Was wird vom diesjährigen Comicsalon bleiben? Eine schöne Besucherzahl trotz zweier prächtiger Tage, aber vielleicht begünstigt durch fehlende Fußball-Fernsehkonkurrenz: 25.000 Menschen tummelten sich in den Sälen und Gängen, und angeblich ist der Besucher-Altersschnitt nach unten gegangen. Mag sein, aber wie die Veranstalter das feststellen wollten, wo doch vor allem am Samstag und Sonntag zahllose Verkleidete (Cosplayer, wie die besser Informierten sagen) die Hallen und vor allem den Laufsteg des Rathausplatzes füllten, denen man nur schwer unter die Stormtrooper-Maske oder die Druidenkapuze sehen konnte, das bleibt wohl ihr Geheimnis.
Eines aber darf man als Fazit zum Thema Verjüngung durchaus sagen: Um den Nachwuchs braucht man sich in der deutschen Zeichnerszene keine Sorge zu machen, wenn es nach den Erlanger Eindrücken geht. Auf der Empore im Foyer zur Heinrich-Lades-Halle waren schon zum dritten Mal die Stände jener deutschen Hochschulen konzentriert, an denen der Comic seinen Platz im Lehrprogramm der Illustrations- oder Filmklassen gefunden hat – eine eigentliche Comicprofessur gibt es natürlich weiterhin nicht -, und was da die Studenten aus Kassel, Hamburg, Augsburg, Leipzig, Hannover, Braunschweig, Dresden, Offenbach, Halle, Krefeld oder Kiel aufboten, war begeisternd. Nicht nur, daß die Stände meist mit großer Phantasie und Mühe gestaltet waren, sie boten auch hochambitionierte Siebdruck-Publikationen, Comichefte und -bücher, die als Diplomarbeiten angefertigt wurden, Poster, Trickfilme, Bilderbücher – und es war nur beklagenswert, daß so viele dieser schönen Objekte nicht auch direkt zu erwerben waren, weil sie ursprünglich nur in winzigen Stückzahlen hergestellt oder gar noch überhaupt nicht vervielfältigt wurden.
Aber dafür bieten die Comicanthologien der Hochschule Ersatz. Zwei seien aus dem aktuellen Angebot besonders herausgehoben: das auch mit dem Max-und-Moritz-Preis für studentische Publikationen geehrte „Strichnin” aus Augsburg, dessen zweite Nummer gerade erschienen ist, und das bereits zum dritten Mal sehr gelungene „Triebwerk” aus Kassel. Zu beziehen natürlich über die Hochschulen oder in ambitionierten Comicshops (aber die gibt es leider immer weniger).
Leider ist es fast nur an Hochschulen möglich, als Nachwuchskünstlerin oder -künstler eigene Comics günstig oder gar gratis drucken zu lassen. Fanzines gibt es kaum noch, neue Anthologien wie die auf monatliche Erscheinungsweise angelegte, in Erlangen erstmals vorgestellte Comiczeitung „Comix”, halten sich (mit der Ausnahme von persönlichen Lieblingen der Redaktion) lieber an bereits etablierte Künstler, um das breite Publikum zu erreichen. Der Qualität ist das natürlich nicht abträglich, aber wo bleibt der Platz für den Nachwuchs?
