Doch die insgesamt zwölf Ausgaben der Reihe “Klassiker der DDR-Bildergeschichte”, die Guido Weißhahn bis heute publiziert hat, bieten zuverlässi auch Perlen wie etwa ein speziell dem Zeichner Jürgen Kieser gewidmetes Heft, das nicht nur Beispiele für dessen berühmteste Serie “Fix und Fax” aus der Zeitschrift “Atze” enthält, sondern auch weitere Arbeiten seit 1954, denen man exemplarisch die graphische Entwicklung nicht nur eines Künstlers, sondern auch des Zeitgeschmacks in der DDR ablesen kann. Oder Jürgen Günthers “Mischa + Kalle”, die Anfang der siebziger Jahre in der “Freien Welt” abgedruckt wurden. Das Bemerkenswerte daran ist einerseits der (damals nicht ausgewiesene) Szenarist: nämlich der Pädaogoge Wolfgang Altenburger, ein Hardliner, der sowohl beim “Mosaik” als auch bei der “Atze” als Chefredakteur wirkte. Andererseits aber hat Jürgen Günther mit “Mischa + Kalle” einen Comic gezeichnet, der den runden Stil der belgischen Schule von Marcinelle in Ostdeutschland einführte. Die Beschlagnahmungen von Comics an den Grenzen war vom Staat immer dazu genutzt worden, die eigenen Zeichner mit neuem Anschauungsmaterial aus dem Westen zu versorgen, doch kaum jemand setzte die Anregungen dann so konsequent um wie Günther.

Zu all diesen Ausgaben gibt es knappe Einführungen und Konkordanzlisten mit den Originalveröffentlichungen. So entsteht unter der Obhut von Guido Weißhahn Steinchen für Steinchen ein neues Mosaik: diesmal nicht als Comic-Magazin, sondern als bunte Bibliothek, in der so manches vertreten ist, was eine erste Lektüre oder gar ein Wiederlesen lohnt. Mit sechs Euro pro Ausgabe sind die Hefte nicht billig, aber die winzige Auflage von dreihundert Exemplaren und der mittlerweile übliche Farbdruck lassen die Reihe dennoch als preiswert erscheinen. In westdeutschen Comic-Läden finden sich die Nachdrucke allerdings kaum – das ist ein Armutszeugnis für das Geschichtsbewußtsein dieses Genres.


1 Lesermeinung

  1. Tagomika sagt:

    <p>Das dicke Schmitt-Buch hat...
    Das dicke Schmitt-Buch hat mich so machen Besuch bei meiner Tante überstehen lasen, irgendwann hat sie es mir dann auch geschenkt ;)
    Die Reise zu den Proximanen hat mich als Kind dazu gebracht, mal in die benachbarte Sternwarte mit Planetrium zu gehen um mehr über Sterne und Raumfahrt zu erfahren, im Anschluß war ich dann die nächsten 5 Jahre jede Woche dort.
    Und nachdem ich mir jetzt die Seite vom Holzhof Verlag angeschaut habe, kommen noch mehr Erinnerungen hoch. Mal schauen, was vom Weihnachtsgeld übrigbleibt.

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