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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Weihnachten in Entenhausen: Von Wirtschaftkrise keine Spur

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Kauft Autos, Autos, Autos, heißt die gängigste Maxime unserer Politiker gegen die Krise.In Entenhausen wußte man das schon vor fünfzig Jahren. Da bekam Donald Duck zu Weihnachten von seiner ganzen Verwandtschaft Autos geschenkt.

Wer jetzt noch auf den entscheidenden Tip für ein Weihnachtsgeschenk wartet, dem kann ich als Donaldist nur sagen: Schenken Sie ein Auto. Das wäre ja auch ganz im Sinne der Regierung, die um die Automobilindustrie bangt, und Sonderangebote gibt es in den diversen Niederlassungen der unterschiedlichsten Marken offenbar derzeit auch genug. Daß dann immer noch ein gehöriger Batzen zu zahlen ist, dürfte klar sein. Aber damit stabilisiert man ja wieder die Banken (wenn man denn einen Kredit bekommt) und pumpt Geld in die Wirtschaft. Herrlich, süßer die Kassen nie klingeln.

Was treibt den Donaldisten zum Ratschlag des Autokaufs? Eine Weihnachtsgeschichte, die Carl Barks 1950 gezeichnet hat: “You Can’t Guess”. Sie erschien auf Deutsch erstmals im Micky-Maus-Sonderheft Nummer 8 im Jahr 1952 als “Donald Duck, rat einmal”. Ein selten mißglückter Titel, denn man könnte meinen, es handele sich um Donald, dem zu raten aufgegeben ist. Tatsächlich müssen die Neffen Tick, Trick und Track herausbekommen, was sich ihr Onkel Donald wünscht. Erst dann bekommen sie nämlich ihren eigenen, durchaus bekannten Wunsch erfüllt: einen Metallbaukasten. Doch obwohl Tick, Trick und Track eine meterlange Liste mit möglichen Wünschen anfertigen, die unter anderem so obskure Objekte wie Kuhglocken oder Kanarienvögel enthalten, vergessen sie das aufzuführen, wovon Männer angeblich immer träumen: eben ein Auto.

Am Ende geht alles gut aus, als die Neffen dann doch noch drauf kommen (vor allem weil der bekannte rote Kleinwagen der Familie Duck im Laufe der Geschichte kollabiert) und alle Verwandten ohnehin den dringenden Bedarf an einem Neuwagen für Donald erkennen, so daß zum schönen Schluß gleich vier Autos vor dem Duckschen Eigenheim stehen. Jedes läßt den Schenkenden klar erkennen: Von Onkel Dagobert kommt der praktikable und unverwüstliche Jeep, von Gustav Gans das angeberische Sportkabriolett mit hochroter Bereifung, von Oma Duck das altertümliche Elektromobil und von Daisy Duck das feminine Modell mit Rüschen unter den Kotflügeln. Ein Konjunkturprogramm der besonderen Art. Kein Wunder, daß Entenhausen nur selten mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat

Brillant ist, wie Barks diesen Verlauf der Geschichte angedeutet hat. Schon als noch niemand wissen kann, was Donalds heimlicher Wunsch ist, sind die Neffen bereits dauernd mit Tret- und Spielzeugautos konfrontiert, und die diversen Pannen der Duckschen Familienkutsche werden so breit geschildert, daß man erst einmal dem Naheliegendsten gar nicht traut. Deshalb kommen die Neffen auch erst ganz zuletzt auf die Lösung des Ihnen aufgegebenen Rätsels.

Mir war die Geschichte selbst lange Zeit ein Rätsel, denn ich kannte sie schon lange, bevor ich sie erstmals lesen durfte. “Donald Duck, rat einmal” gehörte zu jenen Entenhausen-Heften, die mein Vater in seiner Jugend gelesen hatte, und er erinnerte sich mehr als zwanzig Jahre danach noch an etliche Details, vor allem aber bestimmte Dialoge. Doch der Gesamtverlauf des Geschehens war verlorengegangen, und so wurden mir Bruchstücke präsentiert, die immer wieder gipfelten im letzten Satz der Geschichte, den Oma Duck spricht: “Es ist enorm!” Das ist ihre Reaktion auf die drei Neffen, die aus ihrem Metallbaukasten ein riesiges mechanisches Reittier gebastelt haben, mit dem sie ihrem Onkel hinterhereilen, der in einem seiner neuen Wagen schon einmal zur Oma vorausgefahren ist. Meinen Vater begeisterte als Ingenieur viel mehr die technische Leistung der drei Knaben als das reiche Autogeschenk an Donald, weshalb dieser Teil der Handlung auch gar keine Rolle in seiner Erinnerung spielte.

Heute könnte man meinen, unsere Wirtschaftpolitiker hätten Barks gelesen und nach seinem Bilde ihre Strategien konzipiert. Es ist enorm. Wessen Verwandtschaft aber denn doch nicht über genug Kleingeld verfügt, um auf einen Schlag vier Autos herzuschenken, der möge sich unter dem Weihnachtsbaum mit der Lektüre der entsprechenden Geschichte trösten. Ich wünsche allen Lesern schöne Feiertage.


1 Lesermeinung

  1. <p>Donald Duck ist der...
    Donald Duck ist der Größte! Diese Geschichte mit den vier Autos ist auch mir schon immer ein Begriff. Aber mir erging es genauso wie dem Vater des Schreibers: Dieses riesige mechanische Reittier, gebaut aus den Metallbaukästen, hatte mich fasziniert.

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