Im Netz. Und das hat eine Ausstellung im Erlanger Rathaus schön vorgeführt, die den Titel „Seelenstrips – Autobiographische Comic-Blogs aus Deutschland” trug. Der Untertitel ist ein Pleonasmus: Was sollten Blogs denn anders ein als autobiographisch? Das ist ihr Daseinszweck, selbst wenn man kommentiert und recherchiert. Es bleibt als Antrieb immer wieder das Bedürfnis. Etwas zu leisten, was man sonst im medialen Raum vermisst, und das wird natürlich durch die eigene Persönlichkeit legitimiert. Aber egal, es gab in „Seelenstrips” (dieser Name verdankt sich einer gerade erschienenen vierhundert Seiten fetten Anthologie n der Reihe „panikelektro” des rührigen Verlags Schwarzer Turm; es muß im Zweifelsfalle eben doch wieder ein gedrucktes Buch her, selbst bei Netzcomics) acht Zeichner und ihre Blogs zu bestaunen, die auf ganz unterschiedliche Weise über ihr Leben erzählen. Wer sie sich ansehen will: Es handelt sich alphabetisch geordnet um
“Beetlebum” von Johannes Kretzschmar (https://blog.beetlebum.de)
“Blattonisch” von Katja Klengel (https:///leafvangenova.myblog.de)
“Flausen” von Ulf Salzmann (https://www.flausen.net)
“Gestern noch” von Asja Wiegand (https://gesternnoch.blogspot.com)
“Heldentage” von Flix (https://www.der-flix.de)
“Paralleluniversum” von Ivo Kircheis (https://www.paralleluniversum.net)
“Witteks Gästeblog” von Wittek (https://wittek0815comix.de)
und “Zwarwald” von Leo Leowald (https://www.zwarwald.de)
In Erlangen waren sie alle in ihrem Natürlichen Umfeld zu besichtigen, also nicht als Ausdrucke, sondern als dauerhaft aktivierte Webseiten auf acht großen Apple-Bildschirmen, die den Besuchern die Möglichkeit der Erkundung verschafften. Dazu aber gab es acht flache Tischvitrinen, in denen die acht vertretenen Zeichnerinnen und Zeichner für sie wichtige Utensilien ausstellten – darunter immer noch verblüffend häufig Tusche, aber auch diverse Muntermacher wie Kaffee, Tee, Zigaretten oder Bier. Und selbstverständlich viele Skizzen, Entwürfe, Gelegenheitsabeiten, die bei der Arbeit am Blogcomic angefallen sind – und nicht wenige davon zeigte noch andere künstlerische Gesichter. Mit Flix ist ein Star des Betriebs dabei, Leowald und Wittek sind auch etabliert, Katja Klengel hatte ich erst vor einigen Monaten in Jena getroffen und in diesem Blog gepriesen, und ihre Kollegin Asja Wiegand darf für sich in Anspruch nehmen, auch als Illustratorin mit tollen Arbeiten in Erlangen vertreten gewesen zu sein, so dem von Mariko Albert geschriebenen Heft „Montagmorgen”.
Auf allen acht Blogs kann man Zeichner an der Arbeit an sich selbst beobachten und ganz nebenbei auch noch einiges über deren Alltag erfahren, auch wenn manches moderat fiktionalisiert sein dürfte. Die Frankfurter Buchmesse schreibt in diesem Jahr erstmals einen Sondermann-Preis für Webcomics aus. In Erlangen wird man darüber wohl bis zum nächsten Salon auch diskutieren. Für diejenigen, die sich dann nicht auf Bloglektüre beschränken wollen oder sie zumindest überprüfen wollen: Der Salon 2012 wird vom 7. bis zum 10. Juni laufen. Allerdings eine Warnung: Die Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine beginnt am 9. Juni 2012. Da sind wir also wieder bei einer alten Erlanger Tradition angelangt.
Komme erst jetzt dazu: Vielen...
Komme erst jetzt dazu: Vielen Dank für Ihren Bericht aus Erlangen!
Hinweis: beim Einpflegen des Links zu leafvangenova.myblog.de ist Ihnen ein Fehlerteufel in die URL reingehuscht.
Da es vielleicht leicht zu...
Da es vielleicht leicht zu Missverständnissen kommen kann, wollte ich nochmal explizit anmerken, dass in der Anthologie “Seelenstrips” insgesamt 30 (und damit wohl ein Großteil der Gesamtheit) autobiographische Webcomics aus Deutschland vorgestellt werden. Nur für die dazugehörige Ausstellung wurden die obigen 8 herausgepickt.