Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Eisenherz verstirbt in Florida: Die Zeitungscomics in Amerika sind bedroht

In Amerika hat die Wirtschaftskrise ungewöhnliche Opfer gefunden: die Comic-Strips in den Zeitungen. Um Geld zu sparen, werden zahlreiche Serien aus den Blättern entfernt. Dabei sind Krisentage doch die beste Zeit für Unterhaltung.

Eben erreichte mich die Mail eines aufmerksamen Kollegen, der auf der Webseite des amerikanischen Fachorgans “Editor & Publisher” einen Beitrag entdeckt hat, in dem es um die Verminderung des Platzes für amerikanische Zeitungscomics geht. “Er könnte für Sie und auch für Ihre Kollegen von der Umfangsplanung von Interesse sein”, stand in der Nachricht. Das ist die Sache allerdings, jedoch vor allem als warnendes Beispiel.

Nun kann ich mich schlecht aufs hohe Roß setzen, denn die F.A.Z. hat ja erst vor wenigen Monaten selbst den Platz für ihren täglichen Comic reduziert. Eine Spalte weniger breit – das klingt harmlos bei bislang sechs Spalten, aber die Verschmälerung kostet ja weit mehr Fläche als nur ein Sechstel, weil sich auch die Höhe im entsprechenden Verhältnis vermindert. Ein gutes Drittel Fläche ist dabei insgesamt verlorengegangen, und auch wenn die aktuelle Serie von Ulf K. durch ihre klare Gestaltung darunter nur in Maßen leidet, wäre doch der alte opulente Auftritt weitaus schöner gewesen. Aber diese Entscheidung war schon ein Kompromiß, um den Comicplatz in der F.A.Z. dauerhaft zu sichern – “Platz” verstanden als feste Rubrik, nicht als Fläche.

In den Vereinigten Staaten wird derzeit zwar nicht der Comic als Bestandteil von Zeitungen generell in Frage gestelt, wohl aber der Umfang der ihm gewidmeten Seiten. Und es geht dabei nicht wie im Falle der F.A.Z. um kleinere Comic-Strips, sondern um die Einstellung ganzer Serien, so daß etwa eine Seite weniger gedruckt werden kann (oder anderweitig gefüllt werden darf). Da spart man nicht nur die Syndikatsgebühren für den Abdruck der beendeten Serien, sondern auch noch Papier- und Druckkosten.

Verkleinern könnte man die Strips allerdings ohnehin kaum noch. Von der alten Herrlichkeit amerikanischer Zeitungscomics, die an Werktagen jeweils Streifen einnahmen, die sich über die komplette Breite der Zeitungsseite erstreckten, und am Sonntag gar ganze Seiten für einzelne Serien reserviert bekamen, ist seit dem Zweiten Weltkrieg kaum noch etwas übrig geblieben. Die Papierrationierung in den frühen vierziger Jahre führte erst zur Reduktion der Sonntagsepisoden auf halbe Seiten und dann gar noch weiter auf Drittel- oder Viertelseiten. Gleichzeitig wurden die Tagesstreifen derart verkleinert, daß man zwei Setien nebeneinander abdrucken konnte, oder man wählte abwechselnd hoch- und querformatige Gestaltungen, um die Comic-Seiten wie ein Puzzle füllen zu können. Wer je eine amerikanische Comic-Beilage gelesen hat, kennt die geizige Gestaltung dieser Seiten.

Heute hat das zur Folge, daß eine Zeitung wie die “Atlanta Journal-Constitution” bei einer Reduktion ihres den Comics vorbehaltenen Platzes um eine halbe Seite gleich elf Serien auf einmal einstellt. Bei der Zeitung  “The Oregonian” paßten auf eine nun entfallene Seite zwar nur zehn Serien, aber man muß dabei bedenken, daß amerikanische Zeitungen längst auf viel kleinere Seitenformate umgestellt hatten. Die verbleibende Fläche für Comics ist heute nurmehr eine klägliche Andeutung dessen, was früher einmal an Opulenz auf diesem Feld herrschte, und die Zeichner sehen sich mangels Platz zum Verzicht auf immer mehr Details gezwungen, so daß auch die inhaltlichen Einbußen gravierend sind.

Ganz auf Comics verzichten, will bislang keine amerikanische Zeitung. Aber der Bericht in “Editor & Publisher” konstatiert kühl, daß der wichtgste Faktor für die Beibehaltung von Strips bislang die Konkurrenzsituation gewesen ist: Bot ein Blatt weniger Comics als ein anderes oder gar keine, so verlor es Leser. Doch nun sterben in Amerika die Regionalzeitungen, also gibt es bald keine unmittelbare Konkurrenz mehr. Überleben werden dann nur noch die populärsten Comic-Strips. Gerade erst hat die in Jacksonville angesiedelte “Florida Times-Union” nach Jahrzehnten die Sonntagsserie “Prince Valiant” (auf deutsch “Prinz Eisenherz”) beendet. Gut, es wird noch andere Blätter irgendwo geben, die weiterhin diesen Klassiker abdrucken, aber daß es selbst solche großen Namen trifft (auch, wenn “Eisenherz” zeichnerisch längst nicht mehr ist, was es unter Hal Foster und teilweise auch unter John Cullen Murphy einmal war), ist höchst bedenklich.

In Deutschland gibt es nun keine vergleichbar große Zeitungscomictradition, aber die erfolgreichen Versuche der letzten anderthalb Jahrzehnte (“Touché” in der taz, “Strizz” in der F.A.Z., “Im Museum” in der F.R. und noch einige mehr) beruhten allle auf Serien, die speziell für einzelne Zeitungen geschaffen wurden und dementsprechend kostspieliger sind als von Syndikaten bezogene Strips. Also würde man mit ihrer Einstellung auch ungleich mehr einsparen, als es in Amerika derzeit möglich ist. Hoffentlich haben die Serien eine solch starke Lobby unter den Lesern, daß der zweifellos verführerische Gedanke keine Folgen hat. Vielleicht hielft aber auch eine Erfahrung aus dem Filmgeschäft: In wirtschaftlich harten Zeiten geht Unterhaltung am besten.