Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Achtung, Steven Spielberg: Tim ist schwul, und er lebt

| 4 Lesermeinungen

In der Londoner "Times" wird wieder einmal aufgedeckt, daß Tintin homosexuell sein soll. Und am selben Tag löse ich die Frage, wer die Hauptrolle in Spielbergs lang erwarteter "Tintin"-Verfilmung spielen sollte.

Eine der immer wiederkehrenden Freuden im Leben eines Comic-Bewunderers sind Gerüchte, dieser oder jener Comic-Held sei schwul. Lesbische Aktivitäten werden übrigens deutlich seltener aufgespürt, aber das mag seinen Grund im schieren Übermaß männlicher Protagonisten haben. Wie dem auch sei: Die Frage, ob Batman und Robin Liebhaber sind, ist mittlerweile notorisch, und schon das Gründungsdokument des Donaldismus (das bezeichnenderweise erschien, ohne daß der Autor Grobian Gans alias Michael Czernich damals wußte, was er tat) untersuchte akribisch die Frage, ob Gustav nicht in Donald verschossen sein könnte – und bejahte sie.

Es ist eine Schande, daß man in gewisse Teile der Presse nur mit solchen Comic-Themen kommt. Nun hat die Londoner Tageszeitung “The Times” den Gutteil einer ihrer kostbaren Seiten für Hugo Rifkind zur Verfügung gestellt, auf daß der prüfen möge, ob nicht Tim aus Hergés “Tim und Struppi” schwul sei. Natürlich bestätigt sich diese These. Nun ist Rifkind zwar kein ausgewiesener Comic-Kenner, aber immerhin der Sohn eines konservativen britischen Politikers, des ehemaligen Außenministers Sir Malcolm Rifkind, und da mag ein wenig Provokation gegens Elternhaus mitspielen. Als Kolumnist betätigt Rifkind jr. sich bereits seit einem Dreivierteljahr in der “Times”, und er ist nicht selten amüsant zu lesen. So auch hier.

Weniger erfreulich ist die inhaltliche Ebene. Klar, wenn man einen Artikel über “Tim und Struppi” beginnt, dann tut man es mit einem von Käpt’n Haddocks Flüchen, am besten mit “Hunderttausend heulende Höllenhunde”, was im Original “Mille millions de mille sabords” heißt. Auf Englisch, so entnehmen wir dem ersten Satz von Rifkinds Text, scheint “Billions of blue blistering barnacles” die gängige Übertragung zu sein, und wir Deutsche können somit stolz darauf sein, einmal die bescheidenste Lösung gefunden zu haben. Unsere Höllenhundezahl ist sogar kleiner als die Menge der Internet-Verweise, die Rifkind mit der Eingabe der Stichworte “Tintin” und “gay” erzielt haben will, nämlich 526.000. Ich bin gerade eben beim Kontrollversuch nur auf 414.000 gekommen, und einige der neuesten beziehen sich schon auf den “Times”-Artikel. Aber sei’s drum. Wenig ist das nicht, und deshalb darf sich Rifkind zu Recht darüber wundern, daß bedeutende Tintinolgen, wie sich die “Tim und Struppi”-Forscher nennen, rundweg abstreiten, über die Frage, ob ihr Held homosexuell sein könnte, bislang auch nur nachgedacht zu haben.

Was für Argumente führt Rifkind an? Längst bekannte wie etwa die Zuneigung des Reporters zu dem jungen Chinesen Chang, über dessen vermeintlichen Tod Tim in Tränen ausbricht. Oder obskure wie die Operndiva Bianca Castafiore, die Rifkind als groteskes Zerrbild einer Frau identifiziert. Aber müßte ein schwuler Held nicht wiederum dem Klischeebild entsprechen und die Oper lieben? Dank sei dem Autor für die Zählung aller Figuren in “Tim und Struppi”, die er mit rund 350 beziffert, unter denen sich nur acht Frauen befinden sollen (mir fällt auf Anhieb ein Dutzend ein, aber vielleicht meint er namentlich ausgewiesene). Spricht das jedoch für einen schwulen Tim oder nicht eher für einen misogynen Schöpfer namens Hergé, der allerdings ein ziemlicher Frauenheld war und für die Geliebte aus dem eigenen Studio der Ehefrau den Laufpaß gab?

