Wie stelle ich mir das vor, eine Ausstellung, die den Titel „Internationalismus” trägt, aber aus nichts anderem besteht als den Kappen von Tick, Trick und Track, den drei Neffen von Donald Duck? Gut stelle ich mir das vor, aber sehen kann ich es einstweilen nicht, denn der Kunstverein Heilbronn, der diese Ausstellung zeigt, liegt abseits meiner üblichen Wege. Irgendwann wurde einmal behauptet, Heilbronn sei die größte Stadt ohne ICE-Anschluß. Ich bin geneigt, es zu glauben. Als ich als Kind mit meinen Eltern in Urlaub fuhr, kamen wir dauernd, so scheint es mir wenigstens heute, auf der Autobahn an Heilbronn vorbei. Die Stadt wurde für mich zum Synonym für den Aufbruch in den Süden. Dagegen kann ich mich nicht erinnern, jemals Heilbronn berührt zu haben, wenn ich mit dem Zug unterwegs war. Und das bin ich mittlerweile nun einmal häufiger als mit dem Auto.
Also Pech für den dortigen Kunstverein, aber noch mehr Pech für mich, denn ich werde die Ausstellung nicht sehen können, die die dreißigjährige Künstlerin Sarah Ortmeyer dort aufgebaut hat. Wie gesagt: nur Mützen von Tick, Trick und Track. Ob sie die klassischen Farben Rot, Gelb und Blau aufweisen oder auch das seltener verwendete Grün, muß dahingestellt bleiben, ebenso, ob Sarah Ortmeyer den aktuellen donaldistischen Forschungsstand zur Existenz eines vierten Neffens (dem die Wissenschaft gerne den Namen Treck gibt) berücksichtigt hat. Letzteres ist indes zu bezweifeln, denn in den zugänglichen Informationen zur Schau ist immer nur von drei Knaben die Rede.
Wie habe ich von dem Kunstprojekt überhaupt erfahren? Auf dem traditionellsten Weg, den man sich denken kann: Vorgestern kam ein Buch in der Redaktion an, das Sarah Ortmeyer anläßlich ihrer Ausstellung publiziert hat (im Snoeck Verlag). Nun könnte man meinen, daß daraus doch einiges über das Aussehen der Ausstellung zu erfahren wäre. Weit gefehlt, denn es ist ein Künstlerbuch, das selbst Teil des ästhetischen Konzepts ist, und da es ja sinnlos wäre, noch einmal das zu reproduzieren, was in der Schau zu sehen ist, hat Sarah Ortmeyer sich im Buch „Internationalismus” darauf beschränkt, jenen Aspekt hervorzuheben, der überhaupt erst den Anstoß für die ganze Sache gab: die Namen der drei Neffen.
Denn Tick, Trick und Track heißen nur bei uns so, also in deutscher Sprache. Fast hätten sie Rip, Rap und Rup geheißen. So lauten nämlich ihre dänischen Namen, und der deutsche Verlag, der seit September 1951 das Mickymausheft herausbrachte, gehörte zu einem dänischen Konzern. Da in Dänemark schon länger Disney-Geschichten veröffentlicht worden waren, ließ man in der ersten deutschen Donald-Duck-Geschichte auf einer Spardose der Neffen kurzerhand die drei fremdsprachigen Namen Rip, Rap und Rup stehen, und weil in der gesamten Handlung dieser Episode keiner der Knaben direkt namentlich angesprochen wurde, hätte es leicht auch für alle Zeit so bleiben können. Aber da war Erika Fuchs vor, der gute Geist der deutschen Disneycomics. Sie wußte natürlich, daß die Drillinge nicht Rip, Rap und Rup (oder Ripp, Rapp und Rupp wie in Island, was wir dank Sarah Ortmeyers Künstlerbuch erfahren) heißen, sondern eben Tick, Trick und Track. Die deutschen Texte haben bekanntlich die Wahrheit gepachtet.
Im amerikanischen Original heißt das Trio Huey, Dewey und Louie. Dieser Namensdreiklang steht zum Finale im Künstlerbuch, als ob er das letzte Wort wäre. Na ja, für schlichte Gemüter ist es vielleicht auch so. Sarah Ortmeyer aber ist kein schlichtes Gemüt. Bei ihr verdankt sich diese Plazierung allein der natürlichen Überlegenheit des Alphabets, die Huey, Dewey und Louie eben den USA zuordnen und die Namen somit ganz an den Schluß. Los geht es übrigens mit Huguito, Dieguito und Luisito, weil Tick, Trick und Track in Argentinien so genannt werden. Die deutsche Wahrheit folgt immerhin bereits an dritter Stelle, allerdings noch nach den tschechischen Bezeichnungen Bulik, Dulik und Kulik (die werden zweite dank des internationalen Autokennzeichnens CZE). Am pragmatischsten sind wie immer die Japaner, die die englischen Namen in die schlichte Umschrift Hui, Dui und Rui gekleidet haben (das Japanische kennt in der gängigen Umschrift kein L, dafür sprechen sie das R am Gaumen so aus, daß es wieder fast wie L klingt – originelles Völkchen!).
Achtundzwanzig verschiedene Versionen bietet das Künstlerbuch, auf jeweils einer Doppelseite für die drei Namen, die als Versalien in Groteskschrift schön dick gedruckt sind. Mehr gibt es nicht im Buch außer einem Inhaltsverzeichnis, das die Sprachen auflistet: nichts als Tick, Trick und Track also, ein donaldistischer Traum, auch wenn man das holländische Kwik, Kwek und Kwak als vulgärdonaldistischen Albtraum deuten könnte – wie gerne werden Donaldisten von naiven Zeitgenossen mit „Quak, quak” begrüßt.
So also kommt der Titel von Ausstellung und Buch, „Internationalismus”, zustande, und die Mützen zieren als weiße Silhouetten wenigstens noch den schwarzen Leineneinband des Buchs (und als endlos wiederholte schwarze dessen Vorsatzpapiere), während Einladungskarte und Homepage (https://www.kunstverein-heilbronn.de/cms/front_content.php?idart=233) zur Ausstellung die drei Neffen unbehütet zeigen. Bis zum 30. Mai kann man noch versuchen, irgendwie nach Heilbronn zu gelangen, um sich sein eigenes Bild zu machen. Das Bild, das man mittels des Buches bekommt, ist aber auch nicht schlecht. Dreihundert Exemplare wurden nur gedruckt, und angesichts dieser Winzauflage ist es mit 29,80 Euro nicht einmal besonders teuer – obwohl man nicht mehr geboten bekommt als achtundzwanzigmal Tick, Trick und Track in unterschiedlichen Zungen. Meine Lieblingsversion? Das deutsche Original natürlich, wenn es mir ernst ist. Und wenn es scherzhaft gemeint sein soll, dann bitte Polnisch: Hyzio, Dyzio, Zyzio.