Was ist eigentlich Donaldismus? werde ich oft gefragt. So auch wieder gestern abend, als ich die Eröffnung einer reizenden Schau im Frankfurter Museum für Kommunikation besuchte, die lebensgroße Nachbauten von Erfindungen präsentiert, die den Geschichten mit Daniel Düsentrieb entstammen. Da ich auch ein paar Worte an die Besucher richten durfte, habe ich es da so erklärt: Der Donaldismus ist eine Metadisziplin, die alle gängigen Wissenschaften vereint – also Physik, Soziologie, Historiographie, Betriebswirtschaftslehre, Philosophie, um nur einige zu nennen -, deren erkenntnisgewinnende Methoden aber ausschließlich auf Entenhausen anwendet. Man könnte also auch sagen: Donaldimus ist Wissenschaft per se, sofern sie sich für Entenhausen interessiert.
Am kommenden Samstag, dem 4. April, findet der Jahreskongreß der D.O.N.A.L.D. (das ist das Akronym für die Deutsche Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus) in Stuttgart statt, und zwar im dortigen Löwentor-Museum. Dann werden Donaldisten aus der ganzen Bundesrepublik und vereinzelte Gäste aus Österreich und der Schweiz die Erträge der Forschungen präsentieren, die sie im vergangenen Jahr durchgeführt haben. Es wird ein sehr belehrender Tag sein – und mit etwas Glück auch unterhaltsam.
Was darf man erwarten? Die Themen aufzuzählen, hätte wenig Sinn, denn das meiste erschließt sich erst aus der Präsentation. Aber ich will etwas zur Methode sagen und zwar am Beispiel meines eigenen Scheiterns. Natürlich betrachte ich es als Pflicht, selbst neue Erkenntnisse zu gewinnen, und deshalb habe ich seit 1988 auf jedem Kongreß, den ich besuchen konnte (und das waren mit einer Ausnahme alle), auch einen Vortrag gehalten – streng nach der Maxime Donald Ducks: „Entweder ich halte den Vortrag, oder ich laß mich von einem Haifisch fressen.” (Für die Wißbegierigen: Das Zitat stammt aus WDC 101.) Für einen großen Forschungskomplex hat meine Zeit in diesem Jahr jedoch nicht gereicht, aber ich wollte einen Beitrag zum Kongreß leisten, der in meine Reihe „Short Cuts” gepaßt hätte. Unter diesem Titel stelle ich bisweilen kleine Beobachtungen zum Entenhausener Leben vor, meist nur anhand von einem Dutzend Bildern aus den Duck-Geschichten von Carl Barks. Bei meinen Vorbereitungen zur Düsentrieb-Ausstellung war mir nämlich eine alte Frage wieder in den Sinn gekommen, die noch aus prädonaldistischer Zeit stammt: Trägt Daniel Düsentrieb ein Toupet?
Damals, in den siebziger Jahren, war man sich dessen sicher, weil man Quellen heranzog, auf denen Düsentrieb gelegentlich (in Schreckmomenten) der Haarschopf vom Kopf flog. Doch diese Berichte gelten wahren Donaldisten längst als apokryph, weil sie nicht von Carl Barks stammen. Die Forschung berücksichtigt sie also nicht mehr. Aber widerlegt ist die alte These auch noch nicht. Mir war nun eine Sequenz aufgefallen, in der Düsentrieb unter dem Einfluß eines akustischen Phänomens die Haare zu Berge stehen. Gleiches wiederfährt beim selben Ton Franz Gans, dem Knecht auf Oma Ducks Bauernhof, und auch Oma Duck selbst hört das Geräusch, doch ihr aufgetürmter Dutt bleibt davon unberührt. Meine These schien nun klar: Düsentriebs Haare sind echt, denn wie sollte eine Perücke zu Berge stehen? Dagegen trägt Oma Duck offenbar zumindest ein künstliches Haarteil. Das wird im Übrigen auch durch einen anderen Bericht von Barks gedeckt, in dem gezeigt wird, wie sich das Haargebirge der Bäuerin in drei einzelnen Bestandteilen von deren Kopf löst.