Ein Hobby-Tintinologe hat also in der “Times” rasch etwas zusammengeschrieben, das sich immerhin kurzweilig liest. Und für Unruhe sorgen dürfte. Denn immer noch steht Steven Spielbergs seit Jahrzehnten angekündigte “Tim und Struppi”-Verfilmung aus. In der Internet Movie Database ist Spielberg weiterhin selbst als Regisseur des Films ausgeweisen, auch wenn längst verkündet wurde, daß Peter Jackson diese Aufgabe übernehmen und Spielberg nur noch als Produzent agieren soll. Jackson wäre ein schwuler Tim leichter zuzumuten als Spielberg. Und auch noch ungeklärt ist die Frage des Hauptdarstellers.

Dazu indes habe ich seit gestern, einem denkbar intensiven “Tim und Struppi”-Tag, als nicht nur Rifkinds Artikel erschien, sondern auch mein eigener über die “Tintin”-Trickfilm-DVDs, einen guten Vorschlag. Denn abends lief hier in Frankfurt in meinem Lieblingskino, dem “Mal seh’n”, ein Dokumentarfilm mit dem Titel “Drunken Sailor”. Darin hat der russische Regisseur Sergej Bodrov eine von mir sehr geschätzte Band beobachtet: die “Tiger Lillies”, die ihre Fans zu nicht unerheblichen Teilen auch in der Schwulen- und Lesbenszene hat. Zugegeben, ohne die Frau in meinem Leben wüßte ich nichts über dieses Londoner Trio, aber was es mit Akkordeon, Kontrabaß und Schlagzeug aus der Musette- und Kabarett-Tradition macht, ist so bemerkenswert, daß jeder sie kennen sollte. Und über die Lieder, die der Chef der Gruppe, Martyn Jacques (auf dem Bild in der Mitte), statt im typisch hohen Falsett mit der Grummelstimme eines Tom Waits singt, kann man ja einfach hinweghören.

Bild zu: Achtung, Steven Spielberg: Tim ist schwul, und er lebt

Was aber hat das mit “Tim und Struppi” zu tun? Verweist “Drunken Sailor” etwa auf Haddock? O nein, der (sonst recht konventionelle) Film beitet viel besseres. Adrian Huge, der auf dem Bild rechts stehende Schlagzeuger der “Tiger Lillies” (die ihren Namen der Indianerhäuptlingstochter aus “Peter Pan” entlehnt haben), trägt zwar wie seine beiden Kollegen auf der Bühne immer Hut, aber einmal, während eines enthemmten Solos auf seiner Kinder-Batterie fällt ihm der vom Kopf, und darunter kommt eine spitze Tolle zum Vorschein, die auf dem sonst glattrasierten Schädel genauso aussieht wie die von Tim. Zumal Huge im Film mit blondgefärbten Haaren zu sehen ist. Also aufgepaßt, die Herren Spielberg und Jackson! Wenn Sie die Hauptrolle überraschend besetzen wollen, dann steht hier ein leicht fülliger Herr in den besten Mannesjahren parat, der guten Gewissens auch Schulze und Schultze darstellen könnte. Damit wäre mal wirklich eine originelle Lösung für den Umgang des Kinos mit einer der berühmtesten Comic-Serien der Welt gefunden: drei in einem. Und wir könnten uns über andere Fragen die Köpfe zerbrechen als die nach der sexuellen Orientierung Tims. 


4 Lesermeinungen

  1. Jordanus sagt:

    Ein wenig an Pribislaw Hippe...
    Ein wenig an Pribislaw Hippe erinnert das Arrangement von “Tim in Tibet” aber schon.

  2. BiancaG sagt:

    <p>Man könnte Hergé...
    Man könnte Hergé auch nachsagen, dass er seiner Comic-Figur Tim als eine Person charakterisiert, die einen “Schatten” hat, da Tim vor allem mit seinem Hund Struppi redet. Viel interessanter finde ich es hingegen, den Kult um solche beliebten Comics zu betrachten. Es gibt Menschen gibt, die sich extrem stark mit ihren Comic-Helden identifizieren: http://www.tamundo.de/profile-view-971.html So, als ob man es mit echten Helden zu tun hätte…

  3. <p>Ich warte nur noch darauf,...
    Ich warte nur noch darauf, das ich ein gesellschaftlicher Außenseiter werde, mich rechtfertigen muß, ausgegrenzt werde oder auch nur absolut out bin, weil ich nicht schwul bin.

  4. Schwanzhund sagt:

    <p>Tim ist nicht schwul,...
    Tim ist nicht schwul, sondern offensichtlich zoophil. Er versohlt seinem Köter ja sogar ganz lasziv den Arsch. Die Abgründe des Freudomarxismus sind viel tiefer, als mancher sich vorstellen kann.

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