Diese Geschichte also zog ich auch noch heran. Sie erzählt von einem Nachbarstreit auf dem Lande, und der mißtrauische Nachbar trägt nun erklärtermaßen eine Perücke. Doch man kann sich wohl meinen Schreck vorstellen, als ich ein Bild entdeckte, auf dem dieser Herr den Neffen Tick, Trick und Track hinterherschimpft und sich ihm dabei die – erwiesenermaßen – künstlichen Haare sträuben. Also gibt es in Entenhausen Toupets, die solche Simulationen von Echthaar leisten können, und schon brach meine kleine These wieder in sich zusammen. Ich habe keinen Zweifel, daß man eine plausible Erklärung für all das finden wird, denn bei Entenhausen handelt es sich um eine vernünftige Welt. Doch so kurz vor dem Kongreß reichte es mir selbst nicht mehr dazu. Also muß mein Short Cut ausfallen, denn mit einem zweifelhaften Forschungsergebnis darf man sich – um in der Duckschen Terminologie zu bleiben – nicht ins Haifischbecken donaldistischer Debatten begeben.
Mehr zum D.O.N.A.L.D.-Kongreß am Montag an dieser Stelle. Jetzt habe ich ja alle Ruhe der Welt, um ihn zu beobachten.
<p>endlich mal ei9n...
endlich mal ei9n ernnsthaftes und bedeutendes Thema in der FAZ. Der Donaldismus iist diie bedeutendste unter den Wissenschaften
<p>Aus der Sicht des ewigen...
Aus der Sicht des ewigen Forschers betrachtet, kann die Metadisziplin des Donaldismus bisweilen auch subdisziplinäre Züge annehmen, wie aus einem neuen Textfund der Casa del Menandro in Pompeji erhellt. Dort, im Untergeschoß der Villa, waren 1997 zwei Bronze-Waschbecken entdeckt worden, von denen das eine Motive mit Delphinköpfen und Enten zeigt – bei näherer Betrachtung fiel unlängst der Archäologin Dottoressa Daisy Anitravolo eine übersehene Gravur auf, die in ungelenken griechischen Buchstaben die Fumetto-Sentenz erkennen läßt:
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Ho mä duckeis anthropos ou paideuetai
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Dieses Epigramm ist zweifellos eine beachtenswerte Variante der unsterblichen Erziehungsmaxime des Komödiendichters Menander, vielleicht sogar die ursprünglichere Lesart (Merke: Recentiores non deteriores), die da besagt: “Nicht erzogen wird der Mensch, der nicht” … ja, wie nun?! “geduckt wird”? – das kann es ja wohl nicht heißen, auch wenn die unlängst von Autoren wie Bueb und Winterhoff empfohlenen pädagogischen Maßnahmen gegen sog. Tyrannenkinder hiermit ungeahnten Aufwind aus der Antike erhielten. Nein, das aparte “duckeis” muß in einem behaviouristisch interdisziplinär anat-anthropologischen Ansatz gedeutet werden als “jemand, der sich (recht, somit) entenmäßig verhält”.
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Erst dann paßt alles zusammen: Das Waschbecken von Pompeji erweist sich als ein didaktisches Instrumentum, mit dem die widerspenstigen kleinen Neffen des Hausherrn, Juvesius, Duvesius und Luvesius, an spezifische Reinigung ihrer Epidermis herangeführt werden sollten. Bestand doch die Gefahr, daß sich pueril insubordinative Coniurationen eidgenössisch verfestigten, wie sie noch in Friedrich Schillers “Wilhelm Tell” aufscheinen: “Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr” (ein weiterer Forschungsimpuls im Schillerjahr 2009!).
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Vor dem Hintergrund des antik-lavatorischen Fundes erklärt sich zwanglos Platthaus’ einleitendes Bildzitat als elliptisch. Der Hausherr Donaldus Anas Menandromimeticus wollte sagen: “Entweder halte ich den Vortrag [über trickreiche Jung-Enten und ihre Lieblingsflipper] oder ich lass’ mich von einem Haifisch fressen!” Womit eigentlich nur Onkel Sharkobertus Scroogius gemeint sein kann, eine glatte Kopie von Menanders “Dyskolos”, dem Griesgram. Das Verständnis der antiken Komödie wiederum könnte von eindringlichen komparatistischen “Duckeis”-Studien nur profitieren. In diesem Sinne: DuckMenander miteinand!